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Aletta Haniel war eine im ausgehenden 18. Jahrhundert in verschiedenen Geschäftsfeldern erfolgreich tätige Geschäftsfrau und eine der herausragenden Unternehmerinnen ihrer Zeit. Mit der umsichtigen Erziehung und kaufmännischen Ausbildung ihres Sohns Franz Haniel trug sie maßgeblich dazu bei, dass dieser zu einem der bedeutendsten Industriepioniere des 19. Jahrhunderts aufstieg.
Aletta Noot war das zweite von neun Kindern des Zollbesehers Jan Willem Noot und seiner Frau Catharina, geborene Erckenswick. Sie wurde am 12.3.1742 in Orsoy am Niederrhein (heute Stadt Rheinberg) geboren. Zwei Jahre nach ihrer Geburt zog die Familie nach Ruhrort (heute Stadt Duisburg). Hier wuchs Aletta auf. Sie verbrachte zwei Jahre in einem holländischen Pensionat, wo sie die französische Sprache lernte. Dies kam der 16-jährigen zugute, als sie während des Siebenjährigen Krieges ihrem vor französischer Geiselhaft geflohenen Vater zur freien Rückkehr verhalf. Sie verhandelte mit dem Oberbefehlshaber der französischen Rheinarmee, Marschall Marquis de Contades (1704-1795), der als Gegenleistung einen Kuss verlangte. Aletta kam diesem Wunsch nach und erreichte so ihr Ziel.
Am 17.11.1761 heiratete Aletta Noot den Duisburger Kaufmann Jacob Wilhelm Haniel (1734-1782). In ihrer 21-jährigen Ehe gebar sie elf Kinder, von denen nur vier das Erwachsenenalter erreichten. Elf Jahre lang lebte die Familie Haniel in Duisburg. 1772 zog sie nach Ruhrort, wo Jacob Wilhelm Haniel das Packhaus (Wohn- und Kontorhaus) des Schwiegervaters übernahm. Dieses hatte Jan Willem Noot 1756 errichtet und ein Lagerhaltungsgeschäft für die Kolonialwarenhändler der Region betrieben. Nach dem Tod ihres Mannes 1782 führte Aletta Haniel den Weinhandel und den allgemeinen Speditions- und Kommissionshandel unter dem Firmennamen J. W. Haniel seel. Wittib weiter (= Witwe des verstorbenen Haniel). Dabei wurde sie zunächst von ihrem jüngeren Bruder Samuel unterstützt. Ab 1790 arbeiteten Sohn Wilhelm (1764-1819) und ab 1796 die Söhne Gerhard (1774-1834) und Franz im Geschäft der Mutter.
1790 übernahm die Firma J. W. Haniel seel. Wittib, die durch Wilhelm Haniel vertreten wurde, den Kohlenabsatz für die Firma J. G. Müser & Comp. Auch Alettas Bruder Diederich Walter beziehungsweise dessen Sohn Peter Heinrich waren daran beteiligt. Aufgabe der Kompanie war es, Kohlen aus der Grafschaft Mark über die Ruhr nach Ruhrort zu verschiffen und über den Rhein abzusetzen.
1792 übernahm Aletta die Spedition von Eisenwaren der Hütte St. Antony bei Osterfeld (heute Stadt Oberhausen) in Kommission für ein Rotterdamer Handelshaus. Bis 1795 kamen Geschäfte mit den benachbarten Hütten Neu-Essen und Gute Hoffnung hinzu. Später kauften ihre Söhne Franz und Gerhard zusammen mit den Schwägern Gottlob Jacobi (1770-1838) und Heinrich Arnold Huyssen (1779-1870) diese drei Hütten auf und vereinigten sie zur Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen. Aus dieser wurde 1873 die Gutehoffnungshütte (GHH).
Der Wandel ihrer Geschäftstätigkeit schlägt sich auch darin nieder, dass sie bis Mitte der 1790er Jahre als „Weinhändlerin" galt, während man ihr Geschäft danach mit Hinweis auf die Eisenwaren meist als „Spedition" bezeichnete. 1796 wurde Aletta Haniel Teilhaberin an der Kohlenhandelsgesellschaft J. G. Müser & Comp. Sie war auch weiterhin für den Kohlenabsatz zuständig. Mit dem Eisenwaren- und Kohlengeschäft erschloss Aletta Haniel neue Handelswege in den Westen. Eisenwaren und zunehmend auch Kohle setzte sie vor allem in den Niederlanden ab. Als Vertreter ihrer Firma in der Gesellschaft mit Müser trat seit 1796 Sohn Gerhard auf.
1800 erwarb Aletta Haniel von ihren Geschwistern das Ruhrorter Packhaus mit Zubehör. Dafür zahlte sie 4.500 Taler. Im selben Jahr gelang es ihr durch ein Schreiben an den preußischen König Friedrich Wilhelm III. (Regentschaft 1797-1840), gegen den Widerstand der alt eingesessenen Ruhrorter Kohlenhändler, einen Platz zum Ablegen ihrer Eisenwaren direkt an der Ruhr zu erlangen.
1802, im Alter von 60 Jahren, machte Aletta Haniel ihre Söhne Gerhard und Franz zu Teilhabern an ihrer Firma. Schließlich zog sie sich 1809, nach 27 Jahren als Geschäftsfrau, zurück. Die Firma J. W. Haniel seel. Wittib erlosch und wurde unter ihren Söhne Gerhard und Franz aufgeteilt. Aletta Haniel starb am 11.5.1815 im Ruhrorter Packhaus an „Entkräftung". Sie wurde 73 Jahre alt. Wie groß das Ansehen Aletta Haniels bei ihren Söhnen war, wird in Franz Haniels Biographie immer wieder deutlich.
Literatur
Franz Haniel & Cie. GmbH (Hg.), Haniel 1756-2006. Eine Chronik in Daten und Fakten, Duisburg-Ruhrort 2006.
Herzog, Bodo / Klaus J. Mattheier, Franz Haniel 1779-1868. Materialien, Dokumente und Untersuchungen zu Leben und Werk des Industriepioniers Franz Haniel, Bonn 1979.
James, Harold, Familienunternehmen in Europa: Haniel, Wendel und Falck, München 2005.
Spethmann, Hans, Franz Haniel. Sein Leben und seine Werke, Duisburg-Ruhrort 1956.
Online
Die Haniel Geschichte 1756-2008 (Konzern-Chronik auf der Homepage des Haniel-Konzerns).
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Kirchner, Ulrich, Aletta Haniel, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/aletta-haniel/DE-2086/lido/57c8267f3d1936.09001089 (abgerufen am 19.08.2024)