Zu den Kapiteln
Eberhard Edler von Groote zu Kendenich war ein Mann von hoher Bildung und beachtlichem Engagement auf politischem, sozialem und literaturwissenschaftlichem Gebiet, der in seine vielfältigen Aktivitäten ein enormes Maß an Lokalpatriotismus einbrachte und so die Geschicke seiner Vaterstadt Köln maßgebend mitbestimmte.
Von Groote wurde als ältester Sohn des Oberpostmeisters Everhard von Groote (1756-1820) und dessen Ehefrau Henriette Becker (1759-1815) am 19.3.1789 in Köln geboren. Seine Kinderzeit verbrachte er bis zum Einmarsch der französischen Besatzer im Jahre 1794 in Köln, danach in Emigration in Arnsberg und Siegen. Dort erhielt er Privatunterricht durch den mit der Familie von Groote emigrierten „Hausgeistlichen“. Nach seiner Rückkehr besuchte von Groote von 1807 an die Sekundärschule in Köln, in der unter anderem der letzte Rektor der aufgelösten Kölner Universität, Ferdinand Franz Wallraf, sein Lehrer war, anschließend die juristischen Privatvorlesungen von Professor Jakob Hamm (1745-1831). Von 1809 bis 1811 studierte er gemeinsam mit seinem Bruder Joseph (1791-1866), dem späteren Kanzler des Kölner Erzbistums, in Heidelberg Rechts- und Geisteswissenschaften. Angeregt durch die Vorlesungen des Professors Georg Friedrich Creuzer (1771-1858), schrieb er im Anschluss an seine Studienzeit das philosophische Werk „(Faust’s) Versöhnung mit dem Leben“ (1816), dem schon kleinere philosophische Betrachtungen und Gedichte vorangegangen waren. Als Mitherausgeber des „Taschenbuch[s] für Freunde altdeutscher Zeit und Kunst“ schaffte er sich, ebenfalls 1816, eine Plattform zur Veröffentlichung eigener Gedichte. Bedeutende zeitgenössische Germanisten und Autoren, wie zum Beispiel Jacob Grimm (1785-1863), Joseph Görres, Friedrich von der Hagen (1780-1856) und Max von Schenkendorf (1783-1817) hatten Beiträge zu diesem Taschenbuch geliefert.
Nach kurzer Lehrtätigkeit an der „Propädeutischen Höheren Lehranstalt“ in Köln Anfang 1815, meldete sich von Groote als Freiwilliger bei der preußischen Armee, mit der er nach dem Sieg bei Waterloo im Juni 1815 in Paris einmarschierte. Dort avancierte er mit Vollmacht des Feldmarschalls Fürst Gebhard Leberecht Blücher von Wahlstatt (1742-1819) zu einem der für manchen Franzosen nicht eben beliebten, sondern gefürchteten und gehassten Männer bei der Requisition und Rückführung der in ganz Europa geraubten Kunstgegenstände. Mit einer Kompanie pommerischer Landwehr besetzte er den Louvre und beschlagnahmte Gemälde berühmter Meister, wie zum Beispiel die „Kreuzigung Petri“ von Peter Paul Rubens aus der Kölner Pfarrkirche St. Peter und „Das jüngste Gericht“ von Jan van Eyck (um 1390-1441) sowie Statuen, geschnittene Steine, Münzen, Medaillen, Bronze- und Marmorarbeiten, ferner eine 52 Bände umfassende Sammlung bedeutender Kupferstiche aus der Bibliothek des Kölner Jesuitenkollegs. Der Rücktransport der requirierten Kunstwerke geschah sukzessive mit Militärfahrzeugen. So war das Rubensgemälde „Kreuzigung Petri“ mit dem ersten Transport nach Köln abgegangen und wurde dort am 18.10.1815 mit einer großen Feier in Empfang genommen. Seitdem befindet es sich wieder in St. Peter in Köln.
Die Rückholung der nach Paris verschleppten Kunstgegenstände brachte von Groote schon zu Lebzeiten Lob und Anerkennung ein. Die „Kölnische Zeitung“ stellte gleich nach seiner Rückkehr aus Paris seine edlen Verdienste heraus und Sulpiz Boisserée (1783-1854) erkannte darin von Grootes großes, wichtiges Lebensverdienst. Friedrich Mering (1799-1861), der 1839 die Geschichte der Stadt Köln schrieb, sah von Grootes Namen durch die Rückholaktion als für alle Zeiten unvergeßlich an.
In Köln zurück, schaltete sich von Groote in den Streit der Städte Köln und Bonn um den Sitz der vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. (Regentschaft 1797-1840) dem Rheinland zugesagten Universität ein. Mit insgesamt fünf Stellungnahmen ist er, zunächst noch mit Unterstützung Wallrafs, für die Neuerrichtung der Universität in Köln eingetreten, allerdings ohne Erfolg, weil diejenigen geschwiegen, welche reden sollten, und meine Stimme allein hier nicht stark genug war. Mit der Stiftungsurkunde vom 18.10.1818 ernannte der König Bonn zur Universitätsstadt.
Parallel zu seinen Bemühungen um den Verbleib der Kunstsammlung der Brüder Sulpiz (1783-1854) und Melchior (1786-1851) Boisserée, die schließlich das Fundament der Münchener „Alten Pinakothek“ konstituierte, die Bildung einer „Zentralkommission für Kunst“ und eines Rheinischen Museums für Köln, die alle ohne Erfolg blieben, setzte sich von Groote für die Sammlung Wallrafs ein. Diese lag zerstreut in verschiedenen Räumen in Wallrafs Wohnung. Sie umfasste rund 800 Gemälde, 12.000 Kupferstiche und 1.000 Handzeichnungen bedeutender Meister. Von Groote ließ sich von der Stadt beauftragen, die Sammlung zu ordnen und zu katalogisieren. Nicht zuletzt seinem Einfluss ist es zu danken, dass Wallraf sie 1818 der Stadt vermachte, wo sie zur Basis für das heutige Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud wurde. Von 1816 an war von Groote als Assessor bei der Kölner Bezirksregierung tätig, schied aber 1827 nach langem Kampf um seine Beförderung, für die er neben dem Staatskanzler Karl August Fürst von Hardenberg (1750-1822) auch König Friedrich Wilhelm III. persönlich in Anspruch nahm, wegen Nichterfüllung der Laufbahnvoraussetzungen resigniert aus. Seine Implikation in die Demagogenverfolgung seines Freundes Joseph Görres im Jahre 1819 brachte von Groote einen Verweis seines Vorgesetzten und Förderers, des Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Friedrich Ludwig Graf zu Solms-Laubach (1769- 1822), ein. Wie bei der Kölner Regierung blieben auch seine Bemühungen um das Amt des Kölner Oberbürgermeisters, das einige seiner Vorfahren über viele Jahre hindurch innehatten, erfolglos. Maria Franz Jacob von Groote (1721-1792), mit Unterbrechungen Bürgermeister von 1756 bis 1790, und dessen Bruder, Everhard Anton Jacob Baltasar (1718-1796), waren die Stifter der jetzigen im Barockstil auf dem Elendsfriedhof „An St. Katharinen“ erbauten Kirche, deren Grundstein 1765 gelegt worden war und die heute vielen Kölnern als „Von Grootesche Familienkirche“ oder „Elendskirche“ bekannt ist.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit edierte von Groote in der Zeit von 1816 bis 1821 Gottfrieds von Straßburg „Tristan mit der Fortsetzung Ulrichs von Türheim“, wofür er 1834 mit der Verleihung der Doktorwürde honoris causa der Universität Bonn geehrt wurde, schrieb 1822/1823 den Text für das von Friedrich Schneider (1786-1853) komponierte Oratorium „Die Sündfluth“ und bereitete 1827 die Edition von Pleiers „Tandareis und Flordibel“ vor. Weitere Editionen, „Des Meisters Godefrit Hagen, der Zeit Stadtschreibers, Reimchronik der Stadt Köln“ (1834), die „Lieder Muskatbluts“ (1853), „Des Stadt-Secretarius Christianus Wierstraat Reimchronik der Stadt Neuss“ (1855) sowie „Die Pilgerfahrt des Ritters Arnold von Harff“ (1860) folgten.
Von 1830 bis 1851 war von Groote Präsident der Kölner Armenverwaltung. In seine Amtszeit fällt der Bau des Kölner Bürgerhospitals in Nähe des Neumarkts, das im Jahre 1850 384 Invaliden und 292 Kranke beherbergte. Teil der Armenverwaltung war die Gründung und Unterhaltung einer Sparkasse, aus der die heutige Sparkasse KölnBonn hervorging. Reichten die Mittel der Armenverwaltung nicht aus, stand die Stadt Köln für den Fehlbetrag ein, der im Jahre 1848 rund 30 Prozent des städtischen Etats ausmachte, ohne irgendeinen Einfluss auf das Finanzgebaren der Armenverwaltung nehmen zu können, da diese der Aufsicht der Bezirksregierung unterstand.
Von 1826 bis 1845 war von Groote Abgeordneter des Rheinischen Provinziallandtags, bis 1830 als Stellvertreter und von 1843 an als Vize-Landtagsmarschall. Außerdem war er Kreisdeputierter für den Landkreis Köln und von 1831 bis 1850 Stadtrat in Köln.
Im Jahre 1839 konstituierte sich unter Führung von Grootes der Kölnische Kunstverein, dessen Präsident er zehn Jahre lang war. Von herausragender Bedeutung für Köln war von Grootes Engagement für den Fortbau des Kölner Doms. Mit dem Artikel „Der Dombau zu Köln“, der im März 1834 in der „Kölnischen Zeitung“ erschien, rief er als erster zur Gründung eines Dombauvereins zur Finanzierung der Baukosten auf. Gemeinsam mit dem Vorstand des Kunstvereins und weiteren einflussreichen Kölner Bürgern war er 1842 Mitbegründer des Kölner „Zentral-Dombau-Vereins“, dem er bis 1855 als Vorstandsmitglied angehörte.
Im Jahre 1834 kaufte von Groote die vom Deutschen Orden im 13. Jahrhundert errichtete Burg Hermülheim und ließ sie umbauen. Vorerst als Sommersitz neben seiner Wohnung in der Kölner Glockengasse genutzt, wählte er sie nach Aufgabe aller Ämter zum Hauptwohnsitz. 1964 ist die Burg von ihrem neuen Eigentümer, der Gemeinde (seit 1978 Stadt) Hürth, abgerissen worden. Erhalten blieben der Torbogen an der Hauptzufahrt zum ehemaligen Burggelände und die Brücke, die den Wassergraben um die Burg querte.
Eberhard von Groote, der 1818 Franziska von Kempis (1797-1868) geheiratet und mit ihr elf Kinder hatte, starb 75-jährig am 15.4.1864 an einem organischen Herzfehler. Er wurde in der Familiengruft von Kempis auf dem Kölner Melaten-Friedhof beigesetzt.
Werke
Virginia. Tragödie, 1815.
(Faust’s) Versöhnung mit dem Leben, 1816.
Taschenbuch für Freunde altdeutscher Zeit und Kunst, 1816.
Tristan von Meister Gotfrit von Straszburg mit der Fortsetzung des Meisters Ulrich von Turheim, 1821 (Edition).
Zeit und Kunst. Altdeutsche, 1822.
Die Sündfluth, 1824.
Des Meisters Godefrit Hagen Reimchronik der Stadt Köln, 1834 (Edition).
Das Waisenhaus zu Köln am Rheine, 1835.
Lieder Muskatblut’s, 1853 (Edition).
Des Stadt-Secretarius Christianus Wierstraat Reimchronik der Stadt Neuss, 1855 (Edition).
Die Pilgerfahrt des Ritters Arnold von Harff, 1860 (Edition).
Literatur
Spiertz, Willi, Eberhard von Groote. Leben und Werk eines Kölner Sozialpolitikers und Literaturwissenschaftlers (1789-1864), Köln [u.a.] 2007.
Giesen, Adolf, Eberhard von Groote. Ein Beitrag zur Geschichte der Romantik am Rhein, Gladbach/Rheydt 1929.
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Spiertz, Willi, Eberhard von Groote, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/eberhard-von-groote/DE-2086/lido/57c6d7610db7d3.72713715 (abgerufen am 19.08.2024)