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Der niederrheinische Publizist und Aufklärer kämpfte gegen Dogmatismus und Orthodoxie und für die Suche nach der Wahrheit - eine Verpflichtung, die er aus seiner Auffassung vom Menschen als ein Wesen ableitete, das durch Verstand ausgezeichnet sei und diesen auch gebrauchen müsse.
Engelbert vom Bruck wurde am 17.2.1739 in Elberfeld (heute Stadt Wuppertal) geboren. Sein Vater Engelbert vom Bruck (1711-1756) war Schuster und Hilfslehrer, seine Mutter Maria Katharina geborene Wichelhaus (1721-1758). Ihren Großvater, Heinrich Wichelhaus (1666-1712), soll der rheinische Mystiker Gerhard Tersteegen in einer Schrift aufgeführt haben.
Das bergische Land war im 18. Jahrhundert in religiöser Hinsicht von sektierischen Bewegungen geprägt. In und um Elberfeld, dessen Einwohner, wie vom Bruck, vorwiegend der reformierten Konfession angehörten, bildeten sich religiöse Vereinigungen, in denen sich, wie der Aufklärer in seiner „Selbstbiographie“ darlegt, Mystizismus und Pietismus breitmachten und mit der Ronsdorfer Sekte und deren Zionsvater Elias Eller ein religiöser Fanatismus vertreten war, den er verurteilte: Dadurch würden Vorurteile und bigotte Begriffe verbreitet.
Als Engelbert vom Bruck nach Lehrjahren in Elberfeld und Duisburg 1768 nach Krefeld kam, wo er die Mennonitin Maria Heskes (1743-1794) heiratete, 1772 Bürger und Buchhalter in der Weltfirma von der Leyen wurde, begann er, sich mit Publikationen für die Ausbreitung der Vernunft in den niederrheinischen Regionen ‚gemeinnützig‘ zu machen.
In der Weseler Zeitschrift „Der Gemeinnützige“ veröffentlichte er Erläuterungen zu philosophischen Begriffen, die er sich als Autodidakt durch prüfendes Nachdenken und Lektüre erarbeitet hatte und nun einem ähnlich eingestellten Publikum als Orientierungshilfe weitergeben wollte. Die Bestimmung der Aufklärung durch Immanuel Kant (1724-1804), aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit herauszutreten und sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen, war ihm eine Leitlinie auch bei seiner Auseinandersetzung mit der kirchlichen Orthodoxie.
Entscheidenden Einfluss hatte dabei seine Begegnung mit Krefelder Mennoniten. Die Mennoniten hatten hier seit 1607 eine Zufluchtsstätte gefunden. Krefeld war unter oranischer Herrschaft (1601-1702) eine Enklave der Religionsduldung. Der Pädagoge Johann Heinrich Campe (1746-1818), der 1789 die Stadt besuchte, bezeichnete die Mennoniten als die freieste Religionsgesellschaft überhaupt, die zur Richtschnur ihres Glaubens nichts als die Bibel und ihr eigenes Gewissen nähmen.
Vom Bruck griff dann streitend zur Feder, wenn eine Synode, ein Konsistorium die Wahrheitssuche des einzelnen Christen bevormundete und verurteilte, was 1775 geschah, als die vor der Moerser Kirchenversammlung gehaltene Predigt des Krefelder reformierten Geistlichen Jonas Heilmann (1738-1805) als ketzerisch beurteilt wurde. Entgegen der Anordnung des preußischen Königs, den darüber geführten Briefdisput nicht öffentlich zu machen, wurden die Predigt Heilmanns und begleitende Materialien von Abraham ter Meer, dem mennonitischen ersten Verleger Krefelds, unter der Verlagsortsangabe “Deutschland 1777“ anonym herausgegeben und von vom Bruck mit einer „Abhandlung über den Wert der Symbolen zur Beförderung der Toleranz“ begleitet. Darin deutete er die Symbole, die kirchlichen Lehrbücher, als Richtlinien des Christen, um durch deren Überprüfung die eigene Wahrheit zu finden. Als 1775 der Elberfelder Arzt und Goethefreund Johann Heinrich Jung (genannt Jung-Stilling, 1740-1817) mit der Schrift „Schleuder eines Hirtenknaben“ den Roman „Sebaldus Nothanker“ heftig attackierte, in dem der Berliner Friedrich Nicolai (1733-1811) die orthodoxe Geistlichkeit verspottet hatte, antwortete vom Bruck mit einer leidenschaftlichen Gegenschrift. Ein weiterer literarischer Schlagabtausch zwischen den beiden folgte. Dieser Federkrieg mit Jung-Stilling machte vom Bruck am Niederrhein so bekannt, dass August Wilhelm Cranz (1737-1801) in seiner „Gallerie der Teufel“ ihn 1777 pries und Krefeld und Elberfeld in den Rang von Städten erhob, in denen man Literaturliebe, wachsendes Wissenschaftsinteresse und kontroversierende Schriftsteller fände.
Mit der Biographie des niederländischen Stifters der Remonstranten Jakob Arminius (1560-1609), der die Lehre von der Vorherbestimmung des Menschen verdammte, vertiefte vom Bruck die Auseinandersetzung um die Freiheit des Christen. In der Düsseldorfer Zeitschrift „Der Freund der Wahrheit und des Vergnügens am Niederrhein“ erschien im September 1777 ein Fragment dieser Schrift, das der Redakteur Bauer aus Angst vor der Zensur stark verändert hatte.
1781 meldete sich vom Bruck erneut zu einem Aufruhr lutherischer Christen im Herzogtum Jülich-Berg gegen ihre Synode zu Wort mit der Schrift „Über Gewisssensfreyheit“. Die Synode hatte verkünden lassen, dass Christen, die dem Abendmahl und sonntäglichem Kirchgang fernblieben, mit kirchlichen und weltlichen Strafen belegt würden. Vom Bruck plädierte als Aufklärer für ein Christsein, das sich die Freiheit zu denken vorbehielt. Ebenso trat er für Kenntnisvermehrung ein. Als der Verfasser der „Neuen Erdbeschreibung“, Anton Friedrich Büsching (1724-1793), in der Vorrede über mangelnde Informationen aus den westfälischen und niederrheinischen Gegenden klagte, schickte vom Bruck ihm Beiträge, die in die fünfte Auflage 1771 aufgenommen wurden
Ein weiterer Weg sich zu Wort zu melden, war für ihn der Briefwechsel mit bedeutenden Männern. Hierbei wählte er als Einstieg das in der Aufklärung zur Blüte gekommene Instrument der literarischen Kritik. So schickte er dem Düsseldorfer Gelehrten Friedrich Heinrich Jacobi 1773 kritische Bemerkungen zu seiner neuen Ausgabe des „Agathon“ von Christoph Martin Wieland (1733-1813) und teilte Friedrich Nicolai offene Worte über sein Rezensionsorgan „Allgemeine Deutsche Bibliothek“ mit. Mit ihm blieb er von Februar 1769 bis Februar 1809 im Briefaustausch. Am 10.7.1795 schrieb vom Bruck einen anonymen Brief an Friedrich Schiller (1759-1805), in dem er sich über die nicht verwirklichte Verständlichkeit der „Horen“ für den Gemeinsinn, die Schiller in der Ankündigung der Zeitschrift versprochen hatte, beklagte. Erst 1931 wurde vom Bruck als Briefverfasser ermittelt. Zu seinen Briefpartnern gehörten ebenso der Pädagoge Johann Bernhard Basedow (1724-1790), der Duisburger Geistliche Johann Gerhard Hasenkamp (1736-1777), die umstrittenen Professoren Karl Friedrich Bahrdt (1724-1790) sowie Eulogius Schneider (1756-1794). Vom Bruck war engagiertes Mitglied der Krefelder Freimaurerloge und tragender Mitarbeiter der in Krefeld aufblühenden Zeitschriften und Zeitungen.
Als das linksrheinische Rheinland 1794 unter französische Herrschaft kam, trat vom Bruck für einen Patriotismus ein, der von Toleranz gegenüber jeder politischen Einstellung geprägt sein sollte. Dies wurde ihm von Krefeldern als Republikanismus ausgelegt, von anderen als Utopismus, wie von dem Rezensenten in der „Neuen Allgemeinen Bibliothek“, der vom Brucks 1798 gehaltene „Rede über Patriotismus und Toleranz“ besprach. Die Texte des Krefelders waren bereits seit 1775 in der „Allgemeinen deutschen Bibliothek“ und weiteren Zeitschriften beurteilt worden. 1786 wurde er in „Das gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller" von Georg Christoph Hamberger und Johann Georg Meusel aufgenommen.
Engelbert vom Bruck starb am 22.3.1813 in Krefeld.
Er bleibt von Bedeutung als niederrheinischer Publizist, der die Lehren der Aufklärung in einer für die dortigen Leser verständlichen Sprache weitergab. Seine Texte sind ein Zeugnis für den geistigen Mut, der in der religiösen Freistätte Krefeld möglich war, und geben einen Eindruck von dem Feuer einer Wahrheitssuche, die er an die Menschen des Niederrheins weitergeben wollte.
Werke (Auswahl)
Anmerkungen über die Schleuder eines Hirtenknaben dem verständigen Publikum zur Einsicht mitgeteilt, Crefeld 1775.
D. Anton Friderich Büschings Neue Erdbeschreibung, III, 1. Dritter Teil (Deutsches Reich). Fünfte vermehrte Auflage, Hamburg 1777, Zusätze und Beiträge zu: Herzogtum Kleve, S. 642-668; Herzogtümer Jülich und Berg, S. 705-734; Fürstentum Moers, S. 859-864; Anhang von dem preußischen Anteil am Herzogtum Geldern, S. 864-86; Das Erzstift Köln S.1076–1102.
Der Familienfreund. Eine Monatsschrift zur sittlichen Bildung und Vervollkommnung des Menschen, hg. v. Johannes Lang, Neuwied und Krefeld, Jahrgang 1787 Band 1, S. 85-114: Über den Einfluß der schönen Wissenschaften auf das Wohl der Menschheit; Jahrgang 1788 Band 2, S.102-130: Muß der Mensch auch bäten?, Band 4, S.1-37: Über Schwärmerey und Philosophie in einem Brief an einen Glaubensfreund.
Crefelder Wochenblatt, Krefeld 1807-1810; Jahrgang 1807, ab Nr. 11: Über Tugend und Laster in 5 Fortsetzungen; Jahrgang 1808, Nr. 58: Moral, Nr. 59: Philosophie.
Selbstbiographie (geschrieben zwischen 1807 und 1812).
Quellen
Der Briefwechsel des Aufklärers Engelbert vom Bruck 1762-1812, bearb. von Ursula Broicher, Krefeld 2006.
Literatur
Gerbeth, Alfred, Engelbert vom Bruck als Aufklärer und Publizist, Krefeld 1935.
Klausmeier, Friedrich, Engelbert vom Bruck. Ein Beitrag zur Geschichte der Popularaufklärung in den weltlichen Territorien des Niederrheins, Köln 1949.
Föhl, Walther, Das Werk des Krefelder Lebensphilosophen Engelbert vom Bruck, in: Die Heimat (Krefeld) 27 (1956), S.170-182.
Vinke, Rainer, Jung-Stilling und die Aufklärung. Die polemischen Schriften Johann Heinrich Jung-Stillings gegen Friedrich Nicolai (1775/76), Stuttgart 1987.
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Broicher, Ursula, Engelbert vom Bruck, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/engelbert-vom-bruck-/DE-2086/lido/57c5895c24ce35.10030475 (abgerufen am 19.08.2024)