Zu den Kapiteln
Ernst Friedrich Zwirner war im 19. Jahrhundert der erste Dombaumeister nach der Unterbrechung der Arbeiten am Kölner Dom im Jahre 1560. Seine als freier Architekt errichteten Bauten zeigen ihn als Vertreter eines neugotischen Historismus.
Der am 28.9.1802 in Jacobswalde im oberschlesischen Landkreis Cosel geborene Ernst Friedrich Zwirner war das vierte von zwölf Kindern des Ernst Friedrich Traugott Zwirner (1770-1841), eines evangelischen Hüttenbeamten des Fürsten von Hohenlohe, und seiner Frau Eleonore Helene Marianne Augustini (1777-1839). Nach dem Besuch des Gymnasiums in Brieg von 1816 bis 1819 und der Bauschule in Breslau leistete er 1821 seinen Wehrdienst als Einjährig-Freiwilliger. Seine erste Anstellung erhielt er 1822 als Vermessungskondukteur bei der Regierung in Breslau, sodass es wahrscheinlich ist, dass er bereits zuvor die Prüfung als Feldmesser abgelegt hatte. Wohl zwischen 1823 und 1828 studierte er an der königlichen Bauakademie und an der Universität in Berlin.
Beschäftigung fand er nach 1828 bei der Berliner Oberbaudeputation. Hier arbeitete er zunächst als Hilfsarbeiter und Schüler Karl Friedrich Schinkels (1781-1841), der 1830 zum Leiter der Oberbaudeputation aufstieg. Zwirner hatte zunächst die von der Kontrollbehörde verordneten Korrekturen an den ihr vorgelegten Plänen auszuarbeiten. Rasch jedoch zog ihn Schinkel zu anderen Arbeiten heran. Nach Schinkels Entwürfen erbaute Zwirner zwischen 1829 und 1831 das Rathaus in Kolberg. Er selbst entwarf die dortige reformierte Kirche, die 1834 vollendet wurde, und die ebenfalls 1834 errichtete Börse in Stettin. Nachdem Zwirner 1830 sein Studium mit dem Examen zum Landbaumeister abgeschlossen hatte, wurde er zum ständigen Mitarbeiter bei der Oberbaudeputation ernannt. Zwischen 1832 und 1834 entstand nach Plänen Zwirners und Wilhelm Heinrich Matthias‘ (gestorben 1846) das Hauptgebäude der Universität Halle-Wittenberg in Halle.
Als in Köln der preußische Bauinspektor Friedrich Adolf Ahlert (1788-1833) starb, der für die Restaurierungsarbeiten am unvollendeten mittelalterlichen Kölner Dom zuständig gewesen war, erhielt Zwirner dessen Stelle. Im Mai 1833 zog er nach Köln und übernahm am 14.8.1833 die Leitung der Arbeiten am Dom. Diese bestanden vornehmlich in der Organisation der Domhütte, der bildnerische Ausschmückung des Doms und der Wiederherstellung des Chores.
Neben seiner Tätigkeit im Staatsdienst übernahm Zwirner gerne und oft Arbeiten für private Bauherren. Eines der bedeutendsten Projekte war der Entwurf und die Errichtung der Apollinariskirche bei Remagen zwischen 1839 und 1843 im Auftrag von Franz Egon von Fürstenberg-Stammheim (1797-1859). Anstelle der Kirche aus dem 14. Jahrhundert entstand ein neugotischer Bau, dessen zahlreiche Wandflächen von Vertretern des Nazarener-Stils ausgemalt wurden.
Ein kleiner, aber interessanter Auftrag war die Wiederherstellung des im Dezember 1839 eingestürzten Rolandsbogens bei Remagen. Der zu dieser Zeit in Unkel wohnende Dichter Ferdinand Freiligrath hatte im Januar 1840 einen Spendenaufruf in Versform veröffentlicht, der eine große Resonanz hervorrief. Wohl auf Vermittlung von Sybille Mertens-Schaaffhausen (1797-1857) engagierte sich Zwirner bei diesem Projekt und sorgte für eine umfassende Restaurierung des romantischen Denkmals.
Als ein nationales Denkmal wurde indes in der vom Mittelalter begeisterten Zeit der Romantik der Kölner Dom gesehen. Die Fertigstellung des unvollendeten Kirchenbaus erhielt im 19. Jahrhundert gar eine neue Bedeutung als Symbol für die nationale Einheit Deutschlands. Der Fund der Originalbaupläne des Mittelalters 1814/1816 hatte das Bestreben nach der Vollendung des Dombaus beflügelt und löste ein langjähriges, beharrliches Werben dafür aus. Auf Initiative kölnischer und rheinischer Persönlichkeiten, darunter Sybille Mertens-Schaaffhausen, Sulpiz Boisserée (1783-1854), Joseph Görres, Johann Maria Farina, und August Reichensperger, ging die Gründung des „Dombau-Vereins“ in Köln 1840/1841 zurück, dessen Ziel die Mitwirkung an der Erhaltung und dem Fortbau des unvollendeten Kirchenbaus „nach dem ursprünglichen Plane“ war. Am 12.1.1842 ordnete der preußische König Friedrich Wilhelm IV. (Regentschaft 1840-1858) die Vollendung des Doms an. Dem Geheimen Regierungsrat Joseph von Eichendorff (1788-1857) wurde zunächst das Dezernat „Bau und Reparaturen am Dom zu Köln“ übertragen. Auch Zwirner selbst war für das Projekt eingetreten und hatte an der öffentlichen Diskussion mit einer Publikation unter dem Titel „Vergangenheit und Zukunft des Cölner Dombaues“ (1842) teilgenommen. Mit seiner Ernennung zum Regierungs- und Baurat bei der Regierung Köln im Mai 1842 unterstand er direkt der Oberbaudeputation, nach deren Auflösung 1849 direkt dem Ministerium in Berlin. Auf Grund der gewaltigen Aufgabe wurde Zwirner bald von allen anderen Tätigkeiten freigestellt.
Nach der Entscheidung für den Weiterbau begannen noch im gleichen Jahr die Arbeiten. Bereits am 4.9.1842 legten der protestantische preußische König Friedrich Wilhelm IV. und der Koadjutor und spätere Erzbischof Johannes von Geissel den Grundstein zum Südportal und damit für den Weiterbau des Doms.
Nachdem über den Weiterbau selbst entschieden worden war, gab es jedoch noch Unstimmigkeiten über die Ausführung der Bauarbeiten. Sie bestanden zunächst in der Frage, ob die notwendigen Mittel für das Strebewerk aufgebracht werden konnten. Über die von Zwirner entworfene kostensparende Variante der Querhausfassaden brach ein Konflikt aus. Der Dombauverein bestand auf der genauen Umsetzung des mittelalterlichen Originalplans und schaffte es, die dafür erforderlichen Geldsummen bereitzustellen. Zur Sechshundertjahrfeier der Grundsteinlegung des Doms 1848 war das Längshaus bis zur Höhe der Einwölbung fertiggestellt, die Bedachung des ganzen Gebäudes und die Fertigstellung des Vierungsturms erfolgte 1860.
Neben seiner Arbeit für den Dombau war Zwirner weiterhin als freier Architekt tätig, hauptsächlich im Rheinland. So erbaute er unter anderem für Franz Egon Graf von Fürstenberg-Herdringen (1818-1902) zwischen 1844 und 1853 das neue Schloss Herdringen. In Bad Hönningen errichte er 1845 Burg Ariendorf und leitete von 1849 bis 1855 den Umbau von Schloss Arenfels. 1854 führte er die neugotische Ummantelung von Schloss Moyland durch. 1859-1861 errichtete er die 1938 zerstörte Synagoge in der Kölner Glockengasse. Kleinere Arbeiten waren die Pläne für den Mäuseturm bei Bingen 1856-1858 und das Landsturmdenkmal auf dem Drachenfels 1857.
Zwirner starb vor Vollendung des Doms am 22.9.1861 in Köln. Sein Grab befindet sich auf dem Melaten-Friedhof. Sein Stellvertreter und Nachfolger als Dombaumeister, Karl Eduard Richard Voigtel (1829-1902), leitete die Bautätigkeit und den Aufbau der Türme bis zur Vollendung im Jahr 1880.
Zu Leben und Werk Zwirners ist bisher weder eine wissenschaftliche Biographie erschienen noch existiert ein Gesamtverzeichnis seiner Bautätigkeit. Inwieweit die Forschungen durch den Einsturz des Kölner Stadtarchivs am 3.3.2009 beeinträchtigt worden sind, lässt sich kaum abschätzen.
Quellen
Das Historische Archiv der Stadt Köln verwahrte unter seinen Nachlässen und Sammlungen einen unerschlossenen Bestand Zwirner (Bestand 1113); Akten aus der Tätigkeit Zwirners als Dombaumeister sind im Dombauarchiv zu finden.
Literatur
Beuckers, Klaus Gereon, Der Kölner Dom, Darmstadt 2004.
Custodis, Paul-Georg/Pauly, Stephan, Apollinariskirche Remagen, Neuss 2008.
Klein, Ansgar S., Ferdinand Freiligrath, Ernst Friedrich Zwirner und der Wiederaufbau des Rolandsbogens, in: Kölner Domblatt 75 (2010), S. 226-259.
Weyres, Willy, Ernst Friedrich Zwirner (1802-1861), in: Rheinische Lebensbilder 3 (1968), S. 173-189.
Online
Lier, Hermann Arthur, Zwirner, Ernst Friedrich, in: Allgemeine Deutsche Biographie 55 (1910), S. 426-427. [Online]
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Klein, Ansgar S., Ernst Friedrich Zwirner, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/ernst-friedrich-zwirner-/DE-2086/lido/57c82c37bc2d38.61041883 (abgerufen am 19.08.2024)