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Hann Trier kann als einer der bedeutendsten Erneuerer der Kunst nach 1945 in Deutschland gelten. Sein weitestgehend ungegenständliches Werk, das zur Kunst des Informel zählt, zeigt von Beginn an die Kraft eines erneuerten Kunstbegriffs in der Nachkriegszeit und entwickelte sich über sein langjähriges Schaffen zu einer festen und international anerkannten künstlerischen Qualität. Seine Werke finden sich in großen und bedeutenden Kunstmuseen sowie national und international auch in öffentlichen Gebäuden.
Hann Trier wurde am 1.8.1915 in Kaiserswerth (heute Stadt Düsseldorf) als Sohn des Postbeamten Hans Trier und dessen Ehefrau Helene, geborene Hagen,geboren und wuchs in Köln auf. Sein jüngerer Bruder war der Kunsthistoriker Eduard Trier (1920-2009).Hann Trier studierte 1934-1938 Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Schon früh unternahm er Studienreisen nach Frankreich und Italien. Im Zweiten Weltkrieg diente er als Soldat; zeitweilig wurde er auch als technischer Zeichner in Berlin eingesetzt. Bereits für seine frühen Werke wurden ihm mehrere Preise zugesprochen. Er nahm an den documentas I, II und III 1955/1959 und 1964 teil. Nach einer Gastdozentur an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg war er von 1957 bis 1980 Professor an der Hochschule für Bildende Künste Berlin, wo unter anderem Georg Baselitz (geboren 1938) bei ihm studierte. Für seine Werke erhielt er zahlreiche Kunstpreise, darunter waren Auszeichnungen aus Darmstadt, Berlin, Köln und dem Land Nordrhein-Westfalen. Seit 1962 war er mit der Soziologin und Direktorin des Kölner Max-Plank-Instituts Renate Mayntz (geboren 1929) verheiratet. Ab 1967 arbeitete er auch in seinem Atelier in der Toskana. 1972 bezog das Ehepaar Trier das Atelierhaus in der Eifel. Zum Freundeskreis von Hann Trier gehörten unter anderem Gabriel García Márquez (1927-2014), Max Frisch (1911-1991) und Bernhard Minetti (1905-1998).
Hann Trier war ein junger Mann, als er aus dem Zweiten Weltkrieg heimkehrte und stand am Anfang seiner künstlerischen Laufbahn. Nach Ende des Krieges lebte er zunächst in Thüringen, kehrte aber 1946 in das Rheinland zurück. Dort wurde er vorübergehend in Bornheim untergebracht. Er gründete 1947 mit den Künstlerkollegen Hubert Berke (1908-1979) und Joseph Fassbender (1903–1974) die Donnerstag-Gesellschaft im Schloss Alfter (Gemeinde Alfter), die über Kunst reflektierte, philosophierte, Lesungen veranstaltete und erste kleinere Ausstellungen initiierte. Man war konzentriert auf die Kunst der Zeit vor dem Krieg und entdeckte neu die Kunst, die man in Deutschland während des „Dritten Reichs“ nicht hatte sehen dürfen.
Hann Trier musste in den Jahren nach 1945 auch durch angewandte künstlerische Arbeiten sein Geld verdienen und arbeitete als Gebrauchsgraphiker. Während seiner Studienzeit an der Düsseldorfer Kunstakademie noch vor Ausbruch des Krieges hatte sich Hann Trier vor allen Dingen mit der Maltechnik der Alten Meister, der Tempera-Malerei beschäftigt. Ab den 1950er Jahren, als die Materialbeschaffung für die Gemälde erleichtert war, verwendete Hann Trier schwerpunktmäßig Eitempera auf Leinwand und schaffte so seine Gemälde in einer ganz leichten und malerisch sehr ausgearbeiteten Technik.
Für Hann Trier war in diesen ersten Jahren nach dem Krieg die Auseinandersetzung mit dem Kubismus entscheidend. Man erkennt, dass der junge Künstler Kenntnis besaß von der zeitgenössischen französischen Kunst. Deutlich sind in seinen Arbeiten Verweise und Anklänge an die kubistischen Bilder Pablo Picassos (1881-1973) zu erspüren. Bald jedoch begann Hann Trier gestische Elemente und informelle Verfahrensweisen in seinen Bildern zu verwenden. Er entwickelte eine Zeichenschrift, die er in die Bilder integrierte. Die Strich- und Linienführung umkreist dabei das Motiv und unterstützt die Dramatik und Atmosphäre der Gestaltung. Die Linie war nicht zirkelnd und zögernd, sondern geschlagen, gesetzt und in einem Bewegungsduktus aufgetragen. Hann Trier selber sagte einmal zu diesen frühen Arbeiten: Ich habe mit dem Pinsel geschlagen wie die Taube mit den Flügeln. Hann Triers Malerei war spontan und folgte seiner Vorstellung von Rhythmik, Emotionalität und einer fast musikalischen Klangwelt, die sich aus Formen und Farben zusammensetzt. Dies verstärkte sich, als er 1952 für mehrere Jahre nach Südamerika ausreiste und dort die Tänze und Rhythmen Lateinamerikas aufnahm.
In den 1950er Jahren entwickelte er seinen Stil weiter. In jeder Hand hielt er einen Pinsel, die er dann in „choreografischen Pinselschwüngen“ gleichzeitig über den Bildgrund führte. Trier ging es dabei vor allen Dingen um den Prozess des Malens. Die Malerei dieser Jahre besitzt Elemente von naturhaften Prozessen, zeigt eine geradezu erstaunliche abstrakte Schöpfungsvielfalt und ist in der Lage, die Fantasie und die Entdeckerfreude der Betrachter auszulösen.
1955 kehrte Hann Trier aus Südamerika nach Deutschland zurück und begann zunächst seine Lehrtätigkeit an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. Seine Malerei wurde offener und autonomer. Nun kam ihm eine persönliche Besonderheit zu Gute. Hann Trier gehörte zu den wenigen echten Beidhändern - Menschen, die sowohl die linke wie die rechte Hand gleich stark ausgeprägt haben. Diese Fähigkeit setzte er ab Mitte der 1950er Jahre in seinen Bildern systematisch um. Er malte rechts wie links oder mit beiden Händen gleichzeitig, was eine innere Symmetrie und Strukturierung der Bilder zur Folge hatte. Dieses Prinzip seiner Malerei wurde für sein weiteres Lebenswerk zum Maßstab.
Hann Trier war ein offener und vielfach interessierter Mann, fasziniert auch von modernen Entwicklungen wie der Raumfahrt und Veränderungen in der Gesellschaft. Seit 1966 tauchen auch Titel in seinen Arbeiten auf, die das Weltall, Astronomie und den Raumflug thematisieren. Die Sprache der Raumphysik und der damals modernsten Technologien verbindet sich assoziativ mit den Elementen von Pinselduktus, Komposition und farblicher Gestaltung der Bilder.
Im Jahr 1967 richtete sich Hann Trier ein Atelier in Castiglione della Pescaia in der Toskana ein. Es folgten zahlreiche Reisen nach Frankreich, Ägypten, Russland und in die USA. In diesem Zeitraum entstanden auch viele Werke in seiner neuen Umgebung in Italien. Viele der seit 1965 geschaffenen Bilder sind aus leuchtend farbigen Pinselzügen gestaltet, die sich vom meist hellen Grund abheben. Hier wird die intensive Beschäftigung mit italienischen Decken- und Wandmalereien deutlich, die er aufgenommen hatte, nachdem er seinen ersten Auftrag für die Gestaltung des Deckengemäldes des Weißen Saals im Knobelsdorff-Flügel und im Treppenhaus des Berliner Schlosses Charlottenburg bekommen hatte.
Ab den späten 1960er Jahren änderte die Auseinandersetzung mit Projekten für Kunst am Bau das Werk von Hann Trier noch einmal und bestimmte seine Arbeitsweise nachhaltig. Die Befassung mit den barocken Decken- und Wandgestaltungen ließ seine Farbpalette noch stärker hell, fast pastellig wirken und darüber hinaus arbeitete er mit Hell und Dunkel, um einen illusionistischen Farbraum zu gestalten.
Auch als Graphiker hat sich Hann Trier einen Namen gemacht. Das graphische Mappenwerk „Der befreite Pinocchio“ entstand 1976 als Kinderbuch. Von den literarischen 36 Abenteuern des munteren Holzbuben Pinocchio traf Hann Trier eine von der Chronologie des Buches unabhängige Auswahl, die zusammen mit dem von ihm verfassten Prolog zu einem eigenwilligen kommentierten Werk wurde.
Die Auseinandersetzung mit Raum und Architektur haben das Werk von Hann Trier ab den 1980er Jahren stark geprägt und so lassen sich auch bei den späten Arbeiten der 1990er Jahre ganz bestimmte Kriterien festmachen, die das Spätwerk charakterisieren. Die innere Bilddramatik nimmt zu und die Werke gewinnen an dreidimensionaler Qualität. Die Elemente des Informellen treten hier in diesen späten Arbeiten in ein Gleichgewicht zu den Elementen des kompositorischen Kalküls und der genauen Ausbalancierung der Farbquantitäten. Hier seien nochmals die prominenten Orte genannt, in denen seine Werke in der Architektur wirken: das Charlottenburger Schloss, die Heidelberger Universität, das Historische Kölner Rathaus und der Vatikan in Rom. Bis heute sind diese Orte geprägt von den Arbeiten Hann Triers und gerade hier wird deutlich, wie zeitlos und aktuell die Qualität seiner Bilder ist. Hann Trier starb am 14.6.1999 in seinem Atelier in der Toskana.
Literatur (Auswahl)
Eugen Batz, Hubert Berke, Joseph Fassbender, Georg Meistermann, Hann Trier. Donnerstag-Gesellschaft. Schloss zu Alfter. 1947–1950 und die Zeit danach, Zellermayer Galerie, Berlin 2010.
Euler-Schmidt, Michael (Hg.), Hann Trier. Werkverzeichnis der Gemälde 1990-1995, Köln 1995.
Fehlemann, Sabine (Hg.), Hann Trier. Monographie und Werkverzeichnis, Köln 1990.
Gerlach-Laxner, Uta (Hg.), Hann Trier. Werkverzeichnis der Druckgraphik. Mit einem Beitrag von Alfred M. Fischer, Köln 1994.
Hann Trier – Ich tanze mit den Pinseln. Aquarelle und Zeichnungen 18. September bis 29. November 2015, Katalog hg. v. Hannelore Fischer für das Käthe-Kollwitz-Museum Köln, Köln 2015.
Hann Trier. Unveröffentlichte Poesie und Tuschezeichnungen. Was es bedeutet, kann der Name nicht sagen, Düsseldorf 2015.
Der Junge und der Unbekannte Trier. Hann Trier zum 100. Geburtstag, LVR-LandesMuseum Bonn, Museum Ratingen, Bonn 2015.
Schwalm, Hans J. [u.a.] (Hg.), Hann Trier: „… die Fläche zur Bewegung bringen.“ Bilder und Texte 1948 bis 1998, Stadt Recklinghausen, 2005.
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Uelsberg, Gabriele, Hann Trier, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hann-trier/DE-2086/lido/608fc5669adf37.04833003 (abgerufen am 19.08.2024)