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Karl Leisner war ein aus Rees am Niederrhein stammender katholischer Geistlicher und Aktivist der katholischen Jugendbewegung der 1920er und 1930er Jahre. Kurz nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager Dachau starb er an den Folgen der Gefangenschaft. Er war der einzige katholische Geistliche, der in einem KZ das Weihesakrament empfing, und wurde 1996 von Papst Johannes Paul II. (Pontifikat 1978-2005) selig gesprochen.
Karl Leisner wurde am 28.2.1915 als Sohn des Gerichtssekretärs Wilhelm Leisner und dessen Ehefrau Amalie, geborene Falkenstein, in Rees am unteren Niederrhein geboren. Er besuchte bis zum Umzug nach Kleve 1921 zunächst die Volksschule in Rees. In Kleve wechselte er für weitere vier Jahre auf die dortige Mittelstadtbezirksschule und wurde 1925 in die Sexta des örtlichen Gymnasiums aufgenommen. Dort legte er 1934 sein Abitur ab.
Während seiner Zeit auf dem Klever Gymnasium wurde er vor allem durch einen jungen Kaplan, Dr. Walter Vinnenberg, geprägt, der den Jugendlichen die Ideen der liturgischen Bewegung, vor allem die Romano Guardinis (1885-1968), sowie die Leitvorstellungen und Ideale der Jugendverbände wie Quickborn und Wandervogel nahe brachte. Leisner, inspiriert und angeleitet von seinem engagierten Lehrer, wurde bald Mitgründer einer zum Jungkreuzbund gehörenden Jugendgruppe in Kleve und trat schließlich mit seiner Klever Gruppe „St. Werner" 1928 dem „katholischen Wandervogel" bei. Es folgten Exerzitien und andere geistliche Übungen unter anderem in Schönstatt, ´s-Heerenberg (Jesuiten) und Gerleve (Benediktiner), Fahrten und Zeltlager in näherer und ferner Umgebung. Der Schönstatt-Bewegung blieb Leisner bis zu seinem Lebensende verbunden. Er gehörte zur gleichen Schönstattgruppe wie sein Freund aus dem Münsteraner Priesterseminar, der spätere Bischof von Münster und Konzilsvater Heinrich Tenhumberg (1915-1979).
Im Mittelpunkt des katholischen Vereinslebens stand für Leisner stets das Gebet, das Heilige Messopfer und natürlich der Gesang. Für Leisner selbst war neben der am Niederrhein traditionellen Marien- besonders die Christusfrömmigkeit zentraler Bestandteil seines Lebens und Kraftquelle in einer Zeit, die er sorgenvoll betrachtete. So schrieb er 1938 in sein Tagebuch: „Das ist meines Lebens letzter Sinn: Christus zu leben in dieser Zeit!"
1934 übernahm er das Amt des Bezirksjungscharführers für den die Dekanate Kleve und Goch umfassenden Kreis Kleve. Dieses Amt hatte Leisner jedoch nur wenige Wochen inne, da er am 5.5.1934 in das Collegium Borromaeum in Münster eintrat und mit dem Studium der Katholischen Theologie begann. Doch der Verbandskatholizismus sollte ihn auch im Theologenkonvikt nicht loslassen, denn bereits im September 1934 wurde er zum Diözesanjungscharführer in der Diözese Münster ernannt. In Münster baute er verbotene Jugendgruppen auf und organisierte Fahrten in die demokratischen Benelux-Staaten, um wenigstens dort die Ideale der katholischen Jugendbewegung frei zu leben.
Insbesondere die Jugendarbeit in den Verbänden, aber auch die Schönstattbewegung sowie die tiefe Verwurzelung im katholischen Milieu hatten ihn tief geprägt. Sie erregten jedoch auch das Misstrauen der Nationalsozialisten. Schon kurz nach der Machtergreifung hatte er auf dem Gymnasium mit nationalsozialistischen Lehrern und im Vereinsleben mit Übergriffen auf die katholischen Verbände zu kämpfen. In der Tat war Leisner früh ein entschiedener Gegner Adolf Hitlers (1889-1945) und erkannte klar die Gegensätzlichkeit von Katholizismus und Nationalsozialismus: „Der Drill, die Schnauzerei, die Lieblosigkeit gegen die Gegner, ihre fanatische, tamtamschlagende Nationalitätsbesessenheit kann ich nicht teilen. Ich bin aber trotzdem Deutscher und liebe mein Vaterland und meine Heimat. Aber ich bin auch und an erster Stelle Katholik." 1937, als sich Leisner am Ende seines Studiums befand, ging die Gestapo erstmals entschlossen gegen ihn und seinen nicht minder aktiven Bruder Willi vor. Sie beschlagnahmten die Tagebücher und überwachten den Postverkehr – unter anderem, weil sie im Hause Leisner einen „ausgeprägten Nachrichtendienst für die katholische Bewegung" wähnten.
Karl Leisner stand weiterhin unter Beobachtung der Gestapo, und 1938 entkam er der Verhaftung nur knapp durch eine Amnestie. Daraufhin setzte er sein Studium weitgehend ungehindert fort, verbrachte zwei Semester in Freiburg und trat schließlich 1938, nach einer Zeit des Zweifels, in das Priesterseminar in Münster ein. Zuvor hatte er noch eine halbjährige Dienstzeit im Reichsarbeitsdienst im Emsland und in Sachsen abgeleistet. 1939 erhielt er die ersten vier niederen Weihen, 1939 die Subdiakon- sowie die Diakonweihe gespendet – allesamt durch den Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen. Doch zur Priesterweihe sollte es nicht mehr kommen, denn bei Karl Leisner wurde eine fortgeschrittene Tuberkuloseerkrankung diagnostiziert, und er musste zur Kur in die Lungenheilstätte Fürstabt-Gerbert-Haus in St. Blasien in Südbaden.
Als am 8.11.1939 das Attentat Georg Elsers (1903-1945) in München auf Adolf Hitler misslang, kommentierte dies Leisner in St. Blasien mit dem Satz: „Schade, dass er nicht dabei gewesen ist." Karl Leisner wurde noch am gleichen Tag von einem Zimmernachbarn, der dies aus zweiter Hand erfahren hatte, angezeigt. Die Gestapo verhaftete ihn, verhörte ihn und wies ihn ins Freiburger Gefängnis ein. Von dort wurde er im März 1940 in das Konzentrationslager Sachsenhausen verlegt, bereits im Dezember in den so genannten Priester-Block des KZ Dachau. Dort verschlechterte sich seine Gesundheit zusehends so dass er bereits 1942 in das gefürchtete Krankenrevier verlegt wurde. Sein Wunsch, den Menschen als Priester zu dienen, blieb: Er erbrachte trotz seiner Krankheit geistliche und materielle Leistungen für die Mithäftlinge, schmuggelte die konsekrierten Hostien, den Leib Christi, in das Krankenlager und reichte dort die Krankenkommunion. Zudem ermutigte er die Gefangenen mit Gebet, Fürsprache und musikalischer Unterhaltung. Bis 1942 traf er sich in einer im Lager gegründeten geheimen Schönstattgruppe mit dem Namen „Victor in vinculis" – „Sieger in Ketten". Zu dieser Gruppe gehörten auch die KZ-Insassen P. Joseph Kentenich (1885-1968) und P. Josef Fischer.
Der ebenfalls inhaftierte Jesuitenpater Otto Pies (1901-1960) avancierte zu seinem geistlichen Begleiter und förderte die Priesterweihe Leisners maßgeblich. Diese Weihe war dem Umstand zu verdanken, dass mit einem französischen Gefangenentransport auch der Bischof von Clermont-Ferrand, Gabriel Piguet, nach Dachau eingeliefert wurde. Über geheime Wege wurde die Erlaubnis zur Weihe bei Bischof Clemens August von Galen (1878-1946) in Münster und Kardinal Michael von Faulhaber (1869-1952) in München (Dachau gehörte zum Erzbistum München-Freising) eingeholt und die erforderlichen liturgischen Gegenstände in das KZ geschmuggelt. Die Weihe erfolgte schließlich am 17.12.1944. Am 26.12.1944 zelebrierte Leisner seine Primizmesse (die erste Messe eines neugeweihten Priesters). Es war dies die einzige Hl. Messe, der er je vorgestanden hat.
Sein Zustand verschlechterte sich jedoch zunehmend. Als am 29.4.1945 die amerikanischen Truppen das Konzentrationslager befreiten, musste der unterernährte und tuberkulosekranke Leisner in das Lungensanatorium Planegg bei München verlegt werden. Dort starb er am 12.8.1945 an den Folgen seiner Krankheit. Er wurde zunächst in seiner Heimatstadt Kleve beigesetzt. 1966 erfolgte eine Umbettung in den Xantener Dom. 1996 wurde Karl Leisner im Berliner Olympiastadion zusammen mit Bernhard Lichtenberg (1875-1943) – auch er ein Opfer der Nationalsozialisten – im Rahmen eines Pontifikalamtes von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen. Der Heiligsprechungsprozess wurde 2007 offiziell eröffnet.
Karl Leisner war eine der großen Priestergestalten der Moderne. Inspiriert vom geistlichen Aufbruch in der katholischen Jugendbewegung des 20. Jahrhunderts sah er seine Aufgabe in der geistlichen Führung und Begleitung der Menschen durch eine christusferne Epoche. Er setzte der nationalsozialistischen Hassideologie eine idealistische Christusfrömmigkeit und Menschenliebe entgegen, die auch die Feindesliebe einschloss. Sein letzter Tagebucheintrag vom 25.7.1945 lautete: „Segne auch, Höchster, meine Feinde!"
Literatur
Feldmann, Christian, Wer glaubt, muß widerstehen – Bernhard Lichtenberg - Karl Leisner, Freiburg 1996.
Schmiedl, Joachim, Karl Leisner – Leben für die Jugend, Vallendar-Schönstatt 1996.
Online
Karl Leisner (Umfangreiche Informationen auf der Website des Internationalen Karls-Leisner-Kreises e.V.). [Online]
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Rönz, Helmut, Karl Maria Leisner, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-maria-leisner/DE-2086/lido/57c93ea6b533b6.35356551 (abgerufen am 19.08.2024)