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Moritz August von Bethmann-Hollweg war ein renommierter Bonner Rechtsgelehrter mit hohem politischen Einfluss und kirchlichem Engagement. Er war Begründer des Evangelischen Kirchentages und ein bedeutender Vertreter der historischen Rechtsschule.
Bethmann-Hollweg wurde am 8.4.1795 in Frankfurt am Main als Sohn des Bankiers Johann Jakob und seiner Frau Susanne Elisabeth Bethmann-Hollweg geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Göttingen und Berlin freundete er sich mit Friedrich Carl von Savigny (1779-1861) an. Über ihn kam er in Kontakt zur so genannten „Historischen Rechtsschule", die er nachfolgend mitprägte.
Als Schüler Savignys habilitierte er sich 1819 in Berlin für römisches Recht. Ab 1823 war Bethmann-Hollweg ordentlicher Professor der Rechte in Berlin, wobei der Zivilprozess seinen Hauptforschungsgegenstand darstellte. 1829 ließ sich Bethmann-Hollweg nach Bonn an die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität versetzen, wo er von 1840 bis 1848 die Stelle des Kurators der Hochschule inne hatte. Durch den Thronwechsel 1840 rückte er aufgrund seiner guten Beziehungen zu König Friedrich Wilhelm IV. (Regierungs 1840-1861) in die Reihe der Anwärter auf hohe Staatsämter. Anlässlich seiner Huldigung wurde er 1840 geadelt und 1845 in den Staatsrat berufen.
Die guten Beziehungen zum Monarchen waren zuvor über sein Engagement in der evangelischen Kirche entstanden. Als gläubiger Christ schloss sich Bethmann-Hollweg bereits 1817 mit erst 22 Jahren der konservativ-monarchisch orientierten Christlich-deutschen Tischgesellschaft unter Adolf von Thadden (1796-1882) an. Hier lernte Bethmann-Hollweg auch zahlreiche bekannte und einflussreiche Vertreter des preußischen Konservatismus kennen, unter anderem die Brüder Leopold (1790-1861), Ernst Ludwig (1795-1877) und Otto von Gerlach (1801-1849), durch die er in Kontakt zur pietistischen Erweckungsbewegung und zum Kronprinzen, dem späteren König Friedrich Wilhelm IV. kam. Die Adelung sowie die Aufnahme Bethmann-Hollwegs in höhere Staatsämter wurden ihm wohl schon zu dieser Zeit für den Fall der Thronfolge des Kronprinzen in Aussicht gestellt.
Ein bereits in der frühen Phase seines kirchlichen Engagements und angesichts der Unionspolitik des preußischen Königshauses formuliertes Ziel war der kirchliche Zusammenschluss der evangelischen Konfessionen. Vor allem zu diesem Zweck gründete Bethmann-Hollweg 1848 den Deutschen Evangelischen Kirchentag, dessen Präsident er bis 1872 blieb.
Hauptanliegen Bethmann-Hollwegs war ein Kirchenbund der evangelischen Kirchen in Deutschland bei gleichzeitiger Festlegung von Verfassung, Bekenntnis und Kult desselben. Bereits 1846 trat daher unter seinem Vorsitz eine evangelische Konferenz in Berlin zusammen, an der Vertreter von 26 Landesregierungen teilnahmen, um über einen Zusammenschluss der evangelischen Kirchen in Deutschland zu beraten. In den Folgejahren wurde Bethmann-Hollweg zum Koordinator dieser evangelischen Einheitsbestrebungen, die jedoch zu seinen Lebzeiten erfolglos blieben. Zusätzlich übernahm Bethmann-Hollweg die Präsidentschaft des 1848 von Johann Hinrich Wichern ins Leben gerufenen Central-Ausschusses für Innere Mission.
Ab 1845 engagierte sich Bethmann-Hollweg auch verstärkt in der Politik: Nach seiner Berufung in den Staatsrat wurde er zwischen 1849 und 1855 Mitglied der Ersten und Zweiten Preußischen Kammer. 1848 war Bethmann-Hollweg zudem Mitbegründer der konservativen Partei, mit der er aber bereits 1851 brach und stattdessen die liberal-konservative „Partei Bethmann-Hollweg" (auch „Wochenblattpartei") gründete.
Im Umfeld der Frankfurter Nationalversammlung machte er die Bekanntschaft von Dietrich Wilhelm Landfermann (1800-1882). Zusammen mit dem bekannten Demokraten versuchte Bethmann-Hollweg, eine politische Position der Mitte zu formulieren und forderte den kontrollierten Ausbau eines Verfassungsstaates in einem konservativ-liberalen Sinne. Bethmann-Hollweg betrieb eine gemäßigt konservative Politik und war, im Gegensatz zu seinen früheren Gefährten der Tischgesellschaft, liberalen Gedanken gegenüber durchaus offen. Von 1858 bis 1862 übernahm er schließlich im Ministerium der „Neuen Ära" das preußische Kultusministerium.
Neben seinen politischen und kirchenpolitischen Aktivitäten widmete er sein ganzes Leben durchgängig der Wissenschaft. Bereits als junger Student in Göttingen arbeitete er an der Entzifferung des von Barthold Georg Niebuhr gefundenen Veroneser Gaius mit. Es folgten zahlreiche Schriften in seiner Göttinger und Berliner, vor allem jedoch in seiner Bonner Zeit. Während seiner politischen Lebensphase, vor allem als Parlamentarier und als Minister, verfasste Bethmann-Hollweg jedoch nur einzelne zum Teil nachrangige Schriften. Sein Hauptwerk "Der Civilprozess des gemeinen Rechts in geschichtlicher Entwicklung", durch das er zu einem der bedeutendsten Vertreter der historischen Rechtsschule aufstieg, schuf er erst als Privatier in den Jahren 1863-1874.
Moritz August von Bethmann-Hollweg starb am 17.7.1877 auf Burg Rheineck bei Bad Breisig, jener Burg, die er 1832 noch als Bonner Rechtsgelehrter gekauft und vom ebenso berühmten Architekten Johann Claudius von Lassaulx in Stand setzen lassen hatte.
Werke
Der Civilprozess des gemeinen Rechts in geschichtlicher Entwicklung, Bonn 1863-1874.
__ Gerichtsverfassung und Prozess des sinkenden Roemischen Reichs, Bonn 1834.
Grundriss zu Vorlesungen über den gemeinen Civilprozess. Mit einer Vorrede über die wissenschaftliche Behandlungsart desselben, Berlin 1821.
Handbuch des Civilprocesses 1, Bonn 1834.
Ueber die Germanen vor der Völkerwanderung, Bonn 1850.
Ueber Gesetzgebung und Rechtswissenschaft als Aufgabe unserer Zeit, Bonn 1876.
Ursprung der lombardischen Städtefreiheit, Bonn 1848.
Versuche ueber einzelne Theile der Theorie des Civilprozesses, Stettin 1827.
Vorschlag einer evangelischen Kirchenversammlung im laufenden Jahre 1848, Bonn 1848._ _
Literatur
Bautz, Friedrich Wilhelm, Artikel „Moritz August von Bethmann-Hollweg", in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 1 (1990), Spalte 565-566.
Fischer, Fritz, Moritz-August von Bethmann-Hollweg und der Protestantismus – Religion, Rechts- und Staatsgedanke, Berlin 1937.
Schmidt-Bleker, Roland, Legislative Defizite im Schulrecht der preußischen konstitutionellen Monarchie. Eine rechtshistorische Untersuchung zum Vorbehalt des Gesetzes im preußischen Schulrecht, Baden-Baden 2005, S. 100-113.
Stein von Kamienski, Gottfried von, „Moritz-August von Bethmann-Hollweg", in: Bonner Kuratoren 1818-1993 (Anhang zu: Karl Theodor Schäfer, 150 Jahre Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn), Bonn 1968.
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Schmidt-Bleker, Roland, Moritz August von Bethmann-Hollweg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/moritz-august-von-bethmann-hollweg-/DE-2086/lido/57c57d5d739f27.06821203 (abgerufen am 19.08.2024)