Das Lager Bad Kreuznach (PWTE A3)
Offizielle Bezeichnung: Prisoner of War Temporary Enclosure A3
Geplante Kapazität: 45.000 bis 50.000
Existenzdauer: Anfang April 1945 bis Mitte Juni 1945
Aufbau und Struktur des Lagers
Das Kriegsgefangenenlager Bad Kreuznach war eines der ersten Lager, das die US-amerikanischen Truppen nach der Überquerung des Rheins und der Befreiung des Nahetals einrichteten. Angelehnt an den Namen des Hangs, der das Lager an einer Seite begrenzte, wurde es auch ‚Galgenberg‘ genannt. Es lag am Stadtrand von Bad Kreuznach und grenzte zunächst an eine Wehrmachtskaserne und die Optischen Werke Schneider. Da immer weitere Gefangenentransporte per LKW eintrafen, wurde das Lager schrittweise erweitert, bis es Ende April/Anfang Mai eine Fläche von 35,2 Hektar umfasste. Es war für 45.000 bis 50.000 Gefangene geplant, jedoch überstieg die Zahl der Internierten rasch alle Erwartungen. Amerikanische Quellen, auf die sich die Maschke-Kommission in den 1970er Jahren bei ihren Forschungen bezog, vermerken für den 8. Mai 1945 bereits ca. 56.300 Gefangene. Das Lager Bad Kreuznach lag in unmittelbarer Nähe zu den Kriegsgefangenenlagern Bretzenheim (PWTE A6) und Biebelsheim (PWTE A7). Verantwortlich war hier – wie auch für alle Rheinwiesenlager – die 106. US-Infanteriedivision.
Lebensbedingungen
Unter den Kriegsgefangenen in Bad Kreuznach fanden sich die verschiedensten Gruppen. Die Mehrheit stellten Soldaten der Wehrmacht und der Luftwaffe, doch es gab im Lager auch Frauen, die als Rotkreuz-Schwestern an der Front festgenommen worden waren, sowie Zivilisten. Es wurden einzelne Lagerbereiche für die einfachen Soldaten, für Offiziere, Jugendliche und ausländische Kriegsgefangene wie Österreicher und Ungarn eingerichtet. Nach SS-Soldaten wurde in Bad Kreuznach besonders gesucht. Fand man unter den Gefangenen welche, wurden diese – so der Forschungsstand – nach Bretzenheim in das dortige Sammellager für SS-Angehörige gebracht.
Die Lebensbedingungen waren in Bad Kreuznach – wie in allen Rheinwiesenlagern auch – katastrophal. Die Gefangenen konnten anfangs nur unter freiem Himmel untergebracht werden und die unregelmäßig ausgegebenen Lebensmittelrationen reichten nicht aus, weshalb die Gefangenen begannen, Gras zu essen. Von Anwohnern über den Zaun geworfene Lebensmittel verursachten in den ersten Tagen teilweise tödliche Tumulte im Lager, denn die Gefangenen schlugen sich um jeden Bissen. Auch die hygienischen Bedingungen konnten nur sehr langsam verbessert werden. Zwar wurden mit der Zeit ‚Donnerbalken‘ über Fäkaliengruben gelegt, damit die Gefangenen ihre Notdurft verrichten konnten. Doch zu Anfang floss der Urin – da das Lager an einem Hang lag – in die tieferliegenden Campteile, wo auch Gefangene untergebracht waren.
Im Lager Bad Kreuznach konnten Gefangene durch Arbeitseinsätze die eigene Verpflegung aufbessern. Innerhalb des Lagers waren sie zum Beispiel bei der Verteilung der Rationen, bei der Beerdigung der Toten oder im Krankenrevier als Pfleger eingesetzt. Andere Kriegsgefangene wurden zu Reparationsarbeiten nach Frankreich gebracht. In Bad Kreuznach begannen diese Transfers von Gefangenen Anfang Mai 1945. Es kam durchaus vor, dass die Gefangenen nicht wussten, dass sie nach Frankreich gebracht wurden und stattdessen glaubten, in Deutschland zur Arbeit eingesetzt zu werden.
Die im Lager verbliebenen Gefangenen versuchten, dem sogenannten Lagerkoller zu entgehen und sich mit verschiedenen Freizeitaktivitäten abzulenken: Sie begannen zu basteln oder zu handwerken und es wurden Kurse gegeben in Englisch, Erdkunde, Völkerkunde, Musik oder Buchführung – selbst Unterricht in Münzwesen wurde in den einzelnen Cages erteilt. Für die religiöse Seelsorge standen in Bad Kreuznach Geistliche zur Verfügung. Viele Gefangene suchten diese Unterstützung auch in regelmäßigen Abendandachten und Tausende sollen einen Abendmahlgottesdienst besucht haben.
Trotz des von den amerikanischen Militärbehörden verfügten Verbots kam es zu Kontakten zwischen der Bad Kreuznacher Bevölkerung und den Kriegsgefangenen. Verwandte der Internierten kamen ebenfalls an die Zäune, um Lebensmittel darüber zu werfen oder um zu versuchen, mit ihren Ehemännern und Söhnen zu sprechen. Einzelne amerikanische Wachen billigten dies oder ließen sich bestechen. Die Bewohner der naheliegenden Häuser sympathisierten mit den deutschen Gefangenen und tauschten Nachrichten oder Lebensmittel aus. In manchen Fällen fanden aus dem Lager geflohene Kriegsgefangene zeitweise Zuflucht bei ihnen.
Die Kranken des Lagers wurden in nahen Lazaretten behandelt, die in einer ehemaligen Wehrmachtskaserne, einem Stift und einer Schule eingerichtet worden waren. Auch hier waren die Bedingungen katastrophal: Es fehlte an Medikamenten und medizinischer Ausstattung, sodass nur besonders schwere Fälle behandelt werden konnten. Den im Lager grassierenden Ruhr- und Typhusepidemien konnte nur wenig entgegengesetzt werden.
Die Toten des Lagers Bad Kreuznach wurden auf einer Anhöhe über dem Lager, dem sogenannten Galgenberg, bestattet. Der Friedhof war am 14. April 1945 eingerichtet worden. Auch Tote aus den Lagern in Bretzenheim, Biebelsheim, Dietersheim und Heidesheim wurden auf dem 8000 Quadratmeter umfassenden Areal beerdigt. Jeder Tote erhielt ein Einzelgrab mit einem schlichten Holzkreuz, das seinen Namen trug, sofern dieser bekannt war. In den 1950er Jahren wurden sie auf den „Ehrenfriedhof Lohrerwald“ bei Bad Kreuznach umgebettet.
Auflösung des Lagers
Ende Mai/Anfang Juni 1945 begannen die Entlassungen aus dem Lager Bad Kreuznach. Zunächst wurden Jugendliche, Alte, Frauen und für den Wiederaufbau der deutschen Industrie und Landwirtschaft in der amerikanischen Besatzungszone benötigte Männer entlassen. Die restlichen Gefangenen wurden ab Anfang Juni in das nahe Kriegsgefangenenlager in Bretzenheim überstellt. Mitte Juni 1945 wurde das Lager in Bad Kreuznach schließlich endgültig aufgelöst.
Erinnerung
Heute ist das Areal des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers Bad Kreuznach bebaut. An den ehemaligen Lagerfriedhof Galgenberg erinnert ein Gedenkkreuz in den Weinbergen.
Quelle
Schuster, Gertrude Maria: Die Kriegsgefangenenlager Galgenberg und Bretzenheim. Kriegsgefangene berichten. Herausgegeben von der Stadt Bad Kreuznach. Bad Kreuznach 1987.