Brief und Siegel – Was bedeutet die Firmung für mein Christsein?

Beitrag für die Jugendsendung »Spurensuche« in Radio Horeb am 12.03.2007

 

Liebe Hörerinnen und Hörer!

Vor jedem Firmgottesdienst treffe ich mich mit den Firmbewerbern, um sie ein wenig kennen zu lernen und mit ihnen über ihren Weg hin zur Firmung ins Gespräch zu kommen. Bei dieser Begegnung, die in der Regel eine gute halbe Stunde dauert, frage ich die Jugendlichen danach, was ihnen während der mehrmonatigen Vorbereitung Neues über den Glauben aufgegangen ist, und ob sie nun, wenn sie gefragt werden, wer und was denn eigentlich der Heilige Geist ist, eine Antwort wissen? Oft tritt dann eine verlegene Stille ein. Ich kann das verstehen. Denn selbst für erwachsene und engagierte Christen, ist es gar nicht so leicht, auf diese Frage zu antworten, ist doch der Geist wenig anschaulich, kommt er uns »luftig« und abstrakt vor, erscheint er uns im Vergleich zu Vater und Sohn als der der große »Unbekannte« (H. U. von Balthasar).

Das gilt aber nicht erst für den Heiligen Geist Gottes. Das gilt schon für den Geist des Menschen. Und doch ist dieser Geist gerade das, was uns überhaupt zu Menschen macht, was uns von allen anderen Geschöpfen unterscheidet. Tiere besitzen Instinkt, aber keinen Geist. Nur geistige Wesen haben Verstand, Gefühl, Wille.

Freilich, wir können den Geist eines Menschen ebensowenig wie den Geist Gottes unmittelbar sehen, aber seine Wirkungen – oder um es mit Paulus zu sagen, seine Früchte (Gal 5,22f), die können wir sehr wohl erkennen. Und dann wird’s schon sehr konkret: Was der Geist in einem Menschen an positiven, an kreativen oder destruktiven Kräften bewirkt, kann ich sehen. Welch’ Geistes Kind jemand ist, erfahre ich, wenn mein Gegenüber den Mund aufmacht bzw. zu handeln beginnt. Dann spüre ich, welche positiven, aufbauenden, friedlichen, kreativen, freundlichen, mir zugewandten Kräfte (Jak 3,17) in jemandem am Werk sind, oder ob im anderen vor allem ungute Kräfte wie Desinteresse, Egoismus, Ablehnung, Aggression, Neid oder Hinterhältigkeit herrschen.

Der Geist ist das, was uns Menschen trennt oder zusammenführt. Hier entscheiden sich Verstehen und Nicht-Verstehen, Zuneigung und Abneigung, Nähe und Ferne. »Hauptsache, die Chemie stimmt«, ist heute eine beliebte Redewendung. Was für ein Unsinn! Denn wenn das wahr wäre, dann müsste ich mich ja von vornherein blendend verstehen mit denen, die dieselbe Blutgruppe haben wie ich. Dass diese Gleichung nicht aufgeht, wissen wir. Schlimmer ist aber an dieser angeblichen Volksweisheit, dass sie versucht, den Menschen auf seine biochemische Zusammensetzung zu reduzieren. Als wenn wir nicht mehr wären als die Summe unserer Körpersäfte! Richtiger müsste es also heißen: »Hauptsache, der Geist zwischen uns stimmt!«

Und noch etwas wissen wir aus Erfahrung. Es zielt in die gleiche Richtung: Wirkliche Nähe zwischen Personen ist nicht automatisch gleichbedeutend mit räumlicher Nähe: Es können mir z. B. in einem überfüllten Linienbus Menschen auf Tuchfühlung nahe sein, und doch sind sie mir völlig fremd. Ich weiß nichts von ihnen und sie nichts von mir. Wo sich zwei Menschen auseinandergelebt haben, da mögen sie körperlich zwar noch eng umschlungen sein, in Wahrheit liegen doch Welten zwischen ihnen. Auf den Geist also kommt es an, in ihm sind wir uns nah oder fern. Ich kann mit Menschen in einem Haus Tag um Tag zusammen leben, und doch ist kein wirkliches Verstehen und keine Nähe da. Nicht wenige Jugendliche fühlen sich in bestimmten Situationen und Fragen den Chatpartnern, die sie nicht sehen, näher als ihrer Familie, mit der sie dieselben Zimmer bewohnen.

Wenn das aber stimmt, dann rückt mir der scheinbar so ferne Gott viel näher. Dann stellt die Tatsache, dass er in unserer Welt nicht so sichtbar und greifbar vorkommt wie unsere Mitmenschen, kein unüberwindliches Hindernis mehr dar. Dann ist auch die Feier der Firmung, in der das Geschenk des Geistes Gottes, das in mir bestärkt wird, kein abstrakter Vorgang mehr, unter dem man sich eigentlich nichts Rechtes vorstellen kann. Firmung heißt dann: Meine innere Verbundenheit mit Gott, die er mir grundlegend in der Taufe geschenkt hat, wird bestätigt. Das Band, das er zu mir geknüpft hat, indem er mich in der Taufe als sein Kind angenommen hat, wird gestärkt. Diese Verbundenheit, ja mehr noch: dieser Bund, den Gott mit mir eingegangen ist, ist ein Bund in seinem Geist. Und der ist vorbehaltlose Zuwendung, barmherzige Annahme, grenzenlose Liebe. Deshalb ist der Bund zwischen Gott und mir intimer und zugleich dauerhafter als alle Verbindungen, die wir Menschen untereinander knüpfen können. In der Firmung besiegelt Gott diesen Bund noch einmal. Deshalb sagen wir ja auch, dass mit der Firmung der Weg der christlichen Initiation, d. h. der Eingliederung in das Leben mit Gott und seiner Kirche, vollendet wird.

Das Stichwort Kirche führt uns aber noch einmal vom Unsichtbaren zum Sichtbaren zurück. Denn als Menschen sind wir keine reinen Geistwesen. Wir sind Wesen aus Fleisch und Blut. Wir sind Geist und Leib. Deshalb braucht es das Konkrete. Deshalb hilft uns Menschen die sichtbare und räumliche Nähe. Deshalb kommen wir mit anderen zusammen, wollen wir ihre Gesichter sehen, ihre Stimmen hören, ihnen nahe sein, auch wenn das keine Garantie für innere Nähe ist, wie uns vorhin klar wurde.

Gott weiß darum. Er hat uns so geschaffen. Deshalb schickt er nicht einfach seinen Geist allgemein über diese Welt, sondern erwählt in Maria einen Menschen, der so offen und empfänglich ist für das Wirken des Geistes, dass er selbst Fleisch, d.h. Mensch werden kann in Jesus Christus. In ihm nimmt Gott die konkreten Bedingungen unseres Menschseins an. In Jesus ist Gott uns nicht nur geistig nah, sondern wird er auch konkret berührbar. In Jesu Worten wird Gott hörbar. In ihnen erfahren wir, welcher Geist Gott bewegt, wie Gott denkt, was er liebt, was ihm am Herzen liegt und was er verabscheut. Gott vertraut sich also der Sprache der Menschen an. Ja, mehr noch: er vertraut sich den Menschen selbst an. Am Osterabend (Joh 20,22f) und dann, öffentlicher noch an Pfingsten (Apg 2,1-13), hat Gott der Kirche seinen Geist übergeben. In ihr soll dieser Geist konkret und hörbar werden durch die Geschichte hindurch. In ihr soll er bewahrt werden, nicht zuletzt auch durch solche konkreten Dinge wie die Schriften des NT und die Ämter und Strukturen der Kirche.

Vor allem aber soll Gottes Geist konkret und hörbar bleiben im Leben der Menschen, die zur Kirche gehören. Sie tragen mit Verantwortung dafür, dass Gottes Geist sich nicht zu einer abstrakten, fernen und nebulösen Wirklichkeit verflüchtigt, sondern erfahrbar bleibt. Was ich meine, hat Paulus wunderschön ausgedrückt, als er den Christen in Korinth schrieb: »Unverkennbar seid ihr ein Brief Christi, ausgefertigt durch unseren Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf Tafeln aus Stein, sondern [...] in Herzen von Fleisch« (2 Kor 3,3).

Gottes Geist will also immer wieder von Neuem konkret werden und Gestalt annehmen. Dem dient das Sakrament der Firmung. Es nimmt die, die schon getauft sind, besonders in die Pflicht: »Der Gefirmte erhält ›die Macht, öffentlich den Glauben an Christus wie von Amts wegen mit Worten zu bekennen‹, so sagt der Weltkatechismus mit einer Formulierung des hl. Thomas von Aquin (KKK 1305).

Was so feierlich und irgendwie streng klingt, sagt auf seine Weise auch der Satz, der bei der Spendung der Firmung vom Bischof gesprochen wird. Da heißt es: »Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist.« Der Geist ist Gabe, ist Geschenk Gottes; nicht irgendeins, sondern sogar die Gabe, das Geschenk schlechthin. Denn mit seinem Geist gibt Gott ja nicht irgendetwas, sondern sein Innerstes, sich selbst. Er teilt dieses Innerste mit uns. Ist uns das bewusst? Besseres kann Gott uns nicht geben.

Doch dann kommt das Zweite: Jede Gabe, die Gott gibt, enthält nämlich auch eine Aufgabe. Keine Gabe von Gott erhalten wir nur für uns, sozusagen exklusiv, unter Ausschluss der anderen. Nein, die anderen sind immer mit eingeschlossen, sind von Gott her mit im Blick. Gott erwählt und beruft ja auch niemanden für sich allein oder gar auf Kosten anderer, im Gegenteil: Erwählung und Beschenkung geschieht im Glauben immer zu Gunsten anderer.

Gerade das wird im Sakrament der Firmung noch einmal besonders deutlich. Deshalb ist die Firmung auch die Vollendung der Taufe: Während die Taufe stärker auf die Gabe des Christseins schaut, so betont die Firmung die Aufgabe, die uns als Christen für die Welt übertragen ist: Aus Gottes Geist heraus sollen wir die Welt mitgestalten und in seinem Sinne umgestalten.

Damit wir diese Aufgabe gut wahrnehmen können, müssen wir uns immer wieder um geistige »Verwandtschaft« mit Gott bemühen. Denn der Geist Gottes ist ja nicht etwas, das man wie einen Besitz irgendwo ablegen oder konservieren könnte, um es nach Bedarf wieder hervorzuholen. Nein, der Geist Gottes ist lebendig. Er weht, wo er will (Joh 3,8). Deshalb muss ich mich immer wieder um ihn bemühen, muss versuchen, immer mehr eines Sinnes mit Gott zu werden, muss meinen Geist von seinem Geist herausfordern, korrigieren und inspirieren lassen. Das geschieht dadurch, dass ich in dem Buch lese, in dem sich Gottes Geist am stärksten niedergeschlagen hat, der Hl. Schrift; das geschieht dadurch, dass ich die Gemeinschaft derer suche, in denen der Geist lebendig ist: die Kirche.

Das geschieht aber auch dadurch, dass ich persönlich um den Heiligen Geist bete. Mir ist da ein Gebet des hl. Augustinus besonders lieb, das sich auch im GL (4.6) findet:

Atme in mir, du Hl. Geist, dass ich Heiliges denke.
Treibe mich, du Hl. Geist, dass ich Heiliges tue.
Locke mich, du Hl. Geist, das ich Heilige liebe.
Stärke mich, du Heiliger Geist, dass ich Heiliges hüte.
Hüte mich, du Heiliger Geist, dass ich das Heilige nimmer verliere.

Stephan Ackermann

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