Mit einem Jubiläumsjahr begehen das Bistum Trier und die Kirche in Bolivien "50 Jahre Bolivienpartnerschaft 1960-2010"; es beginnt am 4. Oktober dieses und endet am 3. Oktober nächsten Jahres. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann äußerte sich am Donnerstag in der Moselstadt in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) zu der Partnerschaft.
KNA: Herr Bischof, seit 50 Jahren sind das Bistum Trier und die Kirche in Bolivien partnerschaftlich miteinander verbunden - eine Feststellung, die man jetzt häufig liest oder hört, die aber so ganz nicht stimmen dürfte. Anfänglich nämlich war nicht von Partnerschaft die Rede, sondern von Patenschaft. Was hat sich da verändert?
Bischof Ackermann: Als vor 50 Jahren die Partnerschaft begann, schrieb Bischof Matthias Wehr an den aus unserem Bistum stammenden Kardinal Clemente Maurer in Sucre: „Ich möchte, dass wir nicht von einem Patenschaftsverhältnis, sondern von einer Gemeinschaft gegenseitiger brüderlicher Hilfe zwischen unseren beiden Diözesen sprechen.“ Diese Formulierung war für die damalige Zeit sicher bemerkenswert. Heute dürfen wir sagen, sie war geradezu prophetisch.
Dennoch hatte das Verhältnis in den ersten Jahren viel von einer Patenschaft, oft wurde anfangs auch von der „Bolivienhilfe“ gesprochen. Das hat sich, ganz im Sinne von Bischof Matthias Wehr, grundlegend verändert. In den vergangenen fünf Jahrzehnten hat es viele Kontakte zwischen Menschen aus dem Bistum Trier und aus Bolivien gegeben. Durch diese Begegnungen hat die Partnerschaft ein Gesicht bekommen, das aus ganz vielen Gesichtern besteht. Die wechselseitigen Zeugnisse eines gelebten und gefeierten Glaubens haben die Partner auf beiden Seiten bereichert.
Hinzu gekommen ist eine inhaltliche Erweiterung und Profilierung der Partnerschaft. Vor allem ausgelöst durch die Kampagne für einen Schuldenerlass ist die Partnerschaft im vergangenen Jahrzehnt deutlich politischer geworden. Entwicklungspolitische Fragen werden stärker und offensiver thematisiert. In Trier und in Bolivien treten wir in Partnerschaft dafür ein, dass Ungerechtigkeiten nicht einfach hingenommen werden, dass die reichen Länder nicht auf Kosten armer Länder, wie Bolivien, leben. Von daher steht die Partnerschaft zunehmend auch für das Bemühen, der Globalisierung die Prägung von Gerechtigkeit, Solidarität und Geschwisterlichkeit zu geben.
KNA: Das Jubiläum "50 Jahre Bolivienpartnerschaft" steht unter dem Leitwort "Unsere Mission: Miteinander Zukunft gestalten". Was vor allem ist da miteinander zu gestalten?
Bischof Ackermann: Das Jubiläum stellt unter diesem Leitwort fünf Themenakzente in den Mittelpunkt: Bildung schaffen, Schöpfung bewahren, Dialog und gesellschaftliche Beteiligung stärken, christliche Spiritualität leben, Wirtschaft fair gestalten. Das heißt: Wir wollen uns gemeinsam einsetzen für die Zukunftschancen der jungen Generation, für den Erhalt unseres gemeinsamen Lebensraumes, für ein demokratisches Miteinander, für gerechte Einkommensmöglichkeiten und vor allem auch dafür, dass der Glaube eine neue Kraft entfaltet und die Botschaft Jesu in das Leben der Menschen einfließt. Wir wollen mit dem Leitwort deutlich machen, dass es darum geht, in Kirche und Gesellschaft das Zeugnis vom Reich Gottes zu leben. Miteinander wollen wir die Quellen unseres gemeinsamen Glaubens neu und wieder entdecken, aus ihnen schöpfen und dabei den Schatz der christlichen Spiritualität über alle Grenzen hinweg miteinander teilen.
KNA: In den vergangenen Jahrzehnten gab es in Bolivien immer wieder Unruhen, politische Wirren, Umstürze. Wie hat sich das auf die Partnerschaft ausgewirkt?
Bischof Ackermann: Die politischen Unruhen hingen ja damit zusammen, dass der bolivianische Staat über Jahre hinweg die drängenden alltäglichen Probleme weiter Teile der Bevölkerung nicht lösen konnte und wollte. Es gab viel Korruption. Die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Eliten kümmerten sich kaum um die Bekämpfung der Armut. Die katholische Kirche Boliviens war lange Zeit die einzige Institution, die hier Veränderungen forderte. Wir haben die Partner dabei immer unterstützt.
Eine neue Dimension hat die Partnerschaft im politischen Kontext mit der Kampagne zum Schuldenerlass Ende der neunziger Jahre gewonnen. Als eine konkrete Konsequenz haben wir 2003 gemeinsam mit der Bolivianischen Bischofskonferenz und dem Bistum Hildesheim die „Fundación Jubileo“ gegründet. Ziel dieser Stiftung ist die Stärkung der bolivianischen Zivilgesellschaft, die Förderung des Demokratiebewusstseins sowie die Befähigung der Bevölkerung zur Mitgestaltung der politischen und sozialen Entscheidungsprozesse.
Leider kam es in den letzten Jahren zu einer heftigen politischen Polarisierung und Radikalisierung in Bolivien. Politische Diskussionen wurden ideologisiert. Das Gemeinwohl, um das es eigentlich gehen sollte, geriet aus dem Blick. Auch in dieser Situation war es die katholische Kirche, die wiederholt dazu aufrief, aufeinander zuzugehen und in einen Dialog der Versöhnung zu treten. Gerade in diesen schwierigen Zeiten bewährt sich dann auch eine Partnerschaft. In Begegnungen, im Dialog und vor allem auch im Gebet haben wir versucht, an der Seite unserer bolivianischen Brüder und Schwestern zu stehen.
KNA: Inwieweit, Herr Bischof, kommt der Partnerschaft zwischen Ihrem Bistum und der Kirche in Bolivien Bedeutung zu hinsichtlich der deutsch-bolivianischen Beziehungen?
Bischof Ackermann: Ich denke schon, dass die Partnerschaft hier einen hohen Stellenwert hat. Immer wieder suchen wir beispielsweise auch das Gespräch mit politischen Entscheidungsträgern. Viele Abgeordnete aus unserem Bistum haben inzwischen eine ganz persönliche Beziehung zu Bolivien. Mit dem Entwicklungshilfeministerium in Berlin gibt es regelmäßige Kontakte und einen Austausch über die Situation in Bolivien. Auch auf politischer oder wirtschaftlicher Ebene ist ja die Grundlage für gute Beziehungen, dass man sich zunächst überhaupt einmal kennenlernt und füreinander interessiert. Unsere Partnerschaft mit Bolivien hat, da bin ich mir sicher, dazu beigetragen, dass dieses Land für viele Menschen in Deutschland – auch über unser Bistum hinaus – nicht einfach mehr nur irgendein Fleck auf der Landkarte ist, sondern ein Ort, wo man Menschen kennt, die einem nicht egal sind, mit denen man sich verbunden fühlt