Neue Hoffnung für Ägypten

Bischof Stephan Ackermann - Wort zum Sonntag in SWR3 - 13. Februar 2011

Die Bilder erinnern an »unseren« 9. November im Jahr 1989. Menschen, die ausgelassen jubeln, ihre Fahnen schwenken, von unglaublicher Freude erfüllt sind. Ägypten feiert seine gewaltlose Revolution, feiert das Ende des Mubarak-Regimes. Der 11. Februar wird in die Geschichte Ägyptens eingehen und wird von noch nicht absehbarer Bedeutung für die ganze Region sein. Mit großer Anteilnahme und mit Respekt sehen wir den Freiheitsdrang des ägyptischen Volkes. Mit Geduld und Standhaftigkeit haben die Menschen ausgeharrt und auf friedliche Weise, allein durch ihre mutige, achtzehntägige Präsenz auf dem Tahrir-Platz in Kairo ihre Welt verändert.

Die Freiheit ist eines der höchsten Güter der Menschheit und es tut gut zu erleben, dass sie sich am Ende immer durchsetzt. Auch wenn man manchmal lange darauf warten muss. Die Despoten haben keine Zukunft. Deswegen gratulieren wir den Menschen in Ägypten und auch ihren Landsleuten hier bei uns in Deutschland, die die Ereignisse in ihrer Heimat aus der Ferne verfolgt haben.

Religionsfreiheit auch in Ägypten?

In die Freude mischt sich die Sorge um die weitere Entwicklung. Wird Ägypten seinen Friedensvertrag mit Israel bestätigen? Werden aus den demokratischen Kräften im Land freie und verantwortungsvolle Parteien entstehen oder werden radikale Kräfte den Übergang in das neue Ägypten ausnutzen? Die Bilder vom feigen Selbstmordanschlag auf Christen in Alexandria sind uns noch in schrecklicher Erinnerung. Ich hoffe, dass Religionsfreiheit jetzt endlich in Ägypten Wirklichkeit wird. Dazu muss der Artikel 2 der Verfassung gestrichen werden, der die Scharia als wichtigste Quelle des Rechts in Ägypten festschreibt und die Grundlage für die Benachteiligung und Verfolgung der christlichen Kopten darstellt. Mich haben besonders die Bilder vom Tahrir-Platz bewegt, die Christen und Muslime im gemeinsamen Protest vereint zeigten. Da wurden Koran und Kreuz nebeneinander als Zeichen der Freiheit hochgehalten. Gebe Gott, dass diese Erfahrung der Gemeinsamkeit in einen andauernden gegenseitigen Respekt mündet. Bei aller Unterschiedlichkeit.

Nachdenken über „Partner“

Nachdenklich machen mich allerdings auch die schnellen Beifallskundgebungen aus Politikerkreisen. Es ist noch nicht lange her, dass Präsident Mubarak an erster Stelle nicht als Vertreter eines autoritären Regimes gesehen wurde, sondern als verlässlicher Partner. Zumindest in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit. Wer wusste bei uns, dass seit 30 Jahren in Ägypten der Ausnahmezustand galt?

Mancher Handschlag, manches Lächeln bei Begegnungen erscheint heute in anderem Licht. Dies müssen Politiker mit Blick auf ihre Glaubwürdigkeit selbstkritisch eingestehen. Leider machen wir Deutschen da keine Ausnahme: Im Jahr 2009 wurden deutsche Rüstungsgüter im Wert von mehr als 77 Millionen Euro nach Ägypten verkauft, wohl wissend, dass es um die Lage der Menschenrechte im Land am Nil schlecht bestellt ist.

Heute: Freude und Fürbitte

Aber an diesem Wochenende freuen wir uns in erster Linie mit den Menschen in Ägypten. Das Fernsehen zeigte uns ihr befreites Lachen, ihre Erleichterung. Begleiten wir sie mit unseren guten Gedanken und unserem Gebet. Wenn wir als Christen heute Morgen wie jeden Sonntag in den Kirchen zusammenkommen, sollte unser fürbittendes Gebet besonders ihnen gelten. Aber wir wollen auch die Menschen nicht vergessen, die immer noch benachteiligt, unterdrückt und um ihre Freiheit betrogen werden. Und wir sollten bei allem auch dankbar sein für den Frieden, der uns seit langem in unserem Land geschenkt ist.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien einen gesegneten Sonntag.

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