Liebe Schwestern und Brüder,
für uns im Bistum Trier ist der Freitag nach dem Weißen Sonntag ein besonderer Gedenktag, erinnern wir uns am Heilig-Rock-Fest, das wir am gerade vergangenen Freitag begangen haben, der Reliquie, die uns überkommen ist und die durch die Jahrhunderte hier in unserem Dom verehrt wird als Christi Gewand, das man ihm unmittelbar vor seiner Kreuzigung vom Leib gerissen hat – gleichsam eine letzte Demütigung.
Da finde ich an diesem Heilig-Rock-Fest bei der Lektüre der FAZ gleich auf der Titelseite einen Beitrag mit der Überschrift: ‚Wider die religiös-kulturelle Ignoranz’ (von Heike Schmoll). Schon der Titel hat mich neugierig gemacht. Anlass gab die jüngste höchstrichterliche Entscheidung in der Kopftuchdebatte, die – das möchte ich nicht verschweigen – mich überrascht hat; denken wir dagegen nur an die Kruzifixurteile, die seinerzeit gänzlich anders ausfielen!
Die Verfasserin des Beitrags macht aus ihrer Überzeugung kein Hehl, wenn sie meint, dass es ganz und gar nicht gleichgültig sein kann, welche Glaubens- und Weltanschauungen etwa in unsere Schulen getragen werden. Sie warnt vor einer Tendenz, zukünftig jeglichen christlichen Bezug in den Landesverfassungen tilgen zu müssen, – in Kindertagesstätten und Schulen – quasi in vorauseilender politisch korrekter Betulichkeit auf die St. Martins-Tradition verzichten zu müssen und statt dessen vom „Sonne-Mond-und-Sterne-Fest“ oder statt von Ostern bloß noch vom Frühlingsfest zu sprechen. Nein, für die Verständigung mit anderen Kulturen und Glaubensgemeinschaften wird so ganz sicher kein Beitrag geleistet.
Wörtlich sagt sie: „Die christlich-jüdische Herkunftsgeschichte gerade in den öffentlichen Bildungseinrichtungen zu leugnen, wäre falsch und bildungsfeindlich. Areligiösen und andersgläubigen Kindern würde das Grundwissen über die Religion des Landes vorenthalten, in das sie womöglich gerade erst eingewandert sind.“ Wir als Christen neigen nicht dazu, „den eigenen Glauben offensiv zu vertreten, sondern ihn eher zu verschweigen. Doch das könnte ein schwerer strategischer Fehler sein.“ Und weiter: „Es gibt inzwischen viel zu viele Kinder und Eltern, die mit dem Kirchenjahr und den christlichen Festen nichts mehr anfangen können, weil sie nichts darüber wissen. Niemand erwartet, dass sie an die Auferstehung glauben, aber sie sollten wenigstens wissen, dass die Osterfreude darin ihren Grund hat. Das gehört zum kulturellen Grundbestand jedes halbwegs gebildeten Menschen.“
Die Klarheit dieser Aussage an so exponierter Stelle hat mich, ehrlich gesagt, überrascht. Eine Stimme, die Klartext spricht, ohne im Verdacht „binnenkirchlicher Absichten“ zu stehen!
Für uns Christen dauert die Osterfreude fort; durch fünfzig Tage dürfen wir sie feiern. Immer und immer wieder hören wir von den Erscheinungen des Auferstandenen. Wie kann man sich als Mensch des 21. Jahrhunderts so etwas vorstellen? Ist dieses Erleben der Jünger überhaupt in irgend einer Weise nachvollziehbar?
Die Beschreibungen der Begegnungen mit dem Auferstandenen in den Evangelien sollen sinnlich glaubhaft machen, was man anzweifeln kann. Sie bleiben dabei bewusst ‚geerdet’. Das berührt mich auch beim Evangelium dieses Sonntags. Es schließt sich unmittelbar an die Emmausgeschichte an, wie wir sie gewöhnlich im Gottesdienst am Ostermontag hören: Die vom Geschehen des Karfreitag verstörten und entmutigten Jünger auf dem Weg, denen sich – zunächst unerkannt – Jesus, der Auferstandene anschließt. Wie er ihnen den Sinn von all dem, was bis zu seinem Sterben am Kreuz geschehen musste, erklärt, wie sie ihn bitten, bei ihnen zu bleiben, weil es Nacht wird – sicherlich nicht nur äußerlich, sondern Nacht der Angst und Trauer auch in ihnen drinnen – und wie sie ihn beim Brechen des Brotes erkennen.
Immer und immer wieder muss Jesus ganze Überzeugungsarbeit leisten, bis die Jünger begreifen, was an Ostern geschehen ist. Das ist nicht mit einem Bloß-zur-Kenntnis-Nehmen getan; da braucht es Vertrauen, mit überraschend Neuem rechnen zu dürfen. Und dann kann sich das einstellen, in einem ganz persönlich ereignen, was wir Glauben nennen: „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?“ Voller Elan brechen die beiden auf und kehren nach Jerusalem zurück, den anderen zu erzählen, was sie selbst hatten erleben dürfen.
Und wieder ist Jesus da – und er isst sogar mit ihnen.
„Ihr seid Zeugen dafür“ – mit diesen Worten endet die seltsame Geschichte der Begegnung des Auferstandenen mit den Jüngern; ganz schlicht, ganz einfach - und doch für die Apostel von so weitreichender Bedeutung. "Ihr seid Zeugen dafür" - man könnte auch sagen: an Euch liegt es, ja, ich setze auf Euch, dass die Osterbotschaft weitergeht und sie immer und immer wieder die Herzen von Menschen zum Brennen bringt. Und dieses Wort meint: Du bürgst mit dem Zeugnis deines Lebens für das, was du von Jesus Christus verstanden hast. Ein Anruf, der heute uns gilt - und ein Zeugnis, das wir der Welt schulden.
Wenn aber eine oder einer von uns wirklich Zeuge werden soll, dann heißt das zunächst einmal: wach werden, aus der Alltäglichkeit heraustreten in die Tuchfühlung mit Jesus, dem Auferstandenen; eine Einladung, die uns auch heute Morgen diesen Gottesdienst miteinander feiern lässt. Vergangenen Freitag hat im Kölner Dom der Gottesdienst für die Opfer des unfassbaren Flugzeugabsturzes in den französischen Alpen stattgefunden; was in den Medien von dieser Gedenkfeier berichtet wurde, hat wohl niemanden unberührt gelassen. Nein, das Schreckliche ist damit nicht einfach beiseite geschoben oder abgehakt; aber das gemeinsame Sich-Ausrichten-auf-Gott, das Schweigen und Beten hat ganz sicher auch eine Ahnung von Hoffnung geschenkt.
Hier, in unserer Mitte, sind 24 erwachsene Christen, die von dieser österlichen Hoffnung und diesem österlichen Glauben angerührt sind; sie kommen aus verschiedenen Pfarreien und Pfarreiengemeinschaften unseres Bistums, um sich durch das Sakrament der Firmung für Ihren Lebens- und Glaubensweg ermutigen zu lassen. Das bedeutet: Sie, liebe Firmbewerberinnen und Firmbewerber wollen sich vom Heiligen Geist, den Jesus versprochen hat, anrühren und für Ihr Leben und Ihren Glauben ermutigen lassen, letztendlich um sich dann auch draußen, in der Welt, als Christen einzubringen, sei es in der Familie, im Beruf oder im Bekanntenkreis – ein Zeugnis, das die Menschen unserer Zeit brauchen.
„Ihr seid meine Zeugen“ - vielleicht klingt das für uns so fern und fremd, weil wir noch einen langen Weg bis zum Ziel vor uns haben. „Ihr seid meine Zeugen“ – das ist aber keine Überforderung, kein unerreichbares Ziel; denn wir sind bereits auf dem Weg dahin, und der Herr führt uns Schritt und Schritt, bis auch uns die Augen aufgehen.