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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Grünsfeld (Main-Tauber-Kreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts
unterschiedlichen Adelsfamilien, vor allem den Landgrafen von Leuchtenberg
beziehungsweise als deren Lehen zum Bistum Würzburg gehörenden Grünsfeld
bestand eine jüdische Gemeinde zunächst im Mittelalter. Jüdische Bewohner
werden bereits seit 1218 genannt. Die Judenverfolgung 1298 zerstörte die
Gemeinde. 1377 wird wieder ein Jude in der Stadt genannt.
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in die Zeit
Anfang des 16. bzw. in das 17. Jahrhundert zurück. Von 1576 bis um 1640 bestand
ein Niederlassungsverbot für Juden in Grünsfeld. 1775 werden wieder 7 jüdische
Haushaltungen genannt.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem
jüdischen Friedhof in Allersheim
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben war zeitweise ein jüdischer
Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl.
Ausschreibungen der Stelle unten). 1827 wurde die Gemeinde dem Rabbinatsbezirk Wertheim
zugeteilt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1826 37 jüdische Einwohner, 1833 31, 1838 35, 1841 33, höchste Zahl jüdischer Einwohner um 1871 mit 63 Personen,
1875 59, 1880 60, 1885 40, 1890 51, 1895 54, 1900 55, 1905 54, 1910 49. Die Juden in Grünsfeld lebten überwiegend vom Viehhandel.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Berthold Rosenbusch
(geb. 29.5.1897 in Grünsfeld, gef. 21.3.1918). Außerdem ist gefallen:
Friedrich Rosenbaum (geb. 5.6.1890 in Grünsfeld, vor 1914 in Leipzig wohnhaft,
gef. 20.7.1916).
Um 1924, als zur Gemeinde 52 Personen gehörten (3,6 % von insgesamt etwa
1.600 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Siegfried Rothschild, Moritz
Sichel, Leopold Sichel und Samuel Rothschild. Den Religionsunterricht der damals
fünf schulpflichtigen jüdischen Kinder der Gemeinde erteilte Lehrer Oskar
Dreifuß aus Tauberbischofsheim. 1932
waren die Gemeindevorsteher Oskar Schiller (1. Vors.), Leopold Sichel (2. Vors.)
und Samson Rothschild (3. Vors.). Im Schuljahr 1931/32 war nur noch ein Kind der
Gemeinde durch Lehrer Alfred Kaufmann aus Tauberbischofsheim in Religion zu
unterrichten.
Bis nach
1933 gab es neben den jüdischen Viehhandlungen auch zwei im Besitz jüdischer
Familien stehende Manufakturwarengeschäfte. Im einzelnen bestanden:
Manufakturwarengeschäft Hermann Rosenbaum (Hauptstraße 27),
Manufakturwarengeschäft Rosenbusch, Inh. Hilde Rosenbusch, Oskar und Selma
Schiller (Leuchtenbergstraße 8), Viehhandlung Samson Rothschild (Treppengasse
1), Viehhandlung Simon genannt Siegfried Rothschild (Abt-Wundert-Straße 1),
Viehhandlung Leopold Sichel (Hauptstraße 16).
1933 wurden 29 jüdische Einwohner in Grünsfeld gezählt. Auf Grund der
Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Repressalien und der
Entrechtung ist ein Teil von ihnen in den folgenden Jahren ausgewandert
beziehungsweise in andere Städte verzogen. Die Gemeinde wurde am 7. März 1938 aufgelöst; die hier noch lebenden Juden der
Gemeinde in Tauberbischofsheim zugeteilt.
Bis 1940 emigrierten 15 jüdische Einwohner nach Frankreich, Paraguay,
Palästina und in die USA, fünf starben zwischen 1933 und 1940 in ihrer alten
Heimat. 1940 wurden die letzten jüdischen Einwohner Grünsfelds nach Gurs
deportiert, von denen nur einer überlebt hatte. Einige Grünsfelder Juden
wurden aus anderen Orten deportiert, u.a. Babette Rosenbaum, die 1942 aus
Mannheim in das Ghetto Theresienstadt deportiert wurde, wenig später nach Maly
Trostinec, wo sie ermordet wurde.
Von den in
Grünsfeld geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):
Amalie Bender geb. Rosenbaum (1892), Rosa (Rosalie) Bravmann geb. Rosenbaum
(1881), Lina Forchheimer geb. Sichel (1882), Selma Maier geb. Sichel (1901),
Karolina Merzbacher (1866), Babette Rosenbaum geb. Merzbacher (1861), Hermann
Rosenbaum (1877), Regina Rosenbaum geb. Adler (1881), Hilda Rosenbusch (1895),
Jeanette Rosenbusch geb. Bayer (1865), Nathan Rosenbusch (1892), Hermann
Rosenbaum (1877, "Stolperstein" in Wertheim,
Lindenstr. 4-5), Leopold
Rothschild (1861), Rosa Rothschild geb. Bierig (1877), Selma Schiller geb.
Rosenbusch (1893), Rosa Schwab geb. Rosenheimer (1878), Berta Sichel geb.
Rosenbaum (1872), Max Sichel (1896, siehe Link unten zu seiner Biographie), Otto Sichel (1896).
Aus
der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der
Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1855 /
1890 / 1902 /
1922
Anmerkung: bei der Ausschreibung 1890 war Grünsfeld Filiale
zur Gemeinde Messelhausen, 1922 Filiale zur Gemeinde
Wenkheim.
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 12. Dezember 1855 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Die mit einem festen Gehalte von 135 fl. und einem jährlichen
Schulgelde von 48 kr. für jedes die Religionsschule besuchende Kind,
einem Aversum ferner von 15 fl. für den zu erteilenden weltlichen
Unterricht, und dem Vorsängerdienste samt den davon abhängigen
Gefällen, verbundene Religionsschulstelle bei der israelitischen Gemeinde
Grünsfeld, Synagogenbezirks Tauberbischofsheim, ist zu besetzen.
Die berechtigten Bewerber um dieselbe werden daher aufgefordert, mit ihren
Gesuchen, unter Vorlage ihrer Aufnahmeurkunden und der Zeugnisse über
ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel, binnen 6 Wochen, mittelst
des betreffenden Bezirksrabbinats, bei der Bezirkssynagoge
Tauberbischofsheim sich
zu melden. Bei dem Abgange von Meldungen von Schul- oder
Rabbinatskandidaten, können auch andere inländische befähigte Subjekte
nach erstandener Prüfung bei dem Bezirksrabbiner zur Bewerbung zugelassen
werden." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 5. Mai 1890: "Vakanz.
Die Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle in Messelhausen
ist auf 1. August dieses Jahres neu zu besetzen. Festes Einkommen Mark 600
bei freier Wohnung und Nebeneinkommen von Mark 200-300. Außerdem Filiale Grünsfeld
mit Einkommen von über 300 Mark. Bewerbungen mit beglaubigten
Zeugnisabschriften sind alsbald an den Unterzeichneten zu richten.
Mosbach, 4. Mai 1890. Die Bezirkssynagoge. Dr. Löwenstein." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Mai 1902:
"Vakanz.
Die mit einem festen Gehalt von 700 Mark und Nebengefällen
von etwa 200 Mark nebst freier Wohnung verbundene Religionslehrer-,
Vorsänger- und Schächterstelle in Grünsfeld ist sofort zu besetzen.
Ledige Bewerber wollen ihre Gesuche nebst Zeugnisabschriften uns zusenden.
Mosbach, 9. Mai (1902).
Die Bezirkssynagoge: Dr. Löwenstein." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Februar 1922:
"Vakanz. Der Religionslehrer-, Vorbeter- und Schächterdienst
bei der Gemeinde Wenkheim mit Filiale Grünsfeld
ist sofort zu besetzen. Freie Dienstwohnung mit großem Garten,
Wasserleitung und elektrischer Beleuchtung stehen zur Verfügung. Das Einkommen
regelt sich nach der vom Oberrat der Israeliten aufgestellten
Gehaltsskala. Verheiratete, streng religiöse, seminaristisch gebildete Bewerber
wollen ihre mit Zeugnisabschriften versehenen Gesuche baldigst dem
Synagogenrat in Wenkheim (Baden) zugehen lassen.
Mosbach, den 30. Januar 1922. Die Bezirkssynagoge Dr.
Löwenstein." |
Lehrer Heinrich Bloch wechselt
nach Neckarbischofsheim (1910)
Mitteilung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. August
1910: "Aus Baden. Die mit dem Vorsänger- und Schächterdienst
verbundene Religionsschulstelle in Neckarbischofsheim
(mit Filiale Waibstadt) wurde dem
Religionslehrer Bloch in Grünsfeld (Baden) übertragen, jene in Wollenberg
(Baden) dem Lehrer Tuch in Speyer am Rhein." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige von S. Rosenbusch & Sohn (1878)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. April 1878: "Wir
suchen einen Commis (Israelit), der in einem Manufakturwaren-Geschäft en
détail gelernt hat und mit der Buchführung vertraut ist. 'Sonn- und
Feiertage geschlossen. Eintritt sofort. S. Rosenbusch & Sohn,
Grünsfeld (Baden)." |
Anzeige des Manufakturwarengeschäftes N. Rosenbusch
(1889)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
17. Juni 1889: "Per September ist in meinem
Manufakturwaren-Geschäft, Samstags geschlossen, die Stelle eines Détailreisenden
für Landtouren zu besetzen; nur solche Bewerber, welche schon mit Erfolg
gereist haben, finden Berücksichtigung.
Grünsfeld (Baden). N. Rosenbusch".
|
Verlobungsanzeige für Klara Marx und Lehrer Michael Eisemann
(1920)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. März 1920: "Klara
Marx - Lehrer Michael Eisemann.
Verlobte. Bödigheim Baden - Grünsfeld Baden.
Nissan 5680". |
Verlobungsanzeige für Else Sichel und David
Katzenstein (1925)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Dezember 1925:
"Statt Karten
Else Sichel - David Katzenstein. Verlobte.
Grünsfeld Baden - Rhina Kreis Hünfeld. Dezember 1925." |
Geburtsanzeige von Heini Schiller, Sohn von Oskar
Schiller und Selma geb. Rosenbusch (1928)
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des Central-Vereins)
vom 26. Oktober 1928:
"Heini.
Die glückliche Geburt eines Stammhalters zeigen in dankbarer Freude
an
Oskar Schiller und Frau Selma geb. Rosenbusch.
Grünsfeld, den 14. Oktober 1928". |
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Im 17./18. Jahrhundert
konzentrierte sich das Wohngebiet vermutlich auf das "Judengäßlein" (heute
Treppengasse).
Die mittelalterliche Gemeinde hatte eine Synagoge ("Judenschul"),
1502 als "steinernes Haus" genannt, möglicherweise identisch mit dem später
als Pfarrhaus (ehemaliges "Tempelhaus") benutzten Gebäude (1861 abgebrannt).
Bis zur Ausweisung der Juden 1576 wird gleichfalls ein Betsaal oder eine
Synagoge vorhanden gewesen sein.
Um 1800 wird wieder ein Betsaal genannt.
Wahrscheinlich handelte es sich dabei bereits um denselben Betsaal (Synagoge),
der nach einem Bericht des Bezirksrabbinates Tauberbischofsheim an das
Bezirksamt Gerlachsheim vom 25. August 1852 dringend eine Reparatur und
eine Umgestaltung der inneren Einrichtung nötig hatte. Mehrfach waren nach
einem Bericht des zuständigen Tauberbischofsheimer Bezirksrabbiners Jakob Löwenstein
an das Bezirksamt Teile des Verputzes sogar während der Gottesdienste
heruntergefallen. Er habe dies auch schon einige Male angemahnt, aber es sei
nichts verbessert worden. Das Problem lag nach Meinung Löwensteins an der
Tatsache, dass die Synagoge gar nicht der Gemeinde gehörte, sondern im
Privatbesitz von drei jüdischen Privatleuten war, nämlich des Hirsch Sichel,
des Sedel Rosenbusch und Mayer Sichels Witwe. Sie konnten sich untereinander
nicht über die Höhe der Kosten zur Reparatur einigen. Rabbiner Löwenstein bat
das Bezirksamt um einen Lokaltermin mit den Eigentümern zur Besprechung der nötigen
Reparaturen, die noch vor den Hohen Feiertagen im Herbst 1852 erledigt werden
sollten.
Dass die Grünsfelder Synagoge in Privatbesitz war, führte
noch zu zahlreichen anderen Problemen innerhalb der Gemeinde. Selbstverständlich
beanspruchten die Eigentümer die besten Plätze im Betsaal für sich und ihre
Angehörigen, was regelmäßig ein Grund zum Ärgernis für andere
Gemeindeglieder wurde. Auch hier war zur Vermeidung laufender Streitereien eine
Klärung nötig. Am 16. April 1859 fand aus diesem Grund eine
Gemeindeversammlung statt. Inzwischen waren die Eigentümer des Betsaales zu je
einem Drittel Moses Sichel, Jakob und Josef Sichel, Lehmann und Nathan
Rosenbusch. In dieser Gemeindeversammlung wurde den Eigentümern zunächst
zugestanden, dass diese als erste die Synagogenplätze für sich und ihre
Familie auswählen konnten. Alle anderen Plätze in der Synagoge wurden verlost.
Die Inhaber hatten für ihren Platz künftig einen Gulden pro Jahr in die
Gemeindekasse zu bezahlen. Die eingegangenen Beträge sollten für Reparaturen
und etwaige Vergrößerungen oder Veränderungen der Synagoge verwendet werden.
Die getroffene Vereinbarung wurde dadurch bestätigt, dass alle durch Wahl und
Los bestimmten Synagogenplätze nummeriert wurden und die Abmachungen für zehn
Jahre Geltung haben sollten. Eine Liste über alle Synagogenplätze mit den
Namen der Inhaber wurde erstellt und den Behörden zugesandt.
Ende der 1880er-Jahre war das Synagogengebäude wiederum in
höchst reparaturbedürftigem Zustand. Im Dezember 1889 wurde berichtet, dass
das Gebäude einen "kläglichen Anblick" biete. Der Aufgang sei völlig dunkel,
das Treppengeländer fast abgerissen, sodass man nur mit Lebensgefahr die Stiege
zum Betsaal hinaufkommen könne. Die Deckengebälke im Inneren der Synagoge
seien durch den regelmäßig hereindringenden Regen durchgefault. Auch der
Toraschrein sei dadurch schon in Mitleidenschaft gezogen worden. Das unter der
Synagoge liegende Frauenbad habe keinen Abfluss und müsse jeweils ausgeschöpft
werden. Wiederum lagen die Schwierigkeiten an der Durchführung von Reparaturen
an den unverändert schwierigen Eigentumsverhältnissen. Die Eigentümer waren
inzwischen Nathan Rosenbusch, Jakob Sichel und Josef Sichels Witwe, die sich
alle drei nicht für Reparaturen zuständig fühlten. Auch dieses Mal musste
sich der Bezirksrabbiner (inzwischen Rabbiner Dr. Löwenstein von Mosbach)
einschalten, um zur Lösung der Probleme beizutragen. Man einigte sich im Januar
1890 darauf, dass die Ausbesserung des Daches Sache der Gemeinde sei und
von ihr bezahlt werden müsse.
Eine neue Situation trat im folgenden Jahr ein. 1891
hat der nichtjüdische Flaschnermeister (= Spengler) Heinrich Huband das Gebäude ohne den im
zweiten Stock gelegenen Betsaal und das rituelle Bad im Keller erworben. Diese
Einrichtungen übernahm nun die israelitische Gemeinde. Da der Zugang zur
Wohnung und den Betsaal bislang nur über ein gemeinschaftliches Treppenhaus möglich
war, beschloss die Gemeinde im Einvernehmen mit Huband, dass zum Betsaal eine
direkte Treppe angelegt werden soll. Dazu musste freilich zu Wand zur Straßenseite
durchbrochen werden, aber man konnte in diesem Zusammenhang einen neuen Kamin für
die Heizung des Bades anlegen. Im Sommer 1893 wurden die Arbeiten ausgeführt.
Freilich wurde im Zusammenhang mit diesen Arbeiten entdeckt, dass die tragenden
Balken im Bereich des Betsaales durch den darunter liegenden Stall so verfault
und wurmstichig waren, dass der Bezirksbaukontrolleur aus Tauberbischofsheim
sofort das Betreten des Betsaales untersagte, bis neue Balken eingezogen waren.
Die Arbeiten wurden noch im September 1893 ausgeführt, danach konnte die
Gemeinde wieder ihre Gottesdienste feiern.
Ein großes Unglück kam über die jüdische Gemeinde im
Sommer 1931: am 31. August brannte der Betsaal ab.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. September 1931: "Grünsfeld,
3. September (1931). Am 31. August, morgens 4 Uhr bracht in der Nähe der
Synagoge ein Brand aus, dem auch das Gotteshaus zum Opfer fiel. Als die
ersten Menschen an den Brandplatz kamen, stand die Synagoge schon in
Flammen. Eine junge jüdische Dame, eine im Greisenalter stehende Frau und
zwei hoch betagte Männer drangen unter Lebensgefahr in die Synagoge, um
wenigstens die Torarollen zu retten, was auch gelang. Fast alle übrigen
Kultgeräte fielen dem entfesselten Elemente zum Opfer. Vor drei Jahren
erst wurde die Synagoge unter großen Opfern und mit viel Liebe und
Hingabe der kleinen Gemeinde renoviert. Die Gemeindemitglieder waren stolz
auf 'ihr Schmuckkkästlein'. Die Stimmung in der Gemeinde ist sehr
gedrückt." |
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Mitteilung
im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde in Frankfurt" im
Oktober 1931: "Grünsfeld. Die Synagoge in Grünsfeld bei
Tauberbischofsheim ist abgebrannt." |
Obwohl die Gemeinde
bereits sehr klein geworden war, diskutierte man doch sehr schnell über einen
Wiederaufbau einer Synagoge. Eine Gemeindeversammlung beschloss am 31. Dezember
1932, den Betrag von 10.000 Mark in einen neuen Betsaal zu investieren. Von der
Brandversicherung habe man 3.740 Mark erhalten, die Gemeinde verfügte über ein
Guthaben von 3.660 Mark und der Rest könnte – was allerdings nicht
unumstritten war - durch ein Darlehen finanziert werden. Auf Grund der nach 1933
völlig veränderten Situation konnte dieser Plan zum Bau einer neuen Synagoge
jedoch nicht mehr verwirklicht werden, obwohl noch ein Bauplatz am
Seegraben vorhanden war.
Die Gemeinde hat 1932 bis 1938 ihre Gottesdienste in einem
jüdischen Privathaus beim Rathaus abgehalten. Dieser Betsaal wurde 1938 geplündert.
Adressen der Synagogengebäude:
bis 1931 Rieneckstraße 4, 1932 bis 1938 Treppengasse
1
Fotos
Historische Pläne
(Quelle: GLA Karlsruhe (Bezirksamt
Tauberbischofsheim) Fasz. 4079 (Reparatur und Innenausstattung der Synagoge in
Grünsfeld mit Bauplänen).
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Grundriss des
Synagogengebäudes
von 1890. Damals bestand noch ein
Eingang von der
Straße ("Unterer
Eingang"), über den man zur Synagoge
und die
Wohnungen über ein mit der
gemeinsames Treppenhaus gelangte. |
Grundriss des I. Stockes des
Synagogengebäudes von 1893
anlässlich des Einbaus eines direkten
Zugangs
(Treppe) zur Synagoge von
der Straßenseite her |
Grundriss des II. Stockes des
Synagogengebäudes mit der Synagoge.
Von der Treppe aus gelangte man
zu
einem "Vorplatz zur Synagoge"
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Querschnitt durch
das Synagogengebäude. Im linken Gebäude ist die Treppe
zur Synagoge
eingezeichnet. Im gewölbten Keller darunter befindet sich das
rituelle
Bad. Eingezeichnet ist der Kessel zur Warmwasserbereitung und der
nach
oben führende Kamin. |
Ansicht des Synagogengebäudes
(Vordergebäude mit den Wohnungen)
von der Straßenseite. Eingezeichnet
ist
die 1893 neu erstelle Eingangstür mit
dem direkten Zugang zur
Synagoge. |
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Fotos nach 1945/Gegenwart:
Fotos der mittelalterlichen Spuren:
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Blick in die mittelalterliche
Judengasse
(heute Treppengasse) |
Am Haus Treppengasse 1 findet
sich die
Darstellung eines Juden |
Vergrößerung des
Fotos links |
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Die um 1200 entstandene
Achatiuskapelle in Grünsfeld-Hausen
Auf dem lange als "Näpfchenstein" bezeichneten Stein in der
Außenwand der Achatiuskapelle im benachbarten Grünsfeldhausen
handelt es sich
vermutlich um einen aus einer mittelalterlichen Synagoge stammenden
Chanukka-Leuchter (11./12. Jahrhundert). |
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Nordseite der Kapelle: an der
Außenwand
ist der "Näpfchenstein" eingemauert |
Der vermutlich als
Chanukkaleuchter
zu erklärende Stein in der Außenwand |
Zum Vergleich: Steinerner
Chanukkaleuchter
des 12. Jahrhunderts aus Avignon
(Quelle: Encyclopedia
Judaica Bd. 7,1294) |
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Erklärung zum
Näpfchenstein: Im Mittelalter war die Verwendung von steinernen
Chanukkaleuchtern weit verbreitet. Dabei handelte es sich um Steine mit
Vertiefungen für das Einfüllen des Öls und das Einlegen des Dochts.
Teilweise wurden in die Vertiefungen kleine Näpfchen eingesetzt. Die
Vertiefungen des Steines an der Achatiuskapelle sind stark ausgewaschen.
Doch spricht die Zahl der acht Vertiefungen und der an dieser Stelle in
der sonst makellosen Mauer völlig ungewöhnliche kleine Stein für die
Deutung als Chanukkaleuchter. Häufig wurden im Mittelalter Steine aus
zerstörten Synagogen oder Grabsteine zerstörter jüdischer Friedhöfe
gerade für den Bau von Kirchen verwendet (christlicher Triumphalismus),
vgl. die beim Abbruch einer mittelalterlichen Klosterkirche in Würzburg
gefundenen 1500 jüdischen Grabsteine (http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/1277/),
ähnliches beim Münster in Ulm. |
Fotos 2003:
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 22.9.2003) |
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Das
heutige
Gebäude Rieneckstraße 4 auf dem Grundstück der früheren
Synagoge.
Auf diesem Grundstück (Lgb. Nr. 380) besaß der Spengler Heinrich Huband
Gebäude.
Die Synagoge im Besitz der jüdischen Gemeinde befand sich im
Hintergebäude im
1. Obergeschoss. Die später eingebaute Treppe führte direkt von
der
Leopoldstraße (heute: Rieneckstraße) hinauf zur Synagoge. |
Blick auf das Gebäude
Treppengasse 1,
in dem 1932-1938 die Gottesdienste
abgehalten wurden |
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 177. |
| Elmar Weiß: Geschichte der Stadt Grünsfeld. 1981. S. 553-581. |
| Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
1986. S. . |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Gruensfeld Baden. Jews are first
mentioned in 1218. The community was destroyed in the Rindfleisch massacres of
1298 and renewed only in the 16th century. After being expelled in 1576, Jews
were again present in the 18th century, with a synagogue built in 1751 (destroyed
in a fire in 1931) and the population reaching a peak of 63 in 1871 (4 % of the
total). In 1933, 29 remained, most of them cattle traders. Eighteen left by 1939
(11 emigrating) and the last seven were deported to the Gurs concentration camp
on 22 October 1940.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|