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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Tauberbischofsheim
(Main-Tauber-Kreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In der bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts kurmainzischen Amtsstadt
Tauberbischofsheim bestand eine jüdische Gemeinde im Mittelalter und in der
Neuzeit bis 1939. Vermutlich waren zwischen dem 13. und 20. Jahrhundert mit nur
wenigen Unterbrechungen Juden in der Stadt. Im Mittelalter hatte die
Gemeinde unter vier furchtbaren Judenverfolgungen 1235, 1298 (mit 130 Toten),
1336-39 und 1348/49 zu leiden, durch die die Gemeinde jeweils fast völlig
ausgelöscht wurde.
Seit dem 17. Jahrhundert nahm die Zahl der Juden in der Stadt wieder stärker
zu. 1706 zahlten sechs jüdische Haushaltsvorstände und eine Witwe
Schutzgeld.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1825 109 jüdische Einwohner (4,6 % von insgesamt 2.374 Einwohnern),
1834 103 (4,4 % von 2.338), 1865 147 (5,1 % von 2.891), 1875 177 /6,2 % von
2.329), 1880 200 (6,5 % von 3.074), 1885 207, 1900 181 (4,6 % von 3.930),
1910 154 (4,3 % von 154).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Schule, ein rituelles Bad sowie einen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl.
Ausschreibungen der Stelle unten). 1850 bis 1864 war Tauberbischofsheim vorübergehend
Sitz eines Bezirksrabbinates (vorher und nachher war dieses in Wertheim). Bezirksrabbiner
war von 1852 bis zu seinem Tod 1869 Jakob Löwenstein (zuvor
Bezirksrabbiner in Gailingen).
Seit 1875 bestand an einer damals in der Stadt eingerichteten Präparandenschule
neben katholischen und evangelischen auch für jüdische Schüler die Möglichkeit,
sich auf die Ausbildung zum Lehrerberuf vorzubereiten (1876 3 jüdische Schüler).
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Karl Bloch (geb.
24.2.1899 in Tauberbischofsheim, gef. 13.10.1918), Sally Brückheimer (geb.
26.5.1893 in Tauberbischofsheim, gef. 2.8.1917), Max Mayer (geb. 1.7.1879 in
Eubigheim, gef. 18.11.1916), Gefreiter Ludwig Reiß (geb. 4.10.1889 in
Tauberbischofsheim, gef. 26.9.1914) und Ludwig Scharff (geb. 10.3.1883 in
Bruchsal, gef. 19.7.1915).
Um 1924, als in Tauberbischofsheim noch etwa 140 jüdische Personen
lebten, waren die Gemeindevorsteher Adolf Strauß, Elias Rosenstock und
Louis Steinhardt. Als Religionslehrer, Kantor und Schochet war Oskar Dreifuß tätig,
als Synagogendienerin Meta Meyer. Die Religionsschule der Gemeinde besuchten
drei der schulpflichtigen Kinder. An jüdischen Vereinen bestanden der Wohltätigkeits-
und Bestattungsverein Chewra Kadischa (1924 unter Leitung von Max Brückheimer
mit 25 Mitgliedern), der Israelitische Frauenverein (gegründet 1916,
1924 unter Leitung der Frau von Adolf Strauß mit 30 Mitgliedern, 1932 mit 40
Mitgliedern; Zweck und Arbeitsgebiet: Unterstützung Hilfsbedürftiger und
Kranker sowie Bestattungswesen) sowie die Durchwanderer-Unterstützungskasse
(gegründet 1930, 1932 unter Vorsitz von Lehrer Kaufmann; Zweck und
Arbeitsgebiet: Unterstützung jüdischer Durchwanderer). An Stiftungen
bestand die Samuel-Strauß-Stiftung und der Israelitische Kultusfonds. Da die jüdischen
Gemeinden in Hochhausen und Impfingen schon einige Zeit aufgelöst waren, gehörten
die wenigen dort noch lebenden jüdischen Personen (in Hochhausen
1924 3, 1932 3, in Impfingen
1924 4, 1932 3 und Königshofen
1932 3) zur jüdischen Gemeinde in Tauberbischofsheim. 1932 waren die
Gemeindevorsteher weiterhin Adolf Strauß (1. Vors.) und Elias Rosenstock (2.
Vors.). Im Schuljahr 1931/32 erhielten 12 Kinder den Religionsunterricht (durch
Lehrer Kaufmann).
Am Wirtschaftsleben der Stadt hatten die jüdischen Einwohner einen relativ
hohen Anteil. 1933 zählte man neben einem Dutzend Vieh- und Pferdehändler 19 jüdische
Geschäfte, darunter fünf Manufakturwarengeschäfte, zwei Schuhgeschäfte, eine
Lederhandlung, ein Modewarengeschäft, zwei Weinhandlungen, zwei
Getreidehandlung und eine Bank. Ein Teil dieser Geschäfte sei genannt:
Weinhandlung Adler (Würzburger Straße 1), Viehhandlungen Rafael Bauer und Leo
Brückheimer (Gartenstraße 2), Damenhütegeschäft Nelly Bloch (Hauptstraße
44), Manufakturwaren Justin Blum (Marktplatz 11), Fa. Heumann & Kraft, Inh.
Max Heumann und Louis Kraft (Grabenweg 4), Schuhgeschäft Jakob und Marie Levy
(Hauptstraße 64), Metzger Emil Sauer (Hauptstraße 53), Manufakturwarenhandlung
Willi Sauer (Hauptstraße 46), Kolonialwarengeschäft Moritz Spiegel (Marktplatz
10), Weingroßhandlung Adolf Strauß (Hauptstraße 46).
1933 wurden 106 jüdische Einwohner in Tauberbischofsheim gezählt. Auf
Grund der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien sowie der Folgen des
wirtschaftlichen Boykott ist ein Teil von ihnen ausgewandert oder in andere Städte
verzogen. Über die Gräueltaten 1938/39 siehe unten bei der
Synagogengeschichte. Die letzten jüdischen Einwohner wurden am 22. Oktober 1940
nach Gurs deportiert.
Von den in Tauberbischofsheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften
jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Bella
Adler (1863), Clara (Klara) Adler geb. Fröhlich (1872), Friederike (Ricka)
Bauer geb. Krämer (1877), Raphael Bauer (1874), Amalie Bender geb. Sauer
(1879). "Stolperstein" in Seligenstadt), Berta Brückheimer geb. David (1860), Isidor Brückheimer (1890), Ludwig
Brückheimer (1890), Auguste Cohn geb. Schloss (1886, "Stolperstein" in
Stendal,
Quelle), Rosa Dorfzaun geb.
Wassermann (1889), Melitta Eisig geb. Vogel (1895), Rose Engel geb. Sauer
(1868), Elisabeth Auguste Feldheim geb. Adler (1896), Emma Fleischhacker geb.
Wildberg (1882), Jacob (Jacub) Franc (1862), Lina Freudenthal geb. Sussmann
(1861), Rosa Grünhut geb. Nussbaum (), Rosa Grünhut geb. Marx (1876), Adolf
Gutmann (1878), Josef Guttmann (1908), Marie (Maria) Heilbrunner geb. Strauss
(1860), Henriette Heimann (1875), Sanchen Heimann geb. Heumann (1880), Anna
Herrmann geb. Kahn (1870), Bertha (Berta) Herz geb. Wassermann (1902), Max
Heymann (1882), Elise Jonas geb. Wassermann (1890), Henriette Kahn geb. Schwerin
(1875), Käthe Kahn geb. Sauer (1899), Wilhelm Kahn (1884), Paula Kaufmann geb.
Strauss (1898), Ruth Kraft (1922), Hertha Langer (1924), Sara H. Leiser geb.
Karpf (1909), Richard Loeser (1903), Meta Mayer geb. Adler (1887), Karolina
Merzbacher (1870), Amalie
Neu geb. Schloß (1873), Alfred
Rosenbaum (1910. "Stolperstein" in Wertheim,
Lindenstr. 4-6), Jakob Rosenthal (1886), Helene (Helena) Rothschild geb. Guggenheimer (1874), Lili Rotschild geb. Klau (1890), Salomon Rothschild (1865),
Amalie Rüßmann geb. Grünehut (1888), Hermann Sauer (1876), Hortense Sauer
geb. Lehmann (1885), Hugo Sauer (1883), Johanna Sauer (1885), Lotte (Liselotte,
Alice) Sauer geb. Schettmar (1903), Patensia Sauer (1885), Sara Sauer geb.
Bacherach (1860), Siegfried Sauer (1887), Hans Schettmar (1900), Friedrich Schloß
(1867), Klara Sichel geb. Weikersheimer (1869), Marthe (Marta) Sichel geb. Süssmann
(1881), Flora Simons geb. Brückheimer (1892), Berta Sommer (1893), Elise Sommer
(1891), Melanie Sommer geb. Sauer (1872), Moses Sommer (1886), Brünette
Sommerfeld geb. Grünhut (1882), Luise Stahl geb. Klau (1890), Babette
Steinhardt geb. Reis (1880), Julius Steinhardt (1871), Berta Stein geb. Sommer
(1881), Sigmund Stern (1879), Cilli (Cilly) Stiebel geb. Schloß (1861), Adolf
Strauss (1866), Frieda Strauss geb. Goldstein (1881), Rosa Süsskind geb.
Lindheimer (1873), Emma Vogel geb. Sauer (1869), Hermine Vogel geb. Sauer
(1864), Klara Wassermann geb. Baiersdorfer (1866), Siegfried Wassermann (1891),
Paula Wirth geb. Schaf (1886), Frida (Jakobina) Zwaab geb. Grünhut (1889),
Horst Alfred Zwaab (1927), Moses (Moritz) Zwaab (1884).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der
Geschichte des Rabbinates in Tauberbischofsheim
Zum Tod von Rabbiner Jacob Löwenstein (1869)
Hinweis: die hebräischen Zitate werden gewöhnlich deutsch
übersetzt oder interpretiert, daher wird das Hebräische nicht separat
wiedergegeben.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. September 1869: "Bischofsheim
an der Tauber, im Ellul. Ein edles Leben, reich an Tugenden, ist
erloschen; ein Leben, von dem wir mit den Weisen sagen können: 'Mosche
war nicht nur für sich gottesfürchtig und der höchsten sittlichen Veredlung
zustrebend, sondern er suchte auch Alle, auf die sich sein geistlicher
Einfluss zu erstrecken vermöchte, auf diese Stufe zu führen', - hat zu
wirken aufgehört.
Der ehrwürdige Rabbiner, Herr Jacob Löwenstein in Tauberbischofsheim,
ist - nachdem er wenige Tage vorher seinen siebzigsten Geburtstag und den
Tag seiner 40-jährigen Amtstätigkeit gefeiert - heimgegangen zu seinen
Vätern. Und der tiefste Schmerz, das aufrichtigste Bedauern, hat nicht
nur die leidtragenden Familienglieder und die seiner geistlichen Obhut
anvertrauten Gemeinden, sondern auch alle Diejenigen aus Schmerzlichste
ergriffen, die das Glück hatten, den vortrefflichen Mann näher zu
kennen. Herr Rabbiner Löwenstein war ein Mann von seltenen Eigenschaften.
Begeistert und erglüht für die ewigen Wahrheiten seines heiligen Berufes
hat der mit einem unerschütterlichen Glaubensmute, mit einer
bewunderungswürdigen Gewissenstreue, mit der edelsten Selbstverleugnung
sein heiliges Amt vom ersten bis zum letzten Tage seiner amtlichen
Wirksamkeit verwaltet. In diesem an Verdienstlichkeit reichen Leben war
kein Tag verloren; kein tag, der nicht der Forderung des Guten und Edlen
gewidmet war. Von ihm konnte man sagen: 'Heil seiner Jugend sie stand mit
seinem Alter in keinem Widerspruch!' Es war ein folgerichtiges Leben, das
darum auch mit eiserner Konsequenz, mit Tatkraft seine Prinzipien zur
Geltung bringen konnte und selbst denjenigen allmählich Achtung und
Bewunderung abnötigte, die anfänglich demselben entgegenstanden: 'Wenn
des Mannes Wandel Gott gefällt, so söhnt er auch seine Feinde mit ihm
aus".
Ihm war die Heilige Tora kein Gewerbe, um materielle Vorteile zu
erringen. Er sprach die ungeschmückte Wahrheit, wenn er sich auch, wie
dies oft zu geschehen pflegt, durch anfängliche Verkennung seiner guten
und reinen Absichten augenblickliche Ungunst zuzog. 'Nicht nach Beifall
trachte ich', pflegte er zu sagen, 'sondern nach Wahrheit.'
'Auf Befehl Gottes lagerten sie; auf Befehl Gottes brachen sie auf, die
Andeutung Gottes beobachteten sie.' Dieses waren seine Textworte bei
seinem Amtsantritte in Tauberbischofsheim. Er ermahnte nicht nur zur Zedaka
(Wohltätigkeit), sondern spendete von seinem mäßigen Einkommen so
reichlich, dass sich hier eine Proportion ergeben würde, die so manches
Reichen vielgepriesene Wohltätigkeit beschämen könnte.
Und wie war er beflissen, die Tora in Israel groß zu machen! Nicht nur,
dass er den seiner Inspektion unterstellten Religionsschulen die
gewissenhafteste Aufmerksamkeit zuwandte und den Lehrern ein treuer Freund
und Ratgeber war, er erteilte auch stets mit dem größten Vergnügen den
Talmudbeflissenen Unterricht, wobei er eine wohldurchdachte Methode, eine
fassliche, geisterweckende Mitteilungsgabe anzuwenden, eine dem Anfänger,
wie dem weiter Vorangeschrittenen, angemessene Auswahl zu treffen
wusste.
Doch was ihm zu bleibendem Ruhme gereichen durfte, ist, dass er in die
Schranken trat für die Erhaltung der unverfälschten Gotteslehre, dass er
den Kampf nicht scheute gegen eine falsche Bibel-Interpretation zu einer
Zeit, wo außer dem ehrwürdigen und verdienstvollen Herrn Rabbiner Hirsch
in Frankfurt - sein Licht leuchte - keiner der anderen
Amtsgenossen, sei es aus Unfähigkeit im deutschen Ausdruck oder aus
allzugleichgültigen Betrachtung dieser Reformbestrebungen, diesen Kampf
aufnahm. Damals war es Herr Rabbiner Löwenstein in Gailingen,
der als junger Mann in seiner 'Das reine Licht', gegen den Thariag
des verstorbenen Dr. Kreuznach in Frankfurt auftrat. - Und er bewies es,
dass die mit profaner Wissenschaft gepaarte gründliche Talmudkenntnis dem
zersetzenden Zeitgeiste mit den erfolgreichsten Waffen zu begegnen
vermag.
Diesen Geist der reinsten Gottesfurcht, diese tiefe und umfassende
Kenntnis der Religionswissenschaften erhielt Rabbiner Löwenstein von den
berühmtesten Lehrern, die zur Zeit seines Studienganges auf deutschen
Rabbinatsstühlen saßen. In Bruchsal,
im Großherzogtum Baden von frommen Eltern geboren( sein seliger Vater war
selbst ein Torakundiger), erhielt er eine sorgsame Jugendbildung und
genoss den Unterricht des Vaters des seligen Oberrats Epstein, Rabbiner
Pilta Epstein seligen Andenkens. Von hier aus kamen auf die Jeschiwa
nach Mainz, wo er unter dem frommen und
weitberühmten Rabbi Herz Scheuer - seligen Andenkens - sein
Talmudstudium fortsetzte. Nachdem er Mainz verlassen, hielt er sich
längere Zeit in Hanau auf und lernte
hier unter dem berühmte Rabbiner Mosche Towja seligen Andenkens. |
Den
Schluss seiner Jugendstudien bildete Würzburg,
wo er die Universität besuchte, den Vorlesungen des berühmten Professors
Wagner mit besonderem Fleiß oblag und dabei unter Rabbiner Abraham
Bing - seligen Andenkens - seine Talmudstudien weiter
trieb.
Nachdem er so die gründlichsten umfassendsten Talmudstudien gemacht und
dabei die profanen Wissenschaften mit Fleiß gepflegt hatte, trat er die
Bezirksrabbinerstelle in Gailingen,
an, wo er 22 Jahre lang segensvoll wirkte. Die letzten 18 Jahre wirkte er
in Tauberbischofsheim.
Seine ganze Amtstätigkeit vom ersten bis zum letzten Tage lässt sich in
die Worte des Propheten resümieren: 'Die Lehre der Wahrheit war in seinem
Munde; Unrecht wurde auf seinen Lippen nicht gefunden; in Friede und
Biederkeit wanderte er mit mir und brachte Viele von der Sünde
zurück.' Moritz Fuld."
Tauberbischofsheim, 29. Juli (1869). Wir haben heute einen Mann zu
Grabe geleitet, dessen Andenken allen denen teuer sein wird, die ihn
näher gekannt, und seinen reinen makellosen Wandel zu würdigen in die
Lage gesetzt waren: Bezirksrabbiner Löwenstein wurde plötzlich nach
3-tägiger Krankheit unserer Mitte entrissen, nachdem er 18 Jahre hier
segensreich gewirkt. An ihm verliert die Familie einen liebevollen Gatten
und Vater, die israelitische Gemeinde seines Bezirks einen gewissenhaften
Seelenhirten, die Gesellschaft einen braven, treuen Bürger, Der
außergewöhnliche Leichenzug gab auch Zeugnis von der Liebe und Ächtung,
die er sich allenthalben durch sein stilles Wirken, durch seine edle
Bescheidenheit erworben. Verflossenen Samstag feierte derselbe seinen 70.
Geburtstag und zugleich sein 40. Dienstjahr. Diesen Tag, an welchem ihm so
viele Bewiese der Anhänglichkeit, der Achtung und Freundschaft von Allen
bekundet wurden, rechnete er zu den schönsten seines Lebens. Schon aber
warf der Todesengel seine düstern Todesschatten vor sich her; nur er
jedoch bemerkte dieselben und seine freundliche Heiterkeit verscheuchte
sie vor den Blicken anderer, damit die Festesfreundnacht nicht getrübt
werde. Willenskräftig wie Wenige, enthaltsam bis zur Kasteiung, suchte
der Verblichene seiner Familie alle erlaubten Vergnügen zu bereiten; kein
Opfer war ihm zu groß, wenn es sich darum handelte, seine Angehörigen zu
erfreuen. Er war aber nicht nur Vater der Seinigen, sondern auch Vater der
Armen. Wo es galt, Hilfsbedürftige zu unterstützen, Notleidenden zu
helfen, Trauernde zu trösten, war er bereit, und nie glaubte er darin
genug getan zu haben; ihn ihm verlieren viele einen freundlichen Helfer,
einen treuen Ratgeber. Die israelitische Gemeinde betrauert in ihm einen
edlen Seelenhirten. Ihm war die Kanzel eine geweihte Stätte, von welcher
das Gotteswort rein und unverfälscht gelehrt wurde; dort strafte und
ermahnte, rügte und warnte, lehrte und unterwies er; aber außerhalb des
Gotteshauses war er Menschenfreund im edelsten Sinne des Wortes, fremd
jedem Fanatismus, feind jeder Verdammungssucht, liebevoll gegen jedermann,
bescheiden und bieder in seinem Umgange. Nichts gibt einen glänzenderen
Beweis von der Reinheit seiner Gesinnung, von der Erhabenheit seiner
Grundsätze, von der Lauterkeit seines Charakters, als die in seinen letztwilligen
Anordnungen, teils an seine Hinterbliebenen, teils an seine unter seiner
geistigen Leitung gestandene Gemeinde gerichteten Worte: 'Folgende teils
moralische, teils religiöse Pflichten, gegen welche aus menschlicher
Schwäche oft gefehlt wird, empfehle ich meinen Hinterbliebenen. Liebe und
Eintracht zwischen Familienmitgliedern, Dankbarkeit gegen Gott unter allen
Umständen für seine unzähligen Wohltaten. Dankbar gegen Menschen,
welche ihre Güte, wäre es auch nur ein einziges Mal, uns erwiesen haben.
Von Niemandem in seiner Abwesenheit Böses reden. Niemanden zu
verurteilen, so lange man nicht von der Verwerflichkeit seiner Handlungen unumstößlich
überzeugt ist; selbst bei einem tadelnswerten Menschen seine gute
Eigenschaft nicht zu verkennen. Vor der Einsenkung des Sarges werde in
meinem Namen Folgendes verkündet: Ich danke meinen zahlreichen Gönnern
im Rabbinatsbezirk für die vielfachen Beweise ihres Wohlwollens und ganz
besonders den hiesigen Gemeindegliedern. Ich verzeihe von ganzem Herzen
Jedem, der mir zu nahe getreten ist, wie auch Gott ihm verzeihen möge.
Ich bitte Jeden um Verzeihung, dem ich vielleicht in Übereilung zu nahe
getreten bin, wie auch Gott mir verzeihen möge. Ich bitte sämtliche
Bezirksangehörige, das Institut der Sammlung von Spenden für die Armen
des heiligen Landes nicht eingehen zu lassen.' Mit diesen Lehren stand
sein Leben in vollem Einklang; Wort und Tat stimmten überein; was er
lehrte, war aus voller Überzeugung entsprungen. Theorie und Praxis
bildeten keinen Gegensatz. So gewissenhaft und pünktlich der
Heimgegangene jedoch in der Erfüllung seiner Pflichten war, so strenge er
selbst alle Vorschriften der Religion beobachtete, über Andersdenkende
und Andershandelnde urteilte er stets milde; er beklagte den Unglauben,
allein den Ungläubigen verdammte er nicht. Aber auch Bürgersinn wohnte
in seinem edlen Herzen. Lebte er auch zurückgezogen, so verschloss er
sich dennoch der politischen Bewegung nicht. Immer freute er sich, wenn in
unserer Stadt oder in unserem engeren oder weiteren Vaterland ein, die
hohen Zwecke der Gesellschaft fördernder Fortschritt auf irgendeinem Gebiete
sich kund gab. Doch blieb er den politischen Kämpfen stets fern. Sein
Beruf war das Lehren. Schwach wie er war, unterzog er sich gern dieser
Mühe und ließ sch durchaus nicht abhalten, noch in den letzten Wochen
den Unterricht zu erteilen; und dieser Unterricht war, wie sein ganzes
Wesen, geistig durchdacht und geistig anregend. Er war ein Muster eines
Geistlichen. Sein Name bleibt auch in ehrender Erinnerung in unser Aller
Herzen." |
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schulen
Ausschreibungen der Stelle(n) des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1880 /
1899 / 1902
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. November 1880: "Die Stelle eines Religionslehrers und Vorsängers bei der
israelitischen Gemeinde in Tauberbischofsheim wird hierdurch zur Bewerbung
ausgeschrieben. Neben freier Amtswohnung beträgt das Einkommen derselben:
1. fester Gehalt von der israelitischen Gemeinde Mark 1.200, 2. aus der
Kasse der politischen Gemeinde Mark 200, 3. für Erteilung des
Religionsunterrichts an die Zöglinge der Präparandenanstalt aus der
Oberrats- und Oberschulratskasse Mark 200, die Nebeneinkünfte sind ca.
300 bis 400 Mark, 5. Schulgeld von ca. 41 Kindern je 12 Mark.
Außerdem kann dem anzustellenden Lehrer das Amt eines Rechners
israelitischer Stiftungen und das Abhalten der Seelengebete für die
Stifter übertragen werden, was ein Erträgnis von Mark 80 abwirkt. Ferner
besitzt die israelitische Gemeinde eine Pensionskasse, woraus dem Lehrer
und seinen Relikten eine statutenmäßige Unterstützung zugesichert wird.
Die Stelle kann mit dem 1. Februar eventuell mit dem 1. März 1881
angetreten werden. Bewerber,
welche in der französischen Sprache Unterricht erteilen können, erhalten
den Vorzug. Meldungen mit Vorlage von Zeugnissen sind mit Frist von 4
Wochen bei der Unterzeichneten einzureichen.
Merchingen, den 16. November
1880. Die Bezirkssynagoge. Flehinger, Rabbiner." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. April 1899: "Ausschreiben!
Die Religionslehrer- und Vorbeterstelle in Tauberbischofsheim ist durch
Beförderung des bisherigen Inhabers Herrn J. Driesen zum Direktor am
Landesstift in Karlsruhe bis zum 1. September dieses Jahres neu zu
besetzen. Mit der Stelle sind außer geräumiger Dienstwohnung, welche die
Aufnahme mehrerer Pensionär gestattet, folgende Einkünfte verbunden. 1.
Anfangsbehalt Mark 1400, 2. Gemeindesekretariat Mark 150, 3. Besorgung von
Stiftungsrechnungen und Seelengebeten Mark 160, 4. Religionsunterricht an
der Großherzoglichen Präparandenschule
Mark 250, 5. Religionsunterricht am Großherzoglichen Gymnasium
Mark 120, 6. Eventuell Religionsunterricht an der Großherzoglichen
Taubstummen-Anstalt in Gerlachsheim 200,
7. Schulgeld Mark 50, 8. Aversum für religiöse Funktionen Mark 300, 9.
Sonstige Nebengefälle etwa Mark 220. Summe Mark 2850.
Gelegenheit zur Erteilung von Privatunterricht ist geboten. Die Gemeinde
bewährt dem Lehrer und seinen Hinterbliebenen außer dem vom Großherzoglichen
Oberrat festgesetzten Ruhegehalt eine Pension aus ihrer
Beamtenpensionskasse. Bewerber wollen sich unter Einreichung von
Zeugnisabschriften, die nicht zurückgegeben werden, bis 1. Mai dieses
Jahres an den Synagogenrat in Tauberbischofsheim wenden. Mosbach, den 6.
April 1899. Die Bezirkssynagoge: Dr. Löwenstein." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. September 1902: "In der
israelitischen Gemeinde Tauberbischofsheim ist die Stellung als Schächter
und Synagogendiener zu besetzen. Das feste Gehalt beträgt Mark 400, die
Einnahmen aus der Schechitah belaufen sich auf 6 bis 700 Mark. Für
aushilfsweises Vorbeten werden Mark 100.- und für eventuelle Besorgung
der israelitischen Armenpflege ebenfalls Mark 100.- vergütet. Die
Stellung eignet sich für einen jüngeren Mann, der sonst noch einen
Erwerbszweig daneben hätte. Meldungen erbittet baldigst
Der Synagogenrat:
Moritz Strauss." |
Abschied von Lehrer Moritz Fuld (1859; Fuld war von
1845-1859 Lehrer in Tauberbischofsheim)
Artikel
in der Zeitschrift "Jeschurun" (Alte Folge) vom 20. Dezember 1859:
"Tauberbischofsheim, im Oktober 1859. Für den wahrhaft pflichttreuen
Lehrer gibt es wohl keinen süßeren Lohn, als das Bewusstsein erfüllter
Pflicht. Dieser Lohn wird aber doch noch gesteigert, wenn dem treuen, fleißigen
Lehrer Anerkennung von denen zuteil wird, für die er sich abgemüht, für
die er Kraft und Zeit geopfert. – Einer solchen Anerkennung in ihrem
ganzen Umfange hatte sich Herr Lehrer M. Fuld bei seinem Scheiden von der
Gemeinde Tauberbischofsheim zur Übernahme einer Lehrerstelle an der neu
gegründeten Schule zu Mainz zu erfreuen. Herr Fuld hat als treuer Lehrer
vierzehn Jahre an der Schule zu Tauberbischofsheim gewirkt und sich die
Liebe und Hochachtung aller derer erworben, die Gelegenheit fanden, mit
ihm zu verkehren. Seinen Schülern war er liebevoller Lehrer, aufrichtiger
Freund und treuer Führer. Kein Wunder also, wenn bei seinem Scheiden alle
Herzen mit Schmerz erfüllt sind." |
Zum Tod von Lehrer Moritz Fuld (1886 in
Mainz)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Februar 1886 (der
Artikel wird nur auszugsweise abgeschrieben): "Mainz, 1. Februar
(1886). Am vorigen Sabbat, Paraschat Mischpatim (Schabbat mit der
Toralesung Mischpatim, das ist 2. Mose 21,1 - 24,18, das war am
Schabbat 30. Januar 1886), verschied nach kurzem Unwohlsein Herr Moritz
Fuld - er ruhe in Frieden - , Oberlehrer an der Unterrichtsanstalt
der israelitischen Religionsgesellschaft dahier. Am Mittwoch war er noch
in der Schule gewesen, und hatte, wie gewöhnlich, den Unterricht erteilt;
am Donnerstag ließ er sich krank melden, und schon am Heiligen
Schabbat wurde er seiner Familie und seinen zahlreichen Freunden und Schülern
entrissen. Heute fand unter großer Beteiligung das Leichenbegängnis
statt. Am Grabe widmete Herr Rabbiner Dr. Lehmann dem teuren Freund und
Kollegen, mit dem er länger als 26 Jahre gemeinsam an der oben erwähnten
Anstalt gewirkt hat, einen tief empfundenen Nachruf, in welchem er zugleich
eine kurze Lebensskizze des Dahingeschiedenen gab. Moritz Fuld wurde im Jahre
1817 in dem kleinen Orte Heinsheim an
der Grenze zwischen Hessen und Baden geboren. Seine frommen Eltern
widmeten ihn dem Lehrerberuf, und er besuchte das Lehrerseminar in
Karlsruhe, wo der strebsame junge Mann sich nicht mit dem begnügte, was
die An- |
stalt
bot, sondern durch genossenen Privatunterricht und durch eifriges
Selbststudium sich ein bedeutendes Wissen erwarb....
Herr Moritz Fuld wirkte eine Reihe von Jahren als Lehrer und
Gemeindebeamter in Bischofsheim an der Tauber. Dort fand er die treue
Lebensgefährtin, die ihm fast 35 Jahre lang hilfreich zur Seite
gestanden. Der in weiten Kreisen rühmlichst bekannte dortige Rabbiner
Löwenstein - das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen - schätzte ihn
sehr hoch, und auf dessen Empfehlung hin wurde er im Jahre 1859 nach Mainz
berufen, wo damals die Unterrichtsanstalt der israelitischen
Religionsgesellschaft gegründet wurde; hier wirkt er segensreich bis zum
Ende seines Lebens..." |
Einrichtung einer Präparandenschule für
künftige Lehrer in Tauberbischofsheim (1875/76)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Juli
1876: "Tauberbischofsheim in Baden, im Juli (1876). Der Oberschulrat,
Zentralbehörde für Volks- und Mittelschulen, errichtete im Laufe vorigen
Sommers zwei Präparandenanstalten im Lande. Man wollte dadurch eine
gleichmäßige Vorbereitung derjenigen jungen Leute, die sich dem
Lehrfache widmen, erzielen. Bis dahin nämlich, war es jedem Präparanden
frei gestellt, sich bei irgend einem Lehrer oder an irgend einer Anstalt
vorzubereiten. Natürlicherweise war dadurch die Vorbereitung eine
verschiedenartige. Die Präparandenschulen sind Simultanschulen, so wirken
an der hiesigen 2 Lehrer, ein katholischer und ein protestantischer.
Schüler jeglicher Konfession werden hier aufgenommen. Der Staat hat für
die Zöglinge eine größere Summe für Stipendien bewilligt, welche ohne
Rücksicht auf Konfession verteilt werden. So haben auch die 3
israelitischen Zöglinge der Anstalt größere Stipendien erhalten. Der
Religionsunterricht wird von den Geistlichen resp. Lehrer der betreffenden
Konfession erteilt und vom Staate honoriert. Doch wurden dem jüdischen
Religionslehrer ein geringeres Honorar bewilligt, weil die Schülerzahl
verhältnismäßig kleiner ist. Gleichzeitig mit diesen
Präparandenanstalten wurde zu den bis jetzt bestehenden drei
konfessionellen Seminarien ein viertes konfessionslos errichtet; ob auch
hier in Bezug auf Stipendien und Religionsunterricht die gleichen
Grundsätze verwirklicht werden, ist mir nicht bekannt. Jedenfalls sind
diese Anstalten als ein bedeutender Fortschritt zu bezeichnen. M.
Maier." |
Die jüdische Gemeinde Tauberbischofsheim leistet Vorbildliches zur Einrichtung
einer Pensionskasse für den Lehrer (1879)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. Dezember
1879: "Tauberbischofsheim. Was eine kleinere Gemeinde zu
leiten vermag, wenn dieselbe von gutem Willen beseelt ist, und von den
rechten Männern geleitet wird, davon liefert die hiesige, aus ca. 40
Familien bestehende Gemeinde einen neuen und schönen Beweis. Schon lange
empfinden die badischen israelitischen Religionslehrer das Bedürfnis
einer Pensionskasse, um den im Beruf ergrauten, mit Glücksgütern
gewöhnlich nicht gesegneten Männern eine gesetzliche Pension zu sichern.
Tief schmerzte sie die Zurücksetzen, die für sie ihren christlichen
Kollegen gegenüber darin liegt, dass diesen vom Staate
Pensionsberechtigung zuerkannt wird, während jene in dieser Beziehung
stiefmütterlich behandelt werden und keinen Anspruch auf Pension machen
können. Vor einigen Jahren schon hatte sich Einsender dieses im Verein
mit mehreren anderen Kollegen in einer längeren Denkschrift an der
Oberrat - israelitische Zentralbehörde Badens - gewendet, dass dieser die
Errichtung einer Pensionskasse in die Hand nehme. Wir wurden dahin
beschieden, dass dem Verlangen nicht Statt gegeben werden könne, weil
einerseits die Mittel fehlen, andererseits wohl die Mehrzahl der Gemeinde
nicht gewillt seien, der Sache die nötige Unterstützung angedeihen zu lassen.
Was uns damals bei der Behörde nicht gelungen, hat die hiesige
Gemeinde aus freiem Antrieb ins Leben gerufen. Der Vorstand hat die Statuten
zu einer Pensionskasse entworfen, dieselben der Gemeindeversammlung
vorgelegt, welche einstimmig ihre Billigung aussprach. Die Statuten wurden
hierauf dem Großherzoglichen Ministerium des Innern zur Genehmigung unterbreitet
und dieser Tage kamen dieselben unbeanstandet und genehmigt zurück.
Dieselben bestehen aus 44 Paragraphen und umfassen wohl alles das, was
unter den gegebenen Verhältnissen als nötig erachtet werden dürfte. §
2 hat folgende Fassung:
Zweck der Pensionskasse ist: 'Religionslehrern und Vorsängern der
hiesigen israelitischen Gemeinde im Alter und bei Dienstunfähigkeit einen
Ruhegehalt, deren Witwen einen Witwengehalt, sowie deren Waisen eine
Alimentation zu sichern.' § 22 behandelt der Ruhegehalt eines
pensionsberechtigten Lehrers und sind hierüber folgende Normen
festgesetzt: 'Tritt Dienstunfähigkeit ein, nachdem derselbe während der
letzten 15 Jahre in hiesiger israelitischer Gemeinde seinen Beruf
ununterbrochen ausgeübt hat, so erhält derselbe einen jährlichen
Ruhegehalt von 250 Mark, nach 20 Jahren 400 Mark, nach 25 Jahren 500 Mark,
nach 30 Jahren 60 Mark, nach 35 Jahren 70 Mark, nach 40 Jahren 800 Mark.'
§ 23 spricht dem Lehrer den höchsten Ruhegehalt nach 40 Dienstjahren und
zurückgelegtem 65. Lebensjahre auch ohne Dienstunfähigkeit zu. Der
Synagogenrat ging bei der Errichtung dieser Pensionskasse von dem Gedanken
aus, dass jede Gemeinde moralisch verpflichtet sei, jeden Kultusbeamten,
der ihr seine Kräfte weiht, im Falle unverschuldeter Dienstunfähigkeit
eine Unterstützung zu erteilen. Um jedoch dieser Unterstützung das
Odiöse eines Gnadengeschehens zu benehmen und dem Lehrer resp.
Vorsänger, einen gesetzlichen Anspruch zu sichern, setzt § 38 fest, dass
jeder Lehrer resp. Vorsänger einen gewissen jährlichen Beitrag zu
leisten habe." |
Zum Tod von Lehrer Max Meier (Lehrer in Tauberbischofsheim 1860-1880)
Anmerkung: vgl. unten 1926 der Artikel zum Tod der Lehrerwitwe
Jeanette Maier (= Meier?)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 21. September 1880: "Bonn, 12. September (1880). Man schreibt uns aus
Tauberbischofsheim: Am
27. August wurde unser hoch verdienter Lehrer Max Meier unter allgemeiner
Trauer zu Grabe getragen. Im Jahre 1833 in Baiertal geboren, absolvierte
er den Kursus im Lehrerseminar zu Karlsruhe, versah dann die
Religionslehrerstelle in Wiesloch, Hegenheim und
Neuchatel, bis er im
April 1860 als Lehrer und Vorsänger hierher berufen wurde, wo er sowohl
durch sein Lehrtalent, (er unterrichtete auch in modernen Sprachen usw.
und wurde sein Unterricht auch von christlichen und auswärtigen Zöglingen
gesucht,) als auch durch seinen tadellosen ehrenfesten Charakter die
allgemeinste Achtung sich erwarb. Dies erwies sich nicht allein durch die
Teilnahme an seinem Begräbnis aus allen Ständen und Konfessionen,
sondern auch durch die Fürsorge, welche die Gemeinde für seine
hinterlassene Familie – eine Mutter und eine Witwe mit 7 unmündigen
Kindern, betätigte. Die Gemeinde erwies aber dadurch nicht allein dem
Verstorbenen, sondern auch sich selbst wahrhafte Ehre." |
Über die geplante Einrichtung der Israelitischen
Privat-Taubstummen-Anstalt in Tauberbischofsheim von Lehrer Jakob Driesen
(1890)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Dezember 1890: "Tauberbischofsheim
(Baden) im November (1890). Es ist leider eine bekannte Tatsache, dass
vielen jüdischen Taubstimmen die Wohltat eines genügenden
Schulunterrichtsversagt ist, weil die Eltern dieser bedauernswerten Kinder
sich scheuen, sie einer christlichen Anstalt zur Erziehung zu übergeben.
Diese Scheu ist nicht unbegründet. Die jüdischen Schüler christlicher
Anstalten sind oft den mutwilligen Neckereien und dem Spotte ihrer
Mitschüler ausgesetzt. Besucher von Taubstimmenanstalten machen daher
nicht selten die Wahrnehmung, dass die jüdischen Zöglinge weniger
zutraulich sich zeigen, dass sie vielmehr ängstlich und zurückhaltend,
wenn nicht gar trotzig und verbittert erscheinen. Wohlwollende Lehrer
kämpfen vergeblich gegen diesen Missstand, von den gleichgültigen und
übelwollenden Herren ganz zu schweigen. Hierzu kommt weiter der Umstand,
dass selbst die loyalsten Leiter von Taubstummenanstalten in Bezug auf
Kost und Lehrplan auf ihre jüdischen Zöglinge keine Rücksicht nehmen
können. In allen Internaten essen die jüdischen Taubstummen verbotenes,
sie schreiben und arbeiten am Schabbat; in den meisten nehmen sie am
Unterricht in der christlichen Religionslehre und selbst (wie es
tatsächlich vorgekommen), an der Konfirmation und Kommunion teil; in
einigen wenigen wachsen sie ohne Religionsunterricht und ohne jede
religiöse Übung auf. Nur in drei Anstalten ist für den jüdischen
Religionsunterricht in kaum genügender Weise Fürsorge getroffen, ohne
dass hierdurch die geschilderten Übelstände beseitigt werden konnten.
Treten solche in Anstalten erzogene Kinder in das bürgerliche Leben ein,
dann ist bei ihnen alles jüdische Denken und Fühlen verloren gegangen,
sie selbst sind dem Judentum und ihren eigenen Eltern, die schwere Opfer
für ihre Erziehung gebracht - entfremdet. Ist es unter solch traurigen,
aber tatsächlich vorhandenen Verhältnissen den jüdischen Eltern taubstummer
Kinder zu verdenken, wenn sie eine Abneigung gegen christliche Anstalten
hegen? Haben doch mehrere Leiter christlicher Taubstummenanstalten
unumwunden eingestanden, dass sie es im Interesse der jüdischen
Taubstummen für notwendig erachten, dass dieselben in jüdischen Familien
erzogen und von jüdischen Lehrern unterrichtet
werden!
Diese Tatsachen haben dem Lehrer Herrn Driesen dahier, der seit sechs
Jahren in einer staatlichen Taubstummenanstalt unterrichtet und auf dem
gesamten Gebiete der Taubstummenerziehung erprobte Erfahrungen sich
erworben, den Gedanken nahegelegt, ein Privatinstitut für jüdische
Taubstumme (Knaben und Mädchen) am hiesigen Platze zu errichten.
Jüdische wie christliche Behörden haben durch Aufmunterung und Zusage
von Förderung zur Verwirklichung dieser Idee beigetragen. Das Institut
soll am 1. April kommenden Jahres eröffnet und unter Staatsaufsicht
gestellt werden. In demselben erhalten die Zöglinge (mit |
Ausnahme
des Gesanges) in all' den Lehrgegenständen Unterricht, welche für
vollsinnige Kinder in den besseren jüdischen Elementarschulen
vorgeschrieben sind. In den Freistunden werden sie zu einer geordneten,
ihren Kräften angepassten Tätigkeit angehalten. Besonderer Wert soll auf
die Bildung eines gediegenen Charakters und auf religiöse Erziehung
gelegt werden. Ausgehend von dem Grundsatze, dass für den Taubstummen der
Unterricht in der Religion nicht genügt, dass vielmehr die Erziehung zur
Religion der Hauptteil der religiösen Aufgabe der Taubstummenbildung ist,
wird Herr Driesen ernstlich bestrebt sein, seine Zöglinge nicht nur zu
nützlichen Staatsbürgern, sondern auch zu treuen Anhängern unserer
heiligen Religion heranzubilden.
Dass die Pflege des Körpers nicht vernachlässigt werden wird, sollte bei
der heutigen Richtung der Pädagogik und bei dem Selbstinteresse der
Anstalt kaum der Erwähnung bedürfen. Die äußerst günstige, gesunde
Lage Tauberbischofsheim in einem der lieblichsten Teile des schönen
Taubertales, und die Möglichkeit, im hiesigen städtischen Badehause
Moor-, Torf-, Stahl-, Sol- und andere Bäder zu erhalten, berechtigen zu
der Hoffnung, dass der Gesundheitszustand des Instituts zu einem
günstigen sich gestalten wird. -
Mit diesem seinem Vorhaben hofft Herr Diesen die Bestrebungen des Vereins
'Jedide Ilmim', den ja auch die Erwägung der oben geschilderten
Tatsachen ins Leben rief, in Süddeutschland tatkräftig zu unterstützen.
Möge ihm dies gelingen!" |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 4. Dezember 1890:
Ein ähnlicher Artikel wie in der Zeitschrift "Der Israelit"
(siehe oben) erschien in der AZJ. |
Anzeige der Israelitischen Privat-Taubstummen-Anstalt in Tauberbischofsheim
(1890)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. November 1890: "Israelitische
Privat-Taubstummen-Anstalt in Tauberbischofsheim (Baden).
Unterzeichneter Lehrer, der durch einen sechsjährigen Unterricht an einer
staatlichen Taubstummen-Anstalt erprobte Erfahrungen auf dem gesamten
Gebiete der Taubstummenbildung sich erworben, beabsichtigt am 1. April
kommenden Jahres auf hiesigem Platze ein Pensionat für jüdische
Taubstummen (Knaben und Mädchen) unter staatlicher Aufsicht zu errichten,
in welchem die Zöglinge in all den Lehrgegenständen unterrichtet werden,
die für vollsinnige Kinder in den besseren jüdischen Elementarschulen
vorgeschrieben sind. Durch gute, streng rituelle Kost, sorgfältige Pflege
und liebevolle Behandlung soll den Kindern, soweit als möglich, die
Familie ersetzt, die Kinder selbst sollen zu nützlichen Gliedern der
menschlichen Gesellschaft und durch ständigen Besuch des öffentlichen
Gottesdienstes, sowie durch Unterweisung und Übung in den religiösen
Gebräuchen zu treuen Anhängern unseres heiligen Glaubens herangebildet
werden. J. Driesen, Lehrer.
Referenzen: Herr H. Willareth, Oberlehrer und Vorstand der
Großherzoglichen Taubstimmen-Anstalt in Gerlachsheim (Baden);
Dr. Löwenstein, Bezirksrabbiner in Mosbach;
Dr. Salfeld, Großherzoglicher Rabbiner in Mainz;
Abr. Schloß, Bezirksältester in Tauberbischofsheim." |
Anzeige der "Israelitischen
Privat-Taubstummen-Anstalt" von Lehrer Jakob Driesen (1891; Driesen war Lehrer
bis 1899; er war Vater des nachstehend genannten Oberstudiendirektors Dr. Otto
Driesen, danach tätig in Karlsruhe als Direktor des "Israelitischen
Landesstifts")
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Januar 1891: "Israelitische
Privat-Taubstimmen-Anstalt in Tauberbischofsheim (Baden). Gründliche
Ausbildung. – Religiöse Erziehung. – Liebevolle Behandlung. – Beste
Referenzen. – Nähere Auskunft durch J. Driesen, Lehrer." |
Über die Arbeit mit Taubstummen - Ferdinand Steinhardt
aus Tauberbischofsheim in Mannheim - Lehrer Jakob Driesen unterrichtet auch in
der Taubstummenanstalt Gerlachsheim (1896)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. August 1896:
"Aus Baden, im August (1896). Die erfreulichsten
Nachrichten auf dem Gebiet der konfessionellen Gleichstellung kommen doch
immer noch aus Baden. So wird die Leser dieses Blattes sicher eine
Mitteilung interessieren, welche dem XXII. Jahresbericht der
großherzoglich Badischen Taubstummen-Anstalt in Gerlachsheim entnommen
ist. (Schuljahr 1895/96, vom 23. September 1895 bis 1. August 1896). Es
heißt darin wörtlich: "Am 9. September vorigen Jahres ist in seiner Heimat
Dittigheim der taubstumme
Schuhmachermeister Isaak Steinhardt gestorben. Wir glauben
dies hauptsächlich aus dem Grunde erwähnen zu sollen, weil Steinhardt den
vollgültigen Beweis geliefert hat, dass auch Taubstumme bei genügender
Unterrichtszeit und guter Erziehung so weit gefördert werden können, dass
sie selbstständig nicht nur ihr Auskommen zu finden, sondern auch noch für
das Alter einen Sparpfennig zurückzulegen vermögen. Er führte seit einer
langen Reihe von Jahren mit seiner ebenfalls taubstummen Schwester Eva
Steinhart eine wohlgeordnete Haushaltung und hat während dieser Zeit
eine größere Zahl von Unglücksgenossen in seinem Gewerbe ausgebildet, und
zwar mit so gutem Erfolg, dass ihm vom großherzoglichen Oberschulrat
wiederholt Geldprämien zuerkannt worden sind". Wir wollen nicht unterlassen,
in diesem Zusammenhang rühmend eines anderen jüdischen Taubstummen zu
gedenken, eines Lieblingsschülers des Herrn Rektor Villareth in Gerlachsheim:
Herr Ferdinand Steinhart aus Tauberbischofsheim trat nach
Absolvierung genannter Anstalt als Schriftsetzer in eine Druckerei ein. Er
hat es heute, von seltener Energie und guten Anlagen unterstützt, zum
selbstständigen Buchdrucker gebracht. In Mannheim. seinem jetzigen
Aufenthaltsort, genießt er in weitesten Kreisen ebenso wie in der Heimat,
die höchste Achtung und Liebe. Er ist Vorsitzender des von ihm gegründeten
Mannheimer Taubstummenvereins. Als unermüdlicher Vorkämpfer für seine
Leidens genossen – Steinhardt ist ein ausgezeichneter Redner – steht er mit
allen Taubstummen seines engeren Vaterlandes in ununterbrochenem Verkehr.
Auch sonst sind aus der Gerlachsheimer Anstalt tüchtige jüdische Handwerker
hervorgegangen. Unter den Abiturienten des abgeschlossenen Schuljahrs
befinden sich zwei jüdische Kinder, ein Knabe und ein Mädchen. Von den 96
Schülern waren im letzten Jahre fünf jüdischer Religion. Das ist die
Durchschnittszahl. Zur Erteilung des jüdischen Religionsunterrichts, für den
früher keine Lehrkraft vorhanden war, ist vom Großherzoglichen badischen
Oberschulrat der im Taubstummenwesen vorgebildete Lehrer Driesen in
Tauberbischofsheim angestellt, und zwar bereits mehr als zwölf Jahre.
Von Lehrer Driesen ist in Verbindung mit dem Rektor der Anstalt auch Sorge
getragen, dass die Kinder an den hohen Feiertagen jeweils dem Gottesdienst
in Tauberbischofsheim beiwohnen können. Während der Festtage sind die
jüdischen Taubstummen bei opferwilligen Familien untergebracht. Zuletzt sei
noch der wohlwollenden Unterstützung gedacht, deren sich die Anstalt von
Seiten einiger Glaubensgenossen zu erfreuen hat. Wir schließen unseren
Bericht mit der Versicherung des Dankes für alle die, welche diesem ebenso
schönen wie schweren Werke edler Nächstenliebe Kraft, Zeit oder Mittel
weihen, und bitten alle Edeldenkenden, auch fernerhin dieser Stätte wahrster
sozialer Pädagogik ihre werktätige Sympathie zuwenden zu wollen."
|
Über Oberstudiendirektor Dr. Otto Driesen,
Leiter des Schulwerks Philanthropin in Frankfurt: geb. 1875 in
Segnitz;
aufgewachsen als Sohn des oben genannten Lehrers Jakob Driesen in
Tauberbischofsheim bis zur Hochschulreife, studierte an den Universitäten
Berlin, Paris, Heidelberg und Straßburg Rechts- und Staatswissenschaften sowie
Philosophie, Kulturgeschichte und Sprachwissenschaften; Examina in Pädagogik
und Neuphilologie; 1901-1921 Lehrer in Berlin und Charlottenburg; 1921 nach
Frankfurt zum Leiter des Philanthropin berufen; 1938 nach Frankreich geflohen;
verschollen seit 1941.
Der nachstehende Artikel zu Dr. Otto Driesen aus dem "Gemeindeblatt der
Israelitischen Gemeinde Frankfurt" vom April 1937 S. 5-7 wird auf Grund
seiner Umfanges hier nicht ausgeschrieben - bei Interesse anklicken und im
Original einsehen).
Zum Tod von Jakob Driesen (bis 1899 in
Tauberbischofsheim, gest. 1912 in Karlsruhe)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. März
1912:
Zum Lesen bitte Textabbildung anklicken. |
Von praktischen
Schwierigkeiten der jüdischen Lehrerausbildung in Tauberbischofsheim
(1920)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Februar 1920: "Zwei
Anfragen an den Oberrat der Israeliten. Karlsruhe, 3. Januar (1920). Die
erste Anfrage bezieht sich auf Impfingen,
danach:
"Im Verordnungsblatt vom Jahre 1919 gab der Oberrat bekannt, dass
badische, jüdische Präparanden, nur im Vorseminar Tauberbischofsheim zur
Ausbildung zugelassen werden können. Auf Grund dieser Verordnung wurde
der Oberrat von privater Seite unterricht, dass jüdische Präparanden in
Tauberbischofsheim den Gottesdienst am Sabbat und Feiertagen nicht
besuchen und dass in Tauberbischofsheim keinerlei Gelegenheit gegeben ist,
einen Zögling zwecks ritueller Verköstigung in einer Familie
unterzubringen. daraufhin antwortete der Oberrat, dass er in Zukunft
dahinwirken wolle, dass der Präparand den Gottesdienst besuchen könne,
dass es aber unzutreffend sei, rituelle Kost in Tauberbischofsheim nicht
verabfolgt zu bekommen. Einen Hinweis auf die Notwendigkeit in diesem
Punkte beim Synagogenrat in Tauberbischofsheim Erkundigung einzuziehen,
ist der Oberrat nicht nachgekommen. Kurz darnach hat zwar ein jüdischer
Zögling in Tauberbischofsheim - nach langer Mühe - untergebracht werden
können, aber in einer Familie, die als Umgang für einen sich
heranbildenden Lehrer vollkommen ungeeignet ist. Nun ist es
allgemein bekannt, dass zumeist aus den weniger bemittelten aber noch
religiösen Familien des flachen Landes sich junge Leute dem Lehrerstande
zuwenden. Diese sind nun nach den oben geschilderten Verhältnissen
gezwungen, (wenn sie als jüdischer Lehrer wirken wollen), nach Höchberg
oder Burgpreppach zu gehen.
Anstatt aber das von der badischen Synode für die Heranbildung von
Lehrern ausgeworfene Stipendium für solche außer Landes zu hegen
gezwungene Leute zu verwenden, beruft sich der Oberrat auf seine Statuten
und leistet keinerlei Zuschuss. Wie deckt sich solches
Verhalten mit dem sehr oft schon geäußerten Wunsche des Oberrats, sein
Augenmerk gerade den kleinen Landgemeinden und den Geringbemittelten
zuwenden zu wollen?" |
Zum 90. Geburtstag von Jeanette Maier geb.
Braunschweig, Witwe von Lehrer Maier (1926 in Stuttgart)
Anmerkung: es handelt sich möglicherweise um die Witwe des oben genannten
Lehrers Max Meier (= Maier?), geb. 1833 in Baierthal, gest. 1880 in
Tauberbischofsheim.
Jeanette Maier geb. Braunschweig wurde nach ihrem am 20. März 1927 erfolgten
Tod im israelitischen Teil ds Pragfriedhofes in Stuttgart beigesetzt. Sie wohnte
nach den Stuttgarter Adressbüchern 1909/1927 in der Calwer Str. 43 in
Stuttgart
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs"
vom 1. September 1926: "Am 27. August beging Frau Jeanette
Maier, die Witwe des verewigten Lehrers von Tauberbischofsheim,
in voller Rüstigkeit ihren 90. Geburtstag. Der Israelitische Oberrat
übermittelte den beiden Jubilaren aus diesem festlichen Anlasse seine
herzlichsten Glückwünsche. Auch wir bringen den verehrten Greisen unsere
besten Wünsche zum Ausdruck. Mögen ihnen noch viele lichtvolle Tage
beschieden sein." |
Vortrag von Lehrer A. Kaufmann aus Tauberbischofsheim
(1934)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Februar 1934: "Hardheim,
23. Januar (1934). Lehrer A. Kaufmann. Tauberbischofsheim, sprach
hier über das Thema 'Ja sagen zum Judentum'. Herr Synagogenvorsteher Strauß
sprach Begrüßungs- und Schlussworte. Es wird beabsichtigt, einen
religiösen Palästinaverein daselbst zu
gründen." |
Schwierigkeiten im Miteinander zwischen Christen und
Juden
Antisemitische Vorgänge - Ausschluss der
jüdischen Turner aus dem Turnverein (1865)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. August 1865: "Aus Baden,
12. August 1865. Die ‚Neue Freiburger Zeitung" hat in Nr. 210 eine
Angelegenheit, die Ausschließung der israelitischen Turner aus dem
Tauberbischofsheimer Turnverein besprochen, deren Abschluss ich ihnen
mitzuteilen imstande bin. Der am 7. August zu Freiburg i.Br. abgehaltene
Turntag des oberrheinischen Turnbundes war allgemein entrüstet, dass
etwas der Art in einem Turnverein vorkommen könne, einem Vereine, der das
Motto ‚frei’ auf seiner Fahne trägt und aus anderen Prinzipien als
die den gegenwärtigen Ausschluss diktierten hervorging. Da der Turnverein
dem Vorort Freiburg erklärt hatte, es sei diese Ausweisung eine ganz
eigentümliche Angelegenheit, die man nur in Tauberbischofsheim zu
beurteilen verstände, so beschloss der Turntag (auf dem Mannheim,
Pforzheim, Heidelberg, Karlsruhe, Freiburg, die Pfalz etc. zu vertreten
waren) den Turnverein in einer kategorischen Erklärung aufzufordern,
innerhalb acht Tagen ein Schiedsgericht zu bestellen, oder denselben nach
Ablauf dieser Frist aus dem Bunde auszuschließen. Zugleich bemerken wir,
dass die Abgeordneten von Mannheim beauftragt waren, im Falle die Sache
nicht zur Verhandlung käme, einen Antrag auf Ausschließung aus dem Bunde
zu stellen, wenn sich die Zeitungsnachricht bestätigen sollte." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Oktober 1865: "Aus Baden,
18. September 1865. Feste und besonders Vereinsfeste sind jetzt an der
Tagesordnung. Wie verschieden aber solche Feste gefeiert werden, davon
kann ich Ihnen ein Kuriosum erzählen.
In Tauberbischofsheim feierte gestern der Turnverein seine Fahnenweihe.
Nachdem die üblichen Empfangs- und Eröffnungsfeierlichkeiten
stattgefunden hatten, bewegte sich der Zug in einen für das Fest
hergerichteten öffentlichen Garten. Hier wetteiferte man in aufreizenden
Reden gegen die kürzlich aus dem Vereine widerrechtlich ausgestoßenen
Juden. Als nun bei Einbrechen der Nacht der Zug der Festgenossen durch die
Stadt nach dem Festlokale sich zurückbewegte, wurden unter
Musikbegleitung Schmäh- und Spottlieder gegen die Juden angestimmt, die
von den Festteilnehmern mit nicht enden wollendem Beifalle aufgenommen und
mehrmals wiederholt wurden.
Auffallend bei diesen Vorgängen musste es sein, dass angesichts dieser
Demonstration niemand diesem Treiben Einhalt zu tun versuchte, ja nicht
einmal ein Wort der Missbilligung vernommen wurde, ungeachtet im Zuge
Notabilitäten der Stadt vertreten waren. Dass solche Auftritte in einer
Amtsstadt, sozusagen unter den Augen von Beamten eins liberalen
Ministeriums stattfinden können, das finden wir unbegreiflich. (N.Fr.Z.)." |
Die Vertreter der jüdischen Gemeinde werden beim Empfang
des Großherzogs übergangen (1908)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung der Judentums" vom 30. Oktober 1908: "In
Mannheim besuchte die Großherzogin von Baden das israelitische Kranken-
und Pfründnerhaus. Dagegen wurden in Tauberbischofsheim die Vertreter der
Juden beim Empfang des Großherzogs übergangen. Sie haben an denselben
eine Ergebenheitsadresse gerichtet und darin auch zum Ausdruck gebracht,
dass ihnen anlässlich des Hier seins des Fürsten ihre Ergebenheit
auszusprechen unmöglich gemacht worden sei." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Oktober 1908: "Tauberbischofsheim, 25. Oktober (1908). Der hiesige Synagogenrat hat an
das Geheime Kabinett eine Ergebenheitsschreiben gerichtet, weil es ihm bei
der Anwesenheit des Großherzogs hier, dadurch, dass er bei der Einladung
übergangen wurde, nicht möglich war, den patriotischen Gefühlen der
hiesigen Israeliten Ausdruck zu geben. Nunmehr ist aus dem Geheimen
Kabinett hierauf eine Antwort gekommen. In dieser heißt es, dass beim Großherzog
keineswegs die Absicht vorlag, die Vertretung der israelitischen Gemeinde
von den Vorstellungen in hiesiger Stadt auszuschließen. Das Unterbleiben
dieser Vorstellung sei lediglich darauf zurückzuführen, dass eine
Anmeldung der Vertretung bei den Seine Königliche Hoheit begleitenden
Herren nicht erfolgt ist. Der Großherzog bedauere, die Vertreter der
israelitischen Gemeinde nicht gesehen zu haben, und hoffe, dass sich bei
einem anderen Anlass hierzu Gelegenheit geben werde." |
Kleine Mitteilungen
aus der jüdischen Gemeinde
Anteil jüdischer Schüler im Gymnasium (1883)
Meldung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 9. Oktober 1883:
"Das Gymnasium in Tauberbischofsheim wird von 281 Schülern besucht,
worunter 24 Protestanten und 29 Juden." |
An den Ortseingängen hängen Schriftbänder "Juden sind in
Tauberbischofsheim unerwünscht" (1934)
Mitteilung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Oktober 1934: "Würzburg.
Wie aus Pressemeldungen hervorgeht, hat die Stadtverwaltung in Wertheim
unter den an Ortseingängen angebrachten Schriftbändern, die zum Besuch
der Michaelismesse auffordern, den Satz anbringen lassen: 'Juden sind in
Wertheim unerwünscht. Von einer gleichartigen Maßnahme wird auch aus Tauberbischofsheim
berichtet." |
Ergebnis der Synagogenrats-Wahlen (1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
20. Dezember 1934: "Tauberbischofsheim, 12. Dezember (1934).
Bei den stattgefundenen Synagogenrats-Wahlen wurden gewählt die
Herren Louis Kraft, Max Sauer und Lehrer Alfred Kaufmann."
|
Berichte zu einzelnen Personen
aus der Gemeinde
Auszeichnung für den Arzt Rosenfeld (1871)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. August 1871:
"Tauberbischofsheim, 15. Juni (1871). Herr Rosenfeld, der als
Feldarzt den Krieg in der dritten schweren Batterie der Großherzoglichen
Badischen Division mitmachte, hat wegen seiner Auszeichnung während des
Krieges vom Großherzog von Baden den Zähringer Löwenorden mit
Schwertern erhalten." |
Große goldene Medaille für den Studenten Elias Spiegel (1887)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Dezember 1887: "Aus Baden.
Am 22. November (1887), am Gedächtnistage der Geburtsfeier weiland Karl
Friedrichs, Großherzogs von Baden, des Wiederherstellers der Ruperta
Carola in Heidelberg, erhielt als Verfasser einer würdigen Arbeit den
ersten Preis (große goldene Medaille) der auch als Gymnasiast schon stets
Primus gewesene stud. jur. Elias Spiegel aus Tauberbischofsheim (Jude)." |
Zum 40jährigen Dienstjubiläum des Synagogenrates
und Bezirksältesten Abraham Schloss (1893)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Juli 1893: "Tauberbischofsheim, in Juni (1893). Ein schönes Fest, wie es kleineren
Gemeinden selten beschieden ist, hat die hiesige israelitische Gemeinde am
10. dieses Monats, am Schabbat
Paraschat Schelach Lecha gefeiert. An diesem Tage waren nämlich 40
Jahre verflossen, seitdem der Herr Bezirksälteste Abraham Schloss als
Synagogenrat die Leitung und Verwaltung der hiesigen Gemeinde übernommen
hat. Was Umsicht, Energie und Intelligenz, verbunden mit gutem Willen auch
in einer kleinen Gemeinde zu leisten vermögen, hat Herr A. Schloss während
seiner 40jährigen Amtstätigkeit bewiesen. Er hat es nicht nur
verstanden, sämtliche Gemeindemitglieder für alle seine Intentionen und
Anregungen zum Wohle der Gemeinde zu gewinnen und eine musterhafte Einmütigkeit
in der Gemeinde zu schaffen und zu erhalten, sondern hat auch durch seine
Initiative und Mithilfe Institutionen ins Leben gerufen, die ihm zum Ruhme
und der Gemeinde zur Ehre gereichen. Von diesen seien nur zwei genannt:
die Pensionskasse für Lehrer und Vorsänger der hiesigen Gemeinde und
eine wohl organisierte Armenpflege. Aus der ersteren bezieht
beispielsweise die Witwe des früheren hiesigen Lehrers seit 12 Jahren
eine Pension, die ihr lebenslänglich gesichert ist. Aus der Armenpflege
erhält jeder durchreisende jüdische Arme eine Unterstützung, wobei jüdische
Handwerker besonders berücksichtigt werden. Die Hauptaufgabe der
Armenpflege besteht aber darin, die verschämten Armen der Umgegend zu
unterstützen, und geschieht dies in der Weise, dass denselben am Beginn
eines jeden Quartals das Geld per Post ins Haus geschickt wird.
Die mannigfachen Verdienste des Herrn Schloss um Gemeinde und Bezirk sind
auch zur hohen Freude der hiesigen Gemeinde bereits vor 2 Jahren von
Seiner Königlichen Hoheit unserem erhabenen Großherzig durch Verleihung
des Verdienstkreuzes des Zähringer Löwenordens anerkannt und gewürdigt
worden. Der Großherzogliche Oberrat der Israeliten, der wahre Verdienste
wohl zu schätzen weiß, hat Herr Schloss zu seinem Ehrentage und mit ihm
seine Gemeinde durch Übersendung der Bildnisse sämtlicher Mitglieder des
hohen Kollegiums und eines Glückwunschschreibens hoch geehrt und
ausgezeichnet.
In der hiesigen Gemeinde war man selbstverständlich schon lange darauf
bedacht, das Amtsjubiläum des Herrn Schloss in entsprechender Weise zu
feiern, und Alt und Jung wetteiferte in dem Bestreben, den Ehrentag des
Jubilars zu einem festlichen zu gestalten. Nach dem Schacharit-(Morgen-)Gottesdienst
begab sich eine Deputation in die Wohnung des Jubilars, um demselben die
tief gefühlten Glück- und Segenswünsche der Gemeinde, sowie deren Gefühle
der Dankbarkeit und Hochachtung zum Ausdruck zu bringen. Mit einer
sinnigen Ansprache seitens eines Deputationsmitgliedes wurde dem Jubilar
als Zeichen der Verehrung ein kunstvoll gearbeiteter Pokal überreicht.
Der Herr Bezirksrabbiner Dr. Löwenstein aus Mosbach, der einer Einladung
des Festkomitees, diese Jubiläumsfeier durch eine Festpredigt zu erhöhen,
gerne gefolgt war, und der sich der Deputation angeschlossen hatte, überbrachte
die Glückwünsche des Bezirks. Herr Schloß – sichtlich bewegt über
die ihm so herzlich dargebrachten Ovationen, betonte in seiner Ansprache
an die Deputation, dass nur die Opferfähigkeit und Opferwilligkeit der
hiesigen Gemeindemitglieder es ihm ermöglicht haben, die Institutionen zu
schaffen, die der Gemeinde zur Zierde gereichen. Er könne mit unserem Stammvater
Jakob sprechen: 'Ich bin zu gering für all die Gnaden und für all die
Treue', 1. Mose 32,11)
Die Deputation geleitete hierauf den Jubilar in die festlich geschmückte
Synagoge zum Festgottesdienst und hier erhielt die Jubiläumsfeier durch
die herrliche Predigt des Herrn Dr. Löwenstein die wahre religiöse
Weihe, die auf alle Anwesenden einen mächtigen, nachhaltigen Eindruck
hervorbrachte. Besonders ergreifend war der Moment, als der Herr Rabbiner
dem Jubilar als Auszeichnung für seine Verdiente um die Gesamtheit des
Judentums den Chawer-Titel
erteilte.
Einen schönen Abschluss fand dieses Fest in einem Gesellschaftsabend, an
dem sich sämtliche Gemeindemitglieder mit ihren resp. Familien
beteiligten. Die Zusammengehörigkeit und Einigkeit, die von jeher in
unserer Gemeinde geherrscht, kamen an diesem Abend zum augenscheinlichen
Ausdruck. Auch die früheren Mitglieder der hiesigen Gemeinde bekundeten
durch Glückwunschschreiben und Depeschen, die in stattlicher Zahl
eingetroffen, ihre Anhänglichkeit an die Gemeinde und die Verehrung für
den Jubilar.
Möge diese Einigkeit und dieser Gemeinsinn auch fernerhin unserer
Gemeinde erhalten bleiben und möge es insbesondere dem Jubilar vergönnt
sein, noch viele Jahre in voller körperlicher und geistiger Rüstigkeit
zum Besten der Gesamtheit zu wirken." |
Zum Tod von Abraham Schloss (1893)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. September 1893: "Tauberbischofsheim, 3. August (1893). Vorigen Monat verschied in Bad
Kissingen, wo er Linderung für seine Leiden zu finden hoffte, der Bezirksälteste
Herr Abraham Schloß, Inhaber des Verdienstkreuzes vom Zähringer Löwenorden,
im Alter von 64 Jahren. Der Verstorbene, der sich ins einer 40jährigen
Amtstätigkeit als Synagogenratsvorstand der Gemeinde unvergängliche
Verdienste um dieselbe erworben und dessen Dienstjubiläum vor wenigen
Wochen erst festlich begangen worden, gehörte auch über ein
Vierteljahrhundert dem Ausschusse der politischen Gemeinde an und war
Vorstandsmitglied und Begründer des hiesigen Gewerbevereins. Der
‚Landesverein zur Erziehung israelitischer Waisen im Großherzogtum
Baden’ hatte sich seines besonderen Interesses zu erfreuen, und der
‚Verein zur Beförderung des Handwerks unter den Juden’ verliert in
dem Verblichenen eines seiner eifrigsten Mitglieder. Den größten Verlust
haben die verschämten Armen der hiesigen Gegend durch das Hinscheiden
ihres Wohltäters zu beklagen, der ihrer auch bei seinem Tode nicht
vergessen.
Das Leichenbegängnis hat unter zahlreicher Beteiligung auch der nichtjüdischen
Bevölkerung auf dem hiesigen Friedhofe stattgefunden, wobei der Herr
Bezirksrabbiner Dr. Löwenstein dem Verstorbenen einen ergreifenden
Nachruf hielt. In welchem er das Wirken und Schaffen, das durch sein gutes
Herz ausgezeichneten Mannes eingehend beleuchtete.
Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Goldene Hochzeit von Levi Sauer und Ernestine geb.
Koch (1924)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Mai 1924: "Tauberbischofsheim, 20. Mai (1924). Im
Kreise zahlreicher Kinder und
Enkel werden kommenden Samstag, den 24. Mai, die Eheleute Levi Sauer und
Frau Ernestine geb. Koch, ihr goldenes Ehejubiläum feiern. Die besten Wünsche
werden dem geehrten Jubelpaare, das sich mit Gottes Hilfe sowohl körperlicher
wie geistiger Frische erfreut, aus allen Kreisen hiesiger Stadt
entgegengebracht. Möge ein froher und glücklicher Lebensabend –
bis 120 Jahre – dem Jubelpaare unter Gottes gnädigem Beistand
beschieden sein." |
Zum Tod von Elias Rosenstock (1929)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. November 1929:
"Tauberbischofsheim, 11. November (1929). Nun ist auch Elias
Rosenstock seiner vor kurzem verstorbenen Frau in den Tod gefolgt. Eine
für kleinstädtische Verhältnisse überaus große Anzahl von Trauernden,
Juden und Nichtjuden, folgten seiner Bahre. Auch die Vertreter der
städtischen Behörden waren anwesend. Am Grabe schilderte Herr Lehrer
Kaufmann in beredten Worten die echt jüdische Persönlichkeit des
Dahingegangenen und brachte wiederholt zum Ausdruck, welch ungeheueren
Verlust die Gemeinde durch den Tod ihres Synagogenratsmitgliedes erleidet.
Herr Rosenstock war stets mit Rat und Tat zur Hand, wo es sich um
Angelegenheiten der jüdischen Gemeinde handelte. Ein begeisterter
Anhänger des altüberlieferten Judentums, versah er selbst Jahre hindurch
den Vorbeterdienst an den hohen jüdischen Feiertagen. Und er hatte stets
eine offene Hand, wenn es galt, für die jüdische Allgemeinheit zu
spenden. In Wohltätigkeitsdingen aber kannte er keinen Unterschied der
Konfession, und der Schmerz im Antlitz manches Armen beim Begräbnis
zeigte, dass hier ein stiller Wohltäter seine irdische Bahn vollendet
hatte. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und privater
Personen
Anzeigen der Weinhandlung und -kelterei von Ferdinand Kahn
(1882)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. März 1882:
"Tauberbischofsheim (Baden). Selbstgekelterte und vorzügliche Weiß-
und Rotweine à 70, 80, 90 und 100 Pfennig per Liter halte bestens
empfohlen
Ferdinand Kahn." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Mai 1882: "Für
Magenleidende und Rekonvaleszenten empfehle ich selbstgekelterten roten
Affentaler Beerwein à Mark 1, Mark 1,20 und Mark 1,50 per Liter;
selbstgekelterte Weißweine à 70 Pfennig bis Mark 1,40 pro Liter.
Ferdinand Kahn, Tauberbischofsheim (Baden)." |
Anzeige von D. Lichtenfeld
(1887)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Mai 1887: "Für meinen
Sohn, der die Bäckerei gründlich erlernt hat, suche ich eine Stelle in
einer jüdischen Bäckerei. Ich sehe hierbei weniger auf hohen Lohn als
auf gute Behandlung.
D. Lichtenfeld, Tauberbischofsheim.
Herr Lehrer
Driesen hier ist bereit, auf allenfallsige Erkundigungen nähere Auskunft
zu erteilen." |
Lehrlingsgesuch des Manufakturwaren-Geschäftes David Schloß (1891)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. September 1901:
"Lehrlings-Gesuch.
Für mein Manufakturwaren-Geschäft suche ich einen Lehrling mit
guten Schulkenntnissen. Samstags und Feiertage geschlossen.
David Schloß, Tauberbischofsheim in Baden." |
Lehrlingssuche von E. Rosenthal,
Inhaber eines Bankgeschäftes (1891 / 1903)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Mai 1891: "Lehrling.
Für unser Bankgeschäft (Samstags geschlossen) suchen wir einen Lehrling
mit guter Schulbildung. Tauberbischofsheim. E. Rosenthal & Co." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Februar 1903: "Lehrlingsstelle.
Für unser Bankgeschäft suchen wir einen Lehrling mit guten
Schulkenntnissen. Kost und Wohnung im Hause. Rosenthal & Co.,
Tauberbischofsheim." |
Anzeigen des Manufaktur- und Modewarengeschäftes Gebr.
Klau Nachfolger, Tauberbischofsheim (1903 / 1904)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 8. Juni 1903: "Gesucht eine
Verkäuferin und einen Lehrling
für mein Manufaktur- und Modewarengeschäft. Auf Wunsch Kost und
Logis im Hause.
Gebr. Klau Nachf., Tauberbischofsheim." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Februar 1904: "Lehrling,
mit guter Schulbildung für mein Manufaktur- und Modewarengeschäft
gesucht. Kost und Logis im Hause.
Gebrüder Klau Nachfolger, Tauberbischofsheim." |
Commis- und Lehrlingsgesuch des Manufakturwaren- und Herren- und Damenkonfektionsgeschäftes
Jakob Sauer (1894 / 1905 / 1915)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Februar 1904: "Gesuch!
Für mein Manufakturwaren-, Herren- und Damenkonfektionsgeschäft suche
ich bis Ostern einen kräftigen, schlanken Jungen, Israelit, mit
guten Schulkenntnissen, aus achtbarer Familie in die Lehre. Kost
und Logis im Hause. Samstags geschlossen. Offerten an
Jacob Sauer, Warenhaus in
Tauberbischofsheim." |
|
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 10. März
1905: "Commis-Gesuch. Für mein Manufakturwaren- und
Konfektions-Geschäft suche ich eventuell per 1. April einen jungen
Mann (Isr.) von angenehmen Äußeren, als Verkäufer und Detailreisender
für kleinere Touren. Bevorzuge solche junge Leute, die gute Zeugnisse
aufzuweisen haben, charaktervoll sind und das Interesse des Geschäfts
wahren. Eventuell dauernde Stellung. Offerten an
Jacob Sauer, Tauberbischofsheim. |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Juni 1915: "Lehrlings-Gesuch.
Für mein Manufakturwaren- und Herren- und Damenkonfektionsgeschäft suche
ich einen netten jungen Mann mit Vorkenntnissen aus achtbarer Familie in
die Lehre. - Samstag geschlossen. Eventuell Kost und Logis im Hause.
Jakob Sauer. Tauberbischofsheim." |
Nach der Deportation: Todesanzeige für Klara
Wassermann geb. Baiersdorfer (gest. 1942 in Theresienstadt)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Aufbau" vom 10. März 1944: "Erst
jetzt erreichte uns die traurige Nachricht, dass unsere liebe Mutter,
Schwiegermutter, Großmutter, Schwester und Tante Frau Klara
Wassermann geb. Baiersdorfer (früher Tauberbischofsheim,
Baden) im 77. Lebensjahre am 4. Oktober 1942 in Theresienstadt verschieden
ist.
Im Namen aller trauernden Hinterbliebenen:
Hanchen Rosenblatt geb. Wassermann, Zürich, Schweiz
Ludwig und Rosa Dorfzaun geb. Wassermann (früher Frankfurt am
Main)
Siegfried und Gertrude Wassermann geb. Dorfzaun (früher Frankfurt am
Main)
Max und Liesel Jonas geb. Wassermann (früher Frankfurt am
Main)
Gerson und Hilda Friedmann geb. Wassermann, Rio de Janeiro
Adolf und Mina Wassermann geb. Reich 851 W. 177th St., Apt. 3-F,
N.Y.C." |
Nach der Emigration: Todesanzeige für Justin Blum
(1944)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Aufbau" vom 10. März 1944:
"Schmerzerfüllt geben wir bekannt, dass mein lieber Mann und Bruder,
Schwager und Onkel
Justin Blum (früher Tauberbischofsheim - Mellrichstadt)
nach kurzer, schwerer Erkrankung verschieden ist.
In tiefer Trauer: Aenne Blum geb. Bloch Quito (Ecuador) Gutierez
111, a Rado de Iglesia San Marcus
Frieda Loewenstein geb. Blum Buenos Aires
Adolf Stein und Frau Selma geb. Blum (Aufenthalt
unbekannt)
Guido Prager und Frau Paula geb. Blum 2707 Sedgwick Ave.,
Bronx, N.Y." |
Persönlichkeiten
Über die Familie Bischoffsheim
Aus
Tauberbischofsheim stammte die Fam. Bischoffsheim, aus der u.a. hervorgegangen
sind: Raphael (Nathan) Bischoffsheim
(1773 Tauberbischofsheim - 1814 Mainz), lange Jahre Vors. der Mainzer jüdischen
Gemeinde, wirkte tatkräftig für Reformen im Judentum. Sein Sohn Jonathan
Raphael Bischoffsheim (1808-1883) wurde einer der bedeutendsten Finanzmänner
Belgiens (seit 1863 im Senat, galt als erster Sachverständiger auf dem Gebiet
des Finanzwesens). Der andere Sohn Louis
Raphael Bischoffsheim (1800-1873) gründete in Holland und Belgien große
Bankhäuser, war belgischer Generalkonsul in Amsterdam, seit 1850 in Paris (Gründer
von Banken, Förderer des Eisenbahnbaus). Ein Sohn von Louis Raphael, Raphael Louis Bischoffsheim (1823 geb.), wurde Generalinspektor der
südfranzösischen Eisenbahn.
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Von mittelalterlichen
Einrichtungen ist nichts bekannt, doch war angesichts der Größe der Gemeinde
(1298: 130 ermordete Juden) aller Wahrscheinlichkeit nach eine Synagoge
vorhanden. In späteren Jahrhunderten wird, wenn die Zehnzahl jüdischer Beter
erreicht war, zumindest ein Betsaal in einem Privathaus vorhanden gewesen sein.
Im 18. Jahrhundert wurde eine Synagoge um 1720 bis 1740 erbaut. In dieser Zeit (um 1730) wohnte auch ein Rabbiner in der Stadt. Beim Synagogengebäude (heutige Anschrift: Bachgasse 9) handelte es sich um ein dreistöckiges Gebäude, das sich von der Bachgasse bis zur Gerbergasse hinzog. In ihm waren bis 1879 auch die jüdische Schule und die Lehrer-/Vorsängerwohnung eingerichtet, die dann in das jüdische Gemeindehaus in der Hauptstraße 72 verlegt wurden. Am 1. September 1879 verkaufte die jüdische Gemeinde das damals offenbar stark heruntergekommene Synagogengebäude an das Gemeindeglied Samuel Heimann für 4.000 Mark, behielt aber darin das Recht zur Nutzung des Betsaales und des Frauenbades. Der Betsaal wurde
1922/23 noch einmal gründlich renoviert, was die damals vorhandenen Mittel des bestehenden Synagogenbaufonds völlig aufbrauchte.
Über das gottesdienstliche Leben in der Synagoge liegen mehrere Berichte des in Würzburg geborenen und in Halle lehrenden Professors Ulrich Gerhardt vor, der zwischen 1907 und 1930 immer wieder Gottesdienste in Tauberbischofsheim und Umgebung besuchte. Da Gerhardt auch Gottesdienste in Galizien und anderen Regionen besucht hatte, fielen ihm manche Besonderheiten der süddeutschen Landgemeinden auf, die ihm von dem in Tauberbischofsheim von 1900 bis 1926 tätigen Kantor Oskar Dreifuß (gest. 1926) erklärt wurden. So ließ man bei der Toralesung die abgewickelten Wimpel (farbig bestickte Beschneidungswindeln) einfach fallen und hat sie nach der Lesung nicht wieder um die Torarolle gebunden, da man am Schabbat nicht wickeln dürfe (in Galizien hatte man mit dem Wickeln am Schabbat keine Probleme). Zur Toralesung benutzte man in Tauberbischofsheim an Wochentagen einen einfach gedrechselten Holzstab, der unter dem Vorbeterpult aufbewahrt wurde. In vielen anderen Synagogen waren solche Lesestäbe, an deren Spitze sich eine kleine Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger befand, über eine Kette an den Torarollen befestigt. Wie in anderen Gemeinden auch, wurde in Tauberbischofsheim von einem zur Toralesung aufgerufenen Gemeindeglied zum Dank für die widerfahrene Ehre eine Summe Geld gespendet. Dieses Geld wurde jedoch nicht am Schabbat gegeben, da man an diesem Tag kein Geld oder einen Beutel mit sich herumträgt. Damit der zur Spende versprochene Betrag jedoch festgehalten wurde, steckte man, da am Schabbat auch nicht geschrieben wird, in eine in der Synagoge vorhandene Zahlentafel an der entsprechenden Stelle einen kleinen Pflock.
Bei seinem Besuch eines Morgengottesdienstes in Tauberbischofsheim am Montag, 2. September 1907, notierte Gerhardt, dass der Gottesdienst von Kantor Dreifuß gehalten wurde. Als Schammes (Synagogendiener) wirkte der Antiquitätenhändler Hirsch Grünhut. Die Männer hatten Tefillin angelegt. Zum Gottesdienst an Jom Kippur (Versöhnungstag) am 18. September 1907 war Gerhardt wiederum in Tauberbischofsheim. Als Kantor wirkte ein galizischer Jude, der in der Würzburger Gemeinde tätig war. Der Toravorhang war an diesem Tag weiß, auch die Torarollen waren in weiße Mäntel gehüllt. Die Torarollen wurden von Kantor Dreifuß ausgehoben. Etwa 20 Männer waren an diesem Tag nach alter Tradition in ihren
"Sargenes" (Leichenhemden) und mit Filzschuhen erschienen. Zum Laubhüttenfest war Gerhardt am 27. September 1907 bei Hirsch Grünhut eingeladen. In seiner Laubhütte fand sich wie in anderen von ihm in dieser Gegend besuchten Hütten unter anderem eine Schabbatlampe und ein Davidstern.
Bis 1938 diente die Synagoge in Tauberbischofsheim als gottesdienstlicher Mittelpunkt der in der Stadt und in den umliegenden Dörfern noch lebenden Juden. Beim
Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge demoliert. Sie wurde auf Grund der engen Bebauung in der Bachgasse nicht angezündet. Die Inneneinrichtung wurde jedoch zerschlagen und zusammen mit Büchern und anderen kultischen Gegenständen sowie den aus Külsheim herbeigebrachten Torarollen auf dem Marktplatz verbrannt. Die Torarollen aus Tauberbischofsheim wurden nach allerdings unbestätigten Angaben von Geistlichen des Erzbischöflichen Konvikts in Sicherheit gebracht. Auch ein kleines angrenzendes Haus, das unter anderem beim Laubhüttenfest als Sukka diente, wurde demoliert.
Am Sonntag nach Kriegsausbruch, dem 3. September 1939, wurden die noch in Tauberbischofsheim wohnenden Juden von SA- und NSKK-Leuten in die Wirtschaft
"Zum Badischen Hof" gebracht. Von dort aus wurden die Männer über den Marktplatz in die Bachgasse geführt, wo sie vor der Synagoge auf die Straße knien und den Boden küssen mussten. Anschließend trieb man sie in den in der Nähe vorbeifließenden Bach und befahl ihnen, sich in das Wasser zu legen und Liegestützen zu machen. Die Männer trugen bei ihrem Marsch ein Plakat mit der Aufschrift:
"Wir sind die Kriegshetzer". Am 29. Februar 1940 wurde die Synagoge mit dem 1,62 a großen Grundstück von der Stadt Tauberbischofsheim zum Preis von 2.000 RM erworben. Den Kaufvertrag unterzeichnete für die jüdische Gemeinde Emil Bauer. Nach der Genehmigung durch das Landratsamt und die Devisenstelle wurde der Kaufpreis an die Reichsvereinigung der Juden, Bezirksstelle Karlsruhe, überwiesen. Das Gebäude wurde zunächst als Kriegsgefangenenlager für polnische, belgische und französische Soldaten zweckentfremdet, bevor es am 22. Juni 1943 an Josef Reis, Inhaber einer Herrenkleiderfabrik in Kleinwallstadt bei Aschaffenburg, für monatlich 45 RM vermietet wurde.
1945 wurde das Gebäude von den Alliierten beschlagnahmt und der Jüdischen Vermögensverwaltung (JRSO) übergeben. Im Mai 1949 kamen zwischen der Stadt und der JRSO Verhandlungen bezüglich des Gebäude zustande. Der Hausverkauf 1940 war nach dem Gesetz Nr. 59 der amerikanischen Militärregierung ungültig, da der Verkauf damals unter nationalsozialistischem Druck erfolgt war. Am
5. April 1950 verkaufte die JRSO das Gebäude an Privatleute. Nach dem Umbau wurde es für Wohnzwecke umgebaut und dient bis zur Gegenwart als Wohnhaus. Eine Gedenk- oder Hinweistafel ist vorhanden.
Texte zur Geschichte der Synagoge
Aus einer am Geburtstag des Großherzogs von Baden von
Bezirksrabbiner Löwenstein in Tauberbischofsheim gehaltene Predigt (1862)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. November 1862: "Die gegenwärtige
Lage der Israeliten in Baden. Schluss einer am Geburtstagsfeste des Großherzogs
von Baden von Bezirksrabbiner Löwenstein in Tauberbischofsheim gehaltenen
Predigt.)
"Israeliten! Die Scheidewand zwischen uns und den übrigen Einwohnern
Badens ist nun dem Einsturze nahe. Sie ist von Menschenhänden errichtet
worden und geht nun, Dank der göttlichen Vorsehung, den Weg alles
Irdischen. Eine andere aber ist von Gott errichtet und dies muss ewig
bestehen; weil auch Gott ewig ist. Diejenigen Religionsgesetze, welche uns
von den Bekennern eines anderen Glaubens unterschieden, diese können vom
Zahne der Zeit nicht zernagt, von keinem Zeitgeistes geächtet werden. Sie
kommen auch gar nicht in Berührung mit unserer bürgerlichen Stellung;
sie sind nur Sache des Einzelnen, und treten freiwillig zurück da, wo der
Landesvater, das Vaterland, das Bürgertum gefährdet sind. Wir sollen und
wollen Badens sein; sind wir aber Israeliten, Israeliten mit Leib und
Seele, dann sind wir ja schon Badner. – Und wäre mir die Kraft
verliehen, so würde ich mit Löwenstimme in jeden Winkel unseres
Vaterlandes hinausrufen: ‚Zwar nicht alle wahrhafte Badner sind
Israeliten, aber alle wahrhafte Israeliten Badens sind Badner;’ denn wer
in dem Sittengesetze, zum Beispiel in Pflichten der Gerechtigkeit, der
Liebe und der Dankbarkeit, zwischen Israeliten und Nichtisraeliten
unterscheidet, der ist nicht Israelite; der ist kein aufrichtiger Bekenner
der Lehre Mosche’s. Wenn es vormals Israeliten gab, welche dieses nicht
begriffen und wähnten, sie dürften Druck mit Gegendruck erwidern, es war
nie zu rechtfertigen, aber doch einigermaßen zu entschuldigen; wurde es
aber auch jetzt noch solche geben, die das Sittengesetz nur gegen
Religionsgenossen auszuüben sich verpflichtet halten; jetzt da unser
hochherziger Großherzog, seine weise Regierung und die Trefflichsten aus
dem Volkes so wohlwollend gegen uns gesinnt sind; jetzt da wir unter den
Nahrungszweigen nur wählen dürfen; jetzt, da so Vieler Augen auf uns
gerichtet sind: jetzt sagte ich, würden Solche, welche in der Verletzung |
des
Sittengesetzes, einem Nichtisraeliten gegenüber, nicht auch eine
Verletzung des Religionsgesetzes erkennen, eine noch weit, weit größere
Verantwortlichkeit auf sich laden, als vormals. Dieselbe Lehre Moscheh’s
aber, welche im bürgerlichen Leben, im Sittengesetze, zwischen Mensch und
Mensch keinen Unterschied will, dieselbe Lehre Moscheh’s will im außerbürgerlichen
Leben, im Religionsgesetze, eine Scheidewand, die fort und fort bestehen
soll, bis der ewige Gesetzgeber selbst sie einreißt. Diese eigenmächtig
einreißen, hieße: den Fahneneid brechen, den wir am Sinai geschworen, am
Gerisim (Garizim) und am Ebal (wie unser Wochenabschnitt beschreibt: 5.
Buch Moses 27.12.13ff) erneuert, unter Jehoschua (Josua) wieder bekräftigt
und seither mit unserem Herzblut nur zu oft besiegelt haben. Unsere beiden
hohen Kammern sprachen die Rechtsgleichheit aus, ohne daran den Kaufpreis
zu knüpfen, mit unserem Religionsgesetze zu bezahlen. Es ist vielmehr die
Religion triumphierend aus den Verhandlungen hervorgegangen und mit keiner
unzarten Hand berührt worden, wie in den früheren Jahren der Vorurteile
und der Unduldsamkeit. Juden wollte man emanzipieren; und Juden ohne
Judentum wären Nichts als ein verneinendes Nichtjudentum; ein Gefäß
ohne Inhalt; ein Wort ohne Bedeutung, ein Nichts. Ehedem konnte man unter
dem Namen auch Schicksalsgenossen verstehen; jetzt aber, da sich unser
Geschick nur noch mit dem des Vaterlandes verschmelzen kann, wie Dieses
mit Gottes Hilfe bald auch in allen gebildeten Staaten sein wird, jetzt wäre
die bloße Schicksalsgenossenschaft nur noch ein loses Bindemittel, ein
Nebelbild. Nein, Israeliten! Wenn unsere Zeit dem ganzen Heere der
Vorurteile den Krieg verkündet, so wollen wir, die wir durch Vorurteile
schon so unsäglich gelitten haben, nicht neuerdings das Vorurteil nähren
und hätscheln, Judentum und Bürgertum stünden sich einander feindselig
gegenüber. Wir wollen unsere große Geschichte allerdings nicht
vergeblich durchlebt haben; sie ist aber nicht unsere Geschichte; sie ist
die Geschichte unserer Religion; sie ist das Zeugnis des großen, göttlichen
Erziehungsplanes mit uns und mit dem ganzen menschengeschlechte; damit die
ganze Erde voll wende von Gottes Herrlichkeit.
Und wenn im gegenwärtigen Monat die Schofartöne in unseren Gotteshäusern
vernommen werden zur Erinnerung an jene vierzig Tage, welche Moscheh auf
Sinai zubrachte und in welchen er seine Abwesenheit vom Lager den
Israeliten durch Schofar kund machen ließ, so ermannen auch wir uns, im
Geiste und im Leben dem Gottesmanne auf Sinai zu folgen, sein
Sinaigeschenk als unser teuerstes und unveräußerliches Gut zu bewahren
und zu wahren. Hüten, hüten wir uns davor, dass nicht auch in unserem
Lager Moscheh uns abhanden komme; dass sein Geist, sein Gottesgesetz nicht
entfremdet werde; und dass wir nicht zu spät sprächen: ‚Dieser
Moschehgeist, wir wissen nicht, was aus ihm geworden ist.’ (sc. vgl. 2.
Mose 32).
Nur also handeln wir im Sinne unserer vaterländischen Wohltäter; nur
also verdienen wir, Israeliten zu heißen; nur also füllen wir den Posten
aus, auf welchen Gott der Allvater uns gestellt in der Absicht, dass die
ganze Erde voll werde seiner Herrlichkeit. Amen! Amen!". |
Adresse der ehemaligen Synagoge:
Bachgasse 9
Fotos
Historische Fotos:
Historische Fotos sind nicht bekannt,
Hinweise bitte an den
Webmaster von "Alemannia Judaica", E-Mail-Adresse siehe Eingangsseite |
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Fotos 1965 /
1983 / 2001:
Fotos: außer dem ersten Foto: Hahn) |
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Aufnahme um 1965 bei
Hundsnurscher/Taddey s.Lit. Abb.
201 |
Die ehemalige Synagoge
in der Bachgasse |
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Rückseite des
Gebäudes
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Der Eingang zur
ehemaligen Synagoge |
Aufnahme
März 2001 |
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Fotos 2003:
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 22.9.2003) |
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Die ehemalige
Synagoge
in der Bachstraße |
Der auffallend
hohe
Eingangsbereich |
Die Rückseite
des
Gebäudes |
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Blick auf die
Rückseite
von Nordost |
Die Gedenkstätte
für die in der NS-Zeit
ermordeten Juden aus Tauberbischofsheim
im Rathaus
der Stadt |
Die Gedenktafel
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 269-270. |
| Germania Judaica III,2 S. 1450-1453. |
| Bernhard Müller: Juden und Judenpolitik in Tauberbischofsheim von
1933 bis 1945. Wissenschaftliche Arbeit zur Prüfung für das Lehramt an
Gymnasien (mschr.). Univ. Heidelberg. 1980. |
| Franz Gehrig/Hermann Müller: Tauberbischofsheim. Beiträge
zur Stadtchronik. Hierin Abschnitt: "Die Juden von Tauberbischofsheim"
S. 285-297.
|
| Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
1986. S. . |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
| Gerd Stühlinger, Johannes Georg Ghiraldin, Sarah Schroeder, Christoph
Ries, Katja Rüger, Gunter Schmidt und Stefan Henninger (Projektgruppe Mahnmal, Herausgeber): Wegverbracht. Das Schicksal der Tauberbischofsheimer Juden 1933-1945. EINE DOKUMENTATION. Tauberbischofsheim 2009.
Näheres zu dieser Dokumentation: Der Spurensuche von Tauberbischofsheimer Jugendlichen verdankt sich diese Projektdokumentation über die jüdischen Bürger Tauberbischofsheims sowie die Aufstellung eines Mahnmals bei der Peterskirche und eines zweiten Memorialsteines in der zentralen Gedenkstätte in Neckarzimmern. Vier Jugendliche, Schüler des Gymnasiums, hatten ab dem Herbst 2007 die Initiative ergriffen, die die Erinnerung an das Schicksal von über 5500 Juden erneuern sollte, die am 20. Oktober 1940 nach Gurs (Südfrankreich) deportiert wurden.
Sie erinnert gleichzeitig an die große Lücke innerhalb der Tauberbischofsheimer Stadtgeschichte(n). Weder das Buch von 1955, noch das von 1997 haben eine besondere (eigenständige) Darstellung des Schicksals der Tauberbischofsheimer Juden geleistet. Der Initiative der Schüler ist es zu verdanken, das die Arbeit von Bernhard Müller
'Juden und Judenpolitik in Tauberbischofsheim von 1933 bis 1945. Wissenschaftliche Arbeit zur Prüfung für das Lehramt an Gymnasien. Universität Heidelberg.
1980' wieder entdeckt wurde, nachdem die Arbeit aus dem Stadtarchiv verschwunden war. Man konnte beim Autor Kopien der Arbeit ziehen! 1989 hatten sich Schüler des Gymnasiums mit der
'Nacht, in der die Synagogen brannten' mit den Tauberbischofsheimer Geschehnissen beschäftigt und konnten noch auf die Arbeit Müllers zugreifen (Siehe Schülerzeitschrift
'Bullauge', Nr. 17 von 1989, Seite 63f.). Diese einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wäre eine wichtige Aufgabe!
Die Spurensuche der Jugendlichen brachte auch den amtsbürokratischen Jargon, der damals in Tauberbischofsheim herrschte, aus der Vergessenheit ans Licht. Die Deportation nach Gurs wurde dem kalten, zynischen Begriff
'wegverbracht' umschrieben. Abgedruckte Bilder in der Dokumentation zeigen die Unmenschlichkeit, mit der dabei vorgegangen wurde. Zwei Zeitzeugenberichte über die Vorgänge in Tauberbischofsheim liefert der Band, was seine Bedeutung unterstreicht, auch wenn von Schülern keine originäre Forschungsarbeit zu erwarten war. Der Wert liegt in der Spurensuche, in der Intention, in der Durchführung des Projektes, das zudem mit der Gestaltung des Gedenksteines durch Mitglieder des Tauberbischofsheimer Kunstvereins sich in die Erwachsenenwelt hinein erweiterte und breitere Kreise erreichte. Auch die notwendige finanzielle Unterstützung fand durch Tauberbischofsheimer Bürger und Verbände statt. In einer würdigen Feier in der Peterskirche wurde das Mahnmal der Tauberbischofsheimer Öffentlichkeit zugänglich gemacht, zudem fand eine Gedenkveranstaltung in
Neckarzimmern statt.
|
| Von
Tauberbischofsheim nach Jerusalem. Das Schicksal einer Jüdin aus Tauberbischofsheim.
Die Biografie von Chana Sass. Tauberbischofsheim 2013.
Anmerkung: Chana Sass ist als Hannelore Simons am 3. Dezember 1925 in
Tauberbischofsheim geboren. Sie war die Tochter von Ernst Simons (1902 Köln
- 1981) und seiner Frau Flora geb. Brückheimer (1892 Tauberbischofsheim -
1944 in Auschwitz)
Bezug der Publikation über die Stadtinformation Tauberbischofsheim (E-Mail),
über den Weltladen ebd., die
Buchhandlung "Schwarz auf Weiß" ebd. (Sonnenplatz 3) sowie über
das Tauberfränkische Landschaftsmuseum im Schloss Tauberbischofsheim,
gleichfalls über Johannes Ghiraldin (Redaktion der Publikation; E-Mail) |
| Joachim Braun: Nationalsozialistische
Machtübernahme und Herrschaft im badischen Amtsbezirk/Landkreis
Tauberbischofsheim. Veröffentlichungen des Historischen Vereins Wertheim.
Hrsg. vom Historischen Verein Wertheim in Verbindung mit dem Staatsarchiv
Wertheim. Band 8. Wertheim 2014. Darin u.a. S. 146-166 Abschnitt 3.6: Der
Terror gegen die Juden. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Tauberbischofsheim
Baden. Jews are first mentioned in 1235 but may have been among the
victims of the Rhineland massacres during the first two Crusades in 1096 and
1146. They also suffered grievously in the Rindfleisch massacres of 1298, the
Armleder massacres of 1336-39, and the Black Death persecutions of 1348-49.
Jewish settlement was renewed in 1356 under the benign protection of Bishop
Gerhard of Mainz. During the Thirty Years War (1618-48) the Jews were persecuted
and pillaged by the Swedish army but continued to enjoy relative tolerance at
the hands of local rulers. With Jews allowed to open stores and purchase land in
the 18th century, a period of accelerated economic growth commenced which
brought prosperity to the town as a whole, but the Jews became fully integrated
into local life only after the emancipation in 1862. The Jewish population grew
steadily through the 19th century and reached a peak of 200 in 1880 (total
3,074). A Jewish elementary school was opened in the 1830s and a synagogue was
built in 1845.
In 1933, 106 Jews remained. Community life intensified and Zionism began to
exert an attraction. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue
was vandalized and Jews were detained in the Dachau concentration camp.
Forty-nine Jews emigrated directly from Tauberbischofsheim, mostly to the United
States, along with nine of the 25 Jews who left Tauberbischofsheim for other
German cities. Of the latter, 16 ended up in the camps, as did the last 22 Jews
in Tauberbischofsheim, who were deported to the Gurs concentration camp on 22
October 1942; six survived.
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