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Hochstadt mit
Bischofsheim und Dörnigheim (Stadt
Maintal, Main-Kinzig-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Hochstadt bestand - in Verbindung mit den in
den Nachbarorten Bischofsheim und Dörnigheim lebenden jüdischen Personen - eine jüdische
Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück.
In Hochstadt werden bereits Ende des 16. Jahrhunderts Juden genannt:
1585 gab es vier Familien am Ort, die "Statutengeld" an die Herrschaft
zu bezahlen hatten. Auch 1614 waren vier jüdische Familien am Ort; zwischen
1615 und 1634 werden zwei Judenfamilien angegeben. In dieser Zeit lebten die
Juden am Ort vor allem vom Geldverleih. In Bischofsheim gab es seit der zweiten Hälfte des 17.
Jahrhunderts jüdische Familien am Ort. 1673 gab es acht jüdische Familien in Hochstadt, 1674
fünf, 1697 nur noch eine, 1707 wieder zwei. 1707 wird eine jüdische
Familie in Dörnigheim genannt. 1754 lebten in Hochstadt 10 jüdische Personen, 18 in
Dörnigheim.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: in Hochstadt 1825 fünf jüdische Familien (des Abraham Stern,
Baruch Goldschmidt, Samuel Stiebel, Jacob Siegel und Benjamin Appel), 1835 35 jüdische Einwohner, 1861 42, 1905 43. In Dörnigheim
lebten 1835 28 jüdische Einwohner, 1861 63, 1905 14. In Bischofsheim
waren es 1835 29, 1861 22, 1905 34. Die jüdischen Familienvorsteher waren vor
allem als Viehhändler tätig. Einige handelte auch mit Stoffen
("Ellenwaren") und Altwaren. Ab 1868 wird als Metzger Nathan Stern in
Hochstadt genannt. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gab es auch einzelne
jüdische Handwerker und Arbeiter. Nach 1887 gab es eine jüdische
Gastwirtschaft (von Salomon Stern). In allen drei Orten gab es seit der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts einige offene Handlungen und Läden im Besitz
jüdischer Familien.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule
(die Schule war im 1868 erbauten Gebäude Hauptstraße 43 vor der Synagoge) und
ein rituelles Bad (neben der Synagoge). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein
Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (siehe
Ausschreibungen der Stelle unten). Im 19. Jahrhundert waren in der Gemeinde
tätig: um 1837 Lehrer Gersfeld, seit 1841 Lehrer Joseph Preßburger,
um 1852/58 war vermutlich Provinzial-Rabbiner T. Berliner Lehrer in
Hochstadt, um 1858 Lehrer Salomon Neumark, von 1869 bis 1887
Lehrer Leon Krauß in der Gemeinde tätig (siehe unten verschiedene
Anzeigen und Bericht zu seinem Tod 1889); sein Nachfolger war ein Lehrer Abraham
Nußbaum,
der um 1890 nach Wiesbaden wechselte (siehe Beitrag zur Einweihung einer neuen
Torarolle unten); zwischen etwa 1890 und 1895 war Simon Glauberg als
Lehrer tätig (siehe Bericht unten). Die Toten der Gemeinde wurden im jüdischen
Friedhof in Hanau beigesetzt; im 17./18. Jahrhundert gab es jedoch auch einen Friedhof in
Hochstadt südlich der Ringstraße im Bereich Brunnenstraße (alte
Flurbezeichnung "Judenkirchhof"). Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk
Hanau.
Um 1924, als noch 35 jüdische Gemeindeglieder in Hochstadt gezählt wurden
(dazu 27 in Bischofsheim und 10 in Döringheim), war
Gemeindevorsteher Salomon Goldschmidt. Als Lehrer, Vorbeter und Schochet war Sally Stern
angestellt (vermutlich seit der Ausschreibung der Stelle 1921). Er
unterrichtete an der Religionsschule der Gemeinde noch fünf Kinder. An
jüdischen Vereinen gab es einen Israelitischen Wohltätigkeitsverein
(gegründet 1889 durch Lehrer Nußbaum).
Um 1933 lebten die jüdischen Familien in den folgenden Häusern: in Hochstadt
in der Bogenstraße 1 (Familie Stern), Bogenstraße 6 (Familie Appel),
Hauptstraße 26 (u.a. Familie Goldschmidt), Hauptstraße 41 (Familie Straus),
Ritterstraße 9 (Familie Katz), Am Rathaus 3 (Familie Hartoch); in Dörnigheim
in der Frankfurter Straße 9 (Familie Schönfeld), Frankfurter Straße 27
(Familien Schönfeld und Marx). Schwanengasse 4 (Familien Stern und Strauß), in
Bischofsheim in der Niedergasse 1 (Familie Blumenthal), Niedergasse 22
(Familie Wolff), Obergasse 14 (Familie Stern), Schäfergasse 10 (Familie
Leopold), Schäfergasse 13 (Familie Baier), Zwerchgasse 1 (Familie Hirsch).
Detaillierte Angaben auf der Website von Peter Heckert siehe unter den
Links.
1933 lebten noch etwa 30 jüdische Personen in Hochstadt, dazu etwa 25
in Bischofsheim und etwa 10 in Döringheim. In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen (vor allem nach Frankfurt) beziehungsweise ausgewandert
(aus Hochstadt Familie Goldschmidt teilweise in die USA und Argentinien, Familie
Appel teilweise in die USA). Letzter jüdischer
Gemeindevorsteher war der 1936 nach Frankfurt verzogene Salomon Goldschmidt
(gest. 1938 in Frankfurt siehe Bericht unten). 1938 gab es noch drei
jüdische Gewerbebetriebe: Nathan Appel (Althandel in der Bogenstraße 6), Sally
Katz (Manufakturwarenhandel in der Nordstraße 7) und Lina Straus (Milchhandel
in der Hauptstraße 41). Beim Novemberpogrom 1938 wurde die
Inneneinrichtung der Synagoge zerstört (s.u.). 1939 lebten noch fünf jüdische
Personen in Hochstadt. Dörnigheim war am 9. August 1940 nach dem
"Hanauer Anzeiger" "endlich judenfrei, nachdem nunmehr auch der
letzte hier ansässig gewesene Jude seinen Auszug gehalten (hat). Das in seinem
Besitz befindliche Anwesen ist in das Eigentum der Gemeinde übergegangen".
Von Hochstadt aus wurden die letzten hier noch lebenden fünf jüdischen
Personen 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Eine Person kehrte nach 1945 wieder zurück.
Von den in Hochstadt geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", abgeglichen mit der Liste
auf der Website von Peter Hecker, siehe unter Links ): Bernhard Appel (1875),
Gottfried Appel (1900), Hannchen Appel geb. Lind (1863), Melitta Appel (1898),
Nathan Appel (1873), Alfred Hartoch (), Heinrich Hartoch (1910), Jeanette
Hartoch geb. Appel (1871), Paula Hofmann (1898), Hildegard Hofmann (1922), Lina
Kahn (1899), Sara Kahn geb. Katz (1896), Recha Katz (1886), Sally Katz (1887),
Bertha Lilie (1872), Heinz Nebel (1938), Elsa Stern
(1908), Gustav Stern (1905), Hedwig Stern (1910), Hilde Johanna Stern (1904),
Lina Straus (1881).
Aus Bischofsheim sind umgekommen: Bertha Blumenthal geb.
Goldschmidt (1878), Hugo Blumenthal (1907), Leopold Blumenthal (1878), Bertha
(Babette) Häusler geb. Kaufmann (1872), Oskar
Hirsch (1866), Pauline Kaufmann (1883), Siegfried Kaufmann (1881), Frieda
(Fanny) Lion geb. Grünewald (1876), Clara Schloss
geb. Stern (1882), Johanna Stern geb. Kaufmann (1876), Markus Stern (1874),
Moritz Stern (1865), Hermann Wolff (1912), Ludwig Wolff (1915), Max Wolff
(1910), Pauline Wolff geb. Korn (1912).
Hinweis: es kommt immer wieder zu Verwechslungen mit Bischofsheim
(Mainspitze); obige Liste wurde auf Grund von Hinweisen von Brigitte
Begemann, Verein Brüder-Schönfeld-Forum Maintal vom 19.5.2017 letztmals
ergänzt/korrigiert).
Aus Dörnigheim sind umgekommen: Johanna Brouwer (1894), Isidor von Elkan
(1885), Paula Hofmann geb. Schönfeld (1898), Ferdinand Kahn (1877), Elise
Nussbaum geb. Kahn (1867), Gerhard Schönfeld (1931), Hermann Schönfeld (1900),
Horst Schönfeld (1930), Isaak Schönfeld (1861), Lina Schönfeld (1891), Rosi
Schönfeld geb. Schuster (1906), Klara Seewald geb. Steigerwald (1874), Adolf
Abraham Steigerwald (1874), Helene Steigerwald (1873), Moritz Moses Steigerwald
(1870), Bertha Stern geb. Kahn (1871), Jeanette Strauss (1874), Selma Strauß
geb. Stern (1900).
Zur Erinnerung an einen Teil der aus den Orten umgekommenen Personen wurden in
den vergangenen Jahren "Stolpersteine" verlegt: in Hochstadt
für vier Personen der Familie Katz (Ritterstraße 11), in Dörnigheim u.a.
Angehörige der Familie Schönfeld (Frankfurter Straße 9), in Bischofsheim für
Angehörige der Familie Blumenthal/Goldschmidt (Niedergasse
1).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1887 / 1894 / 1899 / 1900 (gemeinsam für Hochstadt -
Bischofsheim - Dörnigheim)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Dezember 1887:
"Bekanntmachung.
Durch Pensionierung des Lehrers ist die israelitische
Elementarlehrerstelle zu Hochstadt und den Filialgemeinden Bischofsheim
und Döringheim, mit welcher der Vorsängerdienst in Hochstadt, wo der
Wohnsitz des Lehrers ist, verbunden ist, vakant geworden und soll demnächst
wieder besetzt werden. Das Gehalt pro anno beträgt nebst freier Wohnung
und Feuerung 750 Mark. Bewerber haben ihre Gesuche unter Hinzufügung von
Zeugnissen in Abschriften binnen 4 Wochen anher einzusenden.
Hanau, 1. Dezember 1887. Das israelitische Vorsteheramt. Dr.
Koref." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. August 1894: "In
der Synagogen-Gemeinde Hochstadt- Bischofsheim- Dörnigheim ist die Stelle
eines Religionslehrers, Vorsängers und Schächters mit einem jährlichen
Gehalte von 600 Mark, freier Wohnung und dem Einkommen aus dem
Schächterdienste mit dem Wohnsitz in Hochstadt zu besetzen. Bewerber
wollen ihre Meldungen unter Beifügung von Zeugnissen bis 29. August an
die unterzeichnete Stelle richten.
Hanau, 31. Juli 1894.
Das Vorsteheramt der Israeliten.
Dr. Koref." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Oktober 1899:
"In der Synagogengemeinde Hochstadt - Bischofsheim - Döringheim
ist die Stelle eines Religionslehrers, Vorsängers und
Schächters, mit einem jährlichen Gehalte von 600 Mark, ca. 400 Mark
Einkommen aus dem Schächterdienste, freie Wohnung und Heizung mit dem
Wohnsitze in Hochstadt, zu besetzen. Bewerber wollen ihre Meldungen unter
Beifügung von Zeugnisabschriften bis 10. November anher einsenden.
Hanau, 13. Oktober,
Das Vorsteheramt der Israeliten:
Dr. Koref." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. August 1900: "In
den Synagogengemeinden Hochstadt- Bischofsheim- Dörnigheim ist am 1.
Oktober dieses Jahres die Stelle eines Religionslehrers, Vorsängers und
Schächters mit einem jährlichen Gehalt von 700 Mark, Mark 400 Einkommen
aus dem Schächtdienste, freier Wohnung und Heizung mit dem Wohnsitze in
Hochstadt zu besetzen. Bewerber wollen ihre Meldungen unter Beifügung von
Zeugnisabschriften bis 21. August anher einsehenden. Verheiratete Bewerber
werden bevorzugt.
Hanau, 3. August (1900).
Das Vorsteheramt der Israeliten:
Hirsch." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Juni 1907:
"Die Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle bei
der Synagogengemeinde Hochstadt soll wieder besetzt werden. Das
Einkommen besteht bei freier Wohnung aus dem Gehalt von Mark 700.- und dem
Schächtereinkommen von Mark 500.- per Jahr. Bewerber wollen sich baldigst
bei uns melden.
Hanau, 18. Juni 1907.
Das Vorsteheramt der Israeliten.
Dr. Bamberger." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. November 1921:
"In der Synagogengemeinde Hochstadt (bei Hanau) - Dörnigheim -
Bischofsheim ist die Stelle eines Religionslehrers
und Schächters zum 1. Januar 1922 neu zu besetzen. Mit der Stelle ist ein
festes Gehalt von Mark 5.500.-, freie Wohnung, bestehend aus 3 Zimmern,
Küche und Zubehör und ein Nebeneinkommen, das auf mindestens Mark
12.000.- geschätzt wird, verbunden. Bewerber, welche der orthodoxen
Richtung angehören, und im Schächten schon bewandert sind, wollen ihre
Gesuche bis spätestens 10. Dezember 1921 bei dem Herrn Gemeindeältesten Salomon
Goldschmidt in Hochstadt (Kreis Hanau) einreichen.
Hanau, den 18. November 1921. Das Vorsteheramt der Israeliten." |
Zum Tod von Lehrer Leon Krauß (1889)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. März 1889: "Hochstadt
bei Hanau. Wiederum ist die Zahl der 'wahren Israeliten' um einen
verringert worden. Gott dem Allmächtigen hat es gefallen, unseren
pensionierten Lehrer Herrn Leon Krauß am 5. März von seinem irdischen
Wandel abzurufen. Er ging nach dem benachbarten Dörnigheim, um dort
seines Amtes als Schochet zu walten. Bei seinem Eintritt in das Zimmer des
Metzgers stieß ihm ein Herzschlag zu, an dessen Folgen er innerhalb 5
Minuten zur Leiche wurde.
Wenn er auch kinderlos dahinschied, so sind doch sehr viele da, die ihn
beweinen; nicht nur die hiesige Gemeinde, sondern auch noch viele
umliegende Gemeinden, die seine milde Hand jetzt sehr
vermissen." |
25jähriges Amtsjubiläum von Lehrer Simon Glauberg (1915; von 1890-1895 Lehrer
in Hochstadt)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. April 1915: "Eschwege,
19. April (1915). Sein 25jähriges Amtsjubiläum feierte am 15. April Herr
Lehrer Glauberg dahier. Am 15. April 1890 trat derselbe zu Hochstadt
Kreis Hanau, in den Schuldienst ein, wurde dann am 1. August 1895 an
die israelitische Schule zu Zwesten Kreis Fritzlar und am 1. Januar 1907
an die hiesige Schule versetzt. Dem Ernste der Zeit entsprechend fand nur
eine kurze Schulfeier statt, bei welcher dem Jubilar sowohl von Schülern
als auch Gemeindemitgliedern kostbare Geschenke überreicht wurden. Das
Vorsteheramt der Israeliten zu Kassel ehrte den Jubilar durch ein
anerkennendes Glückwunschschreiben, ebenso der hiesige Jugendverein, zu
dessen Vorstand derselbe gehörte. Auch von ehemaligen Schülern und
Schülerinnen, sowie Kollegen aus nah und fern trafen Gratulationen
ein." |
Aus dem jüdischen
Gemeinde- und Vereinsleben
Aufruf zur Hilfe für eine bedrängte Familie in
Hochstadt (1877)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Februar 1877: "Bitte!
Eine bedrängte israelitische Familie in hiesiger Gegend, welche aus
Rücksicht auf Familie nicht öffentlich genannt sein möchte, lässt
durch die Unterzeichneten seine Glaubensbrüder um gütige Unterstützung
in ihrer großen Not inständig bitten. Derselben soll nämlich wegen 300
Mark Schulden das Obdach verkauft werden. Nachdem sie sich bisher redlich,
obgleich schwer, durchgekämpft hat, sieht sie sich doch jetzt genötigt,
um die Gefahr, ihre Wohnung zu verlieren, mildtätige Hilfe in Anspruch zu
nehmen.
Wer von unsern Glaubensgenossen dieser ebenso durchaus würdigen als
bedürftigen Familie eine freundliche Unterstätzung will zukommen lassen,
beliebe dieselbe an die Unterzeichneten oder Redaktion respektive
Expedition der Blätter, in welchem öffentlich quittiert werden wird, zu
senden.
Hochstadt bei Hanau, 10. Januar 1877. Krauß, Lehrer. J.
Sichel." |
Aufruf zur Hilfe für eine jüdische Familie in
Bischofsheim (1882)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Juli 1882:
"Aufruf!
Eine sehr brave Familie aus Bischofsheim, bestehend aus vier und
alsbald aus fünf noch ganz unmündigen Kindern, ist ohne ihr Verschulden
in Schulden geraten, dass derselben durch Drängen eines Pfandgläubigers
das einzig besitzende Obdach alsbald zum Verkaufe gebracht werden soll. Es
haften nämlich auf dem fraglich Obdach 1.600 Mark Hypothek. 1.200 Mark
sind derselben zur Errichtung einer neuen Hypothek durch Verwendung guter
Freunde wieder verwilligt. Nun fehlen aber zur Deckung des
Pfandgläubigers noch 400 Mark. Es ergeht daher an alle gutherzigen und
edlen Glaubensgenossen die ergebenste Bitte, die in Rede stehende arme
Familie mit ihren unmündigen Kindern vor dem Verlieren ihres Obdaches zu
bewahren und durch rechtzeitige zahlreiche milde Spenden zu
unterstützen.
Der liebe Gott wird alle Geber reichlich dafür segnen.
Hochstadt bei Hanau, am 20. Juni 1882.
Krauß, Lehrer. Sichel, Gemeindeältester. Kaufmann,
Gemeindeältester.
Die in vorstehendem Schreiben enthaltenen Angaben beruhen auf Wahrheit und
wäre es wünschenswert, wenn geholfen würde.
Bischofsheim, am 23. Junbi 1882. (L.S.) Der Bürgermeister N.M.
Ebert.
Der mitunterzeichnete Lehrer Krauß, sowie die Expeditition des
'Israelit' sind bereit, Spenden entgegenzunehmen und an die betreffende
Familie abzuliefern." |
Aufruf zur Hilfe für eine jüdische Familie in
Bischofsheim (1887)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. September 1887:
"Ein Familienvater unserer Filialgemeinde Bischofsheim ist
durch Krankheiten seiner kürzlich verstorbenen Frau so weit
zurückgekommen, dass ihm sein Obdach nebst einigen Ländereien wegen
Nichtzahlung seiner Kapitalzinsen zum Verkaufe gebracht werden soll. Ich
bitte deshalb unsere Glaubensgenossen um Hilfeleistung, damit der Familie
das Obdach erhaltne werde. Möge sich keiner entziehen, sein Scherflein zu
dieser Unterstützung beizutragen. Jede, selbst die kleinste Gabe ist
willkommen. - Ich hoffe, dass diese Bitte bei unseren Glaubensgenossen in
ihren mitleidsvollen Herzen Eingang finden wird und sich wie immer so auch
jetzt als wahre barmherzige und Gefallen tuende Menschen
bewähren.
Hochstadt bei Hanau, 24. August 1887.
Krauß, Lehrer.
Spenden nehmen entgegen die Expedition dieses Blattes, wie auch der
Unterzeichnete." |
Vortrag des Judenhetzers Dr. Otto Böckel in Hochstadt
(1891)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. Januar 1891:
"In Hochstadt bei Hanau fand am 8. Januar eine
Böckel-Versammlung statt. Wie berichtet wird, beleuchteten die
Antisemiten ihrem Häuptling nach dessen Vortrag mit Fackeln den Heimweg,
nachdem ihm in der Versammlung selbst von den Frankfurter Demokraten
bereits gründlich heimgeleuchtet worden
war." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Januar 1891: "Hochstadt
bei Hanau, 8. Januar (1891). Heute hatte unser Ort die Ehre und das
Vergnügen, den Generalfeldmarschall der deutschen Judenhetze, Dr. O.
Böckel, als Gast zu beherbergen. Zweck der Anwesenheit des illustren
Mannes war natürlich das Hineintragen konfessionellen Unfriedens in
unsere bis dahin des Friedens sich erfreuende Gegend. Wie wir hören, was
der 'Mitteldeutsche Bauernverein' der Veranstalter der 'Feier'. Man hatte
nicht bloß hier, sondern auch in der Umgegend vorher eifrig für den
großen Abend geworben und so war denn der Weber'sche Saal, in dem die
Sache vor sich gehen sollte, bereits lange vor der für den beginn der
Versammlung festgesetzten Zeit, 7 Uhr Abends, bis auf den letzten Platz
gefüllt. Allerdings, wie sich später zeugen sollte, keineswegs nur von
Freunden der 'heiligen Sache' Böckel's. Polizei war natürlich ebenfalls
in höchst beruhigender Stärke vertreten. Ein in unserer Gegend gänzlich
unbekannter, den gebildet gekleideten Ständen angehöriger, jugendlicher
Herr führte den Vorsitz. In etwa einstündiger Rede entwickelte Herr
Böckel sein 'Programm', auf dessen Einzelheiten wir nicht einzugehen
brauchen, denn die Hauptsache ist ja doch die Judenhetze. Herr Böckel
verwahrte sich allerdings feierlichst dagegen, eine solche Hetze treiben
zu wollen; was es aber mit dieser Verwahrung auf sich hat, geht zur
Genüge daraus hervor, dass der Ausdruck 'Schmuser' in der Böckel'schen
Rede etwa ein Dutzend Mal vorkam und der Herr unter anderem vorschlug, auf
das Frankfurter Börsengebäude eine große krumme Nase als oberste Zier
zu setzen. Schließlich forderte Böckel auf, einen Bauernverein zu
gründen, beziehungsweise dem Mitteldeutschen Bauernverein anzuschließen.
Der Beifall, den die Rede Böckel's fand, war keineswegs ein sehr
lebhafter, und während der Rede hatte es nicht an
kräftigen |
Missfallensbezeugungen
gefehlt, was dem Vorsitzenden wiederholt Gelegenheit gab, seine
Unfähigkeit für die Führung des Vorsitzes eklatant darzutun. Unter mehr
oder minder lärmendem Verhalten der Versammlung trat dann zunächst Herr
Gastwirt Gert Fechenheim in kurzen Worten Herrn Böckel entgegen, indem er
darauf hinwies, dass in hiesiger Gegend zwischen Christen und Juden immer
ein gutes Verhältnis geherrscht habe und hoffentlich auch ferner
herrschen werde. Nach einer Entgegnung Böckels erwiderte diesem darauf
Herr Emmel - Frankfurt vom sozialdemokratischen Standpunkt aus, öfters in
wenig parlamentarischer Weise von Böckel selbst und außerdem von einem
Polizeiwachtmeister unterbrochen, der die Versammlung mit der Versicherung
beruhigen zu müssen glaubte, dass Herr Böckel sich auf die Angriffe
schon revanchieren werde. Diese Einmischung des Polizeibeamten wurde von
dem sozialdemokratischen Redner gebührend kräftig zurückgewiesen, ebenso
eine stark an Agents provocateurs erinnernde Anfrage Böckels an den
Redner beziehungsweise die Auslegung der Antwort desselben. Nach der Erwiderung
Böckels auf diese Ausführungen erhielt das Wort Redakteur Schreiber -
Frankfurt, der sich schon unmittelbar nach Böckels erster Rede zum Wort
gemeldet, es aber nicht erhalten hatte. Er gab zunächst seiner
Verwunderung über die große Zahl von Widersprüchen und die kaum
glaubliche volkswirtschaftliche Unwissenheit Ausdruck, die in Böckels
Rede zu Tage getreten seien, und ging dann in längerer Ausführung auf
die Widerlegung der einzelnen Punkte derselben ein, wobei die Versammlung
mit lautloser Aufmerksamkeit folgte. Nur Herr Dr. Böckel machte mehrere
Male erregte Zwischenrufe, erhielt aber in jedem Falle vom Redner die
entsprechende, sehr deutliche Antwort. Mit ganz besonderem Nachdruck
betonte Schreiber die Unehrlichkeit der Kampfesweise Böckels, der immer
versichere, keine Judenhetze zu treiben und sich dabei in solch
unerhörten Ausfällen, wie heute Abend, gegen die Juden ergehe. Ein überaus
stürmischer Beifall eines großen Teiles der Versammlung folgte den
Schlussworten Schreibers, etwa lautend: 'Unserer Zeit, insbesondere dem
deutschen Volke, sind gewaltige Aufgaben gestellt, lassen Sie also Ihre
Kraft nicht für eine so klägliche Bewegung wie die Böckel'sche Hetze
missbrauchen. Unsere Juden sind gewiss ebenso gute Deutsch, wie etwa der
Herr Dr. Böckel. Wir alle sind Söhne Eines Vaterlandes, das wir innig
lieben. Meinungsverschiedenheit muss es geben, aber die Duldung und
Toleranz gegen fremde Meinungen ist der beste Gradmesser des Kultur- und
Bildungsstandes eines Volkes. Würde das deutsche Volk sich in weiterem
Umfange der Böckel'schen Hetze anschließe, so verdiente es nichts
Besseres, als von einem Dr. Böckel geführt zu werden.' Böckel war in
seiner Erwiderung recht kleinlaut; sie beschäftigte sich hauptsächlich
mit den 'eleganten Herren' der 'Frankfurter Zeitung' und einem Feuilleton
Karl Vogts, welches letzte vor Jahren gebracht hat. Nach Böckels Replik
schloss der Vorsitzende sofort die Versammlung, es wurde nicht einmal die
übliche Aufforderung zur Vereinsgründung oder dergleichen erlassen. Die
Herren wollten offenbar keine Gegner mehr zum Wort kommen lassen. Herr
Böckel ließ sich von Hochstadt bis an die Station von einer Schar
halbwüchsiger Burschen begleiten, welche brennende Fackeln trugen, ein
billiger Schwer, der auch von den 'Judenfreunden' angesichts der nächtlichen
Zeit und des schneebedeckten Wegs dankbar empfunden wurde und insofern als
ein Akt ausgleichender Gerechtigkeit angesehen werden kann, als in der
Versammlung selbst seitens der Gegner mit Herrn Dr. Böckel keineswegs
'gefackelt' worden
war." |
Der Dörnigheimer Pfarrer lehnt die schriftliche
Nennung jüdischer Kriegsteilnehmer in der Kirche ab (1896)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. November
1896: "Auf Veranlassung des Bürgermeisters von Dörnigheim,
Lapp, sollte in der Kirche seines Ortes eine Tafel aufgehängt werden,
welche die Namen Derer verzeichnete, die um letzten französischen Kriege
teilgenommen hatten. Unter den sich anmeldenden Kriegern befanden sich
auch die Herren Wolf Steigerwald und Löser Steigerwald, beide jetzt in
Frankfurt wohnhaft. Der Geistliche verbot aber die Anbringung der beiden
israelitischen Namen. Die Herren beruhigten sich nicht bei diesem
Bescheide. Nun ging dem Dörnigheimer Pfarrer seitens des Landratsamtes in
Hanau die Aufforderung zu, beide Herren zu benachrichtigen, dass die
Gedenktafel mit ihren Namen in der Kirche aufgestellt wird, was auch
bereits geschehen ist." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Süßmann Sichel rettet zwei Menschen das Leben (1882)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Dezember 1882: "Hochstadt,
den 28. Februar (1882). Bei der heutigen Wassernot gelang es unserem
Glaubensgenossen, Herrn Süßmann Sichel, mit eigener Lebensgefahr zwei
Menschenleben zu retten. Ein Geometer von Frankfurt und sein Gehilfe
stürzten von dem improvisierten Floße, das mit sechs Passagieren
beschwert war, ins Wasser und ragte nur noch ihr Kopf aus dem reisenden Strome
heraus, sie wären rettungslos verloren gewesen, wenn nicht der
Handelsmann Süßmann Sichel von den Brettern in die Fluten gesprungen
wäre und so mit Hilfe der anderen die beiden Unglücklichen wieder auf
das Floß gebracht hätte. Letzteres wurde aber weiter getrieben und der
Lebensretter Sichel schwebte nun selbst in der größten Gefahr. Er arbeitete
sich mit übermenschlicher Anstrengung nach einem Apfelbaume und suchte
sich durch Erklettern desselben Heil. Nachdem er sich neue Kräfte
gesammelt hatte und ihm von den massenhaft am Ufer stehenden Personen
keine Hilfe zuteil werden konnte, machte er mit Anstrengung seiner letzten
Kräfte den gefährlichen Weg nach der Eisenbahnstation, bis an die Brust
in dem tobenden Wasser, erreichte er das Land und Dank dem freundlichen
Entgegenkommen des Stationsverwalters Hanstein, der ihn vollständig
umkleidete und erwärmte, wird dem edlen Manne hoffentlich kein weiterer
Nachteil, als der Verlust seiner Brieftasche mit Geld und seiner Kappe
erwachsen. Der gerettete Geometer und sein Gehilfe wurden bei Gastwirt
Weber vollständig umgekleidet. Vorerwähnter Vorfall erregte allgemeine Angst
und Teilnahme." |
Zum Tod von Witwe Jette Sichel geb. Schuster (1907)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 4. Januar 1907: "Hochstadt bei Hanau. Am 10. Teweth
wurde hier eine in unserer Gegend sehr bekannte Frau begraben: Frau
Jette Sichel geb. Schuster. Frau Sichel gehörte zu jenen echt
jüdischen Frauen, die, besonders auf dem Lande, immer seltener werden.
Ihr Haus wurde und war erfüllt vom Geiste des 'Hachnosath Orchim'
(Gastfreundschaft) und 'Gmilluth Chesed' (Wohltätigkeit), und die Liebe,
die sie ausstreute, hat sie auch schon zu ihren Lebzeiten in reichem Maße
geerntet. Nicht nur von ihrer Familie, sondern von jedermann, Juden und
Nichtjuden, wurde sie geachtet und verehrt. Das zeigte sich auch bei ihrem
Leichenbegängnis. Ein großer Zug, Juden und Nichtjuden, wie man ihn
selten in einem kleinen Dorfe sieht, folgte der Bahre, um der Verklärten
die letzte Ehre zu erweisen. Am Grabe in Hanau sprach Herr Provinzialrabbiner
Dr. Bamberger bewegte Worte des Trostes". |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Januar 1907: "Hochstadt
(Kreis Hanau), 10. Januar (1907). Einen herben Verlust hat die hiesige
Gemeinde erlitten. Frau Witwe Jette Sichel, die ein ganzes Menschenleben
hindurch allen jüdischen Frauen der hiesigen Gemeinde und darüber hinaus
das Leben einer wackeren Frau in musterhafter Weise vorlebte, haucht am 9.
Tebeth nach kurzer Krankheit im 45. Lebensjahre ihre reine Seele aus.
Diese Edle, eine jener hehren auf dem Lande immer seltener
werdenden, für Tora, Gottesdienst und Wohltätigkeit begeisterten
Frauengestalten verdient es, in diesen Blättern gewürdigt zu werden.
Dreißig Jahre lang war die Heimgegangene ihrem Gatten, der das Amt eines
Vorstehers der hiesigen Gemeinde verwaltete, Gefährtin im Sinne unserer
heiligen Tora und hat, da sie auch nach dem Tode des Gatten den
würdigen Söhnen, die treue Beraterin geblieben war, durch ihre seltene
Gemütstiefe und außergewöhnliche Herzensgüte viel zum Frieden und der
Wohlfahrt unserer Gemeinde beigetragen. Durch ihre ungewöhnlich große
Gastfreundschaft gegen Reiche und Arme in der ganzen Gegend berühmt,
betätigte sie den Ausspruch der Mischnah: 'es soll sein dein
Haus weit geöffnet und es sollen sein die Armen die Kinder deines Hauses'.
Sie linderte Not, rechnete nicht, wenn es der Wohltätigkeit galt und gab
über ihre Verhältnisse hinaus. Ein überaus großes Leichenbegängnis,
an dem sich auch sehr viele christliche Einwohner beteiligten, legte
Zeugnis von der Beliebtheit der Verschiedenen ab. Am Grabe entwickelte
unser hochverehrter Herr Provinzialrabbiner Dr. Bamberger, Hanau, in einem
ergreifenden Hesped (Trauerrede) ein Lebensbild der
Entschlafenen." |
Zum Tod von Lehrer Baruch Strauß (geb. in Hochstadt
1844,
gest. 1931 in Mannheim)
Anmerkung: die Datierungen enthalten einen Fehler: statt 14. und 15. Nissan
muss es 14. und 15. Kislew heißen.
Als Herkunftsort ist "Hochstadt am Main" genannt, womit nicht
Hochstadt am Main bei Lichtenfels
gemeint sein kann, da dort Mitte des 19. Jahrhunderts keine jüdischen Personen
lebten. Nach https://www.geni.com/people/Baruch-Strauss/6000000014622872505
stammte Baruch Strauß aus Höchstadt, was auch nicht sein kann, da
dort Mitte des 19. Jahrhunderts nach vorliegenden Informationen auch keine
jüdischen Familien lebten und Höchstadt an der Aisch und nicht am Main liegt.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Dezember
1931: "Mannheim, 7. Dezember (1931). Am Heiligen
Schabbat Paraschat Wajeze (= 21. November 1931) sagten die
Klausbesucher zueinander: Es ist doch eine besondere Gnade von Gott, wenn
ein 88-jähriger, wie Herr Baruch Strauß, mit solcher Kraft, mit
solcher Wärme, die Haftara (Lesung des Prophetentextes) sagen
kann. Sie rühmten die Energie des jugendlichen Greises, der im Winter wie
im Sommer morgens und abends, den Weg zum Gotteshaus fand... Bis zwei Tage
nach dem Schabbat (23. November 1931) die Kräfte versagten. Noch
einmal konnte er am 14. Nissan (gemeint 14. Kislew = 24. November 1931) zu
Mincha gehen, aber schon am 15. Nissan (gemeint 15. Kislew = 25.
November) war es nur mehr ein Flüstern, als er die letzte Mincha-Tefilloh
verrichtete... Am Erew Schabbat (27. November 1931) geleiteten ihn
viele, viele Menschen auf den Friedhof in Frankfurt, an der Seite der
Gattin, die ihm nach 53-jähriger Ehe vor einigen Jahren im Tode
vorausgegangen war, zu Grabe, wo Herr Rabbiner Dr. Hoffmann das
Bild des Greises an den Trauernden vorüberziehen ließ und den Dank sagte
an den echten Jehudi alten Schlages, dem wo er immer wirkte,
Ehrerbietung zuteil ward bei den Menschen. Fast nur aus sich selbst heraus
hatte Baruch Strauß sich jüdisches Wissen angeeignet und es
weitergegeben, als er, der aus Hochstadt am Main stammte, in
Sprendlingen, in Darmstadt und, von 1867 an, in Gensingen
bei Bingen als Lehrer tätig war. Im Jahre 1900 musste er die Auflösung
der kleinen Gemeinde erleben; er verlegte seinen Wohnsitz nach Frankfurt,
wo er als Haschkomo-Chasen an der Börneschul bald bekannt, beliebt und
geehrt wurde, geehrt besonders, als ihm Rabbiner Nobel seligen Andenkens
1918 zum 75. Geburtstage den Chawer-Titel (Ehrenrabbiner) verlieh.
Als die Gattin, die mit ihm in vorbildlichster Weise die Kinder zu echten
jüdischen Menschen erzogen hatte, ihm entrissen wurde, bereiteten ihm die
Kinder in Liebe und Verehrung ein neues Heim, und als er vor wenigen
Jahren im Hause des Sohnes und der Schwiegertochter in Mannheim das
Heim des Lebensabends fand, da fand er zugleich auch die Klausgemeinde als
neue Heimat, und hier wurde er nochmals dem Alter und der Jugend Vorbild
des Jehudi, dem keine Stunde zu früh und zu spät, kein Wetter zu
stürmisch war, wenn es galt, eine Mizwa (religiöse Weisung) zu
erfüllen. Und so war es auch ein Ausdruck größter Verehrung, wenn Herr
Rabbiner Dr. Unna im Namen der Mannheimer Freunde Baruch
Strauß das Geleite gab zum Grab und ihm dort herzliche Worte des
Gedenkens widmete, Worte, wie sie auch während der Trauerwoche im Trauer-Hause
von einem der Söhne in kindlicher Liebe, von Freunden des Heimgegangenen
in bewegtem Erinnern gesprochen wurden." |
83. Geburtstag von Jettchen Goldschmidt geb. Strauß
(1929)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. April 1929: "Hochstadt,
4. April (1929). Frau J. Goldschmidt Witwe, Hochstadt (Kreis Hanau),
feierte am 4. April in voller Rüstigkeit ihren 83.
Geburtstag." |
85. Geburtstag von Jettchen Goldschmidt geb. Strauß
(1931)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. April 1931: "Hochstadt
(Kreis Hanau), 29. März (1931). Ihren 75. Geburtstag begeht am 4. April
in völliger geistiger und körperlicher Frische Frau Jettchen Goldschmidt
geb. Strauß dahier." |
Zum Tod von Salomon Goldschmidt (1938)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Februar 1938: "Salomon
Goldschmidt - seligen Andenkens.
Nach kurzem schweren Leiden verschied das frühere Vorstandsmitglied der
Gemeinde Hochstadt Kreis Hanau, Salomon Goldschmidt. Her
Heimgegangene, der vor zwei Jahren nach Frankfurt übersiedelte, war ein
von tiefer Frömmigkeit erfüllter Jehudi, der an vielen Schiurim mit
Hingabe teilnahm und kaum einen Vortrag versäumte. Jahrzehntelang war
Goldschmidt den umliegenden Landgemeinden seines früheren Wohnsitzes ein
beratender, helfender und schützender Freund besonders in jüdischen
Angelegenheiten. Dies brachte in einem ergreifenden Hesped (Trauerrede) in
der Synagoge des Gumpertz'schen Siechenhauses - deren treuer Besucher der
Verklärte war - Herr Provinzialrabbiner Dr. Gradenwitz zum
Ausdruck, der ihn als rechtschaffenen Mann und aufrechten Juden
bezeichnete, der stets in stilles Wohltätigkeit Erfüllung das Erhabenste
und Beste erstrebte. Die Herren Rabbiner Wolpert, Rabbiner Korn und
Hermann Seckbach schilderten ihn dann noch insbesondere in seiner
Verbundenheit mit 'seiner' Kehilloh Gumpertz und fanden hierbei innige
Worte der Trauer. Möge sein Verdienst seiner gleichgesinnten Familie
beistehen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Verlobungsanzeige von Hedwig Stern und Arthur Wertheimer
(1922)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. September 1922:
"Hedwig Stern - Arthur Wertheimer.
Verlobte. Hochstadt Kreis Hanau -
Höchst im Odenwald. 8. September 1922." |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein Betraum in einem der
jüdischen Häuser vorhanden (1773 und 1792 als "Judenschule" genannt).
Um 1850 wurde eine Synagoge erbaut. Sie hatte 55
Plätze für Männer und 53 für Frauen. Es handelte sich bei der Synagoge um
einen einfachen, zweistockigen Steinbau mit einem Satteldach aus Fachwerk,
dessen First in gleicher Richtung wie die Ringmauer verlief.
1873 wollten die 13 in Dörnigheim
lebenden jüdischen Familien eine eigene Gemeinde gründen. Seit Jahren würden
bereits am Ort Gottesdienste abgehalten. Der Antrag wurde jedoch vom
Vorsteheramt abgelehnt.
Aus der Geschichte der Synagoge in Hochstadt erfährt man im Jahr 1900 von der Einweihung
einer durch den Wohltätigkeitsverein gespendeten neuen
Torarolle:
Einweihung einer neuen Tora-Rolle (1900)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Dezember 1900: "Hochstadt
bei Hanau. Der im Jahre 1889 von unserem damaligen Lehrer, Herrn Nußbaum
(jetzt in Wiesbaden) gegründete Verein: Chewrat Gemillut Chassodim
(Wohltätigkeitsverein) hatte ein neues Sefer Tora schreiben lassen,
welches er der hiesigen israelitischen Gemeinde zum Geschenke machte. Am
Schmini Azeret wurde diese neue Torarolle unter den üblichen
Festlichkeiten eingeweiht. Um das Gelingen des Festes hatten sich die
Herren Kantor Nußbaum, die Gemeindevorsteher Saly Sichel und Josef
Goldschmidt sowie die Mitwirkenden im Synagogenchor besonders verdient
gemacht. Herr Kantor Nußbaum wurde zum Ehrenpräsident des Vereins
ernannt." |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch
SA-Leute innen völlig demoliert. Das Gebäude wird nicht angezündet, weil die
unmittelbar angrenzenden Scheunen in Gefahr gekommen wären.
1940 ging das Synagogengebäude in den Besitz der Ortsgemeinde über. Das
heute auf dem Grundstück der Synagoge Hauptstraße 43 stehende Wohnhaus mit
einem Gewölbekeller unter dem nördlichen Teil war die jüdische Schule (1868
erbaut). Die Synagoge stand hinter dem Schulhaus (reichte bis an den Wehrgang
hinter der Ringmauer). Daneben befand sich das Badehäuschen mit der Mikwe
(Gebäude erhalten, das Tauchbecken wurde jedoch zugeschüttet und mit einem
Zementboden überzogen).
Adresse/Standort der Synagoge: hinter
dem heutigen Gebäude Hauptstraße 43
Fotos
(Quelle: Stadtarchiv Maintal; übersandt von Peter Heckert)
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Lageplan der Synagoge
zwischen
Hauptstraße und Ringstraße (1910) |
"Zeichnung über
Erneuerung eines Stück
Wand in der Synagoge" (1910) |
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Schnitt durch das
Synagogengebäude
(eingetragen ist die Empore) |
Grundriss der
ehemaligen Synagoge |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Juni 2014:
Besuch von Nachkommen des jüdischen Metzgers
Leopold |
Artikel in vorsprung-online.de vom 3. Juni
2014: " Kalifornier vermissen Bischofsheimer Haus der Großeltern
Dass eine moderne Navigation genau zum Ziel, aber nicht unbedingt zum gesuchten Haus führt, stellten Besucher aus Kalifornien fest, als sie in Maintal das Haus ihrer Großeltern in Augenschein nehmen wollten.
Das kleine Geschäftshaus des jüdischen Metzgers Leopold und seiner Frau Herta aus der Bischofsheimer Schäfergasse hatte zwar den Krieg schadlos überstanden, war aber längst einem größeren Neubau gewichen.
Jeffrey Leopold aus San Francisco, begleitet von seiner Frau Michelle sowie seiner Schwester Sandra Sarnoff aus Los Angeles weilten auf Einladung der Stadt Frankfurt in Deutschland. Jedes Jahr treffen dort Angehörige jüdischer Familien ein, die nach 1933 von aus Frankfurt geflohen sind oder von dort deportiert wurden. Darunter sind viele Familien aus der ländlichen Umgebung, die zuvor in die nahe Großstadt vertrieben worden
waren..."
Link
zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II (unter Wachenbuchen) S.
332-333.
Anmerkung: da in dem für Arnsberg maßgeblichen Verzeichnis 1932
(Handbuch der Gemeindeverwaltung...) die jüdische Gemeinden Hochstadt
vergessen wurde (auch nicht unter Hanau genannt), hat Arnsberg keinen eigenen Artikel zu
Hochstadt geschrieben. Ihm folgen Pinkas Hakehillot und die Encyclopedia of
Jewish Life.
Innerhalb des Artikels zu Hanau finden sich bei Arnsberg Bd. I S.
319-336 jedoch Angaben zu Hochstadt mit Bischofsheim und Dörnigheim. |
| Keine Artikel zu Hochstadt bei Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 und dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994 und dies. Neubearbeitung der
beiden Bände. 2007². |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 217-218. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. (nach Vorgang bei Arnsberg nur innerhalb des Abschnittes zu
Wachenbuchen). |
| Peter Heckert: Jüdisches Leben im Maintal. o.J. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Kein Artikel zu Hochstadt auf Grund der
Lücke bei Arnsberg.
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