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Hohensolms (Gemeinde
Hohenahr, Lahn-Dill-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Hohensolms bestand eine kleine jüdische
Gemeinde im 19. Jahrhundert. Bereits im 17. Jahrhundert lebten Juden in
Hohensolms.
Die jüdischen Familien am Ort gehörten zunächst als Filialgemeinde zur jüdischen Gemeinde
von Aßlar, die wiederum der jüdischen Bezirksgemeinde in Wetzlar unterstellt war.
Bei der Neueinteilung des Kreises Wetzlar in acht Synagogenbezirke zum 1. August
1853 wurde Hohensolms zum Sitz eines dieser Bezirke bestimmt. Zum
Synagogenbezirk Hohensolms gehörten auch Erda und Altenkirchen.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1816 34 jüdische Einwohner, 1835 Höchstzahl von 68.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
(Religionsschule), ein rituelles Bad und ein Friedhof.
1933 lebten noch zwei jüdische Familien Löb in Hohensolms, die zur
Synagogengemeinde in Niederweidbach
gehörten.
Von den in Hohensolms geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Ida Hirsch geb. Löb (1885), Clara Jacob
geb. Löb (1866), Julius Joseph (1906), Jakob Löb (1895), Julius Löb (1888),
Margot Löb (1926), Martha Löb geb. Hony (1903), Gertrud Dorothea Salomon geb.
Löb (1877)
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
In jüdischen Periodika des 19./20. Jahrhunderts wurden - außer
dem zur Geschichte der Synagoge genannten - noch keine Berichte zur jüdischen
Geschichte in Hohensolms gefunden. |
Zur Geschichte der Synagoge
1816 wurde ein bestehendes Gebäude als Synagoge
eingerichtet. Die Synagoge war vermutlich nur bis Ende des 19. Jahrhunderts in
Betrieb. Beim Gebäude handelte es sich um ein zweigeschossiges
Fachwerkhaus mit massivem Untergeschoss. Der Betsaal befand sich im
Obergeschoss. Er konnte 45 bis 50 Personen aufnehmen. Nach Schließung der
Synagoge in Hohensolms besuchten die Juden des Ortes die Gottesdienste in Niederweidbach.
Bestände im Museum Jüdischer Altertümer in Frankfurt
(1938)
Aus
einem Artikel im Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde in Frankfurt
vom April 1938 S. 10: unter den Museumsbeständen werden genannt
"eine als Thoravorhang benutzte seidene Decke aus der Synagoge von
Hohensolms, eine Arbeit des frühen 18. Jahrhunderts mit feinster
Applikation und Plattstickerei". |
Das Synagogengebäude kam in Privatbesitz und wurde
1976 abgebrochen. An seiner Stelle wurde ein neues Einfamilienhaus
erstellt.
Im November 1988 wurde in der Hauptstraße gegenüber dem früheren
Synagogenstandort eine Gedenktafel zur Erinnerung an die frühere
jüdische Gemeinde und ihre Synagoge angebracht.
Adresse/Standort der Synagoge: Hauptstraße
43, unweit der Kirche
Fotos
(Fotos: Altaras 1988 S. 91)
Das ehemalige
Synagogengebäude
Anfang der 1970er-Jahre |
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Das neue Wohnhaus anstelle
der
ehemaligen Synagoge im Mai 1985 |
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Neue Fotos - auch
der Gedenktafel - werden noch erstellt. |
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Beitrag
zu Julius Joseph und Herta geb. Fröhling sowie zu Moritz Frohling und
Rosalia geb. Meyer: Zwei zunächst glücklich verlaufene Emigrationen endeten
tragisch |
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Ehepaar Julius
Joseph und Herta geb. Fröhling
bei ihrer Hochzeit in
Hohensolms
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Julius,
Herta und ihr Sohn Marcel Joseph.
Foto: Jean Joseph, Brüssel
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Moritz Fröhling
und Rosalia geb. Meyer – 1939 in der
Gemeinde Leopolsburg (Belgien) aufgenommen.
Quelle: Franz G. Bell |
Thür/Walhorn. Als für das Thürer
Jubiläumsbuch 2012 über das Leben der einst hier lebenden Juden recherchiert
wurde, da war selbst in Gesprächen mit einigen Zeitzeugen über die
Familie Fröhling noch nicht allzu viel bekannt. Im Archiv der VG Mendig
waren auch nur einige Vermerke zu dem in der Hagelstraße angesiedelten
Metzger vorhanden. Man musste annehmen, dass Moritz F. zunächst noch die
nationalistischen Repressalien gegen die Juden nicht so recht als Bedrohung
eingeschätzt hatte, denn noch 1937 nahm er in seinem Betrieb bauliche
Veränderungen vor. Doch nach den Pogromen im November 1938 schien es ihm
selbst in ihrem ansonsten überschaubaren Dorf persönlich nicht mehr sicher
zu sein. Zunächst wurde ihm ein Antrag auf Ausreise wegen Bedenken der
Gestapo abgelehnt. Doch dann gelang ihm die Emigration nach Belgien, wo er
sich in Astenet, nahe der deutschen Grenze, niedergelassen haben soll. In
Thür war damals aber auch bekannt, dass die Familie in späteren Jahren
deportiert und getötet worden ist.
Neuere Erkenntnisse. Am 5.11.2022 erschien in der Rhein-Zeitung ein
Artikel über eine Stolpersteinverlegung im belgischen Walhorn. Bei der
Vielzahl solcher Verlegungen in Deutschland stellte dies allein zunächst mal
nichts Besonderes dar. Doch, als man beim Lesen auf die Namen ehemaliger
Thürer Juden stieß, wurde dies ein unerwarteter, möglicher Ansatz zur
Fortschreibung des 2012er Berichtes. In dem erwähnten Zeitungsartikel waren
auch die Veranlasser der Stolpersteinverlegung, Frau M. Kelleter und Herr N.
Cormann, aufgeführt, so dass eine Kontaktaufnahme in die Wege geleitet
werden konnte. Es hatte sich herausgestellt, dass starke Überschwemmungen im
Sommer 2021 auch in der Stadt Vervier der Anlass waren, Akten zu evakuieren.
Dabei wurden im dortigen Justizpalast umfangreiche Unterlagen u. a. auch
über die ehemaligen Thürer Juden gefunden, die bisher unbekannte Fakten zu
deren Schicksal nach der Emigration aus dem Deutschen Reich enthielten. Es
erfolgte eine intensive Auswertung der gefundenen Akten durch die beiden
Regionalhistoriker.
Familie Herta Joseph geb. Fröhling. Herta Fröhling (geb. 1912 in Thür)
wohnte im hessischen Hohensolms,
nachdem sie Julius Joseph, geb. 1906, ebenfalls jüdischen Glaubens,
dort geheiratet hatte. Schon 1934 bemühte sich das Ehepaar um Reisepässe und
zog im Juni 1937 mit einem Drei-Monats-Visum in die Gemeinde Walhorn,
Belgien. Hier erwarben sie ein schönes Anwesen, betrieben dort offenbar
erfolgreich Landwirtschaft und einen Viehhandel. 1938 wurde ihr erstes Kind
Marcel geboren. Als 1939 Moritz und Rosalia aus Thür ebenfalls
nach Belgien emigrierten, verbürgten sie sich die Tochter und Schwiegersohn,
die Eltern in ihrem neuen Zuhause aufzunehmen und versicherten, dass diese
nicht der Gemeinde zur Last fallen würden.
Julius Joseph geriet 1940 kurzfristig unter Spionageverdacht, so dass er für
einige Tage im Gefängnis Lüttich verbrachte. 1941 wurde er von der Gemeinde
abgemeldet, nachdem er in das Arbeitslager Walheim bei Stolberg eingeliefert
worden war. Im Juni 1942 erfolgte die Deportation nach Majdanek/Sobibor. Am
30.6.1942 überstellte man Julius vom KZ Lublin nach Auschwitz, wo er die
Gefangenen-Nr. 43922 zugeteilt bekam. Die Ehefrau Herta Joseph verblieb
zunächst in Walhorn. Herta soll aber 1941 oder 1942 noch ein zweites Kind
zur Welt gebracht haben, welches sie 'Sohn' nannten, aber aus welchem Grunde
auch immer, nicht beim Standesamt angemeldet wurde. Später wurde auch Herta
J. deportiert.
Moritz und Rosalia Fröhling geb. Meyer. Im Juni 1939 melden sich die
Fröhlings bei der Amtsverwaltung Mendig ab, welche ihnen auch ihre bisherige
Thürer Wohnanschrift und gleichzeitig ein bis dahin straffreies Leben
bescheinigten. Sicherlich war die Tatsache, dass die Tochter und der
Schwiegersohn bereits in Belgien wohnten, auch für Moritz und Ehefrau das
Argument, für ihre Emigration ebenfalls das Nachbarland zu wählen. Ende Juni
kamen Moritz und seine Frau Rosalia in der Limburgischen Gemeinde
Leopoldsburg, Belgien, zur Anmeldung. Doch, da Moritz und Frau hier kein
nachweisbares Einkommen deklarieren konnten, wurden sie von der Verwaltung
aufgefordert, die Gemeinde zu verlassen. Welch ein Einschnitt: in Thür galt
Moritz F. vor seiner Emigration als wohlhabend, denn, so Zeitzeugen, er sei
der Erste gewesen, der in Thür ein eigenes Auto besaß.
Doch, wie erwähnt, wurden beide von der Tochter und Schwiegersohn in deren
Heim aufgenommen. Hier konnten die Fröhlings noch ein paar Jahre leben, ehe
sie dann laut belgischen Zeugen im März 1942 an einem Sonntag aufgegriffen
und zum Sammelpunkt nach Aachen, Westpark, gefahren wurden. Ob beide in das
Ghetto Litzmannstadt/Lodz eingeliefert wurden, ist nicht bekannt. Aber die
Ehefrau Rosalia war mit Sicherheit in diesem Lager, denn eine Karte von dort
erreichte die in Belgien noch verbliebene Tochter Herta, in der Rosalia
mitteilte, dass sie wie wohl viele andere auch an Kälte und Hunger sterben
würden. Rosalia lebte offenbar noch einige Zeit hier, denn eine zweite Karte
erreichte die Tochter Herta auch noch zwei Monate später erneut.
Bemerkenswert sind die Aktionen zur Erinnerung im belgischen Walhorn, wo man
für eigene und aus Deutschland emigrierte, ehemalige jüdische Mitbürger
etliche Stolpersteine setzen ließ. So findet man dort u. a. sechs Steine
vor, zwei mit dem Namen der Thürer Fröhlings, vier mit den Daten der Familie
Fröhling-Joseph. Doch damit ließen es die Walhorner Akteure nicht bewenden:
man wandte sich an die Ortsgemeinde Thür, besuchte diese im Januar 2023,
tauschte Erkenntnisse aus und besichtigte, was auch hier - in der
ursprünglichen Heimat der Fröhlings – zur Mahnung und Erinnerung errichtet
wurde. Blick-aktuell berichtete im Januar d. J. von dem Besuch der Belgier
in Thür. Franz G. Bell.
Der Beitrag erschien im April 2023 in "Blick aktuell":
https://www.blick-aktuell.de/Berichte/Zwei-zunaechst-gluecklich-verlaufene-Emigrationen-endeten-tragisch-548556.html.
Zur Verlegung der "Stolpersteine" in Walhorn siehe auch:
https://lfv.be/rueckblicke/stolpersteine-in-der-gruppe-walhorn-astenet
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 143 (innerhalb des Abschnittes zu
Niederweidbach) |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 91. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 82. |
| dies.: Neubearbeitung der beiden Bände. 2007² S.
221-222. |
| Erco von Dietze: Juden in und um Hohensolms.
1988. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 116-117. |
n.e.
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