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Kassel (Hessen)
Jüdische Geschichte / Synagogen
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Kassel bestand eine jüdische
Gemeinde bereits im Mittelalter. 1262 wird eine "Judengasse"
genannt, was auf eine jüdische Ansiedlung mindestens in der ersten Hälfte des
13. Jahrhunderts schließen lässt (seit 1189 wird Kassel als Stadt bezeichnet).
1293 wird als Vorvorbesitzerin und Bewohnerin eines Hauses eine Jüdin Rechelin
(Rachel) genannt. Bei der Judenverfolgung in der Pestzeit 1348/49 wurde die
jüdische Gemeinde vernichtet. 1360 wird Jud Joseph von Kassel in Frankfurt
erwähnt, vermutlich ein Überlebender der Verfolgung. Seit 1368 werden wieder
Juden in Kassel genannt, 1398 bestand eine jüdische Gemeinde mit Synagoge
(Judenschule).
Die im 15. Jahrhundert mehrfach genannte "Judengasse"
lag am Rande der Altstadt zwischen Fuldaufer und Kloster Ahnaberg. Später
wohnten Juden in der Gasse "Hinter dem Judenbrunnen". 1622 fand in Kassel ein erster "Judenlandtag" der
Juden Hessen-Kassels statt.
Im 17. Jahrhundert wurden in der Stadt gezählt: 1605 zwei
jüdische Familien, 1620 10, 1623 12 und von 1646 bis etwa 1700 drei Familien.
Auf Grund der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kleinen Zahl der Juden
in der Stadt war der Sitz des Landrabbinats von 1656 bis 1772 in Witzenhausen,
danach in Kassel.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts besserte
sich allmählich die rechtliche Situation der jüdischen Bewohner der Stadt. Nach 1767 war es
den jüdischen Familien gestattet, sich im ganzen Stadtgebiet niederzulassen.
Die wenigen reicheren Hofjuden (einige Hoffaktoren, Hofbankiers, Hofjuweliere) durften nun auch Häuser
kaufen, andere konnten zumindest Häuser mieten und Handel in offenen Läden betreiben.
Die Zahl der jüdischen Einwohner stieg: 1726 12 Familien, 1744 18 und
gegen Ende des 18. Jahrhunderts bereits 50 Familien.
Nachdem Kassel 1807 Teil des von Napoleon geschaffenen Königsreiches
Westfalen war, trat eine weitere Besserung der rechtlichen Lage ein, u.a. wurde 1808 das
sogenannte "Schutzgeld" abgeschafft. Von 1808 bis 1813 amtierte in Kassel
das Jüdische Konsistorium des Königreichs Westfalen. Präsident war Israel
Jacobsohn. Das Konsistorium sollte den Gottesdienst und das Schulwesen
reformieren. Nach der Niederlage Napoleons 1813 wurde die Gleichberechtigung der
Juden wieder aufgehoben, dennoch blieben die Verhältnisse in Kurhessen im
Vergleich zu anderen Staaten weitgehend liberal: 1816 wurden den Juden
bürgerliche Rechte zuerkannt. An den Freiheitskriegen 1813-1814 hatten
aus Kassel und Umgebung
insgesamt 59 jüdische Männer teilgenommen, davon 11 als Kassel. Auch am Feldzug
1870-1871 nahmen Juden aus Kassel teil. einer von ihnen fiel 1870 bei Wörth.
Im 19. Jahrhundert nahm die Zahl der jüdischen Einwohner durch starken Zuzug
aus den Landgemeinden weiter zu:
1835 wurden 1.870 Gemeindeglieder gezählt, um 1875 etwa 3.000. Das
jüdische Gemeindeleben wurde geprägt durch die Aktivitäten zahlreicher jüdischer
Vereine, von denen ein großer Teil Ziele im Bereich der Wohlfahrtspflege
hatte. Unter anderem bestanden: der Israelitische Krankenpflegeverein e.V.
(gegründet 1773), die Gesellschaft der Humanität (gegründet 1802), der
Israelitische Frauenverein (gegründet 1811), der Verein für Israelitische
Armenpflege (gegründet 1878), die Ferienkolonie der Sinai-Loge UOBB (gegründet
1888), die Israelitische Brüderschaft Chewras Gemiluth Chasodim (gegründet
1874), der Bikkur Cholim-Verein (gegründet 1925), der Reichsbund Jüdischer
Frontsoldaten, die Zionistische Vereinigung u.a.m. Es bestanden zahlreiche
Stiftungen. An Anstalten und Einrichtungen gab bis in die 1930er-Jahre das
Israelitische Altersheim, das
Israelitische Waisenhaus und der Kinderhort des
Israelitischen Frauenvereins. Die Kasseler Juden waren - über Jahrzehnte
ganz selbstverständlich - auch Mitglieder
in allgemeinen Vereinen wie den Turnvereinen, Karnevalsgesellschaften usw. Zu
den jüdischen Friedhöfen siehe weitere Seite.
Was die Berufsstruktur betrifft, lebten zunächst die meisten Familien bis
Anfang des 19. Jahrhunderts vom
Handel mit Waren aller Art. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlernten
viele junge jüdische Leute einen Handwerksberuf. Um 1840 gab es 15
jüdische Bankiers in Kassel (nur 5 nichtjüdische). Mitte des 19. Jahrhunderts
gab es die ersten beiden jüdischen Ingenieure. Alsbald gab es jüdische Ärzte,
Rechtsanwälte, Lehrer, aber auch jüdische Hoteliers und Inhaber von
Gaststätten. Zahlreiche Industriebetriebe wurden von jüdischen
Unternehmern aufgebaut. Lang ist die Liste von Handels- und Gewerbebetrieben,
die jüdischen Geschäftsleuten gehörten.
Im
Ersten Weltkrieg fielen aus Kassel 62 jüdische Männer.
Nachdem 1772 der Sitz des Landrabbinats (Provinzialrabbinat) von Witzenhausen nach Kassel verlegt worden war, waren bis
bis weit ins 20. Jahrhundert hinein mehrere hochbedeutende
Rabbiner in der Stadt tätig (u.a. Dr. Philipp Roman, Dr. Lazarus Adler,
Dr. Isaak Prager, Dr. Max Doctor, Dr. Gotthilf Walter und 1936-39 noch Dr.
Robert Raphael Geis; weitere Informationen zu den Rabbinern auf einer Textseite). Die jüdischen Kinder besuchten teilweise die allgemeinen
Schulen am Ort, teilweise die öffentliche israelitische Elementarschule (1933
an dieser Schule: 176 Kinder).
1933 wurden 2301 jüdische Einwohner in Kassel gezählt. Zu ersten gewaltsamen
Aktionen gegen Juden kam es bereits 1933: am 24. März 1933 wurde der
Rechtsanwalt Dr. Max Plaut von Kasseler Nationalsozialisten so brutal
misshandelt, dass er zehn Tage später an den inneren Verletzungen starb. Zum
Boykott der jüdischen Geschäfte wurde bereits seit 1930 in der NS-Zeitung
"Hessische Volkswacht" aufgerufen. Nach einer Rede von Julius
Streicher in der Stadthalle in Kassel am 11. Dezember 1936 wurden die
Geschäfte jüdischer Inhaber gestürmt. Bis 1938 waren die meisten
jüdischen Gewerbebetriebe zur Aufgabe gezwungen worden oder
"arisiert". Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge
verwüstet und wenig später abgebrochen (s.u.), zahlreiche jüdische Geschäfte
wurden demoliert. Über 250 jüdische Männer wurden verhaftet und in das KZ
Buchenwald verschleppt, wo sie mehrere Wochen festgehalten wurden. In den
folgenden Jahren waren die in Kassel noch lebenden Juden einer völligen
Entrechtung ausgesetzt. 1940 wohnten noch 1.300 Juden in der Stadt. Durch
verschiedenen Deportationen wurde zwischen Ende 1941 und Anfang 1945 Kassel
weitgehend "judenfrei" gemacht. Im Gedenkbuch "Namen und
Schicksale der Juden Kassels 1933-1945" sind die Namen von 1.007 ermordeten
jüdischen Einwohnern aufgezählt.
Persönlichkeiten:
| Ludwig Mond (geb. 1839 Kassel, gest. 1909
London), entstammte einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Kassel, besuchte
die Polytechnische Schule in Kassel und studierte Chemie in Marburg und
Heidelberg; 1862 nach England, wurde Großindustrieller in der chemischen
Industrie (1873 mit J.T. Brunner Gründung der Brunner Mond Com. in
Winnington, Northwich). Nach Ludwig Mond ist das "Mondgas"
benannt. Der Sohn von Ludwig Mond - Sir Alfred Mond (später Lord Melchett
of Langford, 1868-1930) begründete einen der größten chemischen Konzerne
im UK, die Imperial Chemical Industries (ITI); Sir Alfred Mond wurde 1920
englischer Minister für Volkswohlfahrt und war seit 1928 Mitglied des
britischen House of Lords. Urenkel Peter Mond (geb. 1948) war 1989-2002
Direktor von Greenpeace UK. |
| Salomon Hermann Mosenthal (geb. 1821 Kassel, gest.
1877 Wien), entstammte einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Kassel; zu
seiner Zeit höchst populärer Dramatiker und Librettist; verfasste Gedicht,
Erzählungen, Libretti und Dramen. Seit 1842 in Wien, 1849 Ehrendoktor der
Universität Marburg; erhielt 1867 Titel eines Kaiserlichen Rates und
weitere hohe Auszeichnungen. |
| Sara Nussbaum (geb. 1868
Merzhausen, gest. 1956 Kassel): wirkte 33 Jahre lang als Gemeindeschwester im jüdischen
Altersheim und im Waisenhaus in Kassel. 1934 wurde sie verhaftet, da sie
sich ablehnend gegenüber dem "Dritten Reich" geäußert habe;
1942 in das KZ Theresienstadt deportiert, wo sie als freiwillige Pflegerin
in der Typhusabteilung todkranke Häftlinge betreute, überlebte schwerst
erkrankt die KZ Zeit. Seit März 1946 wieder in Kassel; erhielt im April
1956 als erste Frau das Ehrenbürgerrecht der Stadt Kassel. Vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sara_Nussbaum |
| Albrecht Rosengarten (geb. in Kassel), erlernte den Beruf des
Architekten in den 1830er-Jahren beim Bauamt in Kassel, arbeitete 12 Jahre im
hessischen Staatsdienst. 1839 Aufenthalt in Paris, Studium bei Labrouste, 1841
Aufenthalt in Rom. Baute drei Synagogen in Hamburg 1853-1857. |
| Franz Rosenzweig (geb. 1886 Kassel, gest. 1929
Frankfurt/Main), entstammte einer jüdischen Fabrikantenfamilie in Kassel
(Vater Georg Rosenzweig war aus Stadtrat in Kassel): studierte Medizin, später
Geschichte an verschiedenen Universitäten; Promotion zu Hegel;
Kriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg; seit den Kriegszeiten auch erste Veröffentlichungen
(religions-philosophische Abhandlungen, besonders bekannt: "Stern der
Erlösung"); seit 1921 schwer erkrankt, 1923 Rabbinerwürde; 1925-29
gemeinsam mit Martin Buber Bibelübertragung.
Hinweis: weitere Personen siehe Wikipedia-Artikel
"Jüdische Gemeinde Kassel". |
Nach 1945 (Informationen aus dem Wikipedia-Artikel
"Jüdische Gemeinde Kassel"): Nach 1945 gründeten etwa 300 jüdische Überlebende des Holocausts, etwa 80 % von ihnen Flüchtlinge aus dem Osten (Displaced Persons), eine neue jüdische Gemeinde. Ein großer Teil von ihnen wanderte zwar 1948/50 nach Israel oder nach Amerika aus, dennoch blieb eine Gemeinde bestehen, die 1965 88 Mitglieder zählte, darunter zwölf Kinder. Seit den 1990er-Jahren erfuhr die Gemeinde starken Zuwachs aus den ehemaligen GUS-Ländern, so dass im Jahre 2006 wieder etwa 1.300 jüdische Personen zur Gemeinde in Kassel gehörten. Auf Grund von Abwanderung junger Menschen in größere Städte und der Überalterung der Gemeinde schrumpfte die Zahl der Gemeindemitglieder auf zuletzt 880 Mitglieder im Jahr 2013.
Die Namen der im Juni 1945 wieder
in Kassel lebenden jüdischen Personen
Mitteilung in der amerikanisch-jüdischen Zeitschrift "Der Aufbau" vom 22.
Juni 1945: Zum lesen bitte Textabbildung anklicken. |
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Links zu den Seiten mit Texten zur jüdischen Geschichte in Kassel
(werden derzeit
erstellt):
- Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und
Vereinsleben im 19./20. Jahrhundert
- Berichte über die Rabbiner, die
jüdischen Lehrer und weitere Kultusbeamte sowie die jüdische Schule und das
Lehrerseminar
- Berichte zur Geschichte
des Israelitischen Waisenhauses in Kassel
- Berichte zu einzelnen Personen aus der
jüdischen Gemeinde.
Zur Geschichte der Synagogen
Mittelalter
Eine erste Synagoge ("Judenschule") wird 1398 genannt.
Sie stand in der alten Judengasse, die am Rande der Altstadt zwischen Fuldaufer
und Kloster Ahnaberg verlief. In ihrer Nähe lag auch der mittelalterliche
jüdische Friedhof (zwischen Kloster Ahnaberg und Fuldamühle).
18. Jahrhundert
Nach dem Buch "Die Kasseler Synagoge und ihr Erbauer – nach urkundlichem
Material bearbeitet von L[udwig] Horwitz" (Kassel 1907, im Verlag Carl Vietor
erschienen; online einzusehen über
https://archive.org/details/bib39573_001_001 bzw.
eingestellt
als pdf-Datei) gibt der Verfasser einen Überblick über die Vorgänger der
1839 erbauten Synagoge. S. 7 ist zu lesen, dass 1712 die Kasseler Synagoge auf
landgräflichen Befehl hin zunächst nur im Hause des Hoffaktors Benedikt
Goldschmidt sein durfte. Da aber die Gemeinde nicht von Goldschmidt abhängig
sein wollte, bekam sie 1715 die Erlaubnis, außer bei Goldschmidt ihr Gebet auch
in einem "abgelegenen Logiment, aber nicht bei Christen" zu verrichten. 1743
wird dann von einem Projekt, eine neue Synagoge zu bauen, berichtet. 1755 wurde
die Erlaubnis erteilt, dafür ein Haus auf dem Töpfenmarkt zu kaufen. Horwitz
gibt die Anzahl der Plätze in der dort eingerichteten Synagoge an: Für Männer
35, für Frauen 36, 15 für Söhne, 5 für Schulmeister, für Schreiber 3 und 12 für
Knechte.
1754 wurde die erste neuzeitliche Synagoge in Kassel erbaut. Es handelte sich damals noch um eine Gebäude, das wie ein Wohnhaus aussah und hinter einem anderen Haus versteckt lag.
Toraschmuck, ehemals
in
der alten Synagoge Kassel
(Abbildungen und Beschreibungen in:
Rudolf Hallo: Jüdische Kunst aus Hessen
und Nassau. Berlin 1933) |
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Toravorhang (Höhe
245 cm, Breit 150 cm) aus der Kasseler Synagoge, um 1930 im Hessischen
Landesmuseum; um 1730 entstanden. Unter der von zwei Löwen gehaltenen
Krone der Tora ein Spiegel von blauer venezianischer Seide, flankiert von
prächtigen gewundenen Säulen, die Henkelvasen auf ihren Kapitellen
tragen. Im Spiegel neben Ornamentfeldern mehrfach das gestickte Bild eines
Pelikans mit seiner Brut. Nach der (nachtäglich eingesetzten) Inschrift
wurde der Vorgang durch Frau Blume Kassel bei der Bar-Mizwah-Feier ihres
Sohnes Elieser 1744 gestiftet bzw. erneuert. |
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Tora-Mantel aus der Synagoge
Kassel (ausschnittsweise abgebildet),
um 1930 im Hessischen Landesmuseum
(Seide, bestickt; aus der Zeit des
Landgrafen Karl - 1670-1730); unter
breiten Ornamentsstreifen zwei
gegeneinandergekehrte Löwen. |
Toravorhang (Höhe 235 cm,
Breite 175 cm)
aus der Kasseler Synagoge, um 1930 im
Hessischen
Landesmuseum. 1758 entstanden
(Inschrift: Bula, Gattin des Abraham Hirtz
Katz
1758). Farben: schwefelgelb, in pastellartigen
Farben großblumig
gemustert,
Spiegel wasserblau |
Hinweis auf einen nicht verwirklichten Synagogenbau Ende des 18.
Jahrhunderts:
Architekt Heinrich Christoph Jussow
zeichnete 1781 Pläne für einen Neubau (Abbildung
links). Er wollte ein Synagogengebäude mit
einem Portalvorbau mit einem dreieckigen Giebel errichten. Der Betsaal selbst
sollte von einer mächtigen Kuppel gekrönt sein. Seitlich waren Gebäude für
die jüdische Schule und die Gemeindeverwaltung geplant. Der Plan Jussows wurde jedoch nicht
verwirklicht. Es blieb bei der alten Synagoge, die in den folgenden Jahren
freilich von der Größe und dem Bauzustand her immer weniger den Ansprüchen
der jüdischen Gemeinde entsprach. |
19./20. Jahrhundert
1827 musste die alte Synagoge aus
baupolizeilichen Gründen geschlossen werden, weil ihr Einsturz befürchtet wurde.
In den folgenden Jahren wurden die Gottesdienste "in mehreren
Filialsynagögchen, engen, dumpfen Zimmern" gefeiert (s.u.
im Bericht in der Allgemeinen Zeitung des Judentums vom 13. Juni 1837).
Vermutlich hatten mehrere der jüdischen Familien in ihren Wohnungen Zimmer zu
Betstuben hergerichtet und zu Gebet und Gottesdienst jeweils andere Familien
eingeladen. Ein öffentliches Betlokal war in diesen Jahren in der jüdischen
Schule ("Israelitische Schulanstalt") vorhanden, doch reichte dieses
auch nur für einen kleinen Teil der Gemeinde aus. Dies brachte den
Gemeindevorstand dazu, im folgenden Jahr 1828 einen Neubau zu
beschließen. Vom
Landgrafen wurde ein zwar bevorzugtes Grundstück zum Bau vorgeschlagen, das von
der jüdischen Gemeinde jedoch mit der Begründung abgelehnt wurde, dass der Weg
dorthin für viele der Gemeindeglieder am Sabbat zu weit wäre. Auch andere
Gründe könnten eine Rolle gespielt haben: die jüdischen Einwohner fühlten
sich möglicherweise an dem auffälligen Standort der Synagoge nicht sicher
genug oder sie wollten nicht den Stil übernehmen, den der Hofarchitekt für
einen solchen Bauplatz vorgesehen hatte. Von der Regierung wurde daraufhin ein
anderes Grundstück an der Ecke Untere Königstraße und Bremerstraße angeboten, das vom jüdischen Gemeindevorstand akzeptiert
wurde. Man bat zunächst den Oberlandbaumeister August Schuchardt um Erstellung
eines Planes. Schuchardt erstellte zwischen 1830 und 1832 mehrere Entwürfe, die
jedoch in der jüdischen Gemeinde nicht auf Akzeptanz stießen. Der Leiter des Kasseler Bauamts Conrad
Bromeis, der bis 1831 auch Hofarchitekt war, zeichnete hierauf einen eigenen Entwurf.
Die unterschiedlichen Entwürfe riefen eine lebhafte Diskussion zur Frage
hervor, in welchem Stil eigentlich eine Synagoge gebaut werden sollte. Umstritten war vor
allem eine "ägyptische" Architektur, zu der die Gegner meinten, dass Juden in einer aufgeklärten Zeit mit der
Architektur nicht an dunkle Zeiten ihrer Geschichte (gemeint die Zeit der
Unterdrückung in Ägypten) erinnert werden sollten. Die jüdische Gemeinde
selbst wollte keinen orientalischen oder ägyptischen Entwurf und wies darauf
hin, dass ihre Geschichte im wesentlichen von der westlichen Kultur geprägt
sei. Auch der Landgraf mischte sich ein und bat 1834 seinen Hofarchitekten Julius
Eugen Ruhl um einen neuen Entwurf, doch auch dieser fand nicht das Wohlgefallen
der Gemeinde.
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Entwurf für die Synagoge in
Kassel
von Architekt Bromeis (1833) |
Entwurf für die Synagoge in
Kassel
von Architekt Ruhl (1834) |
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Weiterer Entwurf für die Synagoge in
Kassel von Architekt Ruhl (1834) mit Querschnitt |
Im Verlaufe der Diskussion wurde deutlich, dass die Gemeinde einen Entwurf ihres
eigenen Gemeindegliedes, des Architekten Albrecht Rosengarten bevorzugte, der selbst bei
Schuchardt gelernt hatte. Er entwarf eine Emporenbasilika mit Tonnengewölbe und
einer Vorhalle im Westen. Die Fassade im Eingangsbereich sollte von zwei
Treppentürmen eingerahmt sein. Äußerlich wirkte das Gebäude mit dem
prägenden Rundbogenstil als neuromanisch. Rosengartens Stil entsprach den
Vorstellungen der Gemeinde. Die von ihm entworfene Synagoge sah nicht fremdartig
aus, auch wenn sie keinem anderen Gebäude in Kassel gleich sah.
Pläne
zum Bau der neuen Synagoge
von Albrecht Rosengarten
(Quelle: "Abbildungen zur Allgemeinen Bauzeitung" 1840;
eingescannt und zugeschickt von Wilfried Schöpf; in der "Allgemeinen
Bauzeitung" 1840 S. 205ff veröffentlichte Albrecht Rosengarten
selbst einen Beitrag: "Die neue Synagoge in Cassel") |
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Blatt CCCL: Querdurchschnitt
-
Vorderansicht |
Blatt CCCLII: Querdurchschnitt
-
Innenansicht Altar |
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Blatt CCCXLIX:
Grundrisse |
Blatt CCCLI:
Längsdurchschnitt -
Seitenansicht |
Blatt CCCLIII
Längsdurchschnitt -
Innenansicht Seite |
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Die von Architekt A.
Rosengarten geplante und
erbaute Synagoge - Ansicht von Nordwesten |
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die
Abbildung oben in höherer Auflösung |
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Als die Beschlüsse zum Neubau der Synagoge nach den Plänen
von Architekt Albrecht Rosengarten gefasst worden waren und mit dem Bau begonnen
war, erschien in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" im Juni 1837 folgender Bericht:
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Juni 1837:
"(Aus Kassel, Mai 1837). Bei ihrem regen Interesse
für Menschenveredlung und intellektuelle und moralische Fortschritte unserer
Glaubensgenossen insbesondere, dürften Ihnen werter Herr Redakteur, einige
unsere geistlichen Angelegenheiten betreffende Nachrichten nicht gleichgültig
sein.
Wie Sie vielleicht wissen werden, haben wir schon seit einem Dezennium keine
Synagoge, und die Gemeinde verteilt sich in mehrere Filialsynagögchen, enge,
dumpfe Zimmer, in denen man - wo möglich - über die Außenwelt sich durchaus
erheben muss, wenn man in Andacht beten will. Aber der Grund zur neuen Synagoge
ist bereits gelegt und wir sehen ihrer baldigen Vollendung mit inniger Sehnsucht
entgegen. Unter mehreren der Regierung vorgelegten Rissen ist dem des Herrn
Rosengarten, eines der Baukunst sich widmenden talentvollen jungen Israeliten,
der Vorzug gegeben worden. In einer schönen, ruhigen Gegend der Stadt wird sie,
einfach groß, sich frei erheben und schon durch äußere Formen die geistige
Bedeutung kund tun. Der Kostenanschlag beläuft sich auf 40,000 Taler und liefert
den erfreulichen Beweis, dass unsere, schon außerdem mit bedeutenden Abgaben
belastete, Gemeinde trotz des zwanzigjährigen Mangels eines Landrabbinen den
religiösen Sinn bewahrt hat. Unter vielen um den Synagogenbau besorgten
Männern verdient ganz vorzüglich Herr M. Weill, einer unserer
Gemeindevorsteher, der diese Angelegenheit mit Einsicht und Eifer betrieben hat,
die dankbarste Anerkennung.
Mit der Einweihung der neuen Synagoge wird - zu dieser Hoffnung berechtigt uns
der neue Landrabbiner, Herr Dr. Romann, eine neue Synagogenordnung beginnen. Es
hat sich leider viel Unweisen in unsern Gottesdienst geschlichen, und es ist
Zeit, demselben die unserer Zeit entsprossenen Ansichten weise
berücksichtigend, ein baldiges Ende zu machen.
Die innern Wahrheiten unserer Religion sind, wie das Wesen Gottes, auf das
hinzuweisen ihre Hauptaufgabe ist, ewig unwandelbar; die Form aber, unter
welcher sie dem Volke versinnlicht ans Herz gelegt werden sollen, muss sich
stets dessen fortschreitender Geisteskultur anpassen und nach Zeit und
Bedürfnissen sich verjüngen. Leider halten viele unserer Glaubensgenossen
verjährte Formen für selbständige Wahrheiten, und zur Herstellung besserer
Formen, in denen sich die heiligen Wahrheiten unserer Religion verklärt
darstellen, bedarf es daher eines mit gediegener Frömmigkeit und energischem
Geistes begabten Führers, den wir an Herrn Dr. Romann gefunden zu haben
glauben. Dr. Romann ist ein edler Israelit und nicht bloß in
jüdisch-theologischen Wissenschaften von großer Bedeutung und in allen seinem
Stande nötigen Doktrinen tiefgelehrt, sondern auch voll jugendlichen, frommen
Eifers für die Veredlung unserer Glaubensgenossen und voll seltener
Geistesenergie. Seit einem Jahre erst in unserer Mitte, genießt er doch schon
im vollsten Maße die Liebe und Verehrung seiner Gemeinde.
Sein Freund, Herr Dr. Enoch aus Hamburg, ein seiner würdiger junger Mann,
welcher jüdische Theologie mit bedeutendem Erfolge studiert und in allen dem
Berufe eines Geistlichen unentbehrlichen Wissenschaften sich vervollkommnet hat,
gab uns neulich im Betlokale der israelitischen Schulanstalt einen herrlichen
Beweis seines Predigertalents. Dieser eben so sanfte und bescheidene, als
gelehrte und einsichtsvolle junge Mann berechtigt zu den schönsten Hoffnungen,
und es ist zu wünschen, dass er recht bald als Seelsorger einer seinem
geistigen Werte entsprechenden Gemeinde den Wirkungskreis finden möge,
der seinem edeln Charakter, seinem frommen Streben und seinen gediegenen
Kenntnissen gebührt. |
Als der Bau weitgehend fertig gestellt war, erschien in der
"Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Januar 1839 ein
Bericht, dem viele Details zur Architektur der neuen Synagoge entnommen werden
können:
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Januar 1839:
"Kassel, 1. November (1838). Neue Synagoge.
Land-Rabbinat. Gemeinde-Anstalten. Wenn
man die Schiller’sche Sentenz: 'den Staat und die Frau für
die besten zu halten, welche am wenigsten von sich sprechen machen,' auch auf
die israelitischen Angelegenheiten hiesigen Landes anzuwenden geneigt sein möchte;
so könnten wir Beteiligten uns schon über die öffentliche Meinung hierüber
vollkommen beruhigen. Indessen dürfte es doch manchen Leser dieser Blätter
befremden, wenn er aus aller Herren Landen die interessantesten Nachrichten,
aber so höchst selten Etwas aus und von Kurhessen findet. Aber auch uns, die
wir bei aller Bescheidenheit menschlicher Weise doch unsern Egoismus hegen, will
solche Schweigsamkeit nicht mehr recht behagen, zumal wir mehr als einen Grund
haben, über Förderung und Gedeihen manches gemeinnützigen Guten bei uns, ein
öffentliches Wort mitreden zu dürfen. – Zuvörderst denn von unserer
herrlichen neuen Synagoge, von welcher sich das Sprichwort: 'Gut Werk will
Zeit haben' so recht eigentlich bewährt. Denn nachdem es wirklich gar lange
gedauert, bis unsere hiesigen Gemeindeverhältnisse zu solcher wichtigen
Unternehmung völlig reif waren: sehen wir uns nunmehr auch für die Zögerung
hinlänglich entschädigt. Unsere neue Synagoge also ist, was den äußern
Ausbau angehet, ganz vollendet und die weiteren, inneren Arbeiten schreiten
rasch vorwärts, sodass wir im nächsten Sommer, so Gott will, die Einweihung
unfehlbar erwarten dürfen. Ein stattliches Gebäude! von 130’ Länge und
72’ Breite, ganz aus Stein und im byzantinischen Stil, in dem untern Ausgange
der Königstraße und von allen Seiten lichtvoll gesehen, wird dasselbe von
Fremden und Einheimischen als eine Zierde, nicht nur dieses Stadtteils, sondern
unserer schönen Stadt überhaupt allgemein anerkannt. – Die westliche Giebel-
und Hauptfassade mit drei bogenförmigen Eingängen, einem Haupt- und zwei
Seiteneingängen zu den Frauengallerien – einem großen Portalfenster über
dem Haupteingange; die pfeilerartigen Lisenen aus Quadern von bräunlichem
Sandstein, welche in der Front und nach den Seiten hin in Zwischenräumen von je
20’, in Risalits mit doppelten Gesimsen und gefälligen Zwischenverzierungen
(sodass sich an den vier Seiten des Gebäudes turmartige, in rechteckigen
Plattformen ausgehende Pilaster darstellen) aufstrebend, zwischen welchen, an
der gedachte Fassade, oberhalb jenes Portalfensters die stumpfwinklige
Giebelfront sich erhebt, an deren Spitze die heilige Bestimmung des Gebäudes
durch den, mit vergoldeten Zahlen, die Gesetztafeln vorstellenden Stein in
sinniger Einfachheit angedeutet ist: alles dies macht den wohltuendsten
Eindruck. Nicht minder zeigen sich auch die Seitenfassaden eines Gotteshauses würdig.
Die vierseitigen Pfeiler-Risalits, zwischen welchen das blinkende Schieferdach
über dem verzierten Dachgesimse in mäßiger Schräge sich hinzieht; die
fortlaufende Lisenen-Reihe mit den fortgesetzten Gesimsen, zwischen denen die
bogenförmigen Fenster in ihren Fassungen – vollenden das Gepräge des Ganzen
zum schönsten Ausdruck des Einfachen und Edlen. Im Innern tragen auf beiden
Seiten je drei vierseitige Pfeiler mit abgestumpften Ecken die Frauengallerie.
Der Raum vom Eingange aus, die kleine Vorhalle abgerechnet, beträgt bis zur großen
Nische für die heilige Lade 90’, im Ganzen 115’ im Lichte. Die
Deckverzierungen sind noch unvollendet. Die innern Einrichtungen in Beziehung
auf die Ökonomie der Räume bei Anbringung der Kanzel, der Stände etc. beraten
und leiten gemeinschaftlich mit dem Architekten und den Gemeindeältesten, Herr
Landrabbiner Dr. Romann und Herr Dr. Pinhas; wie denn der allgemein anerkannte
Kunstsinn und Geschmack des Letztern, bereits auch bei den früheren Arbeiten
manche Anwendung gefunden hat, und darf man über diese Angelegenheit einem
befriedigenden Resultate entgegensehen.
Und nun auch dem Verdienste seine Krone. Den Plan, so wie alle weitern
Zeichnungen des Baues verdanken wir unserm Glaubensgenossen und Mitbürger, dem
talentreichen Architekten Albrecht Rosengarten, welcher dann auch, in
administrativ-technischer Beziehung unter der Oberleitung des Herrn Ober-Baurats
Schuchard hierselbst, die Arbeiten des Baues durchgehend und nach allen Details
hin, mit beharrlichstem Eifer geleitet hat und noch fortwährend leitet. Mit
Vergnügen bemerken wir hierbei, dass von Seiten der hiesigen Akademie für
bildende Künste, mittelst Genehmigung der hohen Staatsregierung, diesem jungen
Manne, welcher bereits seit längerer Zeit als Bau-Eleve ernannt war und
fungierte, in diesem Jahre die, für angehende Künstler gewöhnliche, Summe
(von 750 Thalern) zum Behufe mehrjähriger Ausbildungsreisen verwilligt worden
ist: gewiss die sprechendsten Beweise von Würdigung seines ausgezeichneten
Talents und bekundeten Fleißes.
Um die Entstehung dieser unserer Synagoge haben sich die derzeitigen Gemeindeältesten
als da sind: die Herren Salomon Büding, Joseph Werthauer und Moses Weill, in
jedem Betrachte unsterbliches Verdienst erworben; besonders ist es der unermüdlichen
Tätigkeit des Letztern gelungen, den ersten Anfang des Baues zu veranlassen und
ins Werk zu setzen. Aber gemeinschaftlich teilen die genannten Männer das große
Verdienst, im Einverständnisse mit dem Herrn Kreisvorsteher Levisohn, viele
Schwierigkeiten und Hemmnisse beseitigt und uneigennützigster Weise mit dem wärmsten
Eifer das heilige Geschäft so weit gefördert zu haben, wie sie noch fortwährend
die weitere Vollendung zu erzielen sorgfältig bemüht sind. Und wohl dürfen
sie, denen Gottes Freundlichkeit so huldvoll zugewendet war, sich ihres
gelungenen Werkes freuen und von ihren Mühen segensreichen Erfolg um so mehr
erwarten, als sämtliche Gemeindeglieder, Alt und Jung, ihnen den
unzweideutigsten Beifall zollen und von innigem Danke gegen sie erfüllt sind.
– Und was endlich die Hauptsache aller Sachen, die würdige Seele des schönen
Körpers, nämlich die Organisation des Gottesdienstes im neuen Tempel,
betrifft, so dürfen wir uns bei dem frommsinnigen Walten unsers allgemein
geachteten Herrn Landrabbinen, hierüber den besten Hoffnungen hingeben;
vorausgesetzt freilich dass die Erwartungen und Wünsche nicht überspannt, d.h.
nicht zu unbedingt reformatorisch, sondern bedächtig und bescheiden die
Lokal-Verhältnisse berücksichtigend, auch nicht auf momentane Effektmacherei,
sondern auf innere solide Religiosität nach angestimmten Formen und Bräuchen,
gegründet seien. |
Eine unmittelbare Fortsetzung des obigen
Berichtes vom 5. Januar 1839 erschien in der "Allgemeinen Zeitung des
Judentums" dieser Teil enthält zahlreiche Informationen zum damaligen jüdischen
Gemeindeleben:
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. März 1839:
"Die großartige Freigebigkeit, mit welcher der Herr Baron Anselm von
Rothschild zu Frankfurt seine Teilnahme an Gemeinwohl und religiösen Zwecken zu
betätigen gewohnt ist, hat sich auch bei unserm Synagogenbau aufs Glänzendste
bewährt. Herr Baron v.R. hat den hiesigen Gemeindeältesten eine Spende von 300
Louisd’or für die neue Synagoge zukommen lassen, welche reiche Gabe willig
angenommen, und wofür wie sich von selbst versteht, dem edlen Geber
freundlicher Dank gezollt wurde. Die Summe wird zum Besten des Heiligtums zweckmäßigst
verwendet werden.
Was unsere übrigens, Gemeinde- und Provinzialangelegenheiten betrifft, so sind
dieselben seit einer Reihe von Jahren in geregeltem Zustande. Das durch die
Staatsregierung bestellte israelitische Vorsteheramt der Provinz Niederhessen,
eine der Provinzial-Regierung untergeordnete Administrativ-Behörde, führte
Aufsicht und beschließt, in wöchentlichen regelmäßigen Sitzungen, über die
körperschaftlichen Verhältnisse besonders hinsichtlich des Kultus- und
Schulwesens. Gegenwärtige Mitglieder: Herr Landrabb. Dr. Romann, Herr Dr.
Oinhas, welcher zugleich das Sekretariat führt und die Geschäfte leitet; die
Herren S. R. Goldschmidt, G.J. Rieberg, L. Mansbach, J. Rothschild,
Obergerichtsanwalt Alsberg, J. Flescher, und H. Traue, als Expedient. Ein
beigeordneter herrschaftlicher Kommissar (gegenwärtige Herr Regierungsrat Schröder)
ist nicht selten in den Sitzungen gegenwärtig. Reine Gesinnung bezeichnet
durchgehends die Tätigkeit dieses Instituts. Die Beschlüsse unterliegen der
Bestätigung durch die Regierung, erleiden jedoch selten ein reformatorisches
Erkenntnis. – Die Aufsicht über den Religionsunterricht in den israelitischen
Schulen der Provinzen Niederhessen und Fulda führt der Landrabbine, und macht
zu diesem Behufe von Zeit zu Zeit die erforderlichen Visitationsreisen. Für die
übrigen Lehrgegenstände sind die Kreismetropolitane zur Beaufsichtigung
kommitiert. – Eine Prüfungskommission ist zur Prüfung israelitischer
Schulamts-Kandidaten bestellt, - bestehend gegenwärtig: aus den Herren
Landrabbinen Dr. Romann, Oberlehrer Dr. Büdinger und J. Lessong zweiten Lehrer
an der israelitischen Schul- und Schullehrerbildungs-Anstalt. Herr Schulrat Bogt
wohnt den Prüfungen als herrschaftlicher Kommissar und Schulreferent bei. Die
Lehrer werden von dem Provinzialbezirksamt in den Gemeinden bestellt und
erhalten von der Regierung Anstellungsdekrete. – Auf gleiche Weise ist auch
die Organisation in den übrigen Provinzen des Kurstaates, und beaufsichtigt den
Religionsunterricht in den israelitischen Schulen der Provinz Oberhessen, der
Provinzialrabbine Herr M. Gesen, sowie in der Provinz Hanau der dortige
Provinzialrabbine Herr Felsenstein dieser Funktion obliegt.
Dass von den Arbeiten des Landrabbinats - Synagogen-, Trauungs-, Leichenordnung
und dergleichen - noch keine, wie allgemein erwartet wird, zur Öffentlichkeit
gelangt ist, soll dem Vernehmen nach seinen Grund darin haben, dass unsere hohe
Staatsregierung, in weiser Vorsorge die Wichtigkeit des Gegenstandes erwägend
und die praktische Anwendung im Auge habend, die Entwürfe jeder Verordnungen
vorher noch einer sorgfältigen Prüfung zu unterwerfen und mehrseitig
begutachten zu lassen für notwendig hält.
An gesellschaftlichen Wohltätigkeits-Vereinen hat die hiesige Gemeinde keinen
Mangel. Einer der ältesten derselben ist der für Krankenpflege und
Totenbestattung, derzeitiger Vorstand: Herr J. Bensa, Herr J. Traube, zugleich
Inspektor des jüdischen Krankenhauses und Herr A. Reunert. Nächst diesem
besteht seit 1802, gestiftet durch den praktischen Arzt Dr. S.A. Liffmann
seligen Angedenkens, die Gesellschaft der Humanität Chewrat Poalei Zedek,
zeitiger Vorstand: Herr S.R. Goldschmidt Direktor, die Herren Friedemann und Ph.
Goldschmidt Vorsteher, Herr Ph. Feidel Sekretär, Herr Abr. Honnet Kassierer,
hierzu noch fünf Deputierten; die Herren A. Reunert, R. Goldschmidt, S.
Rosenstein, H. Katzenstein und S. Leviseur. Hauptzwecke dieses Vereins sind: tätige
Annahme der unbemittelten israelitischen Schuljugend beider Geschlechter,
Unterstützung und Beförderung israelitischer Handwerker und Künstler, wozu
noch mancherlei andere wohltätige Zwecke kommen, und ist die Wirksamkeit dieses
zahlreichen Vereins (den der Herr ferner segnen wolle!) von den gedeihlichsten
Folgen. Zeitiger Vorstand: die Damen B. Hornstein und H. Drucker unter Assistenz
des Herrn L. Wallach; endlich der (1818 durch Amalie Weil) gestiftete
Schwesternbund, welcher sich der lehrbedürftigen unbemittelten weiblichen
Jugend annimmt, und dieselbe in den nötigen Schulkenntnissen und weiblichen
Arbeiten unterrichten lässt. Zeitiger Vorstand: Madame Jule Goldschmidt
Direktorin und Fräulein S. Philippssohn für Verwaltung der Kasse. – Sämtliche
Vereine sind aufs Beste administriert, wovon und von der herrschenden guten
Gesinnungen in denselben überhaupt schon hinlänglich der Umstand zeugt, dass
dieselben Vorstände gewöhnlich während einer Reihe von Jahren hindurch immer
wieder gewählt werden. So ist Herr G. bereits im 13. Jahre Direktor der Ges. d.
Hum., nachdem während gleichen Zeitraums Herr Dr. P. das Direktorat mit
seltener Widmung geführt und sich überhaupt um das Emporkommen dieses Vereins
bleibendes Verdienst erworben hat; seit noch längerer Zeit besorgt mit pünktlichen
Emsigkeit Herr F. das Sekretariat; gleiches gilt von den Vorstehern und den übrigen
Kommissional-Beamten; und so verhält es sich auch bei den übrigen Vereinen.
So durchdringt unsere Angelegenheiten nach alle Richtungen würdige Strebsamkeit
und ein Geist loyalen Sinnes gibt sich kund, wodurch manches Gute erzielt wird:
es ist der Geist der Unnützigkeit und der Eintracht. |
Am 8. August 1839 konnte die Synagoge
schließlich eingeweiht werden, worüber die "Allgemeine Zeitung des
Judentums" in der Weise berichtete, dass mehrere
allgemeine Tageszeitungen zitiert wurden:
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. September
1839: "Kassel, 15. August. Über die bereits vollführte Einweihung
der neuen Synagoge, über deren Bau wir bereits einen Bericht gegeben, geben die
öffentlichen Blätter folgende nähere Mitteilungen.
(L.A.Z. vom 9. August). Gestern fand hier
die Feier der Einweihung des vor kurzem vollendeten neuen Synagogengebäudes zu
einer gottesdienstlichen Bestimmung statt. Die Kosten sowohl des Baues als der
inneren Ausschmückung desselben wurden von den Gliedern der hiesigen
israelitischen Gemeinde bestritten, welche die zu diesem Behuf erforderliche
Summe durch Aktion, die sie unter sich verteilten, zusammenbrachten. Herr Baron
von Rothschild in Frankfurt, dankbar eingedenk, wie der Grund von dem Vermögen
seines Hauses zuerst von seinem Vater während seines Wohnsitzes in Kassel und
späterhin durch Geschäfte mit dem verewigten Kurfürsten Wilhelm I. gelegt
ward, hatte unaufgefordert eine freiwillige Gabe von 300 Louisd’or zu diesem
Zwecke dargebracht. Das Ganze wurde durch einen jungen israelitischen
Architekten, Rosengarten, der durch den Bau mehrerer ausgezeichneter Privathäuser
bereits Proben seiner Geschicklichkeit und seines geläuterten Geschmackes in
die Baukunst abgelegt hatte, ausgeführt, und zwar auf eine Weise, dass das
jetzige jüdische Bethaus mit Recht den schönsten Bauwerken, welche Kassel
aufzuweisen hat und unter denen noch immer das Museum Fridericianum auf dem
Friedrichsplatze die erste Stelle einnimmt, angereiht wird. Über die Wahl des
Baustils für das fragliche, gegenwärtig unserer Stadt zur Zierde gereichende
Gebäude vermochte man lange nicht sich zu einigen; denn wenn schön über die
Frage, welcher Stil für die christlichen Tempel der angemessenste sein dürfte,
manchmal von den Baukünstlern hin und her gestritten worden ist, so sind bei
der Errichtung jüdischer Gotteshäuser öfter noch verschiedene Meinungen an
den Tag gebracht worden. Diejenigen, welche in den heutigen deutschen Israeliten
noch immer Morgenländer sehen und sehen wollen, waren folgerecht für einen
morgenländischen Baustil, und der Hofbaudirektor Ruhl hatte geglaubt, mit
Hinblick auf die Geschichte des jüdischen Volkes, den ägyptischen in Vorschlag
bringen zu müssen. Gleichwohl haben sich die eigentümlichen Bauweisen bei |
allen Völkern nicht sowohl aus der Nationalität als aus klimatischen Einflüssen
hervorgebildet, und ein völlig orientalischer Baustil kann den Bedürfnissen in
Europa nicht entsprechen. In dem vom Herrn Rosengarten aufgeführten Gebäude
zeigt sich der byzantinische Geschmack vorwaltend. Er hat aus Gründen der
Basilikenform vor jeder andern bei der Lösung seiner Aufgabe den Vorzug
gegeben; denn wenn schon die älteste christliche Baukunst keinen Anstand nahm,
sich der römischen eng anzuschließen und römische Form und Benennung für
christliche Kirchen zu benutzen, so lässt der Stil römischer Basiliken sich
bei Synagogen auch aus rationellen Beweggründen in Anwendung bringen. Basiliken
waren bekanntlich bei den alten Römern große Gebäude, bestimmt zu öffentlichen
Versammlungen und Geschäften, und da die Juden einen wirklichen Tempel mit
Opferdienst nicht außer Jerusalem haben können, so sind ihre jetzigen
Synagogen, weit entfernt, Tempel vorstellen zu sollen, nichts weiter als
Versammlungsorte zu gemeinsamer Andacht und Belehrung, darum auch häufig mit
dem Namen von Judenschulen bezeichnet, und deshalb, wenn auch in höherer und
edlerer Beziehung den Zwecken einer römischen Basilika entsprechend. Die Wahl
eines ägyptischen Baustils konnte bei unsern Israeliten um so weniger Beifall
und Bestimmung finden, als es geschienen hatte, sie sollten damit stets an ihre
Sklaverei im alten Ägypten erinnert werden. Die neue Synagoge bildet ein dem
Auge gefälliges Oblongum, durch mäßige turmartige Vorsprünge, in denen die
Treppen zu den Emporbühnen angebracht sind, unterbrochen. Diese einfache
Grundform lässt die Bestimmung des ganzen Gebäudes schon von weitem deutlich
hervortreten. Unwillkürlich gibt zugleich der Anblick einem Jeden die
Vorstellung, dass der Architekt von der Idee eines Gotteshauses geleitet war.
Allgemein wird anerkannt, dass dies ein großer Vorzug ist, den die neue
Synagoge vor dem vor einigen Jahren hier aufgeführten Ständepalais voraus hat;
denn niemand, der vor dieser großen Steinmasse steht, ist im Stande zu erraten,
zu welchem Zwecke das Gebäude errichtet ward; es erscheint im Äußern für
keinen weniger als für den einer landständischen Versammlung ausersehen und
viel mehr einer alten Ritterburg als einem Ständehaus zu gleichen. Die neue
Synagoge trägt den Stempel vollkommener Ruhe und Einfachheit. Auch die innere
Ausschmückung lässt nichts zu wünschen übrig. Sie verrät den geläuterten
Geschmack moderner Kunst und erinnert doch zugleich an den Orient. Weiß ist die
Grundfarbe in der Bekleidung der Räume, und das matte Blau ist dem Auge gefällig.
Goldene Ornamente dienen zur weitern Verzierung. Werke der Architektur pflegen
vor andern Werken der Kunst einer vielfältigen Kritik zu unterliegen; um so
auffallender erscheint es, dass dieses Bauwerk noch keinen Tadler gefunden;
allgemein stimmt man darin überein, dass es dem Künstler zur größten Ehre
anzurechnen sei. Was ihm an reifer Erfahrung abging, das fand er in dem unterstützenden
Rat und Beistande des Oberbaurates Schuchardt, welchem die obere technische
Leitung übertragen war. Dem zu so großen Hoffnungen berechtigenden jungen
Architekten ist die Unterstützung der hiesigen Kunstakademie zu Reisen ins
Ausland zu Teil geworden. Doch ich vergesse, |
indem ich mich über dieses neue
Bauwerk und den Künstler, der es zur Ausführung brachte, ausspreche, den
eigentlichen Zweck meines Schreibens, über die Feierlichkeiten, womit die
Einweihung des Gotteshauses begleitet war, zu berichten. Es hatten sich eine
Menge fremder Israeliten, besonders aus der Umgegend, hier eingefunden, um
dieser Feierlichkeit beizuwohnen, die um halb 2 Uhr Nachmittags begann. Es waren
über 1000 Eintrittsbillets ausgeteilt worden, von denen jede der hiesigen
israelitischen Familien nur drei hatte bekommen können, weil die übrigen
verwendet worden waren, um auch eine große Zahl hiesiger christlicher Einwohner
an der Festfeier teilnehmen zu lassen. Einladen waren die vornehmsten
Staatsbeamten vom Zivil und Militär, sämtliche Minister, die Chefs der
Dikasterien und Landeskollegien, die Mitglieder des diplomatischen Corps, die
Geistlichkeit der verschiedenen christlichen Konfessionen, die Munizipalität
der Stadt Kassel und andere Notabilitäten, welche auch zum großen Teil dieser
Einladung entsprochen hatten. Es waren so viele Einlasskarten ausgegeben worden,
als nur immerhin der innere Raum des einzuweihenden Gebäudes gestattete; aber
man hätte wohl doppelt so viele ausgeben müssen, um die Nachfrage zu
befriedigen. Eine Deputation aus der Mitte der hiesigen Judenschaft hatte sich
einige Tage zuvor nach Wilhelmshöhe begeben, um bei dem Kurprinzen-Regenten
eine Audienz zu begehren und denselben anzugehen, die bevorstehende Einweihung
der neuen Synagoge mit seiner Gegenwart zu beehren, und da diese Deputation
nicht vorgelassen worden war, so war diese Bitte in einer schriftlichen
Einladung dem Prinzen vorgetragen worden, welcher jedoch nicht entsprochen ward.
Das Schiff des Hauses war ungeachtet seiner Geräumigkeit doch ganz angefüllt,
die Emporebühnen waren von dem andern Geschlechte der israelitischen
Glaubensgenossen besetzt. Unter den zahlreichen anwesenden Beamten bemerkte man
bloß die Militärpersonen in ihren Uniformen, da den Zivilstaatsdienern
untersagt worden war, in Uniform zu erscheinen. Auch waren dieselben angewiesen
worden, nicht in corpore, sondern nur einzeln der Feier beizuwohnen. Diese ganze
kirchliche Festlichkeit, welche gegen zwei Stunden dauerte, ging in der
vollkommensten Ordnung und mit dem größten Anstande vor sich. Da den Künstlern
von der Hofkapelle nicht gestattet war, das Chor mit ihren Instrumenten zu
accompagnieren, und auch den Musikern des Militärs die Erlaubnis versagt worden
war, dasselbe zu unterstützen, so war man darauf beschränkt, die Musiker der
hiesigen Bürgergarde zu Hilfe zu nehmen, sodass freilich die Instrumentalmusik
unvollkommen ausfiel. Der Gottesdienst wurde durch ein vom Chor angestimmtes
Eintrittsgebet eröffnet. Bei dem Schlusse desselben begaben sich der
Landrabbine, die anwesenden Rabbinen nebst andern Beamten und Mitgliedern der
hiesigen Gemeinde in das zur Rechten des Tabernakels befindliche Zimmer, um die
Torarollen abzuholen und in die heilige Lade zu bringen. Bei ihrer Rückkehr
erhob sich die ganze Gemeinde. Der Synagogendiener öffnete das Tabernakel, der
Landrabbine legte die Gesetzrollen ein und der Synagogendiener schloss die
heilige Lade. Hierauf sprach der Landrabbine das Dankgebet und die Gemeinde:
Amen. Dann stimmte der Vorsänger und der Chor, |
an den sich die Gemeinde
anschloss, abwechselnd den Psalm 15 an. Nachdem dies statt gehabt, öffnete der
Synagogendiener wieder die heilige Lade, der Landrabbine nahm die darin
befindlichen Torarollen heraus und übergab sie den zu dem Ende an das
Tabernakel getretenen Rabbinen und Vorstehern, die letzte Tora selbst im Arme
behaltend. Während der Vorsänger alsdann einen Hymnus anstimmte, der vom Chor
erwidert ward, geschahen die feierlichen Umgänge der Toraträger, welche
nachher sämtlich dem Landrabbinen ihre Torarollen zur Einsetzung in die heilige
Lage übergaben, welche darauf wieder verschlossen wurde. Nach Beendigung dieser
Zeremonie wurde von dem Vorleser bald mit dem Chore, bald mit der Gemeinde der
24. Psalm und einige andere Lieder gesungen. Der Landrabbine, aus dem
Würzburgischen nach Kassel berufen und das Vertrauen seiner Gemeinde in einem
hohen Grade genießend, betrat hierauf die Kanzel und hielt in deutscher
Sprache, viva voce, ohne abzulesen, eine schöne eindringliche Weihrede, die von
der Art war, dass sie in jeder christlichen Kirche hätte gehalten werden
können (Anm. der Redaktion: ein sehr zweideutiges Lob) und nur zu lang
war, um die Aufmerksamkeit hinlänglich bis zum Ende ununterbrochen fesseln zu
können. Als er seine Rede beendigt, stimmte der Chor, da "Herr Gott, dich
loben wir" und darauf wiederum mehrere Psalmen mit der Gemeinde zusammen
an. Zuletzt sprach der Landrabbine vor dem Tabernakel das Gebet für den
Landesherrn, und die Feierlichkeit ward mit einem vom Chor angestimmten
Hallelujah beendigt. Heute Abend findet der erste ordentliche Gottesdienst in
der neuen Synagoge statt, deren Bau auch der hiesigen israelitischen Gemeinde
zur hohen Ehre gereicht, da sie keine Opfer gescheut, um den Gott ihrer Väter
in edeln Räumen anbeten zu können. Auch von Seiten der christlichen Einwohner
unserer Stadt sprach sich die herzliche Teilnahme an diesem religiösen Fest
ihrer durch die Verfassungsurkunde seit dem Jahr 1831 in bürgerlichen und
politischen Rechten und Freiheiten ihnen völlig gleichgestellten israelitischen
Mitbrüder auf eine unzweideutige Weise aus.
(Augsburger Allgemeine Zeitung). Heute beschäftigt uns übrigens auch
ein religiöser Gegenstand von ganz friedlicher Art, nämlich die Einweihung
"des neuen Bethauses" der israelitischen Gemeinde, das man seiner
äußeren Erscheinung nach wohl richtiger einen Tempel nennen würde, denn die
Idee eines Tempels des Herrn ist hier dem freilich gegen
sonst wesentlich veränderten Bedürfnisse einer einzelnen Gemeinde auf eine
geistvolle Weise angepasst und in allen Einzelheiten eben so einfach als
großartig durchgeführt. Auch hat es die seltene Probe eines wahren Kunstwerks
bestanden, dass es bei Kennern und Nichtkennern eine gleiche Befriedigung
hervorruft. Der Baumeister ist ein junger Architekt israelitischen Glaubens,
namens Rosengarten, der fast allen einen Bauten einen gewissen Stempel höherer
Vollendung aufzudrücken weiß, und dessen Talent die schönsten Hoffnungen
erregt. Zu seiner ferneren Ausbildung hat ihm die Staatsregierung ein
Reisestipendium bewilligt, um in Paris, wo er gegenwärtig weilt, und in Italien
noch einige Jahre nur der Kunst zu leben. Die Einweihungszeremonie war
anspruchslos und feierlich. Sämtliche Minister, die Geistlichkeit der
christlichen Konfessionen und eine Menge Staatsbeamten waren anwesend, und wenn
auch die sehr angemessene Rede des Landrabbinen, als ein rein deistischer
Vortrag (Anmerkung der Redaktion: hier spricht sich die obige Ansicht von der
Einweihungspredigt des Herrn Dr. Romann deutlicher aus. Allerdings muss
überall, dem Charakter des Judentums gemäß, wo die Lehre von Gott zur
Aussprache kommt, sich eine scheinbar deistische Ansicht, nur auf Grundlage der
Offenbarung, kundgeben. Allein gibt es keine weitern speziell israelitische
Momente, die in solcher Predigt sich kund geben mussten, und waren diese gar
nicht ausgeführt?) dem Christen etwas auffallend sein musste, so
drängte sich doch auch zugleich der Gedanke auf, dass der Glaube an Einen Gott,
in seiner ganzen Bedeutung aufgefasst, ein starkes religiöses Band ist, das
alle Bewohner unsers Weltteils umschlingt.
(Schwäbischer Merkur). Bei der am 8. stattgefundenen feierlichen
Einweihung der neuen israelitischen Synagoge sah man die Männer, abweichend von
der alten Sitte, mit unbedecktem Haupte dem Gottesdienst beiwohnen. Nur einige
Altgläubige hatten sich mit einer kleinen Mütze bedeckt (Anmerkung der
Redaktion: war dies wirklich an dem, was wir gern
wissen möchten, oder schien dies nur wegen der Menge anwesender
Christen?) |
Darstellungen /
Fotos der Synagoge vor 1938:
(Quelle: die Fotos sind mehrfach veröffentlicht u.a. bei
Rudolf Hallo: Kasseler Synagogengeschichte. Synagogen und Friedhöfe 1932
Foto-Anhang; Harold Hammer-Schenk s. Lit. Abb. 80-86; Krinsky Lit. Abb. 164-165; Schwarz
s.Lit. Abb. 212-214, hier teilweise farbige Abb.; Eschwege Abb. 98; Arnsberg s.
Lit. Bilder - Dokumente)
Die Synagoge in
Kassel
vor 1938 |
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Ansicht von
Südwesten |
Gedenktafel für die
Gefallenen
des Ersten Weltkrieges |
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Inneres der Synagoge
(ursprüngliche Gestaltung) |
Inneres der Synagoge (um
1885;
1889/90 wurden die Kronleuchter
durch Gasbeleuchtung ersetzt) |
Inneres der Synagoge
(um
1930?) |
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Die Synagoge in Kassel war in den folgenden Jahren Vorbild für viele andere Synagogenbauten in Deutschland
(z.B. Mannheim).
Texte aus der Geschichte der Hauptsynagoge
Geplante Erweiterung der Synagoge (1889)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7.
Februar 1889: "Kassel, 23. Januar (1889). Die hiesige
Synagoge, ein schönes, monumentales Gebäude, soll einer bedeutenden
baulichen Erweiterung unterzogen werden. Es wurde aus diesem Anlass eine 'Siebenzehner-Komission'
aus der Mitte der israelitischen Gemeinde gewählt, der die Prüfung der
eingegangenen Projekte und die Entscheidung darüber oblag, welches davon
zur Ausführung zu bringen ist. Die Kommission ist bereits schlüssig
geworden und hat einstimmig das von dem Architekt W. Böttner ausgearbeitet
Projekt angenommen. Es lagen außerdem noch zwei Konkurrenzarbeiten vor,
die jedoch nach diesem Beschluss der Baukommission nicht weiter in
Betracht kommen." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Februar
1889:
derselbe Text wie oben in der "Allgemeinen Zeitung des
Judentums" |
Verkauf von Kronleuchtern der Synagoge
(1889)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. November
1889: "Wegen Einrichtung von Gasanlage sollen folgende in hiesiger
Synagoge befindlichen Beleuchtungsgegenstände und zwar
1 Kronleuchter, 2,38 m im Durchmesser haltend, eingerichtet für 40 Kerzen,
2 desgl. à 2 Meter im Durchmesser haltend, eingerichtet für je 24
Kerzen,
16 desgl. à 0,75 Mtr. im Durchmesser haltend, eingerichtet für je 6
Kerzen,
aus freier Hand verkauft werden. Die Kronleuchter, welche goldbronciert
und gut erhalten sind, können, nach vorherigen Anmeldung bei dem
Gemeindeältesten Herrn Carl Plaut, besichtigt werden, an den auch
Kaufangebote zu richten sind.
Kassel, den 31. Oktober 1889. Die Gemeinde-Ältesten." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom
14. November 1889:
Dieselbe Anzeige erschien in der "Allgemeinen Zeitung des
Judentums" |
75-jähriges Bestehen der Synagoge
(1914)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. August
1914: "Kassel, 31. Juli (1914). Am 8. August kann unsere
Synagogengemeinde das 75-jährige Bestehen ihres Gotteshauses in
der Unteren Königsstraße festlich begehen. An diesem Tage fand im Jahre
1839 die Einweihung des neuen Bethauses statt, zu dem der Architekt
Albrecht Rosengarten den Entwurf geliefert hatte; auch die Leitung des
Baues, dessen Ausführung mit Unterbrechung etwa zwölf Jahre währte, lag
in seinen Händen. Für das Baugrundstück, den Wolffschen, später
Neuberschen Garten, waren 7.250 Taler bezahlt worden. Die Kosten des
Baues, die anfangs auf 30.700 Taler veranschlagt waren, sich später aber
auf 42.743 Taler erhöhten, waren größtenteils durch opferwillige Gaben
jüdischer Familien aufgebracht worden; auch christliche Familien
lieferten namhafte Beiträge. Von auswärtigen Israeliten waren ebenfalls
beträchtliche Spenden eingegangen; so steuerte unter anderen der bekannte
Finanzier Meyer Anselm Rothschuld in Frankfurt am Main 300 Louisdors bei.
Beachtenswert erscheint, dass zahlreiche Familien der Kasseler Israeliten sich
anfangs wegen der allzu großen Schuldenlast gegen einen Synagogenneubau
sträubten, wie man andererseits einen vom Kurfürsten angebotenen, in der
Schützenstraße gelegenen Bauplatz wegen der ungünstigen Lage abgelehnt
hatte. Auch vorher war häufig der Plan zum Neubau eines Gotteshauses
erwogen, aber nicht zur Ausführung gebracht worden. Mit der durch Zuzug
auswärtiger Familien zunehmenden Zahl der hiesigen Israeliten ergab sich
die Notwendigkeit der Errichtung eines Filialgottesdienstes in einem dem
Verwaltungsgebäude der Synagogengemeinde angegliederten Betsaale; auch
wurde vor etwa sieben Jahren die Hauptsynagoge einer umfassenden
Renovierung und einem Neubau im Innern unterzogen, durch den mehr Raum
gewonnen werden konnte." |
|
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 14. April 1914: "Kassel. Die Synagoge in der Unteren
Königsstraße konnte am 8. August auf ihr 75-jähriges Bestehen
zurückblicken" |
Die Gemeinde stimmt für einen gemischten Chor in der
Synagoge (1926)
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom
22. Januar 1926: "Kassel. (Abstimmung über den gemischten Chor).
Die Abstimmung über den gemischten Chor hat, wie nicht anders zu erwarten
war, mit einer fast vollständigen Erklärung der Besucher der Synagoge
Untere Königstraße für den Chor geendigt. 758 Gemeindemitglieder
wünschten den Chor, nur 69 Mitglieder erklärten sich
dagegen." |
Zur Geschichte der Synagogen in Kassel
(1926)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 19. November 1926: |
|
Einladung an die Kinder der Gemeinde zur Beteiligung am Chorgesang - Hinweis auf
Schließung eines Teiles der Frauenempore (1928)
Anzeigen in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 3. August 1928: |
Neue Orgel in der Hauptsynagoge
(1928)
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom
14. September 1928: "Kassel. (Neue Orgel in der
Hauptsynagoge). Die seit langer Zeit erwogene Absicht, die unbrauchbar
gewordene Orgel in der Hauptsynagoge durch ein neues Instrument zu
ersetzen, ist - nachdem die ansehnlichen Kosten vom Vorstand bewilligt
worden waren - nun in die Tat umgesetzt worden. Am Neujahrsfeste wird nach
langer Pause der Gottesdienst wieder in der üblichen Weise mit
Orgelbegleitung stattfinden können." |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 21. September 1928: |
Zum 90-jährigen Bestehen der Kasseler Synagoge
(1929)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 13. September 1929: |
Gottesdienstzeiten im Juni 1938
Artikel
im "Jüdischen Gemeindeblatt Kassel" vom 24. Juni
1938: "Gottesdienst der Israelitischen Gemeinde.
Freitag abend, den 24. Juni 19.30 Uhr
Sonnabend morgen, 25. Juni 8.00 Uhr
Neumondsweihe
Nach dem Hauptgottesdienst Oneg Schabbath
Sonnabend nachmittag 16.00 Uhr Sabbath-Ausgang
21.38 Uhr
An Wochentagen (nur Synagoge Rosenstraße) morgens 6.30
Uhr abends 19.30 Uhr
Freitag abend, den 1. Juli 19.30 Uhr." |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge bereits am 7. November 1938 von Nationalsozialisten geschändet. In den Abendstunden dieses Tages drangen etwa 30 Mann in die Synagoge ein,
brachen den Toraschrein auf, schleppten Torarollen und andere Ritualien sowie Teile der Inneneinrichtung auf den Vorplatz und zündeten sie an. Hunderte von Schaulustigen beobachteten das Geschehen, zum Teil mit Beifall und Geschrei. Auch das Gemeindezentrum der jüdisch-orthodoxen Gemeinde in der Großen Rosenstraße 22 wurde verwüstet, die Inneneinrichtung vollkommen zerstört. Am 11. November 1938 beschloss die Stadtverwaltung den Abriss der
Synagoge, um einer angeblichen Parkplatznot zu begegnen.
Die Abbruchsteine der Synagoge wurden auf den städtischen Bauhof transportiert
und in der Folgezeit für andere Zwecke verbaut, nach den Recherchen von
Dietfrid Krause-Vilmar (s.Lit.) u.a. für eine Umhegung der Dorflinde auf dem
Dorfplatz an der Korbacher Straße in Nordshausen. Diese Steine wurden nach 1986
weiterverbaut für eine Sitzmauer an der Korbacher Straße auf dem Dorfplatz von
Nordshausen.
Am Platz der ehemaligen Synagoge ist eine Gedenktafel angebracht mit dem Text:
"Hier stand die im Jahre 1839 fertiggestellte Synagoge der Kasseler Jüdischen Gemeinde, der im Mai 1933 2301 Mitglieder angehörten. Viele waren bereits geflohen, als am 7. November 1938 Aktivisten der NSDAP in die Synagoge eindrangen und den Thora-Schrein
aufbrachen, Gebetrollen und Kultgegenstände in Brand steckten. Die Stadtverwaltung ließ das unversehrt gebliebene Bauwerk kurz danach 'abtragen', um dort einen Parkplatz zu errichten. Die Gemeinde wurde zerschlagen".
Adresse/Standort der Synagoge 1839-1938: Untere Königstraße 84
Foto / Abbruch der Synagoge
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Der Abbruch
der Synagoge 1938/39 (Quelle: Stadtarchiv Kassel) |
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Orthodoxe Synagoge
1896 beantragte der Sprecher der orthodoxen Gemeindeglieder, der Bankier Manus
Elias aus Gudensberg, die Errichtung einer zweiten Synagoge für die toratreuen
Juden der Gemeinde. Diese Synagoge wurde in der Großen Rosenstraße 22 erbaut,
im Jahre 1898 eingeweiht. Sie hatte etwa 200 Sitzplätze. In dieser Synagoge
wurde der Gottesdienst nach traditionellem Ritus abgehalten. Der Vorbeter-
beziehungsweise Vorsängerdienst wurde von den Vorsängern, die auch in der
Hauptsynagoge Untere Königstraße tätig waren, versehen. Ab 1924 hatte die
Synagoge in der Großen Rosenstraße einen eigenen
Vorsänger. 1927 wurde die Synagoge umfassend renoviert.
Eine Synagoge für orthodoxe Gemeindeglieder soll gebaut
werden (1898)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Juli
1898): "Die jüdische Gemeinde zu Kassel lässt für diejenigen
Gemeindemitglieder, welche an dem Orgelgottesdienst aus religiösen Bedenken
nicht teilnehmen, ein größeres Gotteshaus bauen, das unter Verwaltung
der Gemeinde stehen wird." |
Callmann Plaut ließ für die orthodoxe Synagoge eine
Torarolle schreiben (1898)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. September
1898: "Kassel. Anlässlich der am hiesigen Platze der Vollendung sich
nahenden Synagoge strengerer Richtung ließ Herr Callmann Plaut ein Sefer
(Torarolle) schreiben und wurde dasselbe heute in seiner mit Blumen und
Guirlanden reich geschmückten Wohnung fertig geschrieben. Die hierzu
eingeladenen Gäste erschienen zahlreich und hielt Herr Landrabbiner Dr.
Prager eine wohlgelungene Rede. Nachdem man alsdann Minchah und Maarif
gebetet hatte, blieb die Gesellschaft noch bei Wein und Speise gemütlich
zusammen." |
Einweihung der restaurierten Synagoge in der Rosenstraße
(1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 16. September 1927: |
Aufruf zu Sachspenden für die renovierte Synagoge
(1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 16. September 1927: |
Adresse/Standort der orthodoxen Synagoge:
Große Rosenstraße 22
Ostjüdischer Betraum
In einem Gebäude an der Ecke Untere Königstraße / Bremer Straße befand sich
der Betraum der aus osteuropäischen Ländern zugezogenen Gemeindemitgliedern.
Er hatte 60 Plätze für Männer, 40 für Frauen.
Verkauf der Synagogenplätze zu den Hohen Feiertagen im ostjüdischen Betraum (1930)
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 12. September 1930:
"Ostjüdisches Minjan, Untere Königstraße 80/82.
Es wird darauf aufmerksam gemacht, dass am Sonntag, den 14. September, um
9 Uhr vormittags die Plätze im Ostjüdischen Minjan verkauft
werden.
Der Vorstand." |
Betsäle / Synagogen nach 1945
Erste Gottesdienste nach Kriegsende wurden im Lager des
Displaced Persons (Lager Hasenecke) abgehalten. Nachdem absehbar war, dass in
Kassel eine kleine jüdische Gemeinde bestehen bleibt, wurde 1952/53 ein Betsaal
in der Heubnerstraße eingerichtet, der für 12 Jahre ausreichte. Anfang der
1960er-Jahre plante man den Bau eines Gemeindezentrums mit einer Synagoge. 1964
konnte mit dem Bau begonnen werden.
Am 12.
Dezember 1965 (18. Kislew 5726) wurde ein neues jüdisches Gemeindezentrum
mit einer Synagoge in der Bremer Straße eingeweiht. Die Einweihung nahm Landesrabbiner Dr.
I. E. Lichtigfeld
vorgenommen. Im Gemeindesaal wurde Platz für 100 Personen geschaffen. Im
Untergeschoss wurden Geschäfts- und Gästezimmer eingerichtet.
Mit der steigenden Zahl von Gemeindemitgliedern reichte in
den 1990er-Jahren die Synagoge von 1965 nicht mehr aus. Eine neue Synagoge wurde
geplant. Sie wurde
nach Plänen des Frankfurter Architekten Alfred Jacobi auf einem Grundstück an
der Bremer Straße unweit des alten Synagogengrundstückes in der Unteren
Königstraße erbaut. Für die neue Synagoge sind äußerlich eine geschwungene
Fassade und große, weiß verputzte und gebeizte Holzwände
charakteristisch. Eine neue Synagoge konnte am 28. Mai 2000 eingeweiht werden.
Die neue Synagoge ist das Gemeinschaftswerk
vieler Menschen und Institutionen. Auf Initiative der Jüdischen Gemeinde
Kassel-Nordhessen wurde die Erweiterung, die später ein Neubau wurde, seit
Jahren in der Kasseler Öffentlichkeit diskutiert. Von Anfang an engagierte sich
die Hessische Landesregierung außerordentlich für die Realisierung des
Projekts. Insgesamt stellte sie für den Neubau einen Betrag von 1,6 Millionen
DM (0,8 Millionen €) zur Verfügung. Auch die Stadt Kassel engagierte sich
finanziell für den Ausbau und überzeugte mit ihrem Beispiel auch die
nordhessischen Landkreise, die sich ebenfalls an der Finanzierung beteiligten.
Weitere Beträge kamen durch eine breit angelegte Spendensammlung in Nordhessen,
für die sich viele bekannte Persönlichkeiten stark machten, durch private
Spenden, die Evangelische Landeskirche und das Katholische Bistum Fulda sowie
nicht zuletzt durch den Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen
zusammen. (Quelle
für diesen Absatz).
Fotos der Synagogen nach 1945
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Juni 2012:
"Stolpersteine": Verein in Kassel
gegründet |
Artikel in der Hessischen/Niedersächsischen
Allgemeinen (hna.de) vom 17. Juni 2012: "'Stolpersteine': Verein
in Kassel gegründet.
Kassel. In Kassel ist der Verein 'Stolpersteine in Kassel_ gegründet worden, der die Arbeit der schon zuvor bestehenden Stolperstein-Initiative weiterführen will. Bereits im November 2011 haben die Kasseler Stadtverordneten einstimmig beschlossen, das Kunst- und Gedenkprojekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig zu unterstützen und den Magistrat aufgefordert, dabei umfassende Hilfe zu leisten..."
Link
zum Artikel
Anmerkung: am 3. April 2013 wurden an acht Verlegestellen erste "Stolpersteine in Kassel verlegt. Weitere
"Stikpersteine" wurden am 3. November 2013 verlegt.
Kontakt zum Verein unter stolpersteine-in-kassel@arcor.de |
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September/Oktober 2014:
Weitere "Stolpersteine" werden in
Kassel verlegt |
Artikel von Christina Hein in der hna.de vom
4. September 2014: "21 weitere Stolpersteine in Kassel
Kassel. An elf Orten in der Stadt werden am heutigen Donnerstag, 4. September, in Kassel die nächsten Stolpersteine verlegt. Bei der Aktion des Künstlers Gunter Demnig soll an die Opfer der NS-Zeit erinnert werden.,,,"
Link
zum Artikel
Informationen über die Stolpersteine in Kassel und Verlegeorte http://kassel.de/stadt/geschichte/stolpersteine/
Die nächste Verlege-Aktion fand am 14. Oktober 2014 statt." |
Artikel von in der hna.de vom 13.
Oktober 2014: "Familienvater nahm sich das Leben
Neue Stolpersteine am 14. Oktober: Familie Tisch emigrierte nach Südafrika.
Kassel. 'Diese Stolpersteine stehen für Schicksale von sechs Menschen aus drei Generationen. Sie sind vor den Nazischergen aus Kassel geflohen - in die Freiheit und in den
Tod', sagt Jochen Boczkowski vom Vorstand des Vereins Stolpersteine in Kassel. Er hat das Gedenkblatt für die jüdische Familie verfasst..."
Link
zum Artikel |
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November 2017:
Ein "Stadtplan der Erinnerung" zeigt 67
Orte von Mahnmalen, Gedenktafeln und Gedenksteinen in Kassel
auf |
Pressemitteilung der Stadt Kassel vom 27.
November 2017: "STADTPLAN ERINNERT AN DIE OPFER DES NATIONALSOZIALISMUS
Als wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur hat die Stadt Kassel nun den 'Stadtplan der
Erinnerung' herausgegeben. Die Karte ist das Ergebnis der Zusammenarbeit des Vereins Stolpersteine in Kassel e.V. und des städtischen Amts Vermessung und Geoinformation.
'In Kassel ist das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus seit vielen Jahren gelebte Wirklichkeit. Deshalb bin ich sehr dankbar für diese Initiative, die erstmals eine kartographische Übersicht der Erinnerungsorte in Kassel ermöglicht', erklärt Oberbürgermeister Christian Geselle.
'Die Verbrechen der NS-Zeit sind uns stets Mahnung, um jeder Form von Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz entschieden entgegenzutreten und uns für ein friedliches Miteinander in unserer Stadt einzusetzen."
Im Stadtplan der Erinnerung sind 67 Orte von Mahnmalen, Gedenktafeln und Gedenksteinen in der Stadt Kassel aufgeführt. Einer der bekanntesten Orte ist das Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus am Murhardpark. Gedenktafeln befinden sich unter anderem an der Synagoge, am Aschrottbrunnen und im Staatstheater. Sie erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus ebenso wie Gedenksteine, Gräberfelder und Ehrengräber auf Kasseler Friedhöfen. Daneben sind auch zehn Kunstwerke im öffentlichen Raum aufgeführt.
Weiterer wesentlicher Inhalt des 'Stadtplans der Erinnerung' ist die Darstellung der bisher im Stadtgebiet verlegten
'Stolpersteine' des Künstlers Gunter Demnig. Mit im Boden verlegten Gedenksteinen soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Die Stadtverordnetenversammlung hatte am 7. November 2011 einstimmig beschlossen, das europaweite Projekt Stolpersteine auch in Kassel zu verwirklichen.
In Kassel wird das Projekt Stolpersteine vom Verein Stolpersteine in Kassel e.V. organisiert. Seit 2011 wurden mehr als 150 Steine im öffentlichen Raum realisiert. Diese Steine werden jeweils vor dem letzten freigewählten Wohnsitz der betroffenen Menschen meist im Gehweg verlegt. Im Rahmen des Projektes Stolpersteine sind auch zukünftig an weiteren Orten kleine Gedenktafeln geplant. Dazu recherchieren Mitglieder des Vereins in Archiven und Bibliotheken, um das Schicksal weiterer Opfer des Nationalsozialismus aufzuklären. Wichtiges Element der Arbeit des Vereins ist die Kontaktaufnahme zu Nachfahren der Opfer.
'Auch mit dem neuen Stadtplan engagiert sich die Stadt Kassel für die Erinnerungskultur und das
Stolperstein-Projekt', so Stadtbaurat Christof Nolda. Bei der Umsetzung der Initiative des Vereins Stolpersteine für den Stadtplan der Erinnerung sei die Stadtverwaltung in vielfältiger Weise behilflich, unter anderem durch das Zukunftsbüro. Das Straßenverkehrs- und Tiefbauamt bietet Unterstützung bei der Verlegung der Stolpersteine. Das Amt Vermessung und Geoinformation ist für die Kartenbearbeitung und das Layout des Stadtplans verantwortlich, es hat auch die Lage der Stolpersteine seit mehreren Jahren in einem Kataster erfasst. Dabei wurden im Rahmen von Ausbildungsprojekten alle Stolpersteine von den angehenden Geomatikerinnen und Geomatiker vermessungstechnisch erfasst und dokumentiert.
Die redaktionellen Recherchen sowie die Finanzierung des Drucks hat der Verein übernommen. Die gefaltete Karte im Maßstab 1:20.000 wird gegen eine Schutzgebühr von 50 Cent abgegeben. Erhältlich ist der Plan im Kundenzentrum Geodaten in der Sickingenstraße 7, beim Kundenservice im Kasseler Rathaus sowie den folgenden Verkaufsstellen: Verein Stolpersteine in Kassel, Stadtmuseum, Stadtarchiv, Gedenkstätte Breitenau, Sara-Nussbaum-Zentrum für jüdisches Leben, Tourist-Information, Buchhandlung am Bebelplatz sowie Buchhandlung Hühn. Eine geografische Übersicht über die in der Stadt verlegten Stolpersteine gibt es auch als Online-Karte und kann im Geoportal der Stadt Kassel aufgerufen werden.
Informationen über das Projekt Stolpersteine im Internet: Webseite des Vereins Stolpersteine in Kassel e.V.:
www.kassel-stolper.com
Themenseite im Stadtportal: www.kassel.de/stadt/geschichte/stolpersteine/
Online-Karte: stolpersteine.stadtplan-kassel.de
" |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Hinweis
auf online einsehbare Familienregister des 19. Jahrhunderts der jüdischen Gemeinde
Kassel |
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs
(innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus
hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar:
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41
Zu Kassel sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur
Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):
HHStAW 365,492 Ausweisung jüdischer Familien aus Kassel und
anderen Gemeinden der Landgrafschaft Hessen-Kassel 1744 - 1744;
enthält ein tabellarisches Verzeichnis der ausgewiesenen Familien mit
Daten zur früheren Aufnahme in den landesherrlichen
Schutz https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v5319770
HHStAW 365,495 Trauregister der Juden von Kassel 1808 -
1808 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1510957
HHStAW 365,479 Geburts-, Trau- und Sterberegister der Juden
von Kassel 1808 - 1808 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4250811
HHStAW 365,491 Verzeichnis jüdischer Familien in Kassel und
deren Abgaben 1808 - 1813: enthält u.a. eine Übersicht über die
Familienhäupter und deren Kinder mit Angaben der Geburtsdaten;
Verfügungen der Präfaktur des Departements Fulda zur Annahme jüdischer
Familiennamen und zur statistischen Erfassung aller Mitglieder der
jüdischen Gemeinde in Kassel, zum Teil auf Französisch; Gesuch des Juden
Ludwig Cannot um Verminderung seines Beitrages zur Kultussteuer; Einziehen
der jüdischen Vermögenssteuer; Gesuch des Loeb Gerson Solling um
Verminderung seines Beitrages zur Kultussteuer; enthält auch Angaben zu
Bettenhausen https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4782877
HHStAW 365,496 Trauregister der Juden von Kassel 1809 -
1809 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1245111
HHStAW 365,480 Geburts-, Trau- und Sterberegister der Juden
von Kassel 1809 - 1809 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1230101
HHStAW 365,481 Geburts-, Trau- und Sterberegister der Juden
von Kassel 1810 - 1810 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1245110
HHStAW 365,485 Trauregister der Juden von Kassel 1810 -
1810 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3732260
HHStAW 365,486 Trauregister der Juden von Kassel 1810 -
1811 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1030584
HHStAW 365,482 Geburts-, Trau- und Sterberegister der Juden
von Kassel 1811 - 1811 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4971258
HHStAW 365,483 Geburts-, Trau- und Sterberegister der Juden
von Kassel 1812 - 1812 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v5494591
HHStAW 365,487 Trauregister der Juden von Kassel 1812 -
1812 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3732261
HHStAW 365,484 Geburts-, Trau- und Sterberegister der Juden
von Kassel 1813 - 1813 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v825439
HHStAW 365,488 Trauregister der Juden von Kassel 1813 -
1813 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1245112
HHStAW 365,493 Geburtsregister der Juden von Kassel 1824
- 1839; enthält auch Angaben zu Bettenhausen https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3732259
HHStAW 365,490 Sterberegister der Juden von Kassel 1824
- 1846; enthält auch Angaben zu Bettenhausen https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1510958
HHStAW 365,489 Trauregister der Juden von Kassel 1825 -
1846 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3271672
HHStAW 365,500 Geburtsregister der Juden von Kasel 1840
- 1857; enthält auch Angaben zu Bettenhausen https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v289946
HHStAW 365,502 Sterberegister der Juden von Kassel 1847
- 1881: enthält Sterberegister mit Auflistung der Todesursache bzw.
Krankheiten und der behandelnden Ärzte; enthält auch Angaben zu
Bettenhausen
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3732262
HHStAW 365,501 Trauregister der Juden von Kassel (2
Teile) 1847 - 1886: Teil 1 1847 - 1869, Teil 2 1869 - 1886; enthält
auch Angaben zu Bettenhausen https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3926567
HHStAW 365,494 Geburtsregister der Juden von Kassel (2
Teile) 1857 - 1884: Teil 1 1857 - 1869, Teil 2 1869 - 1884;
enthält auch Angaben zu Bettenhausen https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v2719780
HHStAW 365,899 Unleserliche Reproduktion https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3553831 |
Literatur (unvollständige Auswahl, bitte weitere
Literaturnachweise einsehen in:
| Umfassende Literaturhinweise siehe bei Michael
Dorhs [Zsst.]: Bibliographie zur Kultur und Sozialgeschichte der
Jüdinnen und Juden im Bereich der alten Landkreise Hofgeismar, Kassel,
Wolfhagen und in der Stadt Kassel. Ausführliche Zusammenstellung. 200 S.
Eingestellt als pdf-Datei (Stand
November 2023). |
| Germania Judaica II,1 S. 390; II,1 S. 605-607. |
| L(udwig) Horwitz: Die Kasseler Synagoge und ihr
Erbauer. Nach urkundlichem Material bearbeitet. Kassel 1907. Verlag von Carl
Vietor, Hof-Buch- u. Kunsthandlung. Online einzusehen über
https://archive.org/details/bib39573_001_001 bzw.
eingestellt als pdf-Datei. |
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. |
| Rudolf Hallo: Geschichte der Jüdischen Gemeinde
Kassel. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. |
| Helmut Eschwege: Die Synagoge in der deutschen
Geschichte. Wiesbaden 1980. |
| Carol Herselle Krinsky: Europas Synagogen.
Architektur, Geschichte und Bedeutung. 1988 S. 306-310 u.ö. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) |
| Dietfried Krause-Vilmar: Zur Vertreibung und
Vernichtung der deutsch-jüdischen Bevölkerung Nordhessens. Online
zugänglich. |
| Monica Kingreen: Die gewaltsame Verschleppung der Juden aus den Dörfern und Städten des Regierungsbezirks Kassel in den Jahren 1941 und 1942, in:
Helmut Burmeister und Michael Dorhs (Hrsg.): Das achte Licht. Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte der Juden in Nordhessen. Hofgeismar 2002,
S. 223-242. |
| Monica Kingreen: Die Deportation aus Kassel am 9. Dezember
1941. In: Buch der Erinnerung. Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden,
bearbeitet von Wolfgang Scheffler und Diana Schulle. Herausgegeben vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge, dem Riga Komitee der deutschen Städte, dem Centrum Judaicum und dem Haus der Wannsee-Konferenz. München 2003, S.
657-659. |
| Dietfrid Krause-Vilmar: Bleibende Spuren der
Kasseler Synagoge. In: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und
Landeskunde (ZHG). Bd. 121. 2016. http://www.vhghessen.de/ |
| Sigismund von Dobschütz: Die Vorfahren der
Elisabeth Goldschmidt aus Kassel und Mannheim. 1. Folge in: Maajan Die
Quelle Heft 76 2005. 2. Folge in: Maajan Die Quelle Heft 77
2005. 3. Folge und Schluss in: Maajan Die Quelle Heft 78 2006. Der
Beitrag ist eingestellt als pdf-Datei (mit freundlicher Genehmigung
des Verfassers). Bei Maajan - die Quelle handelt es sich um eine
Publikationsreihe der Schweizerischen
Vereinigung für Jüdische Genealogie. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Kassel
Hesse-Nassau. Kassel
already had a Jewish quarter (Judengasse)
in 1262. Most of the Jews perished in the Black Death persecutions of 1348-49.
Until the early 17th century, no Jewish community existed, although
financiers such as Jud Michel were occasional residents. Jews hat to worship
privately in the Goldschmidt family home from 1650 to 1716, when a synagogue was
opened. A larger synagogue was dedicated in 1755 and Kassel replaced
Witzenhausen as the seat of Hesse-Kassel’s rabbinate in 1772. Mayer Amschel
Rothschild, founder of the banking dynasty, was the landgrave’s trusted
advisor and helped to protect his interests during the short-lived Kingdom of
Westphalia (1807-13). Most other Jews welcomed the arrival of Jerome Bonaparte,
who granted them full civil rights, and the number of Jewish families grew from
55 to 203 (1806-12). Established in Kassel, with Israel Jacobson and R. Loeb
Mayer Berliner at its head, the Westphalian Jewish consistory (1808-13) 'modernized' religious education, published the first German Jewish
periodical (Sulamith), and introduced changes in synagogue worship anticipating
those of Reform Judaism. Once the landgrave returned (as Elector William I),
Jewish emancipation was annulled and the consistory abolished. Religious
radicals who objected to Samuel Levi Josaphat’s election as communal rabbi in
1818 nevertheless chose a Reform rabbi as his successor in 1836. Lazarus Levi
Adler held office for over 30 years (1852-83) and presided at the rabbinical
conference held in Kassel (1868). When he agreed to the installation of an organ
in the synagogue in 1860, Orthodox Jews formed a separate congregation and
eventually dedicated a synagogue of their own in 1898, without seceding from the
main community. To safeguard its educational and economic progress, the
community opened new Jewish schools and developed technical and vocational
training schemes. By 1850 most Jews were self-supporting. After Kassel became
part of Prussia (1866), the civil liberties of the Jews were restored, enabling
them to play a major role in commerce and industry. Numbering 827 (3 % of the
total) in 1827, the community grew to 2,675 (2 %) in 1910. Eminent Jews born
there included the playwright Salomon Hermann Mosenthal (1821-77), whose three
older brothers created the South African mohair industry. Israel Beer Josaphat,
the rabbi’s converted son, moved to London and, as Baron Paul Julius von
Reuter (1816-99), founded the great Reuters news agency. The chemist Ludwig Mond
(1838-1909) also emigrated to Britain, establishing the firm which his son,
Alfred Mond (Lord Melchett), transformed into ICI (Imperial Chemical
Industries). Franz Rosenzweig (1886-1929), whose father was likewise an
industrialist, gained renown as a Bible translator, theologian (The Star of
Redemption, 1921), and organizer of the Freies Juedisches Lehrhaus ('Free
Jewish House of Learning') in Frankfurt (1920). Rebuilt and enlarged
(1890-1907), the main synagogue accommodated 730 worshippers. After World war I,
Jewish refugees from the east (Ostjuden)
augmented the community, which unified its welfare organizations in 1925 in
order to assist the victims of inflation. A local Jewish weekly appeared
(1924-33), and branches of the Central Union (C.V.), Jewish War Veterans
Association, Zionist Organization, Agudat Israel, and various youth (including
sports) movements were established. The German Zionist Organization’s 18th
conference took place in Kassel in 1922, and the Union of German Rabbis also
assembled there under the chairmanship of R. Leo Baeck (1873-1956). Rudolf Hallo
(1896-1933), the art historian, was curator of the State Museum’s Jewish art
department from 1927.
Although
Philipp Scheidemann, the Social-Democratic burgomaster (1920-25), endeavoured
the curb anti-Semitism, the Nazis gained support in Kassel. Their leader, Roland
Freisler, became notorious as head of the 'People’s Court' in Berlin and
two Jewish lawyers who had clashed with him were tortured by the SA after Hitler
came to power in 1933. Of the 2,301 Jews registered in 1933, 1,207 had left (372
emigrating) by 1936. On 7 November 1938 Nazis set fire to the main synagogue,
but firemen extinguished the blaze. Two days later, the Liberal synagogue was
burned down and the Orthodox synagogue’s interior was largely destroyed on Kristallnacht
(9-10 November 1938). Communal records (such as Memorbuch
dating from 1720) escaped damage, but valuable books and hundreds of homes were
looted; 300 Jews (including the Rabbi, Robert Geiss) were sent to the Buchenwald
concentration camp and over 560 left (mostly emigrating to the United States) in
1939. The rest were eventually deported: 470 to the Riga ghetto in 1941, 99 to
the Majdanek concentration camp in 1942, and 323 to the Theresienstadt ghetto in
1942. Most of them perished there. The post-war Jewish community of (East
European) Holocaust survivors opened a modern synagogue center and numbered 106
in 1970.
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