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Friedhöfe in der Region"
Zur Übersicht: Jüdische Friedhöfe in Baden-Württemberg
Weildorf (Stadt Haigerloch,
Zollernalb-Kreis)
Jüdischer Friedhof
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Siehe Seite zur Synagoge in Haigerloch
(interner Link)
Zur Geschichte des Friedhofes
Ihren ersten Friedhof legte die Haigerlocher jüdische Gemeinde vermutlich
schon im
16. Jahrhundert bei Weildorf an (1587 genannt). Der älteste – 1880/1929 noch
festgestellte und damals fotografisch festgehaltene Grabstein – soll aus dem Jahr 1567
stammen (was auf Grund von kunstformalen Kriterien jedoch unsicher ist: eher ist
dieser Stein ins 18. Jahrhundert zu datieren). Im Dreißigjährigen
Krieg hatten die Haigerlocher Juden jedoch die Erlaubnis, ihre Toten in Mühringen
beizusetzen (1629 genannt). Der Friedhof bei Weildorf (Fläche 12,74 a) wurde
zuletzt 1884 belegt. Schon seit 1803 wurden die meisten Beisetzungen aus
Haigerloch auf dem neuen Friedhof
vorgenommen. Beim Friedhof ist eine Hinweistafel zur Geschichte des
Friedhofes und der Haigerlocher Gemeinde angebracht.
Texte zur Friedhofsgeschichte (1880 / 1929)
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Juli 1880: "Der
Friedhof zu Haigerloch. Man schreibt uns aus Haigerloch
(Hohenzollern): Die hiesige israelitische Gemeinde besitzt einen Friedhof
eine Stunde von hier mitten in einem Walde. Derselbe wurde wahrscheinlich
im Mittelalter schon erworben, wo die hier ansässigen, etwa zehn Familien
froh sein mussten, ihre Toten in stiller Waldeinsamkeit Herbergen zu können,
wo sie ungestörter und geschützter lagen, als in der Nähe der Städte.
Auch die benachbarten Ortschaften mussten ihre Toten dahin bringen, wie
Mühringen,
Rexingen,
Nordstetten usw. Indess wird dieser Friedhof schon seit 73
Jahren nicht mehr benutzt. Dem ungeachtet pilgern wir alljährlich nach überkommener
pietätvoller Sitte am Rüsttage zum Neumondstag Ellul dahin und
verrichten die Gebete. Der älteste Grabstein, welcher noch zu entziffern
ist, trägt das Datum: Dienstag, den 12. Kislew (5)327 also 1567; doch
kann man den Namen des Mannes, der darunter ruht, nicht mehr erkennen."
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Artikel
von Gustav Spier, Haigerloch in der "Gemeindezeitung für die israelitischen
Gemeinden Württemberg" Jg. VI,5 vom 1.6.1929 S. 70-72: "Der alte jüdische
Waldfriedhof bei Haigerloch. Das Jüdische Lehrhaus in Stuttgart plant, auf
einem Ausflug die alten jüdischen Friedhöfe zu besichtigen, die am Rande des
Eyachtales - bei Mühringen und Haigerloch - liegen. Nachdem an dieser Stelle
schon über den Friedhof bei Mühringen berichtet wurde, interessiert vielleicht
eine Beschreibung des alten Waldfriedhofes der Gemeinde Haigerloch.
Dieser Bejs Aulom (= Haus der Ewigkeit, eine hebräische Bezeichnung
für Friedhof) liegt fast eine Stunde westlich von Haigerloch. Durch
Weildorf führt der Weg hinaus in den schattigen Wald. Mitten im Forst ist ein
freier Platz, von Tannen umrauscht mit einigen Birken und einer großen Esche
bestanden. Das ist der alte Judenfriedhof. Es ist ein idyllisches Fleckchen
Erde, so recht ein Ort der Ruhe. Aber wir wissen, dass man den Juden diesen Platz
nicht wegen seiner schönen Lage gegeben hat, sondern lediglich wegen seiner
Abgelegenheit wegen.
Wann dieser Friedhof angelegt worden ist, darüber fehlen die Akten. Die
erste Nachricht über das Vorhandensein von Juden in Haigerloch stammt aus dem Jahre
1546, und der älteste erhaltene Grabstein trägt die Jahreszahl 5327 der
jüdischen oder 1567 der bürgerlichen Zeitrechnung. Also scheint der Friedhof
in der Frühzeit der Haigerlocher jüdischen Gemeinde entstanden zu sein.
Aus
den folgenden 200 Jahren ist kein Grabstein vorhanden, sei es, weil man in jenen
Zeiten nur bedeutenden Männern eine "Mazewoh" zu setzen pflegte, sei
es, dass die Steine der Witterung zum Opfer gefallen sind.
Dass der erhaltene
älteste Stein das Grabmal eines angesehenen und gelehrten Mannes ist, verrät
die Inschrift, die in deutsch folgendermaßen lautet:
'Hier ruht
ein geachteter Mann... der Sohn des
Herrn Aharon s.A.
Darob trauert die Erde,
mein Vater, mein Vater, bis untergeht die Erde (?).
Sein Licht leuchtet der Erde.
Er verschied am Dienstag, dem 12. Kislev
5327 nach der abgekürzten Zeitrechnung.
Seine Seele sei eingeflochten in den Bund des Lebens!'
Die erhaltenen Steine beginnen etwa in der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts. Die Familiennamen Weil und Hilb kehren auf ihnen mehrmals wieder.
In der älteren Zeit haben - wie in Bettelheims Berthold-Auerbach-Biographie
berichtet wird - auch die Hechinger Juden ihre Toten hier beisetzen müssen,
weil ihnen ein eigener Friedhof fehlte. Es ist jedoch kein Grabstein mehr
vorhanden, der hiervon zeugt.
Im Jahre 1803 weihte die Haigerlocher Gemeinde ihren
neuen Friedhof, dicht
am Haag (dem Judenviertel) ein. Trotzdem fanden auf dem alten "Guten
Ort" bei Weildorf noch einige Beisetzungen statt. Der Unterrabbiner Raphael
Zivi, der von 1804-1836 in Haigerloch gewirkt hatte, wurde auf seinen
ausdrücklichen Wunsch dort beerdigt, später auch einige seiner Angehörigen,
als letzter Jesajas Zivi im Jahre 1884. Seitdem ist der Begräbnisplatz nur noch
dazu benutzt worden, um unbrauchbar gewordene heilige Bücher zu vergraben.
Leider ist der Friedhof nicht vor Schändungen bewahrt geblieben. Noch
während des Krieges wurden einige neuere Steine von Bubenhand zerschlagen, und
nachdem sie wieder aufgemauert waren, sind sie 1927 ein zweites Mal zertrümmert
worden, leider so, dass eine Wiederherstellung kaum möglich scheint. Von den
ruchlosen Tätern hat man keine Spur gefunden."
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Hinweis zu einer Dokumentation des Friedhofes
Lage der jüdischen Friedhöfe Haigerloch und Weildorf
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Lage der jüdischen Friedhöfe Haigerloch und Weildorf
(durch
Pfeile markiert)
(Topographische Karte aus den 1970er-Jahren) |
Fotos
Neuere Fotos
Ältere Fotos
(Fotos: Hahn, entstanden Mitte der 1980er-Jahre)
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Blick über das Friedhofsgelände |
Reste eines alten Hinweisschildes |
Reste von Grabsteinen |
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Reste von
Grabsteinen |
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
November 2019:
Ein Film zum Friedhof wurde
durch eine Schülergruppe für die Ausstellung in der ehemaligen Synagoge
erstellt und bei der Gedenkstunde zum Novemberpogrom 1938 präsentiert
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Artikel von Thomas Kost
im "Schwarzwälder Boten" vom 10. November 2019:
"Haigerloch. Ein Friedhof voller Geschichte
Wer ihn nicht kennt, hat Mühe ihn zu finden, so versteckt liegt er. Am
Samstag aber, bei der Gedenkfeier zur Reichspogromnacht, stand er im
Mittelpunkt: Der erste Friedhof der Haigerlocher Juden im Wald zwischen
Gruol und Weildorf.
Haigerloch. Über ihn ist jetzt ein mehrminütiger Kurzfilm entstanden,
der bei der Gedenkfeier am Samstag in der Ehemaligen Synagoge Premiere
feierte. Er wird in Zukunft als fester Bestandteil der Ausstellung
'Spurensicherung jüdische Geschichte in Hohenzollern' in einer der
Video-Boxen in der ehemaligen Synagoge gezeigt. Der Film zeigt Mira und
Moritz Bacher sowie Felix Beck, drei Absolventen der Eyachtalschule
Haigerloch, die sich auf den Weg in den Weildorfer Wald begeben und sich
dort vor laufender Kamera Gedanken über den Friedhof, dessen Tote und eine
Jahrhunderte alte jüdische Geschichte machen, die so eng mit ihrer Heimat
Haigerloch verwoben ist. Die Entstehung des Films und die Wahl der drei
Akteure sind kein Zufall. Mira, Moritz und Felix haben im Sommer ihre
Realschul-Abschlussprüfung gemacht und sich bei der fächerübergreifenden
Kompetenzprüfung das komplexe Thema 'Das Zusammenleben zwischen Juden und
Christen im Gebiet Haigerloch' ausgewählt. Das kam Helmut Opferkuch,
Vorsitzender des Gesprächskreises Ehemalige Synagoge zu Ohren. Gemeinsam mit
dem in Stuttgart ansässigen Haus der Geschichte Baden-Württemberg,
entschloss man sich, aus diesem Thema einen Film zu machen. Und so wurden
die Fernseh- und Filmproduktionsgesellschaft 'Bildmanufaktur' in Stuttgart
beauftragt und am 22. August trafen sich die drei jungen Leute mit einem
Team um Regisseur Aaron Hüttemann auf dem jüdischen Friedhof zu etwa
fünfstündigen Dreharbeiten. Was daraus entstanden ist, fanden Mira, Moritz
und Felix als 'ziemlich cool', wie sie im Rahmen der Filmpräsentation
meinten, als sie Helmut Opferkuch zu einer kleinen Interview-Runde vor
versammelter Zuhörerschaft bat. Alle drei fanden, dass man aus einer solchen
Vergangenheit für die Zukunft lernen und für Toleranz und gegen Gewalt und
Rassismus einstehen müsse. Einen speziellen Wunsch hatte Mira Bacher. Man
solle an Bäumen im Wald kleine Orientierungsschilder anbringen, damit man
den Friedhof besser finde. Dieser Idee schloss sich Helmut Opferkuch an.
Auch Rainer Schimpf vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg empfand den
jüdischen Friedhof im Wald als faszinierenden Ort, auf dem das älteste Grab
aus dem Jahr 1567 datiert. Diese Friedhof könne einiges über die
Jahrhunderte alte und damit tiefe Verwurzelung der Juden in Haigerloch
erzählen.
In der Gedenkstunde erinnerte Helmut Opferkuch an den 9. November 1938 und
'die grauenvollen Taten, die sich die Nazis für diese Nacht ausgedacht
hatten.' In Haigerloch waren es etwa 40 SA-Leute aus Sulz und Haigerloch,
die das Innere der Synagoge im Haag verwüsteten. Auch die Wohnung von
Rabbinatsverweser Gustav Spier wurde damals kurz und klein geschlagen und
zwölf jüdische Bürger wurden nach dieser Nacht in 'Schutzhaft' genommen. Da
sich der Attentatsversuch des aus Hermaringen/ Königsbronn bei Heidenheim
stammenden Georg Friedrich Elser am 8. November 1939 auf den im Münchner
Bürgerbräukeller auftretenden Adolf Hitler zum 80. Mal jährte, erinnerte
Opferkuch auch an diesen Widerstandskämpfer. Angesichts des Anschlages auf
die Synagoge in Halle, der NSU-Morde und der Ermordung des hessischen
CDU-Politikers und Regierungspräsidenten Walter Lübcke, mutmaßlich durch
einen Rechtsextremisten, zog der Gesprächskreisvorsitzende eine eher düstere
Bilanz. Antisemitismus, so Opferkuch, sei wieder auf dem Vormarsch und man
erlebe eine sprachliche Verrohung wie lange nicht mehr. Opferkuch: 'Es ist
deshalb unsere Aufgabe, gegen Gewalt, Intoleranz und Rassismus aufzustehen
und für Grundwerte und Toleranz einzustehen.' Umrahmt wurde die Gedenkfeier
von Carlotta Koch und Vanessa Noschka, die auf ihren Geigen einfühlsame
Stücke spielten. Zudem trugen Eva Ehmann, Ida Becker, Lukas Lieten und
Jannis Pfeffer vom Gymnasium Haigerloch ein dreiteiliges Gedicht von Bertolt
Brecht vor. Es ist zwischen 1934 und 1938 entstanden und wirft einen
kritischen Blick auf den Nationalsozialismus und dessen Wurzeln in der
Weimarer Republik."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Artikel von Gustav Spier: Der alte jüdische Friedhof bei
Haigerloch. In: Gemeindezeitung für die israelitischen Gemeinden in
Württemberg. Jg. VI Nr. 5 vom 1.6.1929 S. 70-72.
|
| Klaus Schubert: "Der gute Ort". Die jüdischen Friedhöfe
Haigerlochs. (Hg. Stadt Haigerloch). Haigerloch 1989.
Anm.: Klaus Schubert ist Leiter des Verlages
Medien und Dialog in Haigerloch, auf dessen Publikationsreihe "Orte
jüdischer Kultur" hier gerne hingewiesen wird. |
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