Die zehn Sachkommissionen haben während der dritten Vollversammlung erste Perspektiven ihrer Arbeit gezeigt und ihren Klärungsbedarf vorgestellt. Dabei ging es noch nicht um Entscheidungen oder Abstimmungen, sondern darum den Arbeitsprozess des nächsten halben Jahres abzustimmen und vorzubereiten. Ein roter Faden war, die Kirche stärker vom Einzelnen her zu denken, und sich so zu einem Perspektivwechsel ermutigen zu lassen.
Wir geben hier einen kleinen Einblick in die Diskussion der Vollversammlung. Es handelt sich dabei nicht um Positionen der Synode, über die abgestimmt wurde. Nach der nächsten Vollversammlung im Mai 2015 ist mit „echten“ Zwischenergebnissen zu rechnen.
Perspektivwechsel zu einer dienenden Kirche
Die Sachkommission stellt sich selbstkritisch die Frage: Braucht das Thema Diakonie eine Synode? Und sie gibt sich selbst die herausfordernde Antwort: Das Thema Diakonisches Wirken braucht nur dann eine Synode, wenn es einen Perspektivwechsel gibt.
Die Kommission ist sich sicher: Es braucht den Perspektivwechsel, denn Diakonie kann nicht mehr an einzelne Orte oder Einrichtungen delegiert werden. Diakonie muss eine Grundhaltung in allen Vollzügen werden. Dann verändert sich Kirche grundsätzlich.
Der Perspektivwechsel führt dann zu ganz konkreten Überprüfungen des Handelns: Wie diakonisch sind die Gottesdienste, die Christinnen und Christen feiern? Wie diakonisch ist die Verkündigung? Wie diakonisch sind die Gemeinschaften, die Christinnen und Christen bilden? Für die Sachkommission ist die Forderung nach Inklusion sehr zentral. Dabei geht es darum, dass alle gehört werden und teilhaben können.
Das Wörtchen MIT drückt für die Kommission einen Perspektivwechsel aus: von einer Kirche, die über den Menschen steht und für sie handelt, hin zu einer Kirche, die in all ihrem Handeln mit den Leuten denkt, fühlt, lebt, liebt und leidet.
Einladendes aber nicht vereinnahmendes Christsein
Die Sachkommission 2 hat sich die französische „Mystikerin der Straße“ Madeleine Delbrêl zum Vorbild für ihre Kommissionsarbeit gewählt und lässt sich von ihren spirituellen Impulsen immer wieder inspirieren. Der Vollversammlung der Synode trägt sie dieses Delbrêl-Zitat vor:
„Wir verkünden keine gute Nachricht, weil das Evangelium keine Neuigkeit mehr für uns ist, wir sind daran gewöhnt, es ist für uns eine alte Neuigkeit geworden. Der lebendige Gott ist kein ungeheures, umwerfendes Glück mehr; er ist ein Gesolltes, die Grundierung unseres Daseins. Glück ist veränderliche Zutat am Rande Gottes, der bleibt. Wir geben uns keine Rechenschaft darüber, was Gottes Abwesenheit für uns wäre; so können wir uns auch nicht vorstellen, was sie für die anderen ist. Wenn wir von Gott reden, bereden wir eine Idee, statt eine erhaltene, weiterverschenkte Liebe zu bezeugen. Wir können den Ungläubigen unseren Glauben nicht als eine Befreiung von der Sinnlosigkeit einer Welt ohne Gott verkünden, weil wir die Sinnlosigkeit gar nicht wahrnehmen ...
Wir verkünden Gott wie unser Eigentum, wir verkünden ihn nicht wie das Leben allen Lebens, wie den unmittelbaren Nächsten all dessen was lebt. Wir sind keine Erklärer der ewigen Neuigkeit Gottes, sondern Polemiker, die eine Lebensanschauung verteidigen, welche überdauern soll. Somit wäre es unnütz, anderen nahe genug zu sein, um verstanden zu werden, ihre Sprache zu sprechen, gegenwärtig und wirklich für sie zu sein, falls wir – auch wenn alle diese Bedingungen erfüllt wären – nicht selber zuerst die ganze Botschaft wiedergefunden hätten, die wir empfangen haben und weitergeben müssen.“
In diesem Sinne ist Missionarisch-Sein ist für die Sachkommission 2 keine Aufgabe innerhalb der Kirche, sondern eine Grundhaltung jedes Einzelnen. Jeder Christ ist eingeladen, sich die persönliche Frage zu stellen: „Welcher missionarische Typ bin ich?“
Die Sachkommission sieht ihren Beitrag zur Zukunft der Kirche im Bistum Trier darin, einladendes, aber nicht vereinnahmendes Christsein anzubieten. Dabei sieht sie den Ort der Kirche dort, wo Sehnsüchte der Menschen erwachen, wo echte Begegnungen mit den Menschen möglich werden.
In der Spannung zwischen „weit“ und „nah“
Die alte Pfarrei ist am Ende. Damit will die Sachkommission ernst machen. Es geht auch in dieser Sachkommission um einen
Perspektivwechsel. Nur aus einer grundlegenden Veränderung des Verständnisses von „Pfarrei“ wird sie ihre Aufgabe erfüllen können, Kirche Jesu Christ unter den Mensch zu sein. Pfarrei der Zukunft verabschiedet sich vom Denken in Territorien, also Flächen, und wendet sich hin zur Lebenswelt der Menschen.
Innerhalb eines Spannungsbogens von „weit“ (große Räume umgreifende Zentren) und „nah“ (im Nah- und Lebensraum der Menschen angesiedelte Verantwortlichenteams) wird sich so die Pfarrei der Zukunft gestalten.
In Zentren werden die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Netzwerke aufbauen und das Engagement vieler Gruppen bündeln und unterstützen. Dort kann die Kirche als sichtbare Versammlung erfahren werden.
Vor Ort wird sich Kirche mehr an den Lebensgeschichten und Charismen der Menschen orientieren, sie wird den Nahraum der Leute mitgestalten. Die Kirche wird nach Vorstellungen der Sachkommission weniger Räume zur Versorgung bieten und mehr Ermöglichungsräume schaffen.
Damit will die Kommission mit der Erkenntnis ernst machen, dass Männer und Frauen (und bereits Jungen und Mädchen) heute selbstbestimmt ihren Lebensweg wählen – und dass sie Angebote der Kirche freiwillig annehmen oder nicht annehmen.
Zwischen Volkskirche und dem, was man noch nicht kennt
Die Sachkommission sieht sich mit ihrem Thema auf der einen Seite in der Volkskirche und ihren Ausläufern stehen und hat gleichzeitig das Neue schon im Blick, das man aber noch nicht kennen kann. Diese Spannung prägt die Sachkommission.
Die anlassbezogene Katechese (Taufe, Erstkommunion, Firmung, Ehe) sieht die Sachkommission als Form, die der Volkskirche entstammt und noch wirksam ist. Diese Form der Katechese wird aber immer mehr als Erstverkündigung zu gestalten sein.
Dabei folgt die Sachkommission der Deutung der Individualisierung als Zeichen der Zeit. Im Sinne des sichtbar werdenden „Roten Fadens der Synode“ versucht sie also, bei ihren Ideen und Vorschlägen beim Einzelnen anzusetzen und vom Einzelnen her zu denken. Es geht bei der Katechese im Sinne des biographischen Ansatzes um Zustimmung des Einzelnen und nicht mehr um Zugehörigkeit im Sinne der Volkskirche. Es geht darum, Begegnungsräume zu schaffen und Erfahrungen zu ermöglichen, in denen die Botschaft spürbar wird und ins Wort kommt.
Grundsätzlich geht es der Sachkommission nicht darum, neue katechetische Modelle zu entwickeln, sondern Leitlinien, die katechetisches Arbeiten im beschriebenen Sinne orientieren.
Die Kirche vom Einzelnen und seinen Lebensorten her denken
Die Einmaligkeit des Menschen als Gottes Geschöpf und seine Würde als Einzelner vor Gott ist für die Sachkommission Ausgangspunkt ihrer Überlegungen. Damit bezieht sich die Kommission auf die Individualisierung als Zeichen der Zeit.
Für die kirchliche Praxis hat dies deutliche Konsequenzen. Im Gegensatz zur über Jahrhunderte geltenden Vorstellung, dass der Mensch von der Kirche her zu denken sei und sich in sie einzuordnen habe, weist die Kommission darauf hin, dass die Kirche zukünftig viel stärker von den Einzelnen her zu denken ist. Die Kommission will drei Aufgabenbereiche beschreiben:
zum Glauben einladen, im Glauben begleiten und im Glauben stärken.
Die Kommission hat als besonderen Auftrag, Orte zu beschreiben, an denen der Glaube der Einzelnen gestärkt wird oder auch neu erfahren werden kann. Dabei sind bekannte „Orte“ wie der Religionsunterricht, Kindertageseinrichtungen, Orte der Jugendpastoral zu berücksichtigen und zu profilieren.
Herausfordernd ist aber auch die Suche nach neuen, nach anderen Orten, die den Bedürfnissen der Menschen entsprechen. Auch Orte, die „uns die Sprache verschlagen“, weil an ihnen das Leben bedroht ist, sollen dabei nicht außen vor bleiben.
Was sagt die Kirche?
Was leben die Menschen?
Die Sachkommission verdeutlicht, dass die Lebensweise der Menschen heute und die Bedeutung des Sonntags in der Tradition der Kirche weit auseinander gehen. Daher nähert sie sich dem Thema nicht über die Probleme mit den Sonntagsmessen.
Sie fragt zunächst nach dem, was die Leute heute am Sonntag oder auch am Wochenende feiern. Was gehört zur Sonntagskultur: Familie, Ruhe, Zeit für sich selbst? Das hat sich auch in einer Umfrage der Kommission bestätigt.
Die Sachkommission will eine Feierkultur des Sonntags entwerfen, die die Bedürfnisse des Einzelnen aufgreift. Das Besondere der christlichen Feier des Sonntags, die Eucharistiefeier, ist prägend für das christliche Verständnis des Sonntags und für das Christsein. Wie kann diese besondere Feier, die einen Wert für das Leben der Kirche hat, auch die Sonntagskultur bereichern?
Vor dem Hintergrund der Überlegungen der Sachkommission Zukunft der Pfarrei [SK 3] wird die Frage nach dem Sonntagsgottesdienst und nach anderen Formen, den Sonntag christlich zu feiern, in den nächsten Versammlungen zu diskutieren sein.
Wenn wir den Menschen nahe sein wollen, kommen wir am Gottesdienst nicht vorbei.
Was brauchen die Leute, damit ihr Leben umfassend gelingt? Gemeinschaft, Angenommensein, Ruhe, Trost, Segen, Liebe, Beziehungen, Beziehung zu Gott, ..., trägt die Sachkommission als heilsame Bedürfnisse der Menschen zusammen.
Christliches Beten und Feiern kann diese Wünsche erfüllen. Allerdings nur, wenn sich die Feiern von den Einzelnen und ihren Lebensfragen her gestalten. Dann wird echte Nähe möglich.
Es wird also in der Zukunft mehr darauf ankommen, Räume des Betens und Feierns anzubieten, die den Lebensbedürfnissen der Christinnen und Christen entsprechen, als die Menschen an bestehende Angebote binden zu wollen. Die Sachkommission 7 bezieht sich auf die grundsätzlichen Überlegungen der Sachkommissionen 3, 5 und 8. Ein gottesdienstliches Leben im Nahraum der Leute braucht Vielfalt und biographische Orientierung, wird aber auch von den Charismen der Christinnen und Christen vor Ort abhängig sein.
Von einer aufgabenorientierten zu einer charismenorientierten Kirche
Unter dem Begriff des „Charismas“ ist (so Papst Franziskus) mehr als nur eine besondere persönliche Fähigkeit zu verstehen. Es handele sich vielmehr um ein Geschenk von Gott, das es zum Wohl der Allgemeinheit einzusetzen gelte. Ein Charisma könne die jeweilige Person jedoch nicht allein in sich entdecken; dazu bedürfe es stets auch der Mitmenschen.
(GENERALAUDIENZ AM 1. OKTOBER 2014)
Die Sachkommission stellt der Vollversammlung vier Thesen vor, die den Einstellungswechsel von einer aufgabenorientierten zu einer charismenorientierten Kirche verdeutlichen.
In den Wirren der Struktur Mitbestimmung als Schatz entdecken
Nach der Analyse der Rätestruktur im Bistum Trier stellt sich die Sachkommission die Frage, nach welchen Prinzipien und von welcher Ebene aus die Rätestruktur im Bistum Trier zukünftig zu gestalten ist. Auch wenn die Rätestruktur zunächst verwirrend erscheint, steckt in ihr doch der Schatz der Mitbestimmung, wie sie größtenteils durch die Würzburger Synode in den siebziger Jahren grundgelegt wurde. In ihr konkretisiert sich die Lehre des II. Vatikanischen Konzils vom gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen.
Die Sachkommission markiert wesentliche Spannungsfelder für die folgende Diskussion:
Umbenennung auf der dritten Vollversammlung am 4. Oktober 2014 in:
"Familien in all ihrer Vielfalt in Kirche und Gesellschaft und Geschlechtergerechtigkeit".
Bezüglich des großen Themenfeldes Familie sieht die Sachkommission 10 ebenfalls die Notwendigkeit eines Perspektivenwechsels.
Die Herausforderungen, denen sich Familien in Kirche und Gesellschaft gegenübersehen, verlangen nach der Frage: „Was
braucht Familie?“ bzw. „Was tut der Familie gut?“; es braucht weniger moralische Anfragen oder Urteile. Es sollte nicht darum
gehen, Lebensentwürfe oder deren Scheitern zu bewerten. Die individuelle Lebenssituation anzuerkennen und wert zu schätzen, ist die Grundhaltung, die die Sachkommission 10 wie viele andere Kommissionen betont: auf Menschen zugehen, ihre Anliegen aufnehmen, ihre Lebensentwürfe nicht be- oder gar verurteilen.
Die Debatte lenkt den Blick auf die Bischofssynode nach Rom: kritische Nachfragen nach der Praxis und Lehre der Kirche im Umgang mit geschiedenen und wiederverheirateten Christinnen und Christen sowie mit homosexuell empfindenden Menschen werden auch unter den Bischöfen heftig diskutiert.
Zu dieser Sachkommission trifft die Vollversammlung auch eine Entscheidung: Im Titel der Kommission wird die Formulierung
Wandel der Geschlechterrollen ersetzt durch Geschlechtergerechtigkeit. Es geht der Sachkommission darum zu betonen, dass die Ausgestaltung der Geschlechterrollen Männer wie Frauen betrifft und dass sie gerecht gestaltet werden muss. Die auch in der Debatte zu hörende Frage nach dem Zugang von Frauen zu kirchlichen Ämtern wird im Rahmen eines Forums anlässlich der Synode aufgegriffen.
Im Kontext der Arbeit der SK 10 stand auch eine Koblenzer Vormittags-Veranstaltung - hier der Bericht über "Chancenreich"