Im Oktober 2014 fanden jeweils die dritten Synoden-Vollversammlungen der Synode der Diözese Trier in Saarbrücken und der Provinzsynode der französischen Diözesen Lille, Arras und Cambrai in Merville statt. Beide Synoden haben 2013 begonnen. In meiner Eigenschaft als Gast und Experte wurde mir die Möglichkeit gegeben, die beiden Versammlungen miteinander in einen Dialog zu bringen und auf ihre Gemeinsamkeiten und Besonderheiten hinzuweisen, um so die heute in der Katholischen Kirche wirkenden Synodalität besser zu verstehen.
Der deutsche Bischof (Stephan Ackermann) und die drei französischen Bischöfe (Laurent Ulrich, Lille, François Garnier, Cambrai, Jean-Paul Jaeger, Arras) haben für die Synoden die im Codex des kanonischen Rechts der Kirche vorgesehene Form gewählt. Sie bringen damit zum Ausdruck, dass sie das Volk Gottes ernstnehmen, das voll und ganz eingeladen ist, seine Aufgabe der Beteiligung an Entscheidungen zu übernehmen. Es geht also nicht um einen „Ersatz“, auch wenn dadurch insbesondere auf der Ebene einer Kirchenprovinz, die ein Provinzialkonzil (wie die offizielle Bezeichnung im Codex lautet) abhält, rechtliche Zwänge verursacht werden.
Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich wird die Synode „gefeiert“! Dabei geht es nicht um irgendeine festliche Zusammenkunft oder Parlamentsversammlung: Das gesamte Treffen wird als „angetrieben durch den Heiligen Geist“ (Zeremoniale für die Bischöfe Nr. 1184) erlebt. Die Zeit ist durch die eigentlichen Liturgien (Stundengebete und Eucharistiefeiern) wahrnehmbar strukturiert. Aber auch die Arbeiten in den Kommissionen oder in der Vollversammlung werden als inspirierte Momente wahrgenommen, die aus einer Öffnung für Gott und sein Vorhaben für seine Kirche hier und jetzt leben.
Das mitten in der großen Halle in Saarbrücken aufgestellte „Zelt der Stille“ zeugte vom Primat des Lauschens, des Hörens und des Gebets. Es lud jedes Synodenmitglied ein, in diese innere Haltung einzutreten. In Merville hatte man außer dem üblichen Gebetsraum im Diözesanhaus keinen weiteren besonderen Ort hierfür vorgesehen. Dafür fanden allerdings die Versammlungen am gleichen Ort wie die Liturgiefeiern statt: nämlich in der Kapelle. Diese Einheit des Ortes verdeutlicht klar die spirituelle Dimension des Ereignisses.
Die Art und Weise, die Eucharistie zu feiern ist in jedem Land anders. Bischof Ackermann stand in Saarbrücken allein dem Gottesdienst am Altar vor. Alle anderen Synodenmitglieder (Weihbischöfe, Priester, Diakone, Ordensleute und Laien) bildeten die Gemeinschaft. Die Eucharistiefeier macht damit klar, dass die Synodenmitgliedschaft auf die allen Mitgliedern gemeinsamen Sakramente der Taufe und der Firmung gründet. Ob man nun Mitglied von Rechts wegen, gewähltes oder eingeladenes Mitglied ist: Es geht immer darum, das gemeinsame Priestertum auszuüben. Hierbei ist jedoch wichtig zu wissen, dass die Konzelebration in Deutschland nicht so verbreitet ist wie in Frankreich.
In Merville tragen alle Priester und Diakone Albe und Stola, die Bischöfe noch zusätzlich die Kasel. Dieses „Zeichen“ der Kleriker radikalisiert die Trennung zwischen Klerikern und Laien – und zwar dort, wo die Einheit des Volkes Gottes vor allem in der Taufe ihre Wurzeln hat. Mehr noch: Auch wenn die Wahrnehmbarkeit der Diakone ein starkes Zeichen für den Stellenwert des Dienens (des dienenden Christus) in der Kirche ist, muss doch festgehalten werden, dass so die Gefahr besteht, Verwirrung zu stiften, denn die Diakone (außer demjenigen, der dem Bischof assistiert) feiern nicht anders als die Laien. Aber ließe sich das überhaupt anders handhaben? Wahrscheinlich nicht, denn die Gewohnheiten französischer Liturgiefeiern sind zu etabliert, als dass sie nicht berücksichtigt werden könnten.
Bei vielen Synoden hat man festgestellt, dass das dritte Treffen ein Moment der Ungewissheit, des Wartens, ja der Skepsis darstellt. So war es auch bei der Diözesansynode von Tournai in Belgien (2011-2013). Und so ist es auch bei unseren beiden Synoden. Im Glauben lässt sich dieser Moment als Kairos bezeichnen - ein besonderer Moment, eine Wende in der großen wie in der kleinen Geschichte. Bei den Synoden steht nun ein entscheidender Übergang an, um die Aufgabenstellung der Synode gut zu vollenden.
In Saarbrücken haben die thematisch ausgerichteten Sachkommissionen besonders auf der Grundlage vorhergegangener Beratungen viel gearbeitet. Jetzt wissen sie aber nicht so richtig, wie sie weiterkommen sollen. Einige erwecken den Eindruck, als wären sie auf der Strecke liegengeblieben. Woher nun aber die Impulse nehmen? Vom Bischof? Von der Vollversammlung? Von den Sachkommissionsmitgliedern selbst?
In Merville konzipierte man den Synodenprozess ohne die Beteiligung thematischer Kommissionen. Die jetzt in der Oktober-Vollversammlung verabschiedeten „grundlegenden Ausrichtungen der Synode“ gingen aus den Konsultationen hervor, die dann in den Versammlungen diskutiert und erweitert worden waren. Ausgehend von einer intensiven Einzelarbeit der Synodenmitglieder in diesem Sommer hatte der Lenkungsausschuss die Redaktion der „grundlegenden Ausrichtungen“ übernommen. Es scheint, dass der Übergang hin zu konkreten Vorschlägen der Synode im Norden Frankreichs Schubkraft verliehen hat, gleichzeitig hat die Schwierigkeit, konkrete Vorschläge zu entwickeln, zu tiefen Unsicherheiten bezüglich der Fortsetzung der Arbeit geführt.
In Frankreich bleibt nur noch ein großes Treffen, um die Arbeit im kommenden Januar 2015 abzuschließen. Die Deutschen haben noch zwei [oder drei, denn neben den beiden Vollversammlungen im Mai und Dezember, ist für den 3. bis 5. September eine Versammlung geplant, offen ist noch ob als Vollversammlung oder in einer anderen Form, Anmerkung des Synodensekretariats] Vollversammlungen vor sich, mit einer nächsten im Mai 2015. Den Ausgang eines Prozesses zu erkennen - das gibt Schwung und Kraft. Aber die Aussicht, Orientierungen und Vorschläge zu erarbeiten, die als angemessene Antwort auf die Herausforderungen der neuen Evangelisierung in unserem säkularisierten Europa gelten können, kann Synodenmitglieder und Bischöfe auch lähmen.
Eine Erneuerung aus sich heraus – ohne äußere Zwänge – ist immer sehr schwer für eine Gruppe. Mit anderen Worten: Innovation ist nicht gerade eine Stärke von Institutionen, sind sie doch von Natur aus eher auf Bewahrung bedacht. Ob die deutsche oder die französische Synode, die großen Treffen beider weisen die Tendenz auf, zuerst in Richtung Verbesserung des Bestehenden zu denken: Das, was man bereits vorher machte, besser machen, nur mit weniger Mitteln! So ließe sich die spontane Dynamik der hier beschriebenen Prozesse bezeichnen. Man muss also an sich selbst arbeiten, es braucht Umkehr und ein wirkliches Hören auf das, was der Geist den Kirchen sagt, um die zukünftigen Wege der Verkündigung des Evangeliums zu erkennen. Dazu müssen die unvermeidlichen Entsagungen, die kommen werden, gesucht und erkannt werden. In solchen Fällen gilt aber auch, das es besser ist, diese Entwicklungen vorwegzunehmen und damit vorzubereiten, als sie im letzten Moment hinzunehmen.
In Merville entschied man sich für eine äußerst straff geführte Versammlungsleitung, um in der knappen Zeit der Arbeitsgruppen eine hohe Effizienz sicherzustellen. Das Rederecht in den Vollversammlungen war insofern streng geregelt, als dass jedes Synodenmitglied nur zweimal zuvor angekündigte Wortmeldungen wahrnehmen konnte. Gute Vorbereitung und ein zielführender Redebeitrag waren angesagt.
Die Redezeit in Saarbrücken war auf die Dauer von einer Minute pro Person begrenzt. Die Häufigkeit der Beiträge war allerdings nicht begrenzt - und Einige wussten dies überaus zu nutzen…
Techniken im Dienst der Innovation werden nicht ausreichen, um die Kirche von morgen in einer Diözese zu erfinden. Zum einen bedarf es einer realistischen Einschätzung: Die sich ergänzenden Fähigkeiten der Synodenmitglieder dürften hierzu ihren Beitrag leisten. Zum anderen muss an die „Rezeption“, d.h. die Umsetzung durch diejenigen, die nicht an der Synode teilgenommen haben, gedacht werden.
Denn die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt, dass die Umsetzung eine der größten (um nicht zu sagen, die erste) Herausforderung ist, die Synoden bestehen müssen. Natürlich ist die Arbeit der Synodenmitglieder verankert in ihrem konkreten pastoralen Erleben, aber sie bedarf immer wieder auch der Ausrichtung hin zu einer noch kommenden Fruchtbarkeit mit den anderen Mitgliedern des Volkes Gottes. Sie zu vergessen, das ist ein Freibrief für das Scheitern. Diese „Anderen“ sind auch die nicht katholischen Christen - eine Herausforderung, um die man auf der Synode von Trier mehr weiß als auf der Synode von Nordfrankreich.
Ein Franzose wäre überrascht über die Art und Weise, wie man Synodenmitglieder in Deutschland bezeichnet. Um die Gleichheit aller Mitglieder in ihrer Würde und beim Aufbau des Leibes Christi (wie es das Zweite Vatikanische Konzil in Lumen gentium Nr. 32 erklärt) zu unterstreichen, wird jede/jeder bei der Trierer Synode als Synodale gefolgt vom jeweiligen Eigennamen angesprochen. Dabei ist es gleichgültig, ob man Kleriker, Pater, Schwester, Herr, Professor usw. ist. Alle sind Synodale. Was für ein schönes, schlichtes Zeichen des Volkes Gottes in Synode.
Die Deutschen waren zunächst überrascht über die Kühnheit der drei französischen Bischöfe, sich für vier Millionen Einwohner in ein derartiges supradiözesanes Abenteuer zu stürzen. Und in der Tat: Es darf gestaunt werden. Lässt man einmal die nationalen Plenarsynoden beiseite, ist es seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil erst das siebte Mal weltweit, dass eine Gruppe von Diözesen ein solches Vorhaben angeht.
Über die durchaus legitime Ortsbezogenheit hinaus ist es der gleiche Elan, der die hier genannten Diözesankirchen unter der Leitung ihrer „durch den Heiligen Geist angetriebenen“ Hirten beseelt. Für diejenigen, die das Privileg haben, daran teilhaben zu können, ist es eine sehr tiefe Erfahrung des Leibes Christi, der bereits da ist und den es noch zu schaffen gilt. Es ist aber auch eine große Verantwortung, die die katholischen Gemeinschaften in den vier Diözesen in den kommenden Jahren in die Pflicht nimmt.
Wie ist die Kirche doch so schön, wenn sie ihre Synodalität auf diese Weise entfaltet!