Im fünften Plenum diskutierte die Synode ausführlich die Empfehlungen von vier Sachkommissionen; hier eine kurze Zusammenfassung:
Die Sachkommission stellt der Vollversammlung in Saarbrücken ihre Empfehlungen als „Konzept für eine diakonische Kirchenentwicklung“ vor, dem die „Zeichen der Zeit“ und eine biblisch theologische Vergewisserung zugrunde liegen.
„Diakonie ist für die Sachkommission nicht eine Funktion wie andere in der Kirche, sondern sie ist etwas Grundlegendes wie die Nächstenliebe, sie ist gelebte Nächstenliebe, die alles Handeln in der Kirche bestimmt und bestimmen muss, auf allen Ebenen. Das ist nicht eingeengt auf Einrichtungen; das ist eine Haltung die jede/n einzelne/n von uns bestimmen muss – eine Wertschätzung des Menschen, ein Willkommen, ein an den Rand gehen und entdecken, wer da ist und was der mir dann auch sagt.“
Christinnen und Christen sollen sich also leiten lassen von den Eigenschaften Gottes, „dem Erbarmen: innerlich bewegt sein, mitfühlen, mitleiden, und der Barmherzigkeit: ein Herz haben für Menschen, die in Not geraten sind“.
Über das bereits vorhandene diakonische Engagement des Bistums hinaus geht es bei einer diakonischen Kirchenentwicklung um eine umfassende Haltung, die in alle Bereiche ausstrahlt und vor allem die politische Dimension nicht ausklammern darf, denn „die Armen weisen uns darauf hin, warum sie arm sind. Das haben sich die Kirchen hier im Westen Europas noch nicht getraut: das System wirklich scharf zu kritisieren, das mit dafür verantwortlich ist, dass immer mehr Menschen – der Papst nennt das sehr drastisch – zu Müll gemacht werden, für den Markt nicht mehr gebraucht werden. […] Wir sind immer schon diakonisch unterwegs: wir haben die Caritas, eine starke Caritas, das ist die konkrete Caritas, da sind wir gut drin. In der politischen Caritas und der geistlichen Diakonie, da haben wir große Defizite.“
Die Synodalen diskutieren über die Verbindung zwischen der Diakonie und dem missionarischen Auftrag der Kirche: „Wir wollen kein geistliches Leben, das den Dienst am Menschen ausblendet, den Dienst am Nächsten, den Dienst am Armen. Wir wollen aber auch nicht nur Dienst, der das Geistliche ausblendet.“
Die Sachkommission stellt das Bild des Feuers als Grundlage ihres Tuns in den Mittelpunkt: „Das Feuer entfachen, das uns als Menschen bewegt und drängt, auf andere Menschen zuzugehen, sie zu entzünden, anzustecken. Denn ich bin als Christ, Christin dazu berufen, das, was mir durch die Taufe geschenkt wurde, weiterzugeben und die Menschen zu erreichen dort, wo sie sind.“ Die Sachkommission möchte entsprechend ihrer Patronin Madeleine Delbrêl zu den Menschen gehen, mit ihnen mitgehen und so „in dieser Welt Inseln göttlicher Anwesenheit sein und Gott einen Ort sichern“.
Dabei wird deutlich, dass die Begriffe „Mission“ und „missionieren“ problematisch sein können, weil „wir die tragische Geschichte der Mission nicht benannt haben; wir haben sie eingeschlossen in den Versuch, Mission positiv neu zu formulieren“. Ansonsten kann Mission in den Verdacht der Rekrutierung geraten, dem nur vorgebeugt werden kann, indem „eine klarere Abgrenzung“ zum geschichtlichen Missionsbegriff geschieht.
Mission geschieht in „Begegnung und Beziehung, im aufeinander hören und einander Antwort geben“. Voraussetzung dafür ist es, eine verständliche Sprache zu sprechen.
Die Empfehlungen, die die Sachkommissionen 1 und 2 der Vollversammlung vorgelegt haben, zeigen eine enge Verbindung zwischen missionarisch und diakonisch sein, aber auch einen Unterschied: so gibt es „einen klaren Missionsauftrag: Geht in alle Welt, macht alle Menschen zu meinen Jüngern und tauft sie. Das ist ein Auftrag, dem können wir uns nicht entziehen; der ist auch nicht absichtsfrei und hat ein klares Ziel“. Auch die Diakonie hat einen Auftrag: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst, und geh und handle genauso“. Wird diakonisch und missionarisch zu eng verbunden, entsteht der Verdacht, dass Diakonie strategisch benutzt wird, aber „Diakonie muss immer absichtslos sein“.
Die Idee der Einsetzung von missionarischen Teams, die zusammengesetzt sein sollen aus haupt- und ehrenamtlichen Frauen und Männern, mit dem Auftrag, „zu den Menschen zu gehen, neue und andere Orte von Kirche aufzuspüren, aufzubauen und zu begleiten“, erhält neben kritischen Anfragen sehr viel Zustimmung.
„Von der Pfarrei in der bisherigen Form Abschied zu nehmen, ist schmerzlich.“ Die Entscheidung, eine neue Gestalt der Pfarrei zu entwerfen, sei auch für die Sachkommission ein Weg der Umkehr gewesen, so die Vorsitzenden. „Wir wollen von der Würde der Getauften ausgehen. Und weil die Menschen heute unterschiedlich sind, differenzierte Lebenswirklichkeiten haben, muss auch die Pfarrei vielfältig sein.“ Herberge und Weggefährtin zu sein, brauche Durchlässigkeit und Beweglichkeit.
In der Diskussion im "Fishbowl" spitzt ein Synodaler zu: „Die Taufwürde haben alle. Und wenn es euch ernst damit ist, muss sich das in der Struktur der Pfarrei und im Leitungshandeln auswirken. Auch wenn ihr das wollt, geht ihr noch stark von Aktionen aus, von dem, was alles geregelt sein muss, wer für was zuständig sein muss.“
Die von der Sachkommission vorgeschlagene neue Gestalt sieht eine deutlich geringere Anzahl von Pfarreien vor. Die Pfarrei wäre dann der Rahmen, in dem vielfältige Formen des christlichen Lebens möglich sind: orientiert an den lokalen Gegebenheiten und Bedürfnissen. Ein Pfarrort sichere aber auch hier die Kontinuität an pastoraler Versorgung. Die vielfältigen Orte kirchlichen Lebens bilden ein Netzwerk durch verbindliche Kommunikation.
Viele Menschen erwarteten von der Pfarrei eine Dienstleistung bei Taufe, Hochzeit, Beerdigung, werfen einige Synodale ein und sehen das in dem neuen Konzept, das stark auf ehrenamtliches Engagement aufbaut, gefährdet: „Pfarrei wurde gegründet, damit Menschen sicher Grundbedürfnisse des religiösen Lebens abfragen können. […] Bei 60 Pfarreien im Bistum – und diese Zahl wurde ja genannt, hieße das für die Situation unserer Pfarrei, dass sie sich zukünftig über zwei Mittelgebirge und einen Fluss erstreckt.“
Heiß diskutiert wird auch die Rolle des Pfarrers, wie sie das Konzept vorsieht: Der Pfarrer soll in seinen Leitungsfunktionen stärker in ein Team eingebunden sein. „Sind die großen Räumen und die veränderte Rolle noch lebenswert für mich als Priester?“, fragen die einen. „Ich stehe für das Konzept, weil ich so näher an das rankomme, was ich als Priester sein will“, meinen die anderen.
„Die Kirche geht aus sich heraus. Sie geht an Orte, an denen Menschen sind, und sucht Gelegenheiten, wo Menschen zusammenkommen.“ Kirche soll dazwischen sein, wo Leute sind, so der Vorsitzende der Kommission, unter den Menschen sein: interessiert an deren Leben. „Wichtig ist dabei Gottvertrauen und Nächstenliebe, die Bereitschaft zu geben und die Bereitschaft zu empfangen.“ Aus dieser Nähe zu den Menschen an vielen Orten könne Kirche sich vom Einzelnen her aufbauen. In den größeren pastoralen Räumen soll es darum gehen, christliches Leben von den Lebenswelten der Menschen her zu entwickeln und dabei motiviert von der Gegenwart Gottes neue Formen und Projekte zu wagen.
Die Empfehlungen der Kommission dienen dazu, die neue Gestalt der Pfarrei, die die Sachkommission 3 beschrieben hat, mit Leben zu füllen, so der Vorsitzende. „Das kann zu neuen Formen, zu neuen Projekten führen, wo Getaufte experimentell nach neuen ‚Kirchwelten‘ suchen, z. B. auch in der Arbeitswelt.“
Die Kommission wird in ihrer Bewegung, neue Orte zu suchen und sich hinauszuwagen, von vielen Synodalen unterstützt. Kritisch wird die Betonung bewährter Orte gesehen, worunter die Kommission viele bereits bestehende Einrichtungen zusammengestellt hat. Ohne die Existenz und die Qualität dieser Arbeit in Frage stellen zu wollen, sehen viele Synodale den Schwerpunkt des Engagements zukünftig an neuen Orten, die eher dort zu suchen sind, wo sich Leute heute einfinden und „wo wir uns als Kirche auch schon mal komisch vorkommen“. Statt den bunten Blumenstrauß der vielen schon gut ausgestatteten kirchlichen Einrichtungen und Engagementfeldern noch zu vergrößern sei es wichtiger, sich auf die neuen Orte zu konzentrieren. „Wir sollten diese alten Orte nicht besonders hervorheben, sondern Kraft entwickeln, um an neue Orte zu gehen.“