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Bad Hönningen (Kreis
Neuwied)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Bad Hönningen bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/42.
Bereits im Mittelalter werden Juden in Hönningen (damals Hohingen) genannt (1297 und
1316). 1297 überließ Adolf von Nassau dem Ortsherren Gerlach von
Isenburg die Einkünfte der Juden am Ort gegen eine Schuld von 200 Mark Kölner
Pfennige. 1316 belehnte König Ludwig der Bayer Gerlachs Sohn Theoderich
mit dem Königshaus in Sinzig und den Einkünften von 12 Hönninger Juden.
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in das 17./18. Jahrhundert
zurück. Seit 1654 werden wieder jüdische Einwohner in Hönningen
genannt. In diesem Jahr wird in einer Arenfelser Kellnereirechnung quittiert:
"Von vier Hönninger Juden wegen Gleidtsgeld (sc. Schutzgeld)
empfangen = 13 Reichthaler 76 Albus". Auch 1697 werden Juden am Ort
genannt.
Im 18. Jahrhundert nahm die Zahl der jüdischen Familien am Ort zu. 1708
wird der Kameraljude Seligmann von Hönningen genannt, der damals um eine
Steuerermäßigung nachsuchte. Hintergrund des Gesuches war, dass die Hönninger
Juden bis etwa 1690 jährlich 6 Rthlr an Steuern zu zahlen hatten, von da ab 9
Rthlr. 1718
beschwerten sich die Hönninger beim Landesherrn darüber, dass sich die Zahl
der Hönninger Juden (gemeint jüdischen Familien) von drei bis vier "wie
seit langem üblich durch das Einschleichen weiterer Juden" auf mehr als
acht vermehrt habe. Ein besonderer Ärger war für manche Hönninger Christen,
dass der Jude Jacob in der Kirchgasse wohnte, "wo alle Prozessionen vorbey
gehen, auch vor seiner Tur allte Toten niedergesetzt werden, bis sie von Herrn
Pastoren zum Begraben (auf dem bei der Kirche liegenden Friedhof) abgenommen
werden". Kurfürst Franz Ludwig bestimmte, dass nur die vier ältesten
Juden in Hönningen bleiben dürften, die anderen seien auszuweisen. Unter den
damaligen jüdischen Einwohnern wird u.a. Jud Daniel genannt, der als
Viehhändler und Metzger tätig war. Der Steuersatz betrug um 1746 7 Rthlr
12 Alb.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1812 25 jüdische Einwohner, 1816 39, 1822 46, 1856 30 (in sechs Haushaltungen),
1862 37, 1895 22. 1816 werden alle jüdischen Familienvorstände als
"Händler" bezeichnet.
An Einrichtungen bestand eine Synagoge (Betraum, s.u.) und eine jüdische
Schule (Religionsschule, 1879 7 schulpflichtige jüdische Kinder am Ort). Zeitweise wird
auch ein jüdischer Lehrer genannt: 1816 war David Wolf Lehrer der
jüdischen Kinder in Hönningen. Die Toten der
Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in
Rheinbrohl beigesetzt.
1925 und 1933 wurden noch 18 jüdische Einwohner gezählt. Einige
von ihnen sind in den folgenden Jahren auf Grund der Folgendes wirtschaftlichen
Boykotts, der zunehmenden Repressalien und der Entrechtung vom Ort verzogen oder
ausgewandert. 1938 und 1940 wurden jedoch noch jeweils 15 jüdische Einwohner am
Ort gezählt. Im Juli 1942 sind die letzten von ihnen aus Hönningen deportiert
worden.
Von den in Bad Hönningen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"; Ergänzungen auf Grund der
Recherchen zur Stolperstein-Verlegung 2024 s.u.): Günther Heymann (1925),
Henriette Heymann geb. Jakobsohn (1896), Wilhelm Isidor Heymann (1892),
Ernestine (Esther) Gertrud Jacobsohn
geb. Neumann (1864), Hedwig Jakobsohn geb. Goldschmitt (1906), Helmut Jakobsohn
(1931), Ilse Jakobsohn (1936), Max Jakobsohn (1897), Samson Jakobsohn (1869), Franziska Jungblut geb. Wolf (1903), Regina Lazarus geb.
Levy (1862), Johanna Rubinstein geb. Wolf (1910), Paul Rubinstein (1908), Abraham Wolf (1866), Flora
Wolf geb. Friedmann (1873), Johanna Wolf (1868).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der jüdischen Gemeinde in Bad Hönningen
Über die "Judenordnung" des
Erzbistums Trier von 1717 und die Nennung jüdische Familien in Hönningen 1697 (Artikel von 1933)
Aus einem
längeren Artikel von Adolf Kober über "Eine Kurtrierer 'Jüdisch Ceremonial
Verordnung' aus der Wende des 17. und 18. Jahrhunderts' in "Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des
Judentums" 1933 Heft 2 S. 103: "Die Judenordnung, genannt 'Ceremonial-Verordnung',
die hiermit im folgenden veröffentlicht wird, betrifft nicht die
Judengemeinde einer einzelnen Stadt, sondern die des Erzbistums Trier. Sie
ist in mehreren Judenlandtagen, die zwischen 1691 und 1717 stattfanden,
beschlossen und der größere Teil derselben im Jahre 1717 zu Neumagen
festgesetzt worden und vermutlich ursprünglich in deutscher Sprache mit
hebräischen Schriftzeichen geschrieben. Diese Judenordnung aber wird erst
verständlich, wenn wir die Lage der Juden im Erzstift Trier um die Wende des
17. und 18. Jahrhunderts vorher kurz schildern. Es wohnten um 1700 im Ober-
und Niedererzstift 160 Familien und außerdem einige Kameraljuden, die ihre
Abgaben an den Kurfürsten direkt zahlten - als 'Kameralorte' werden im Jahre
1697 Kruft, Hönningen,
Rheinbrohl, im Jahre 1716 außerdem
Sayn,
Herschbach, Osann,
Monzel, Amt S. Maximin,
genannt. Die Juden des Erzstifts bildeten einen 'Corpus' und lebten auf
Grund der Judenordnung vom 17. Januar 1681, die ihnen der Erzbischof und
Kurfürst Johann Hugo gegeben hatte und in deren 20 Paragraphen ihr
Verhältnis zur Obrigkeit geregelt war. Sie unterschied sich nicht viel von
den Judenordnungen, die vorausgegangen waren, denen vom Jahre 1618, 1624,
1670." |
Es gibt bei 27 jüdischen Einwohnern
7 schulpflichtige Kinder in Hönningen (1879)
Aus einem Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Februar
1879: "Der Bericht aus Linz am Rhein. II.
Der wackere Vorstand der Synagogen-Gemeinde zu
Linz, insonders dessen Vorsitzender Herr Marx Meyer hat auf unsere
Veranlassung Erhebnungen in seinen nächsten Kreisen gemacht. Dieselben
ergaben: aus dem Kreise Neuwied:
Rheinbrohl mit 31 jüdischen Einwohnern und 9 schulpflichtigen Kindern;
Hönningen mit 27 jüdischen Einwohnern und 7 schulpflichtigen Kindern; ..." |
Das Thermalschwimmbad ist für Juden
geschlossen (1935)
Artikel in "Der Israelit" vom 15. August 1935: "Neue
Bädersperren für Juden.
Berlin, 12. August. ... Im städtischen Freibad zu Bielefeld ist mit
Verordnung des stellvertretenden Bürgermeisters den Juden der Zutritt
verboten. Ebenso hat die Polizeiverwaltung in Bad Hönningen das
Betreten des Thermalschwimmbades verboten. Mit sofortiger Wirkung wurde das
Schwanseebad in Weimar für Juden
geschlossen." |
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Artikel in "Jüdische Rundschau" vom 16. August 1935: "Die
Polizeiverwaltung von Bad Hönningen hat den Juden das Betreten des
Thermalschwimmbades verboten."
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Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige von Josephine Levy (1896)
Anzeige in "Der Israelit" vom 24. Februar 1896: "Ein
junges israelitisches Mädchen, aus anständiger Familie, welches die
bürgerliche Küche versteht, sucht zum 15. April Stellung in einem besseren
Hause für Küche und Hausarbeit.
Offerten erbeten an Josephine Levy,
Hönningen am Rhein."
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Verlobungsanzeige von Bertha Sommer
und Arthur Benjamin (1924)
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 22. Mai 1924:
"Bertha Sommer - Arthur Benjamin
Verlobte
Bad Kreuznach
Hönningen am Rhein." |
Hochzeitsanzeige von Max
Sommer und Carla geb. Jacobsohn (1927)
Anzeige im "Israelitischen Familienblatt" vom 11. August 1927: "Statt
Karten.
Max Sommer - Carla Sommer geb. Jacobsohn
Vermählte
Zülpich im Rheinland Hönningen am Rhein
Trauung: Sonntag, den 14. August, 1 Uhr, Rheinland-Loge, Köln." |
Zur Geschichte der Synagoge
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (vermutlich seit
den 1820/30er-Jahren) war ein Betraum im Haus der Witwe Salomon Samson
vorhanden, in dem 30 Personen Platz fanden.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde ein neuer Betraum im Haus der
Familie Isidor Levy in der Hauptstraße/Eck Schulheißgasse eingerichtet.
Der Betraum wurde bis zum Novemberpogrom 1938 verwendet. Am 10. November
1938 wurde der Betraum von fünf oder sechs Hönninger Männern geschändet und
völlig verwüstet. Betstühle und Einrichtungsgegenstände wurden auf die
Straße geworfen. Nach der Zerstörung wurde der Betraum vermutlich alsbald
zwangsverkauft und als Wohnraum verwendet.
Adresse/Standort der Synagoge: Ecke
Hauptstraße / Schultheißgasse
Fotos
Es sind noch keine
Fotos zur jüdischen Geschichte in Bad Hönningen vorhanden;
über
Zusendungen oder Hinweise freut sich der Webmaster der "Alemannia
Judaica"; Adresse siehe Eingangsseite. |
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Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte
Juni 2024:
In Bad Hönningen werden
"Stolpersteine" verlegt |
Artikel von Wolfgang Tischler im "NR-Kurier"
vom 25. Juni 2024: BAD HÖNNINGEN. Elf Stolpersteine in Bad Hönningen verlegt
"Stolpersteine" ist ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig und soll an das
Schicksal der Menschen erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus
ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. In Bad
Hönningen wurden am Morgen des 25. Juni die ersten elf Stolpersteine in der
Bischof-Stradmann-Straße 9 (ehem. Kaiser-Wilhelm-Straße 9) und in Neustraße 24 verlegt.
Bad Hönningen. Stadtbürgermeister Reiner W. Schmitz erinnerte am Ort der
Steinverlegung, dass vor rund 82 Jahren Menschen "von hier unbekannt
verzogen", wie es die Nazibürokratie zynisch bezeichnete. Also ihre letzte
Reise antraten, um in die KZ Theresienstadt, Auschwitz oder Treblinka
deportiert, und kurze Zeit später mit einer kaum vorstellbaren
Menschenverachtung ermordet zu werden.
Die Steine tragen die nachfolgenden Inschriften: Verlegestelle:
Bischof-Stradmann-Str. 9 (ehemals Kaiser-Wilhelmstraße)
Hier wohnte Ernestine Jakobsohn geb. Neumann, Jahrgang 1865, deportiert 1942
Theresienstadt, ermordet 16.8.1942.
Hier wohnte Samson Jakobsohn, Jahrgang 1869, gedemütigt und entrechtet, tot
7.12.1939.
Hier wohnte Max Jakobsohn, Jahrgang 1897, deportiert 1942 Auschwitz,
ermordet 31.7.1942.
Hier wohnte Hedwig Jakobsohn geb. Goldschmitt, Jahrgang 1906, deportiert
1942 Auschwitz, ermordet 31.7.1942.
Hier wohnte Helmut Jakobsohn, Jahrgang 1931, deportiert 1942 Auschwitz,
ermordet 31.7.1942.
Hier wohnte Ilse Jakobsohn, Jahrgang 1936, deportiert 1942 Auschwitz,
ermordet 31.7.1942.
Hier wohnte Wilhelm Isidor Heymann, Jahrgang 1892, deportiert 1942
Auschwitz, ermordet
Hier wohnte Henriette Heymann geb. Jakobsohn, Jahrgang 1896, deportiert 1942
Auschwitz, ermordet 31.7.1942.
Hier wohnte Günther Heymann, Jahrgang 1925, deportiert 1942 Auschwitz,
ermordet.
Neustrasse 24. Hier wohnte Abraham Wolf, Jahrgang 1866, deportiert
1942 Theresienstadt, 1942 Treblinka, ermordet.
Hier wohnte Johanna Wolf, Jahrgang 1868, deportiert 1942 Theresienstadt,
ermordet 12.6.1943.
Bürgermeister Schmitz ließ die letzten Jahre der Deportierten kurz Revue
passieren. "Wir vermögen uns nicht vorzustellen, wie die geplagten jüdischen
Familien die Zeit ab November 1938 bis zu Deportation verbrachten. Sie waren
mehr oder weniger zu Hausarrest verdammt. Raus durften sie nur zum Einkaufen
in festgelegte Läden." Viele Menschen sollen nach dem Willen des Stadtrates
mit der Verlegung der Steine zum Nachdenken und Gedenken angeregt werden,
damit sich Geschichte nicht wiederholt. Gerade unter dem Blickwinkel der
Ergebnisse der jüngsten Wahlen. Nie wieder ist jetzt! "Elf Steine - elf
Namen - elf Menschen - elf Schicksale."
Link zum Artikel |
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Artikel in "Blick-Aktuell" vom 1. Juli 2024:
"Stolpersteine in Bad Hönningen verlegt. Erinnerung an ermordete
Mitglieder dreier jüdischer Familien
Bad Hönningen. Der Künstler Gunter Demnig verlegte am 25. Juni
sogenannte Stolpersteine in den Gehwegen vor den Eingängen der Häuser
Bischof-Stradmann-Straße 9 und Neustraße 24. Mitte 2020 stimmte der Stadtrat
einem Antrag aller im Rat vertretenen Fraktionen zur Verlegung der
Stolpersteine zu. Mit ihnen wird der Mitglieder der Familie Wolf (Neustraße)
sowie der Familien Jakobsohn und Heymann (Bischof-Stradmann-Straße, ehemals
Kaiser-Wilhelm-Straße) gedacht, die 1942 und 1943 aus ihrer Bad Hönninger
Heimat deportiert und 1942 und 1943 in den Konzentrationslagern Auschwitz,
Treblinka und Theresienstadt ermordet wurden. Im September soll die
Verlegung der nächsten elf Stolpersteine in Bad Hönningen erfolgen.
Steine mit Messingplatten gegen das Vergessen. 'Ein Mensch ist erst
vergessen, wenn sein Name vergessen ist', zitiert Demnig den Talmud, das
'Lehrbuch des Judentums', in dem die Texte der jüdischen Bibel erläutert
werden. Gegen dieses Vergessen richtet sich das inzwischen größte
Flächendenkmal Europas. Mitte der Neunzigerjahre begann der 1947 geborene
und in Berlin aufgewachsene Künstler Gunter Demnig mit der Verlegung der
inzwischen deutschland- und europaweit als Markenbegriff geschützten
Stolpersteine. Es sind Gehwegsteine mit 10 x 10 cm Kantenlänge, die eine
gravierte und polierte Messingplatte als Haube besitzen, die mit dem Stein
nahezu unlösbar verbunden ist. Auf dieser Platte finden sich der Name
desjenigen, der in dem Haus, vor dem der Stein verlegt wird, einst wohnte,
sein Geburtsdatum sowie in der Regel das Datum der Deportation und das Datum
und der Ort der Ermordung. Demnig will so die Menschen nicht in
Vergessenheit geraten lassen.
'Gedenksteine vor dem Haus sind sehr bedeutsam'. Im Beisein der
Steinpaten, rund 130 Euro kostet ein Stein, den Demnig in inzwischen vier
Werkstätten auf Auftrag produziert und auch verlegt, begrüßte
Stadtbürgermeister Reiner W. Schmitz die der Verlegung beiwohnenden Gäste.
Darunter auch Willi Schüller, der die Geschichte der Familien, für die nun
die Gedenksteine verlegt wurden, historisch aufbereitet und dokumentiert
hat. Sein Urgroßvater war auch Jude; 'er starb vor dem Naziterror, aber sein
Bruder und seine Schwester sind in der Shoa umgekommen', sagt Schüller. Auch
unter den Gästen: die Geschwister Ute Lotzmann und Doris Dixson-Lotzmann.
Ihre Großeltern pachteten zunächst 1938 die Metzgerei von der Familie
Jakobsohn, als diese noch vor Inkrafttreten der 'Verordnung zur Ausschaltung
der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben' den Betrieb, Metzgerei und
Viehhandel, aufgaben. 1941 kauften die Großeltern der Geschwister Lotzmann
dann das Haus in der damaligen Kaiser-Wilhelm-Straße 9 von der Familie
Jakobsohn. 'Unsere Großeltern haben sich gut mit den Jakobsohns verstanden,
die wohnten ja auch noch in dem Haus, als unsere Großeltern die Metzgerei
darin betrieben', sagt Ute Lotzmann zu BLICK aktuell. 'Für uns ist die
Verlegung dieser Gedenksteine vor dem Haus sehr bedeutsam', ergänzt Doris
Dixson-Lotzmann. Es würde an das unerträgliche Schicksal der Menschen
erinnert 'und sie bekommen nun wieder eine Präsenz in der Stadt', so
Dixson-Lotzmann weiter. Beiden Geschwistern war das Schicksal der der
jüdischen Familien aus dem Haus bekannt. Man habe oft in der Familie darüber
gesprochen.
Entrechtet, verschleppt und ermordet. In seiner Ansprache stellte
Reiner W. Schmitz die Menschen vor, denen die Steine gewidmet sind. In der
Bischof-Stradmann-Straße sind dies: Samson Jakobsohn, seine Frau Ernestine,
deren Sohn Max und dessen Frau Hedwig. Während Samson Jakobson, schon
gedemütigt und entrechtet, im Dezember 1939 durch Krankheit starb, wurde
seine Frau im August 1942 in Theresienstadt ermordet. Sein Sohn und seine
Schwiegertochter wurden im KZ Auschwitz im Juli 1942 umgebracht. Als Schmitz
die Kinder von Max und Hedwig erwähnte, brach seine Stimme. Sie fanden den
Tod, wie ihre Eltern auch im Juli 1942, in den Gaskammern Auschwitz‘. Im
Alter von nur sechs (Hedwig) und elf Jahren (Helmut Jakobsohn). Max
Jakobsohns Schwester, Henriette Jakobsohn, verheiratete Heymann, suchte 1939
mit ihrem Mann Wilhelm Isidor Heymann und dem gemeinsamen Sohn Günther von
Recklinghausen aus kommend Zuflucht bei den Eltern in Bad Hönningen. Aber
auch sie wurden deportiert – 'ausgesiedelt', wie es in der zynischen
Amtssprache der 'Richtlinien zur technischen Durchführung der Evakuierung
von Juden aus dem Generalgouvernement' hieß. Auch sie starben. Im Juli 1942
in den Gaskammern von Auschwitz. Die in der Neustraße verlegten Steine sind
dem Ehepaar Abraham und Johanna Wolf gewidmet. Johanna Wolf, deren
stadtbekannte Herzensgüte und Großzügigkeit 1968 ein Zeitungsartikel
gewidmet wurde, war unter dem liebevollen Spitznamen 'Hannchen' bekannt.
Verbandsbürgermeister Jan Ermtraud, auch unter den Gästen bei der Verlegung,
las den seinerzeitigen Artikel von Toni Rüssel vor. Johanna Wolf zu Ehren
wurde eine Straße in Bad Hönningen benannt. Abraham starb 1942 in Treblinka,
Johanna im Juni 1943 in Theresienstadt. Demnig hat inzwischen über 100.000
Stolpersteine in knapp 1.300 Kommunen Deutschlands und 21 Ländern verlegt.
Nun liegen auch elf Steine in den Straßen Bad Hönningens. Für elf Namen von
elf Menschen. Deren elf Schicksale allen Passanten in Erinnerung bleiben
mögen, wünschte sich Reiner W. Schmitz."
Link zum Artikel |
|
September 2024:
Weitere Verlegung von
Stolpersteinen in Bad Hönningen |
Artikel (Pressemitteilung) in "Blick
aktuell" vom 16. September 2024: "Stolpersteine als Dokumente des
jüdischen Lebens in Bad Hönningen. Künstler Gunter Demnig hat 22
Stolpersteine persönlich verlegt
Bad Hönningen. Vor Kurzem hat der Künstler Gunter Demnig die letzten
elf Stolpersteine in Bad Hönningen an der Schmiedgasse 10, der Hauptstraße
123 und 143 verlegt. Bereits im Juni diesen Jahres wurden schon einmal
elf Stolpersteine verlegt an der Bischof-Stradmann-Straße 9 und der
Neustrass 24. Damit haben alle 22 jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger aus
der NS-Zeit vor ihren ehemaligen Häusern und Wohnungen ein steingewordenes
Dokument ihres Lebens in der Stadt dauerhaft erhalten.
Wilhelm Schüller hatte schon seit langem die aufwendige Recherche nach den
letzten jüdischen Hönningerinnen und Hönningern übernommen als vor nunmehr
fünf Jahren der frisch gewählte damalige Stadtbürgermeister Ulrich
Elberskirch zusagte, die ersten 10 Stolpersteine zu finanzieren. Dem hatte
sich sofort Horst Könen angeschlossen sowie im weiteren Verlauf Reiner W.
Schmitz, Wilhelm Schüller, René Achten, Silvia Rott und Lilo Schön. Die
damals im Stadtrat vertretenen Fraktionen haben dann einen gemeinsamen
Antrag auf Verlegung gestellt, der einstimmig angenommen wurde. Anlässlich
der Verlegung der letzten Stolpersteine in Bad Hönningen, zu der auch alle
Sponsoren gekommen waren, schilderte Wilhelm Schüller kurz die Geschichte
der jüdischen Gemeinde in Bad Hönningen und erinnerte an die einzelnen
Schicksale im Detail, soweit sie bekannt sind: ...
Als ergreifendes Beispiel berichtete Schüller von einer Postkarte des
jüdischen Mitbürger Josef Wolf aus Amerika an die alten Nachbarn Greta und
Christian Lay vom 19. Dez. 1937: 'Lieber Christian und Frau Greta! Von hier
aus senden Euch bei bester Gesundheit viele Grüße was ich auch von Euch
hoffe. Ich habe mich schon ganz gut eingelebt und ist es schade, das ich
nicht vor 10 Jahren hierher bin. Ich wünsche Euch fröhliche Weihnachten und
ein gutes neues Jahr. So schicke ich mit den besten Grüßen Euer alter
Nachbar Josef Wolf'. Auch in Hönningen wurde die Reichskristallnacht
umgesetzt: Am 10. November 1938 ließen die Nazis im gesamten Deutschen Reich
jüdische Geschäfte, jüdische Wohnhäuser, Schulen und Synagogen beschädigen
oder in Brand stecken. In Hönningen wurden unter Aufsicht von Amtspersonen,
incl. des damaligen Bürgermeister Paul Penth, die Metzgerei Wolf in der
Schmiedgasse. 10, die Metzgerei Levy in der Hauptstraße 143 beschädigt,
sowie die Metzgerei Jakobson in der Bischof Stratmann Straße und das Haus
der Familie Wolf in der Neustraße. Der Witwe Flora Wolf wurde in der
Reichskristallnacht durch den braunen Mob eine Geldkassette 'mit der
Fahrkarte für die Ausreise in die USA' gestohlen. Das hat für sie, wie wir
jetzt wissen, den sicheren Tod bedeutet. Wilhelm Schüller bedankte sich am
Ende der Veranstaltung bei allen, die diese Aktion möglich gemacht haben,
bei den Sponsoren, dem Team Stolperstein, dem er selber sowie der ehemalige
Stadtbürgermeister Reiner W., Schmitz und Lilo Schön angehören und bei
Verbandsbürgermeister Jan Ermtraud und der Verbandsgemeindeverwaltung mit
dem Bauhof für die Unterstützung. 'Sie haben mitten unter uns gelebt und
waren Teil unserer Gemeinde. Sie wurden gedemütigt und diskriminiert,
entrechtet und ausgeplündert. Sie wurden vertrieben und ermordet. Ihr
Schicksal verpflichtet uns zu Toleranz und Menschlichkeit. Lasst uns nicht
wegsehen, wenn die böse Saat wieder aufkeimt, sondern wehrt Euch.'"
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 370.
|
| Die sich des Vergangenen nicht erinnern, sind dazu
verurteilt, es noch einmal zu erleben. Dokumentation über den
Nationalsozialismus in Bad Hönningen. Hrsg. von der Friedensinitiative Bad
Hönningen. 1989. |
| Jakob Weiler: Die Verhältnisse der Juden in
Hönningen und Rheinbrohl und ihr Leidensweg im "Dritten Reich".
Bad Hönningen 1997. (Beiträge zur Heimatkunde und Heimatgeschichte Bd.
3). |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 87 (mit weiteren Literaturangaben).
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n.e.
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