Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Bad Hönningen (Kreis Neuwied) 
Jüdische Geschichte / Synagoge 

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der jüdischen Gemeinde in Bad Hönningen 
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen    
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen    
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde                    
         
In Bad Hönningen bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. 
     
Bereits im Mittelalter werden Juden in Hönningen (damals Hohingen) genannt (1297 und 1316). 1297 überließ Adolf von Nassau dem Ortsherren Gerlach von Isenburg die Einkünfte der Juden am Ort gegen eine Schuld von 200 Mark Kölner Pfennige. 1316 belehnte König Ludwig der Bayer Gerlachs Sohn Theoderich mit dem Königshaus in Sinzig und den Einkünften von 12 Hönninger Juden.    
    
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in das 17./18. Jahrhundert zurück. Seit 1654 werden wieder jüdische Einwohner in Hönningen genannt. In diesem Jahr wird in einer Arenfelser Kellnereirechnung quittiert: "Von vier Hönninger Juden wegen Gleidtsgeld (sc. Schutzgeld) empfangen = 13 Reichthaler 76 Albus". Auch 1697 werden Juden am Ort genannt. 
   
Im 18. Jahrhundert nahm die Zahl der jüdischen Familien am Ort zu. 1708 wird der Kameraljude Seligmann von Hönningen genannt, der damals um eine Steuerermäßigung nachsuchte. Hintergrund des Gesuches war, dass die Hönninger Juden bis etwa 1690 jährlich 6 Rthlr an Steuern zu zahlen hatten, von da ab 9 Rthlr. 1718 beschwerten sich die Hönninger beim Landesherrn darüber, dass sich die Zahl der Hönninger Juden (gemeint jüdischen Familien) von drei bis vier "wie seit langem üblich durch das Einschleichen weiterer Juden" auf mehr als acht vermehrt habe. Ein besonderer Ärger war für manche Hönninger Christen, dass der Jude Jacob in der Kirchgasse wohnte, "wo alle Prozessionen vorbey gehen, auch vor seiner Tur allte Toten niedergesetzt werden, bis sie von Herrn Pastoren zum Begraben (auf dem bei der Kirche liegenden Friedhof) abgenommen werden". Kurfürst Franz Ludwig bestimmte, dass nur die vier ältesten Juden in Hönningen bleiben dürften, die anderen seien auszuweisen. Unter den damaligen jüdischen Einwohnern wird u.a. Jud Daniel genannt, der als Viehhändler und Metzger tätig war.  Der Steuersatz betrug um 1746 7 Rthlr 12 Alb.       
  
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1812 25 jüdische Einwohner, 1816 39, 1822 46, 1856 30 (in sechs Haushaltungen), 1862 37, 1895 22. 1816 werden alle jüdischen Familienvorstände als "Händler" bezeichnet.  
  
An Einrichtungen bestand eine Synagoge (Betraum, s.u.) und eine jüdische Schule (Religionsschule, 1879 7 schulpflichtige jüdische Kinder am Ort). Zeitweise wird auch ein jüdischer Lehrer genannt: 1816 war David Wolf Lehrer der jüdischen Kinder in Hönningen. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in Rheinbrohl beigesetzt.    
    
1925 und 1933 wurden noch 18 jüdische Einwohner gezählt. Einige von ihnen sind in den folgenden Jahren auf Grund der Folgendes wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Repressalien und der Entrechtung vom Ort verzogen oder ausgewandert. 1938 und 1940 wurden jedoch noch jeweils 15 jüdische Einwohner am Ort gezählt. Im Juli 1942 sind die letzten von ihnen aus Hönningen deportiert worden.    
       
Von den in Bad Hönningen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"; Ergänzungen auf Grund der Recherchen zur Stolperstein-Verlegung 2024 s.u.): Günther Heymann (1925), Henriette Heymann geb. Jakobsohn (1896), Wilhelm Isidor Heymann (1892), Ernestine (Esther) Gertrud Jacobsohn geb. Neumann (1864), Hedwig Jakobsohn geb. Goldschmitt (1906), Helmut Jakobsohn (1931), Ilse Jakobsohn (1936), Max Jakobsohn (1897), Samson Jakobsohn (1869), Franziska Jungblut geb. Wolf (1903), Regina Lazarus geb. Levy (1862), Johanna Rubinstein geb. Wolf (1910), Paul Rubinstein (1908), Abraham Wolf (1866), Flora Wolf geb. Friedmann (1873), Johanna Wolf (1868).     
   
   
   
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde    
   
Aus der jüdischen Gemeinde in Bad Hönningen      
Über die "Judenordnung" des Erzbistums Trier von 1717 und die Nennung jüdische Familien in Hönningen 1697 (Artikel von 1933)             

Aus einem längeren Artikel von Adolf Kober über "Eine Kurtrierer 'Jüdisch Ceremonial Verordnung' aus der Wende des 17. und 18. Jahrhunderts' in "Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums" 1933 Heft 2  S. 103: "Die Judenordnung, genannt 'Ceremonial-Verordnung', die hiermit im folgenden veröffentlicht wird, betrifft nicht die Judengemeinde einer einzelnen Stadt, sondern die des Erzbistums Trier. Sie ist in mehreren Judenlandtagen, die zwischen 1691 und 1717 stattfanden, beschlossen und der größere Teil derselben im Jahre 1717 zu Neumagen festgesetzt worden und vermutlich ursprünglich in deutscher Sprache mit hebräischen Schriftzeichen geschrieben. Diese Judenordnung aber wird erst verständlich, wenn wir die Lage der Juden im Erzstift Trier um die Wende des 17. und 18. Jahrhunderts vorher kurz schildern. Es wohnten um 1700 im Ober- und Niedererzstift 160 Familien und außerdem einige Kameraljuden, die ihre Abgaben an den Kurfürsten direkt zahlten - als 'Kameralorte' werden im Jahre 1697 Kruft, Hönningen, Rheinbrohl, im Jahre 1716 außerdem Sayn, Herschbach, Osann, Monzel, Amt S. Maximin, genannt. Die Juden des Erzstifts bildeten einen 'Corpus' und lebten auf Grund der Judenordnung vom 17. Januar 1681, die ihnen der Erzbischof und Kurfürst Johann Hugo gegeben hatte und in deren 20 Paragraphen ihr Verhältnis zur Obrigkeit geregelt war. Sie unterschied sich nicht viel von den Judenordnungen, die vorausgegangen waren, denen vom Jahre 1618, 1624, 1670."      

 
Es gibt bei 27 jüdischen Einwohnern 7 schulpflichtige Kinder in Hönningen (1879)          

Aus einem Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Februar 1879: "Der Bericht aus Linz am Rhein.  II.  
Der wackere Vorstand der Synagogen-Gemeinde zu Linz, insonders dessen Vorsitzender Herr Marx Meyer hat auf unsere Veranlassung Erhebnungen in seinen nächsten Kreisen gemacht. Dieselben ergaben: aus dem Kreise Neuwied: Rheinbrohl mit 31 jüdischen Einwohnern und 9 schulpflichtigen Kindern; Hönningen mit 27 jüdischen Einwohnern und 7 schulpflichtigen Kindern; ..."    

    
Das Thermalschwimmbad ist für Juden geschlossen (1935)       

Artikel in "Der Israelit" vom 15. August 1935: "Neue Bädersperren für Juden.
Berlin, 12. August.  ... Im städtischen Freibad zu Bielefeld ist mit Verordnung des stellvertretenden Bürgermeisters den Juden der Zutritt verboten. Ebenso hat die Polizeiverwaltung in Bad Hönningen das Betreten des Thermalschwimmbades verboten. Mit sofortiger Wirkung wurde das Schwanseebad in Weimar für Juden geschlossen."   
 
Artikel in "Jüdische Rundschau" vom 16. August 1935: "Die Polizeiverwaltung von Bad Hönningen hat den Juden das Betreten des Thermalschwimmbades verboten."   

  
  
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen        
Anzeige von Josephine Levy (1896)        

Anzeige in "Der Israelit" vom 24. Februar 1896: "Ein junges israelitisches Mädchen, aus anständiger Familie, welches die bürgerliche Küche versteht, sucht zum 15. April Stellung in einem besseren Hause für Küche und Hausarbeit. 
Offerten erbeten an Josephine Levy,
Hönningen
am Rhein."    

   
Verlobungsanzeige von Bertha Sommer und Arthur Benjamin (1924)               

Anzeige im "Israelitischen Familienblatt" vom 22. Mai 1924:
"Bertha Sommer   -   Arthur Benjamin   
Verlobte
  
Bad Kreuznach   Hönningen am Rhein."   

    
 Hochzeitsanzeige von Max Sommer und Carla geb. Jacobsohn (1927)      

Anzeige im "Israelitischen Familienblatt" vom 11. August 1927: "Statt Karten. 
Max Sommer   -   Carla Sommer geb. Jacobsohn  
Vermählte
  
Zülpich im Rheinland     Hönningen am Rhein  
Trauung: Sonntag, den 14. August, 1 Uhr, Rheinland-Loge, Köln."     

   
   
   
Zur Geschichte der Synagoge               
    
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (vermutlich seit den 1820/30er-Jahren) war ein Betraum im Haus der Witwe Salomon Samson vorhanden, in dem 30 Personen Platz fanden. 
   
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde ein neuer Betraum im Haus der Familie Isidor Levy in der Hauptstraße/Eck Schulheißgasse eingerichtet. 
   
Der Betraum wurde bis zum Novemberpogrom 1938 verwendet. Am 10. November 1938 wurde der Betraum von fünf oder sechs Hönninger Männern geschändet und völlig verwüstet. Betstühle und Einrichtungsgegenstände wurden auf die Straße geworfen. Nach der Zerstörung wurde der Betraum vermutlich alsbald zwangsverkauft und als Wohnraum verwendet.   
    
    
Adresse/Standort der Synagoge      Ecke Hauptstraße / Schultheißgasse     
    
    
Fotos 

Es sind noch keine Fotos zur jüdischen Geschichte in Bad Hönningen vorhanden; 
über Zusendungen oder Hinweise freut sich der Webmaster der "Alemannia Judaica"; Adresse siehe Eingangsseite
 
     

   
   
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte         

Juni 2024: In Bad Hönningen werden "Stolpersteine" verlegt  
Artikel von Wolfgang Tischler im "NR-Kurier" vom 25. Juni 2024: BAD HÖNNINGEN. Elf Stolpersteine in Bad Hönningen verlegt
"Stolpersteine" ist ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig und soll an das Schicksal der Menschen erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. In Bad Hönningen wurden am Morgen des 25. Juni die ersten elf Stolpersteine in der Bischof-Stradmann-Straße 9 (ehem. Kaiser-Wilhelm-Straße 9) und in Neustraße 24 verlegt.
Bad Hönningen. Stadtbürgermeister Reiner W. Schmitz erinnerte am Ort der Steinverlegung, dass vor rund 82 Jahren Menschen "von hier unbekannt verzogen", wie es die Nazibürokratie zynisch bezeichnete. Also ihre letzte Reise antraten, um in die KZ Theresienstadt, Auschwitz oder Treblinka deportiert, und kurze Zeit später mit einer kaum vorstellbaren Menschenverachtung ermordet zu werden.
Die Steine tragen die nachfolgenden Inschriften: Verlegestelle: Bischof-Stradmann-Str. 9 (ehemals Kaiser-Wilhelmstraße)
Hier wohnte Ernestine Jakobsohn geb. Neumann, Jahrgang 1865, deportiert 1942 Theresienstadt, ermordet 16.8.1942.
Hier wohnte Samson Jakobsohn, Jahrgang 1869, gedemütigt und entrechtet, tot 7.12.1939.
Hier wohnte Max Jakobsohn, Jahrgang 1897, deportiert 1942 Auschwitz, ermordet 31.7.1942.
Hier wohnte Hedwig Jakobsohn geb. Goldschmitt, Jahrgang 1906, deportiert 1942 Auschwitz, ermordet 31.7.1942.
Hier wohnte Helmut Jakobsohn, Jahrgang 1931, deportiert 1942 Auschwitz, ermordet 31.7.1942.
Hier wohnte Ilse Jakobsohn, Jahrgang 1936, deportiert 1942 Auschwitz, ermordet 31.7.1942.
Hier wohnte Wilhelm Isidor Heymann, Jahrgang 1892, deportiert 1942 Auschwitz, ermordet
Hier wohnte Henriette Heymann geb. Jakobsohn, Jahrgang 1896, deportiert 1942 Auschwitz, ermordet 31.7.1942.
Hier wohnte Günther Heymann, Jahrgang 1925, deportiert 1942 Auschwitz, ermordet.
Neustrasse 24. Hier wohnte Abraham Wolf, Jahrgang 1866, deportiert 1942 Theresienstadt, 1942 Treblinka, ermordet.
Hier wohnte Johanna Wolf, Jahrgang 1868, deportiert 1942 Theresienstadt, ermordet 12.6.1943.
Bürgermeister Schmitz ließ die letzten Jahre der Deportierten kurz Revue passieren. "Wir vermögen uns nicht vorzustellen, wie die geplagten jüdischen Familien die Zeit ab November 1938 bis zu Deportation verbrachten. Sie waren mehr oder weniger zu Hausarrest verdammt. Raus durften sie nur zum Einkaufen in festgelegte Läden." Viele Menschen sollen nach dem Willen des Stadtrates mit der Verlegung der Steine zum Nachdenken und Gedenken angeregt werden, damit sich Geschichte nicht wiederholt. Gerade unter dem Blickwinkel der Ergebnisse der jüngsten Wahlen. Nie wieder ist jetzt! "Elf Steine - elf Namen - elf Menschen - elf Schicksale."
Link zum Artikel    
 
Artikel in "Blick-Aktuell" vom 1. Juli 2024: "Stolpersteine in Bad Hönningen verlegt. Erinnerung an ermordete Mitglieder dreier jüdischer Familien
Bad Hönningen. Der Künstler Gunter Demnig verlegte am 25. Juni sogenannte Stolpersteine in den Gehwegen vor den Eingängen der Häuser Bischof-Stradmann-Straße 9 und Neustraße 24. Mitte 2020 stimmte der Stadtrat einem Antrag aller im Rat vertretenen Fraktionen zur Verlegung der Stolpersteine zu. Mit ihnen wird der Mitglieder der Familie Wolf (Neustraße) sowie der Familien Jakobsohn und Heymann (Bischof-Stradmann-Straße, ehemals Kaiser-Wilhelm-Straße) gedacht, die 1942 und 1943 aus ihrer Bad Hönninger Heimat deportiert und 1942 und 1943 in den Konzentrationslagern Auschwitz, Treblinka und Theresienstadt ermordet wurden. Im September soll die Verlegung der nächsten elf Stolpersteine in Bad Hönningen erfolgen.
Steine mit Messingplatten gegen das Vergessen. 'Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist', zitiert Demnig den Talmud, das 'Lehrbuch des Judentums', in dem die Texte der jüdischen Bibel erläutert werden. Gegen dieses Vergessen richtet sich das inzwischen größte Flächendenkmal Europas. Mitte der Neunzigerjahre begann der 1947 geborene und in Berlin aufgewachsene Künstler Gunter Demnig mit der Verlegung der inzwischen deutschland- und europaweit als Markenbegriff geschützten Stolpersteine. Es sind Gehwegsteine mit 10 x 10 cm Kantenlänge, die eine gravierte und polierte Messingplatte als Haube besitzen, die mit dem Stein nahezu unlösbar verbunden ist. Auf dieser Platte finden sich der Name desjenigen, der in dem Haus, vor dem der Stein verlegt wird, einst wohnte, sein Geburtsdatum sowie in der Regel das Datum der Deportation und das Datum und der Ort der Ermordung. Demnig will so die Menschen nicht in Vergessenheit geraten lassen.
'Gedenksteine vor dem Haus sind sehr bedeutsam'. Im Beisein der Steinpaten, rund 130 Euro kostet ein Stein, den Demnig in inzwischen vier Werkstätten auf Auftrag produziert und auch verlegt, begrüßte Stadtbürgermeister Reiner W. Schmitz die der Verlegung beiwohnenden Gäste. Darunter auch Willi Schüller, der die Geschichte der Familien, für die nun die Gedenksteine verlegt wurden, historisch aufbereitet und dokumentiert hat. Sein Urgroßvater war auch Jude; 'er starb vor dem Naziterror, aber sein Bruder und seine Schwester sind in der Shoa umgekommen', sagt Schüller. Auch unter den Gästen: die Geschwister Ute Lotzmann und Doris Dixson-Lotzmann. Ihre Großeltern pachteten zunächst 1938 die Metzgerei von der Familie Jakobsohn, als diese noch vor Inkrafttreten der 'Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben' den Betrieb, Metzgerei und Viehhandel, aufgaben. 1941 kauften die Großeltern der Geschwister Lotzmann dann das Haus in der damaligen Kaiser-Wilhelm-Straße 9 von der Familie Jakobsohn. 'Unsere Großeltern haben sich gut mit den Jakobsohns verstanden, die wohnten ja auch noch in dem Haus, als unsere Großeltern die Metzgerei darin betrieben', sagt Ute Lotzmann zu BLICK aktuell. 'Für uns ist die Verlegung dieser Gedenksteine vor dem Haus sehr bedeutsam', ergänzt Doris Dixson-Lotzmann. Es würde an das unerträgliche Schicksal der Menschen erinnert 'und sie bekommen nun wieder eine Präsenz in der Stadt', so Dixson-Lotzmann weiter. Beiden Geschwistern war das Schicksal der der jüdischen Familien aus dem Haus bekannt. Man habe oft in der Familie darüber gesprochen.
Entrechtet, verschleppt und ermordet. In seiner Ansprache stellte Reiner W. Schmitz die Menschen vor, denen die Steine gewidmet sind. In der Bischof-Stradmann-Straße sind dies: Samson Jakobsohn, seine Frau Ernestine, deren Sohn Max und dessen Frau Hedwig. Während Samson Jakobson, schon gedemütigt und entrechtet, im Dezember 1939 durch Krankheit starb, wurde seine Frau im August 1942 in Theresienstadt ermordet. Sein Sohn und seine Schwiegertochter wurden im KZ Auschwitz im Juli 1942 umgebracht. Als Schmitz die Kinder von Max und Hedwig erwähnte, brach seine Stimme. Sie fanden den Tod, wie ihre Eltern auch im Juli 1942, in den Gaskammern Auschwitz‘. Im Alter von nur sechs (Hedwig) und elf Jahren (Helmut Jakobsohn). Max Jakobsohns Schwester, Henriette Jakobsohn, verheiratete Heymann, suchte 1939 mit ihrem Mann Wilhelm Isidor Heymann und dem gemeinsamen Sohn Günther von Recklinghausen aus kommend Zuflucht bei den Eltern in Bad Hönningen. Aber auch sie wurden deportiert – 'ausgesiedelt', wie es in der zynischen Amtssprache der 'Richtlinien zur technischen Durchführung der Evakuierung von Juden aus dem Generalgouvernement' hieß. Auch sie starben. Im Juli 1942 in den Gaskammern von Auschwitz. Die in der Neustraße verlegten Steine sind dem Ehepaar Abraham und Johanna Wolf gewidmet. Johanna Wolf, deren stadtbekannte Herzensgüte und Großzügigkeit 1968 ein Zeitungsartikel gewidmet wurde, war unter dem liebevollen Spitznamen 'Hannchen' bekannt. Verbandsbürgermeister Jan Ermtraud, auch unter den Gästen bei der Verlegung, las den seinerzeitigen Artikel von Toni Rüssel vor. Johanna Wolf zu Ehren wurde eine Straße in Bad Hönningen benannt. Abraham starb 1942 in Treblinka, Johanna im Juni 1943 in Theresienstadt. Demnig hat inzwischen über 100.000 Stolpersteine in knapp 1.300 Kommunen Deutschlands und 21 Ländern verlegt. Nun liegen auch elf Steine in den Straßen Bad Hönningens. Für elf Namen von elf Menschen. Deren elf Schicksale allen Passanten in Erinnerung bleiben mögen, wünschte sich Reiner W. Schmitz."  
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September 2024: Weitere Verlegung von Stolpersteinen in Bad Hönningen  
Artikel (Pressemitteilung) in "Blick aktuell" vom 16. September 2024: "Stolpersteine als Dokumente des jüdischen Lebens in Bad Hönningen. Künstler Gunter Demnig hat 22 Stolpersteine persönlich verlegt
Bad Hönningen. Vor Kurzem hat der Künstler Gunter Demnig die letzten elf Stolpersteine in Bad Hönningen an der Schmiedgasse 10, der Hauptstraße 123 und 143 verlegt. Bereits im Juni diesen Jahres wurden schon einmal elf Stolpersteine verlegt an der Bischof-Stradmann-Straße 9 und der Neustrass 24. Damit haben alle 22 jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger aus der NS-Zeit vor ihren ehemaligen Häusern und Wohnungen ein steingewordenes Dokument ihres Lebens in der Stadt dauerhaft erhalten.
Wilhelm Schüller hatte schon seit langem die aufwendige Recherche nach den letzten jüdischen Hönningerinnen und Hönningern übernommen als vor nunmehr fünf Jahren der frisch gewählte damalige Stadtbürgermeister Ulrich Elberskirch zusagte, die ersten 10 Stolpersteine zu finanzieren. Dem hatte sich sofort Horst Könen angeschlossen sowie im weiteren Verlauf Reiner W. Schmitz, Wilhelm Schüller, René Achten, Silvia Rott und Lilo Schön. Die damals im Stadtrat vertretenen Fraktionen haben dann einen gemeinsamen Antrag auf Verlegung gestellt, der einstimmig angenommen wurde. Anlässlich der Verlegung der letzten Stolpersteine in Bad Hönningen, zu der auch alle Sponsoren gekommen waren, schilderte Wilhelm Schüller kurz die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bad Hönningen und erinnerte an die einzelnen Schicksale im Detail, soweit sie bekannt sind: ...
Als ergreifendes Beispiel berichtete Schüller von einer Postkarte des jüdischen Mitbürger Josef Wolf aus Amerika an die alten Nachbarn Greta und Christian Lay vom 19. Dez. 1937: 'Lieber Christian und Frau Greta! Von hier aus senden Euch bei bester Gesundheit viele Grüße was ich auch von Euch hoffe. Ich habe mich schon ganz gut eingelebt und ist es schade, das ich nicht vor 10 Jahren hierher bin. Ich wünsche Euch fröhliche Weihnachten und ein gutes neues Jahr. So schicke ich mit den besten Grüßen Euer alter Nachbar Josef Wolf'. Auch in Hönningen wurde die Reichskristallnacht umgesetzt: Am 10. November 1938 ließen die Nazis im gesamten Deutschen Reich jüdische Geschäfte, jüdische Wohnhäuser, Schulen und Synagogen beschädigen oder in Brand stecken. In Hönningen wurden unter Aufsicht von Amtspersonen, incl. des damaligen Bürgermeister Paul Penth, die Metzgerei Wolf in der Schmiedgasse. 10, die Metzgerei Levy in der Hauptstraße 143 beschädigt, sowie die Metzgerei Jakobson in der Bischof Stratmann Straße und das Haus der Familie Wolf in der Neustraße. Der Witwe Flora Wolf wurde in der Reichskristallnacht durch den braunen Mob eine Geldkassette 'mit der Fahrkarte für die Ausreise in die USA' gestohlen. Das hat für sie, wie wir jetzt wissen, den sicheren Tod bedeutet. Wilhelm Schüller bedankte sich am Ende der Veranstaltung bei allen, die diese Aktion möglich gemacht haben, bei den Sponsoren, dem Team Stolperstein, dem er selber sowie der ehemalige Stadtbürgermeister Reiner W., Schmitz und Lilo Schön angehören und bei Verbandsbürgermeister Jan Ermtraud und der Verbandsgemeindeverwaltung mit dem Bauhof für die Unterstützung. 'Sie haben mitten unter uns gelebt und waren Teil unserer Gemeinde. Sie wurden gedemütigt und diskriminiert, entrechtet und ausgeplündert. Sie wurden vertrieben und ermordet. Ihr Schicksal verpflichtet uns zu Toleranz und Menschlichkeit. Lasst uns nicht wegsehen, wenn die böse Saat wieder aufkeimt, sondern wehrt Euch.'"
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Links und Literatur

Links: 

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Website der Stadt Bad Hönningen   

Literatur:  

bulletGermania Judaica II,1 S. 370. 
bulletDie sich des Vergangenen nicht erinnern, sind dazu verurteilt, es noch einmal zu erleben. Dokumentation über den Nationalsozialismus in Bad Hönningen. Hrsg. von der Friedensinitiative Bad Hönningen. 1989. 
bulletHoenningen Lit 010.jpg (52624 Byte)Jakob Weiler: Die Verhältnisse der Juden in Hönningen und Rheinbrohl und ihr Leidensweg im "Dritten Reich". Bad Hönningen 1997. (Beiträge zur Heimatkunde und Heimatgeschichte Bd. 3).  
bulletLandesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Mainz 2005. S. 87 (mit weiteren Literaturangaben).  

    
      n.e.                

                   
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Stand: 30. Juni 2020