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in Bad Kissingen
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Bad Kissingen (Kreisstadt)
Allgemeine Berichte zum jüdischen Leben in der Kurstadt zwischen 1860 und
1938
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Bad Kissingen wurden in jüdischen
Periodika gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.
Übersicht:
| Allgemeine Berichte zum jüdischen Leben in der Kurstadt
zwischen 1860 und 1938
- Brief
aus Bad Kissingen - "Die Juden sind gemütliche Leute" (1860)
- Bericht
aus Bad Kissingen - wie der Fastentag am 9. Aw in Bad Kissingen begangen
wird (1897)
- Badebrief aus Bad Kissingen (1903)
- Bericht aus Bad
Kissingen (1903)
- Badebrief
aus Bad Kissingen, u.a. zum Stand der Arbeiten an der Kinderheilstätte
(1904)
- Kissinger Badebrief (1906)
- "Kaftanträger"
(= Ostjuden) sind bei der Kurverwaltung unerwünscht (1911)
- Kissinger
Badebrief - über Rabbiner, Ostjuden, Kurhospiz und Kinderheilstätte (1912)
- Kissinger Badebrief
(I, 1920)
- Kissinger Badebrief
(II, 1920)
- Kissinger Badebrief
- Ausflug nach Bad Brückenau (III, 1920)
- Ergänzendes
zu den "Kissinger Badebriefen" - über das Kurhospiz und das
rituelle Bad (1920)
- Kissinger Badebrief
(von Benas Levy, Berlin; 1920)
- Kissinger
Badebrief (I und II, 1921)
- Kissinger
Badebrief (III und IV, 1921)
- Kissinger
Badebrief - im VI. Brief über "Rabbiner und Oberkantoren" bei der
Kur (V und VI, 1921)
- Kissinger
Badebrief (VII und VIII, 1921)
- Kissinger Badebrief
(IX, 1921)
- "Kissinger
Allerlei" - der Antisemitismus in der Stadt wird zum Hauptthema (I,
1924)
- "Kissinger
Allerlei" mit Schilderung der 50-Jahr-Feier des Kriegervereins und
Gottesdienst in der Synagoge (II, 1924)
- "Kissinger
Allerlei" - das Hakenkreuz kommt auf (III, 1924)
- Kissingen
ist nicht "judenfeindlich" (1924)
- "Frieden
in Baden Kissingen" - die Zeiten haben sich wieder beruhigt (1927)
- Bericht aus Bad
Kissingen - "Momentbilder" (1927)
- Bericht
aus Bad Kissingen - "Momentbilder" (1929)
- Die
Zahl der jüdischen Kurgäste in Bad Kissingen geht zurück (1931)
- Ferienbericht
aus Bad Kissingen (1932)
- Zurückgehende
Zahlen bei den jüdischen Kurgästen und die Auswirkungen (1933 / 1934)
- Allgemeiner
Bericht über Bad Kissingen als Kurort (1934)
- Die
Kureinrichtungen stehen für jüdische Kurgäste (noch) uneingeschränkt zur
Verfügung (1934)
- Die
Zahl der jüdischen Einwohner ist stark zurückgegangen (1937)
- NS-Badevorschriften
für jüdische Kurgäste (1938) |
Allgemeine Berichte und Mitteilungen in chronologischer Reihenfolge
Brief aus Bad Kissingen - "Die Juden sind gemütliche Leute" (1860)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18.
September 1860: "Bad Kissingen, 25. Juli (1860). Die Juden
sind gemütliche Leute. Wer das bezweifelt, gehe in einen Badeort und
er wird sich bald von der Wahrheit dieser Behauptung überzeugen. Wie im
Allgemeinen das Wetter ein Anknüpfungspunkt für die Unterhaltung ist, so
bildet beim Juden die Religion, das Gemeinde- und Schulwesen, die
Synagogenreform und dergleichen mehr den ersten Ring zu gesellschaftlichen
Kette. Leute aus verschiedenen Ländern schließen sich sehr bald, wenn
sie nur sonst ihrem Bildungsgrade nach zusammen taugen, aneinander an.
Vergleicht man die kalten, abgemessenen und steifen Begegnungen anderer
Kurgäste mit dem innigen, freundlichen und freundschaftlichen Verkehre
der Juden, so macht es - man mag sonst denken wie man will, - einen
wohltuenden und erquickenden Eindruck; es ist erfreulich, dass der Jude
bei den Errungenschaften der Neuzeit, bei seiner Bildung und Kenntnis die
Vorzüge der alten Zeit, die Gemütlichkeit und Herzlichkeit nicht
eingebüßt. Mir gereicht es zum innigen Vergnügen, bei so vielen
Männern der mannigfachsten Berufsart aus verschiedenen Gegenden dasselbe
Interesse für dieselbe heilige Sache zu finden. Solche Begegnungen halte
ich aber überdies für höchst belehrend, anregend, der guten Sache
förderlich. Man lernt die Mängel und Vorzüge anderer Einrichtungen
kennen; man tauscht gegenseitig seine Meinung aus; manche Idee wird
angeregt und mit in die Heimat genommen, wo sie verwertet und fruchtbar
gemacht wird.
Ich habe hier einen großen Kreis von intelligenten strebsamen Männern
kennen gelernt, an welche ich stets mit Vergnügen denken werde. In
nähere Beziehung und häufigeren Verkehr trat ich insbesondere zu einem
Manne, der es verdient, besonders genannt zu werden, ein Mann von seltener
Begeisterung für das Judentum, höchst strebsam und wohlwollend, von
gediegenem Charakter, Herr Burchard aus Landberg an der Warthe, durch das
Vertrauen seiner Mitbürger zum Stadtrate seines Wohnortes erwählt und
durch sein gestiftetes Stipendium für jüdische Techniker in Preußen
auch in weiteren Kreisen rühmlich bekannt. Bei dem Anblicke solcher
Männer steigert sich das Vertrauen, dass (hebräisch und deutsch)
Israel nicht verwaist ist; solche unabhängige, denkende und
charakterfeste Männer vermögen in ihrer Umgebung ersprießlich zu
wirken. Durch den genannten Herrn erhielt ich No. 29 dieser Zeitung, in
welcher mich die erste Privatmitteilung aus Baden besonders interessierte.
So wohlwollend nämlich die Absicht des Verfassers zu sein scheint, so hat
mich dennoch der von ihm ausgesprochene Tadel gegen Rabbiner und
Gemeinden, denen er eine gänzliche Untätigkeit bei wichtigen Fragen zum
Vorwurfe macht, übel berührt. Ich liebe es nicht, alles und jedes, was
geschieht, insbesondere so lange eine Angelegenheit noch in der Schwebe
ist und von der Entscheidung der Volksvertretung oder der Behörden
abhängt, vor die Öffentlichkeit zu bringen, denn nciht selten schaden
solche verfrühte Mitteilungen der Sache
selbst." |
Bericht aus Bad Kissingen
- wie der Fastentag am 9. Aw in Bad Kissingen begangen wird (1897)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 16. August 1897: "Bad Kissingen. Es gehört durchaus nicht
zu den Seltenheiten, dass Berichte und Betrachtungen aus den Bädern in
der verschiedensten Form und allerlei Themata behandelnd, den Zeitungen
übersandt werden, denn was hat man wohl in solchen Orten Besseres zu tun,
als auch mitunter zu schreiben. Heute jedoch war es der Fasttag, der
eigentlich in der Lösung einer solchen Aufgabe hinderte und erst der
Abend drückte mir die Feder in die Hand, um eine Schilderung des 9. Aw,
wie solcher hier im Bade begangen wird, für den 'Israelit' zu entwerfen.
Ein jeder weiß es ja, hier in Kissingen ist gerade der Ort, wo das echte
Judentum noch eine feste Stätte hat und wo im Allgemeinen den strengsten
religiösen Anforderungen durch gute Institutionen gewissenhaft Rechnung
getragen wird. Auf diesem Grunde kommen auch sehr viele fromme Jehudim
hierher, sowohl aus dem In- als auch aus dem Auslande. Das sah man auch
gestern Abend bei Beginn des Fasttages, denn da die hiesige nicht sehr
große Synagoge die Beter nicht alle aufnahm, so wurde außerdem noch ein
Privat-Gottesdienst in noch zwei Räumen abgehalten. Jetzt neigt sich der
Tag dem Ende entgegen und mit Beginn des Abends weicht auch allmählich
die obligate Trauer, die um diese Zeit jedes jüdische Herz durchdringt
und die kommenden Stunden sind von jetzt an dem Troste und der freudigen
Erhebung gewidmet. Der Gedanke, dass nach der Religion einstens auch
dieser seit alten Zeiten für die ganze israelitische Nation so ernste
Tag, wo so viele traurigen Ereignisse seit Tausenden von Jahren schon
stattfanden, einmal zu einer Fest- und Wonnezeit werden wird, soll uns
mahnen, auch so zu leben und zu handeln, dass diese erhoffte Zeit recht
bald erscheinen wird. Dann man das Gespenst des Antisemitismus auch hier
und da aus seinem Versteck hervortreten, uns kann es nicht schrecken; wir
wissen, dass auf die finstere Nacht der lichte Morgen kommt. Das ist die
Grundwahrheit unseres nationalen Fasttages, wie solche auch der Prophet in
seinen Schriften verkündigt hat. - Unter den vielen Sehenswürdigkeiten,
die hier die bildende Kunst aus der Gegenwart den Promenierenden im
Kurgarten darbietet, verdient in diesen Blättern ein Tableau
hervorgehoben zu werden, das die Aufmerksamkeit aller Kunstfreunde auf
sich zieht. Es ist dies ein Bild von Kaufmann. Dasselbe stellt einen
betenden Juden in orientalischer Tracht dar, wie derselbe an der Seite
seines Knaben, angetan mit Tallis und T'fillin seine Andacht verrichtet.
Die Schönheit und Wahrheit dieses großartigen Gemäldes lässt sich
nicht beschreiben; ein solches Werk muss man sehen und - bewundern.
Sch." |
Badebrief aus Bad Kissingen
(1903)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. April
1903: "Kissingen, 7. April (1903). (Badebrief). Schon
seit einiger Zeit ist es in diesen Blättern eingeführt, über die
Badeorte Register zu führen, und ihre Vorzüge und Nachteile hier zur
allgemeinen Kenntnis zu bringen. Etwas der letzten Kategorie zu erörtern,
bleibt mir erspart, denn wer fände wohl in unserer blühenden Kurstadt
irgendwelche Missstände? Ganz natürlich ist es daher, dass unser Ort zu
den beliebtesten Badeplätzen Deutschlands gehört, welcher auch von einem
zahlreichen, jüdischen Publikum gerne aufgesucht wird. Die Frequenz ist demgemäss
in den letzten Jahren bedeutend gestiegen. Unter den blühenden Bäumen
des Kurparks kann man den Minenspekulant aus London neben dem
Hopfenhändler aus Nürnberg, den Holzhändler aus Russland neben dem
Frankfurter Börsenmann antreffen. Was diese mannigfachen Gäste aus allen
Teilen Europas hierher zieht, ist neben dem bekannten Renommee der
Heilquellen, auch das der beiden vorzüglichen, jüdischen Restaurants.
Denn unter Leitung des Herrn Rabbiner Dr. Bamberger, der kürzlich
erst hierher kam, und sich als würdiger Sohn seines berühmten Vaters
erwiesen hat, florieren alle Institutionen der jüdischen Gemeinde, und
nicht zum wenigsten die koscheren Hotel-Restaurants. Unter ihnen
verdient, selbst auf die Gefahr hin, dass man den Schreiber dieser Zeilen
der Geschäftsreklame im redaktionellen Teile dieser Blätter bezichtigt,
besonders hervorgehoben zu werden 'Hotel und Pension Herzfeld'.
Schon durch seine vorteilhafte und vornehme Lage in der Maxstraße und
Salinenpromenade, unweit der neuen Synagoge, zeichnet es sich vor den
anderen aus. Das Hotel, welches der Neuzeit entsprechend eingerichtet ist,
ist verbunden mit einem großen, erstklassigen Restaurant. Der Speisesaal
mit anschließender Terrasse liegt inmitten eines hübschen Gartens und
ist die Verköstigung und Bedienung eine tadellose, so dass den
verwöhntesten Ansprüchen Rechnung getragen wird.
Selbstverständlich wird alles 'streng koscher' geführt und ist es nicht
nur gestattet, sondern sogar erwünscht, Einsicht in den Betrieb zu
nehmen, um sich jederzeit betreffs Kaschrus zu überzeugen. Das Hotel ist
das ganze Jahr über geöffnet und werden Kurgäste und Reisende auf das
beste bewirtet.
Wie man nun aus all dem Angeführten leicht ersehen kann, ist hier
reichlich für die Bequemlichkeit und die religiösen Bedürfnisse eines
frommen Juden gesorgt, und der Aufenthalt in Kissingen ist jedem unserer
Glaubensbrüder wärmstens zu empfehlen." |
Bericht aus Bad Kissingen (1903)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 7. September 1903: "Bad Kissingen, 3. September
(1903). Die Saison hat ihren Höhepunkt erreicht, bis jetzt zeigt die
Liste 23.000 und rechnet man auf die stattliche Zahl von 24.000
Badegästen bis Ende dieses Monats. Durch Neueinrichtung kann sowohl
Brunnen getrunken und auch im Aktienbad bis 1. November gebadet werden;
die Herbsttage sind hier im Saalegrund herrlich, an Privatlogis fehlt es
nicht, auch für ganze Familien, für gute Restaurants - streng koscher, im
Hotel Herzfeld, Hotel Ehrenreich und Restaurant Hamburger - ist
bestens gesorgt. Delikatessen und Kolonialwaren bietet Herr Seeligmann,
für Weine und Spirituosen die streng-religiöse Weinhandlung Wittekind
am Kurgarten, welche Original-Weine von Bondi-Mainz und noch
Original-Weine der Palästina-Gesellschaft in Berlin führt. Während der
hohen Feiertage findet in der Neuen Synagoge nach altem Ritus
Festgottesdienst statt, an Herren- und Damenplätzen ist kein Mangel,
sodass man ruhig die Kur fortsetzen kann. Die Verhältnisse der Gemeinde
sind übrigens jetzt die besten, Eintracht und Friede ist nach
zweijährigem Kampfe eingezogen." |
Badebrief aus Bad Kissingen,
u.a. zum Stand der Arbeiten an der Kinderheilstätte (1904)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 4. August 1904: "Badeplaudereien. Kissingen, im
August (1904).
Wer 'ins Bad' geht, sei es nun rein zum Vergnügen und zur Erholung, sei
es, um eine schadhafte Stelle seines lieben 'Ich' wieder reparieren zu
lassen, der lässt gewöhnlich das alltägliche Leben mit seinen Sorgen
und Mühen, seiner Arbeit und seiner Plage für einige Wochen ganz hinter
sich liegen, der will sich einmal über des Lebens Misere hinwegsetzen und
sich als grand seigneur fühlen. Gerade diese Sorglosigkeit, dieses 'in
den Tag hinein leben', dieses Dolce far niente (= süße Nichtstun) soll
ja nach den Aussprüchen der Ärzte ein Hauptfaktor mit sein für erfolgreiche
Anwendung der im Bade geborenen Kurmittel. Wenn ich dennoch gerne Ihrem
Wunsche nachkomme, Ihnen einige Berichte über das diesjähriger Kissinger
Leben und Treiben zu erstatten, so mögen Sie daraus ersehen, dass ich
solches eben nicht für eine 'Arbeit' halte; es ist mir gleichsam ein
Vergnügen, mit meinem besten Freunde 'Israelit', den ich auch hier nicht
missen mag, der übrigens auch im Lesezimmer aufliegt, mich zu unterhalten
und ihm als Äquivalent für seine interessanten Mitteilungen von meinen Erlebnissen
und Erfahrungen zu berichten. Und Neues und Interessantes gibt es in
Kissingen von Jahr zu Jahr immer wieder. Wie die Zahl der Kurgäste von
einer Saison zur anderen bedeutend wächst, so mehren sich auch die
eleganten, neuen Villen und Kurhäuser, so mehren sich auch für den
rituell jüdisch lebenden Kurgast die rituellen Speisegelegenheiten,
allerdings nicht gerade zum Vergnügen der großen, jüdischen Hotels und
Restaurationen, denen durch diese Winkelpensionate unliebsame Konkurrenz
entsteht, ein Umstand, der gerade für die diesjährige Saison umso
schwerer ins Gewicht fällt, als heuer das Fehlen der sonst so zahlreich
erschienenen reichen, russischen Juden ohnedies einen Rückgang der
jüdischen Frequenz in auffallender Weise zeigt. Das jüdische Leben im
Bad hat dagegen nicht gelitten; die regelmäßigen Zusammenkünfte der
U.O.B.B., der Logenbrüder mit ihren Angehörigen, welche nach Anschlag am
schwarzen Brett im Kurgarten abwechselnd in den Lokalitäten der beiden
großen Restaurants, Ehrenreich und Herzfeld, stattfinden, machen sogar
sehr viel Leben. Sollten wohl die angeregten Zusammenkünfte der
Angehörigen der anderen Konfessionen, über welche in den Tagesblättern
in letzter Zeit so viel geschrieben wurde, wie so manches endete auch in
obiger Beziehung auf jüdische 'Quellen' zurückzuführen
sein?
Lässt sich so leicht ein Analogon der Konfessionen konstruieren, so kann
ich Ihnen erfreulicher Weise auch von einem Vorkommnisse berichten,
welches deutlich zeigt, dass auch die königlichen Behörden und die
bayerische Staatsregierung in gerechtem Wohlwollen unseren jüdischen
Kultus analog dem der großen staatlich anerkannten
Religionsgesellschaften behandelt und bewertet wissen wollen. Den
katholischen und protestantischen Geistlichen wurden in Anbetracht der
durch die besonderen Gottesdienste für die Kurfremden bedingten
Mehrleistungen besondere Gratifikationen beziehungsweise Zuschüsse aus
Staatsmitteln bewilligt; in gleicher Weise erhielt auch der Rabbiner einen
solchen Betrag (irre ich nicht, 200 Mark ) zugewiesen. Es ist diese
Tatsache an sich hoch erfreulich und bedeutsam, doch wird sie in Kissingen
von Einheimischen wie Kurfremden nach der Richtung hin viel kritisiert,
dass in unserem jüdischen Kultus doch eigentlich nicht der Rabbiner,
sondern der Kantor den Gottesdienst abhält, diesem also das Honorar für Mehrarbeit
gebühren solle.
Für einen Kurgast erscheint es nicht angebracht, sich in Rechtsfragen und
Kompetenzkonflikte einzulassen, also lassen wir diese Thema und
entschließen wir uns zu einem Spaziergang auf die Saline. Auch auf diesem
Gange erblicken wir die Äußerungen jüdischen Lebens in seiner
schönsten Weise, in der wahren Wohltätigkeit. Etwa in der Mitte
zwischen Kissingen und der Saline, in schönster gesündester Lage an
sanftem Bergeshang, nahe bei dem protestantischen Kinderheim, geht ein
stattlicher Neubau seiner Vollendung entgegen, die 'Israelitische
Kinderheilstätte in Bad Kissingen'. Jahre hindurch wurde von
berufenen Seiten zu Beiträgen für dies zweckmäßige Unternehmen
aufgefordert, reichlich flossen die Gaben und bald dürfte das Werk echt
jüdischer Wohltätigkeit seiner Bestimmung übergeben werden können.
Herr Dr. P. Münz, praktischer Arzt aus Nürnberg, der im Sommer als
Badearzt in Kissingen praktisiert, hat sich durch seine ersprießliche
Tätigkeit für die Kinderheilstätte, deren Entstehung auf seine
Anregungen zurückzuführen ist, bleibende Verdienste erworben. Dass auch
alle anderen jüdischen Ärzte in Kissingen lebhaftes Interesse an dem
Werke nehmen, ist selbstverständlich.
Den Mittelpunkt jüdischen Lebens suchen wir natürlich immer im Gotteshause,
das sich auch stets guten Besuches erfreut. Allerdings schien es ja eine
Zeit lang, als sollte der aus der Gemeinde gebildete Chor, dessen
Leistungen allseitige Anerkennung gefunden hatten, nachdem er bereits in
bedenkliches Wackeln geraten war, bald völlig in sich zusammensinken,
aufhören. Dem Zureden der Kultusverwaltung und dem selbstlosen Eifer des
Kantors Steinberger |
gelang
es wohl, den verfahrenen Wagen wieder ins rechte Geleise zu bringen, ob er
aber nicht bald wieder entgleisen wird? Zu viel Hindernisse liegen auf den
Schienen! ....
Stehen der Entfaltung echt jüdischen Lebens überhaupt in unserer Zeit
viele Hindernisse entgegen, so sind die bedauerlichsten diejenigen, die
wir oder doch einzelne von uns selbst herbeischaffen. Gerade der
internationale Kurort gibt reichlich Gelegenheit, derartige Beobachtungen
zu machen. Trifft man sich früh am Brunnen, so ist in der Regel das
vorhergegangene gestrige Abendessen, sodann die Speiseverhältnisse
überhaupt das zuerst angeschnittene Gesprächsthema. 'Niemand zufrieden'
- das bekannte Gedicht 'Mirza Schaffys' (sc. aserbaidschanischer
Dichter, 1794-1852) könnte im allgemeinen auch als Motto für diesen
Stoff dienen. Scharfe Kritik wird geübt, der Jude klagt über seine
jüdisch-rituelle Pension, der Andersgläubige hat an der Table d'hote
seines Restaurants viel auszusetzen, nur einer lobt und verhimmelt alles:
Der Jude, der trefe (d.h. nicht koscher) speist! Wer lacht
da?
Ein befreundeter christlicher Kurgast zeigte mir einmal, selbst entrüstet
darüber, eine solche jüdische Gesellschaft - und was für Juden - in einer
christlichen Gastenwirtschaft beim Mittagsmahl, und siehe - drei Frauen,
die sich's trefflich munden ließen, hatten, mächtig große Scheitel auf.
Sonderbare Leute! Warum will doch der Jude so vielfach den Juden
verleugnen? Auch unsere jüdischen Badeärzte wissen ein Liedlein davon zu
singen, sind doch ihre Patienten auch verhältnismäßig in geringster
Zahl unter ihren Glaubensgenossen zu suchen! Ich bin durchaus kein
Partikularist und namentlich in Hinsicht auf Kunst und Wissenschaft
vertrete ich absolut den kosmopolitischen Standpunkt, aber ich meine,
gerade in Kissingen liege für den jüdischen Kurgast besondere
Veranlassung vor, einen jüdischen Arzt zu konsultieren; denn da die Kur
in Kissingen vorzugsweise für Magen- und Stoffwechselkrankheiten
indiziert erscheint, ist doch auf die entsprechende Ernährung und Diät
besonderes Gewicht zu legen und der jüdische Arzt ist wohl am besten in
der Lage, Kurvorschriften und religionsgesetzliche Speisevorschriften in
den wünschenswerten Einklang zu bringen. Ich kenne nicht alle jüdischen
Ärzte Kissingens, aber diejenigen, die ich kenne, kann ich warm
empfehlen, so Dr. Rosenau, Dr. Norwitzky, Dr. Wahle, Kgl. Bayrischer
Oberarzt der Reserve und Dr. Bamberger, Sohn des verblichenen Rabbiner M.
L. Bamberger seligen Andenkens, ohne mit dieser Aufzählung andere, mir
unbekannte, zurücksetzen zu wollen.
Der kürzlich von Logenmitgliedern inszenierte Bazar zu Gunsten der
Kinderheilstätte gab übrigens den jüdischen Kurgästen wie ihren
jüdischen Ärzten beste Gelegenheit, sich behufs engerer Fühlungnahme
kennen zu lernen und sowohl aus diesem Grunde als auch wegen des sehr
hübschen pekuniären Erfolge sind derartige Veranstaltungen warm zu
begrüßen.
Wenn im allgemeinen auch der Appetit beim Essen kommen soll - mir ist er
beim Schreiben gekommen und da ich mir in der neu und hübsch etablierten
Frühstücksstube Selig einen kleinen Imbiss gönnen will - man kann dort
nämlich auch noch am Abend ein 'Frühstück' haben - muss ich abbrechen,
vielleicht später mehr! Ben
Jakob." |
Kissinger
Badebrief (1906)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 31. August
1906: " |
|
"Kaftanträger"
(= Ostjuden) sind bei der Kurverwaltung
unerwünscht (1911)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom
29. September 1911: |
Kissinger Badebrief
- über Rabbiner, Ostjuden, Kurhospiz und Kinderheilstätte (1912)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. Juli
1912: |
|
Kissinger Badebrief (I, 1920)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 12. August 1920: |
Kissinger Badebrief (II, 1920)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. August
1920: |
|
|
Kissinger Badebrief
- Ausflug nach Bad Brückenau (III, 1920)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. August
1920: |
|
Ergänzendes zu den "Kissinger Badebriefen" -
über das Kurhospiz und das rituelle Bad (1920)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. September
1920: |
Kissinger Badebrief
(von Benas Levy, Berlin; 1920)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 3. September 1920: |
|
Kissinger Badebrief (I und II, 1921)
Anmerkung: in den Badebriefen von 1921 geht es mehr um allgemeine
Schilderungen - von der angespannten politischen Situation bis zu präzisen
Beschreibungen der Kur in Bad Kissingen in dieser Zeit. Spezifisch Jüdisches
findet sich nur am Rande, stärker jedoch im Brief VI.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 18. August 1921: |
|
Kissinger Badebrief (III und IV, 1921)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. August
1921: |
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Kissinger Badebrief - im VI. Brief über "Rabbiner und Oberkantoren"
bei der Kur (V und VI, 1921)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom |
|
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|
Kissinger
Badebrief (VII und VIII, 1921)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 8. September 1921 |
|
Kissinger
Badebrief (IX, 1921)
Anmerkung: geschildert wird die Rückfahrt von Bad Kissingen nach Frankfurt
über Bad Orb, Gelnhausen, Hanau und Offenbach
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. September
1921: |
|
"Kissinger Allerlei" - der Antisemitismus in der Stadt wird zum
Hauptthema (I, 1924)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Juli
1924: |
|
"Kissinger Allerlei"
- mit Schilderung der 50-Jahr-Feier des Kriegervereins und Gottesdienst in
der Synagoge (II, 1924)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 7. August 1924: |
|
"Kissinger Allerlei"
- das Hakenkreuz kommt auf (III, 1924)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 14. August 1924: |
|
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Kissingen
ist nicht "judenfeindlich" (1924)
Artikel in der "CV-Zeitung" ( Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 24. Juli 1924: "Mehrere Anfragen
betr. Kissingen. Die Behauptung, Bad Kissingen sei judenfeindlich, ist
gänzlich unrichtig..." |
"Frieden in Bad Kissingen"
- die Zeiten haben sich wieder beruhigt (1927)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. August
1927: |
|
|
Bericht aus Bad Kissingen
- "Momentbilder" (1927)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 8. September 1927: |
|
Bericht
aus Bad Kissingen "Momentbilder" (1929)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 15. August 1929: |
|
|
Die Zahl der jüdischen Kurgäste in Bad Kissingen geht
zurück (1931)
Artikel in der "Bayerischen israelitischen Gemeindezeitung"
vom 15. Juni 1931: |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 12. Juni 1931: |
Ferienbericht aus Bad Kissingen (1932)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Mai
1932: |
|
Zurückgehende Zahlen bei den jüdischen Kurgästen und die
Auswirkungen (1933 / 1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Juni
1933: |
|
Artikel in der "Bayerischen israelitischen Gemeindezeitung"
vom 1. Juli 1933: |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Mai 1934:
"Bad Kissingen, 30. April (1934). Man schreibt uns: Zu
denjenigen Kreisen, die durch die Zeitverhältnisse am empfindlichsten in
Mitleidenschaft gezogen sind, gehören vor allem die zahlreichen an den
deutschen Badplätzen tätigen jüdischen Familien, die Badeärzte, die
Hotels, Restaurants, jüdische Kurhäuser und Kaufleute. Und da vermag nur
die Solidarität der Juden diese an den Badeplätzen ansässigen Kreise
vor der völligen Vernichtung zu retten. Es ist daher ein Gebot der
Stunde, dass die kurbedürftige Juden, auch des Auslandes, in erster Linie
die vortrefflichen deutschen Badeplätze aufsuchen und dass andererseits
die Ärzte in der Stadt ihre Patienten, soweit es eben in ihrer Macht
liegt, in deutsche Kurorte verweisen. Es ist, um einen Einwand zu beheben,
vollste Garantie geboten, dass wie in Bad Kissingen, so auch anderwärts
alle Kurgäste, auch die aus dem Ausland, völlig ungestört und in Ruhe
ihrer Kur obliegen könnten. Eine wirkliche Sympathie für die deutschen
Juden kann doch nur darin bestehen, dass die Juden aus dem Inland und
Ausland die deutschen Kurorte aufsuchen und ihre daselbst ansässigen
Glaubensbrüder in ihrer bedrohten Existenz unterstützen!" |
Allgemeiner
Bericht über Bad Kissingen als Kurort (1934)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
April 1934 (in einer Reihe von Berichten über die bayerischen
Kurorte): |
Die
Kureinrichtungen stehen für jüdische Kurgäste noch uneingeschränkt zur
Verfügung (1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
2. August 1934: |
Die Zahl der jüdischen Einwohner ist stark
zurückgegangen (1937)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 18. Februar 1937: |
NS-Badevorschriften für jüdische Kurgäste
(1938)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
19. Mai 1938: |
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Artikel in "Jüdisches Gemeindeblatt für das Gebiet der
Rheinpfalz" vom 1. Juni 1938: |
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