In dem in früheren Jahrhunderten zum Bistum Straßburg gehörenden Benfeld
lebten Juden bereits in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Sie werden
erstmals in einem Schutzbrief vom 22. November 1340 genannt. Als zur Pestzeit
Gerüchte über die Brunnenvergiftung durch die Juden umgingen und das gemeine
Volk ihre Vertilgung forderte, versammelten sich im Januar 1349 der Bischof von
Straßburg, Herren und Abgeordnete der Städte in Benfeld, um wegen der Juden zu
beraten. Obwohl die Juden mehrere Fürsprecher hatten, fand sich keine Mehrheit,
die die Vernichtung der Juden aufhalten konnte. Am 14. Februar 1349 fielen die
Juden von Benfeld der allgemeinen Verfolgung zum Opfer.
Erst seit Ende des 18. Jahrhunderts konnten sich Juden wieder in Benfeld
niederlassen. Zur Neubegründung einer jüdischen Gemeinde kam es 1830. 1836
lebten 236 jüdische Personen in der Stadt, 1861 127, 1870 183, 1887 286, 1900 236, 1905
221, 1910 ca. 200.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule (zeitweise israelitische Volksschule), ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der
zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Zeitweise gab es sowohl einen
Lehrer wie auch einen Kantor. Vor 1883 war einige Jahre in Benfeld der spätere
Oberkantor in Colmar L. Metzger tätig; um 1887/1897 war J. Weil als Lehrer,
zeitgleich S. Schwarz als Kantor tätig. Die Gemeinde gehörte zum
Rabbinatsbezirk Niederehnheim, ab 1910 zu dem von
Fegersheim.
An jüdischen Vereinen gab es (nach dem Statistischen Jahrbuch deutscher
Juden. 17. Jahrgang 1905) einen Wohltätigkeitsverein, einen Gegenseitigen
Unterstützungs-Verein und einen Frauen-Verein.
1936 gehörten 171 Personen
zur jüdischen Gemeinde. Während der NS-Zeit wurden die verbliebenen Juden nach
Südfrankreich deportiert. Über 30 Personen wurden ermordet. Ihre Namen finden
sich auf dem Denkmal im Friedhof.
Von den in Benfeld geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem; ein Teil der Namen steht auch auf einem Denkmal im
Friedhof): Salomon Ackermann (geb. ?), Richard Baehr
(geb. ?), Cecile Bicard geb. Schuhl (1875 oder 1876), Adrienne Bloch (1879),
Alice Bloch geb. Dreyfuss (1903), Marcel Bloch (geb. ?), Henriette Bloch (geb.
?), Susanne Bloch geb. Dreyfuss (1901), Armand Blum (1876), Leon Blum (1878),
Abraham Dreyfuss (1896), Arthur Dreyfuss (geb. ?), Germaine Dreyfuss geb. Meyer
(1903), Agathe Fohlen geb. Becker (1896 oder 1897), Caroline Galliste geb. Jacob
(1884), Jacob Galliste (1885), Rosine Ginsbourger (Gintzburger) geb. Bloch
(1863), Alfred Jaudel (1869), Blanche Kahn (Cahn) geb. Lehmann (1878), Adrienne
Kauffmann (1879), Delphine Kirsch (1907), David Klein (geb. ?), Charles Klein
(1906), David Klein (1869), Erna Klein (1909), Mathilde Klein geb. Hecht (1905),
Helene Klein, Hilma Klein (1932), Ruth Klein (1934), Georges Levi (Levy, 1902),
Louis Löb (1885), Marguerite Loketz geb. Dreyfuss (1881), Elsa Schimkowitz,
Ernest Schimkowitz (1926), Gisa Schimkowitz geb. Grünberg (1912), Gisele
Schimkowitz geb. Brunner, Michel Schimkowitz (geb. ?), Alice Schuhl geb.
Fränkel oder Levy (1875 oder 1876), Andre Schuhl (1879), Cecile Schuhl (1875),
Jeanne Schuhl geb. Roos (1884), Marcel Schuhl (1912), Samuel Schuhl (1881),
Berthe Weill (1906), Colette Weill (1930), Germain Weill (1895), Jeanne Weill
geb. Schwed (1895), Lucien Weill (1877), Marcel (Moise) Weil (1901), Marthe Weil
(1883), Paul Weill (1931), Pauline Weil (1895 oder 1896), Pierre Weil (1885),
Sylvaine Weill (1891), Jeanne Wertheimer (geb. ?), Marthe Weill (geb. ?).
Nach 1945 konnte die Gemeinde wieder
begründet werden. Doch ging die Zahl der Gemeindeglieder von 98 (1953), 75
(1968) auf etwa 20 Personen (um 2000) zurück. Die Synagoge wurde restauriert.
Im Krieg 1870/71 fiel aus Benfeld
Jeidel Sohn (1872)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Februar 1872:
"Französische Soldaten jüdischer Konfession. In Nr. 49 vorigen Jahres haben
wir nach den Archives israélites die Liste der französischen Soldaten
jüdischer Religion während des Krieges 1870/71 aus Lothringen gegeben. Zu
den dort aufgeführten 22 mögen jetzt noch folgende hinzugefügt werden:
.... Jeidel Sohn, aus Benfeld, in der Schlacht bei Gravelotte
gefallen...."
Zum Tod des Oberkantors der
Israelitischen Gemeinde in Colmar L. Metzger, zuvor (vor 1883) Kantor in
Kolbsheim, Sulz und Benfeld (1913)
Artikel in "Das jüdische Blatt" vom 31. Januar 1913: "Colmar.
Soeben geht uns die traurige Kunde vom Ableben des Oberkantors der
Israelitischen Gemeinde in Colmar, Herrn L. Metzger zu. Derselbe hat ein
Alter von 64 Jahren erreicht. In ihm verliert die Gemeinde einen tüchtigen
pflichttreuen Beamten. 30 Jahre lang hat er mit seiner prachtvollen
Tenorstimme den Gottesdienst verschönt, und stets dazu beigetragen, dass der
Besuch der Synagoge ein reger geblieben ist. Aber auch als Mensch hat sich
der Verblichene die Sympathie seiner Mitbürger erworben, ohne Unterschied
des Konfession, durch sein stets zugängliches, entgegenkommendes Wesen,
besonders den Armen gegenüber, für welche er immer ein williges Herz und
offenes Ohr hatte. Im Elsaß-Lothringischen Kantorenverband begleitete der
Verstorbene die Stelle eines zweiten Vorsitzenden. An den früheren Stellen
seiner Wirksamkeit Kolbsheim,
Sulz, Benfeld hat der Verblichene ein ehrendes
Andenken hinterlassen. Der tief betrübten Familie entbieten wir unser tief
gefühltes Beileid."
Artikel in "Das jüdische Blatt" vom 7. Februar 1913: "Colmar. Die Beerdigung
des Herrn Oberkantor Metzger, über dessen Hinscheiden Sie bereits
berichteten, gestaltete sich zu einer erhebenden Sympathiekundgebung, die
einen vollgültigen Beweis erbrachte für die Beliebtheit, die er in den
weitesten Kreisen genoss. Ein unabsehbares Trauergefolge, wie wir es hier
noch nie gesehen, gab ihm das letzte Geleit. Nicht nur waren fast sämtliche
Kantoren des Ober-Elsaß und viele aus Unter-Elsaß, so aus Straßburg,
Benfeld, Bischweiler,
Schlettstadt,
Müttersholz, erschienen, sondern auch
viele Israeliten aus der näheren und weiteren Umgebung. Dass die hiesige
Gemeinde vollzählig sich beteiligte, braucht nicht hervorgehoben zu werden.
Sechs Kantoren trugen die Bahre vom Sterbehause in die Synagoge, die
übrigen, eine recht stattliche Zahl, gingen dem Zuge voran. Die Trauerfeier
in der Synagoge war würdig und äußerst eindrucksvoll. Sie wurde eingeleitet
durch einen Psalm, mit Innigkeit und Rührung gesungen von Herrn Oberkantor
Heymann - Straßburg. Nachdem auch Herr Kantor Levy mit
wohltönender Stimme einen Trauergesang zum Vortrag gebracht, hielt Herr
Oberrabbiner Weil die Trauerrede, in der er mit lebhaften Worten die
Vorzüge des Herrn Metzger, sein Wirken in der Gemeinde und seiner Familie,
schilderte und dem Schmerze der Gemeinde bewegten Ausdruck verlieh. Nach
einem Schlussgesang des Herrn Heymann war die Feier in der Synagoge beendet,
und der Zug setzte sich wieder in Bewegung nach dem
Friedhof. Dort ergriffen
nacheinander das Wort: Herr Konsistorialpräsident L. Manheimer im
Namen des Konsistoriums, Herr Paul Wurmser als Vorsteher der
Gemeinde, Herr Oberkantor Heymann als persönlicher Freund und im
Namen des Kantorenverbands und zuletzt Herr L. Wormser als ehemaliger
Vorsteher und als Mitglied des Konsistoriums. Alle Redner feierten
übereinstimmend die Menschenfreundlichkeit und den mildtätigen Sinn des
Dahingeschiedenen, dessen mitfühlendes Herz nie versagte, wo es galt, Not zu
lindern und der Armut beizustehen. Er lässt hier eine fühlbare Lücke zurück.
Sein Andenken bleibt unvergesslich."
Eine Synagoge wurde 1846 erbaut, wobei es sich
nach einem Bericht von 1852 noch um ein "bescheidenes" Gebäude handelte:
Besondere
Hochzeit in der Synagoge (1852)
Aus
einem Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. Februar
1852: "Man hebt hervor, dass jüngst ein Unterpräfekt, Herr Lambert,
Departement der Meurthe, Israelit, sich jüngst in Benfeld mit einer
reichen Glaubensgenossin in der bescheidenen Synagoge daselbst kopulieren
ließ. In der Administrativsphäre gibt es auch in Frankreich noch wenige
Beamte unseres Glaubens..."
1876 wurde die Synagoge durch den
Architekten Raphaël Kahn vergrößert. Dabei wurden die seitlichen Flügel
angebaut, die dem Gebäude seine bis jetzt bestehende äußere Form gaben. Eine
Orgel wurde spätestens damals eingestellt, wobei es sich zunächst erst um ein
Harmonium gehandelt haben kann. Im Bericht von 1891 wird davon geredet, dass
bereits "seit zwanzig Jahren" eine Orgel in der Synagoge stand.
Kurznotiz zur Orgel in Benfeld
(1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Dezember 1891: "Benfeld
lässt schon seit zwanzig Jahren in der Synagoge die Orgel ertönen. Die
neu erbaute Synagoge in Schlettstadt
konnte man sich ohne Orgel nicht als würdig denken."
1895
wurde durch die Firma Charles Wetzel eine neue Orgel eingebaut, die bis heute gespielt werden
kann. 1922 wurde die Synagoge durch den Benfelder Maler Achilles Metzger nach
dem Vorbild der Synagoge von Florenz ausgemalt. In der NS-Zeit konnte die Zerstörung der Synagoge durch den Widerstand örtlicher Behördenvertreter
verhindert werden.
Im Januar 1945 wurde das Gebäude durch Granatenbeschuss
beschädigt. Bis zur Gegenwart wurde die Synagoge immer wieder renoviert und in
gutem baulichen Zustand bewahrt.
Adresse/Standort der Synagoge: 7a Rue
de la Dîme, 67230 Benfeld
Fotos (Fotos obere Reihe und zweite Reihe links: Hahn, Aufnahmedatum 16.4.2004)
Die Synagoge Benfeld
von der
Westseite
Symbolik im Giebel
über dem
Eingang
Vers aus der Tora über dem
Eingang: "Hier
ist nichts anderes denn G"ttes Haus und hier
ist
die Pforte des Himmel" (1.Mose 28,17)
Gedenkstein für Eugène
Guthapfel, der
durch seinen Mut gegenüber den
deutschen Behörden in der
NS-Zeit die
Synagoge vor der Zerstörung bewahrte.
Innenansicht der Synagoge
Benfeld
(Quelle: Rothé / Warschawski S. 59).
Im Gegensatz zu dem sehr schlichten
Äußeren ist der
Innenraum prächtig bemalt.
Die Orgel in der Synagoge
Benfeld
(Foto: Achim Seip)
Informationen im Verzeichnis des Ministère de la culture: Seite
1 und Seite
2
Literatur:
Germania Judaica II,1 S. 64.
Michel
Rothé / Max Warschawski: Les Synagogues d'Alsace et leur Histoire.
Ed. 'Chalom Bisamme' Jerusalem 1992. S. 34.59.
Jean
Daltroff: La Route du Judaisme en Alsace. Photographies Christophe Hamm.
I.D. Créations. Rosheim 2006. ISBN 2-915626-02-2. S. 41-42 u.ö. Link zum Verlag mit
Informationen.
Günter Boll: "Jud Hirtz von Benfelden". Der Stammvater
der elsässischen Familie Rheinau. Online
eingestellt als pdf-Datei. Anmerkung: Matthias Dreyfus und die Familie des aus Benfeld zugezogenen
Hirz Rheinau waren die einzigen Juden, die in den Jahren 1652-1672 in Schlettstadt
geduldet wurden.
ders.: "bis der liebe völlige
Frieden allhier erscheinen wird". Die Juden in der Festung Benfeld
(1635-1652). Online
eingestellt als pdf-Datei.
Benfeld Bas-Rhin dist. The
Jewish presence dates from the mid-14th century. The community disppeared due to
expulsions; it was renewed in 1830. The Jewish population of Benfeld was 236 in
1836. The synagogue was inaugurated in 1846. The community numbered 171 members
in 1936. During the occupation, all were expelled to the south of France, with
the rest of Alsace-Lorraine Jews. Altogether, the Germans deported 31 Benfeld
Jews. The synagogue and cemetery were severely damaged. In 1968, the community
numbered 75 persons.
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