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Beuern (Gemeinde
Buseck, Kreis Gießen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Beuern bestand eine jüdische
Gemeinde bis nach 1933. Ihre Entstehung geht in die Zeit Anfang des 18.
Jahrhunderts zurück, als um 1706 15-20 jüdische Familien am Ort
lebten. Um 1730 konnten die Familien den Antrag zur Errichtung einer Synagoge
stellen.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1847 84 (von 1.082 insgesamt Einwohnern), 1861 67 jüdische Einwohner (6,4 % von insgesamt 1.040 Einwohnern),
1880 42 (2,2 % von 999), 1900 30 (3,0 % von 996), 1910 32 (3,2 % von
1.002). Die jüdischen Haushaltsvorsteher verdienten den Lebensunterhalt
als Vieh- und Manufakturwarenhändler und als Mazzenbäcker im Saisonbetrieb.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Schule und ein
rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof
Großen Buseck beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der
Gemeinde war zeitweise ein jüdischer Lehrer angestellt, der zugleich als
Vorbeter und Schochet tätig war. Um 1860 wird ein Lehrer Katz in Beuern genannt
(siehe Bericht
über eine Lehrerkonferenz in Gießen 1860). Die Gemeinde gehörte zum liberalen
Provinzialrabbinat Oberhessen mit Sitz in Gießen.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der Gemeinde Löb Berlin (geb. 16.12.1869
in Beuern) und Max Griesheim (geb. 21.4.18955 in Beuern, vor 1914 in Ulm
wohnhaft). Der Name von Max Griesheim steht auf dem Gefallenendenkmal des Ersten
Weltkrieges im jüdischen Friedhof Großen Buseck.
Um 1924, als zur Gemeinde noch 17 Personen gehörten (1,7 % von
insgesamt 994 Einwohnern, in vier Familien), waren die Gemeindevorsteher A. Griesheim, Gutk.
Edelmuth und Löb Edelmuth. Als Schochet kam regelmäßig Ferdinand Wallenstein
aus Großen Buseck nach Beuern. Die
damals zwei schulpflichtigen jüdischen Kinder der Gemeinde erhielten ihren
Religionsunterricht durch Lehrer Max Goldschmidt aus Nieder-Weisel.
1932 war Gemeindevorsteher Julius Griesheim (bis zu seiner Auswanderung in die
USA 1940!).
1933 lebten noch 18 jüdische Personen in Beuern (1,7 % von 1.048
Einwohnern)*. In
den folgenden Jahren der NS-Zeit ist ein Teil von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. 1939 wurden noch 8, Anfang
Februar 1942 noch vier jüdische Einwohner gezählt, die wenig später
deportiert wurden und umgekommen sind.
Von den in Beuern geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Berthold Edelmuth
(1876), Berthold Edelmuth (1884), Hugo Edelmuth (1884), Irma Edelmuth (1911),
Jakob Edelmuth (1885), Leopold Edelmuth (1907), Ludwig Edelmuth (1901), Kathinka
Heß geb. Edelmuth (1879), Rosa Simon geb. Edelmuth (1897).
*Anmerkung: In mehreren Darstellungen liest man davon, dass 1903 in Beuern 58
Personen lebten (Studienkreis, Gerschlauer u.a.). Dies ist eine aus Arnsberg
übernommene falsche Angabe (bei Arnsberg vermutlich verschrieben für
1830).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Berichte zur Geschichte der jüdischen
Gemeinde aus jüdischen Periodika des 19./20. Jahrhunderts liegen noch
nicht vor. |
Sonstiges
Verurteilung des Steinmetzen Wilhelm Arnold V. aus
Beuern wegen Verleumdung des Kaufmannes Berlin in Großenbuseck (1902)
Anmerkung: Steinmetz Wilhelm Arnold V. (1856-1934) ist in Erinnerung in
Beuern, da er Beiträge für die Ausstattung der Evangelischen Kirche Beuern
erbrachte. Der achteckige, pokalförmige Taufstein und die Opfersteine aus
Lungstein wurden von ihm erstellt. http://de.wikipedia.org/wiki/Evangelische_Kirche_Beuern
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 14. November 1902: "Gießen, 4. November (1902). Am
31. vorigen Monats fand vor dem großherzoglichen Schöffengericht die
Affäre Berlin - Reuther, derentwegen bekanntlich der antisemitische
Abgeordnete Köhler - Langsdorf seinerzeit in der zweiten Hessischen
Kammer so markerschütternd in die Kriegstrompete stieß, ein für die
Antisemiten in mannigfacher Beziehung klägliches Ende. Wie bekannt, wurde
der damalige Redakteur der 'Deutschen Volkswacht', Reuther, zu einem Monat
Gefängnis verurteilt, weil er dem Kaufmann Berlin in Großenbuseck
in einer auch formell gehässigen Notiz, die sich als schnöde Lüge und
pure Verleumdung erwies, unterstellt hatte, Berlin habe in seiner
Behausung einen Einbruch fingiert, um die Versicherungssumme abzuheben.
Die Berufungsinstanz (Strafkammer) hatte das Urteil bestätigt und im
Laufe der Verhandlung auch den Einsender der perfiden Notiz
herausgefunden, der nunmehr in der Person des 1856 zu Beuern bei
Großen-Buseck geborenen Steinmetzen Arnold auf der Anklagebank Platz
nimmt. Die Anklage war nämlich wieder eine öffentliche - was ja
bekanntlich der Anlass zu der Köhler-Debatte in der Kammer war - und
Kaufmann Berlin hatte sich wie in den Vorverhandlungen gegen Reuther,
vertreten durch Rechtsanwalt Katz, der öffentlichen Anklage als
Nebenkläger angeschlossen. Der Gerichtshof verurteilte Arnold zu 30 Mark
Geldstrafe oder 16 Tagen Gefängnis, außerdem in die Kosten des
Verfahrens. Als mildernd kam in Betracht, dass der Angeklagte noch keine
Vorstrafen erlitten hat. Aus den halb hervorgestoßenen krausen
Redwendungen des Angeklagten, aus den Aussagen des Protokollführers
Sartorius und zum Teil auch aus denjenigen des Herrn Hirschel war
ersichtlich, dass man es hier in der Person des Steinmetzen Arnold mit
einem bedauernswerten, wirren und irregeleiteten Mensch zu tun hat, dem
gegenüber eher Mitleid als Schadenfreude am Platze
ist." |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war vermutlich ein Betraum in einem der
jüdischen Häuser vorhanden. 1739 stellte die jüdische Gemeinde Beuern
bei der Gießener Kreisregierung einen Antrag zur Errichtung einer Synagoge.
Es ist nicht bekannt, ob dieser Antrag genehmigt wurde beziehungsweise wann es
zum Bau der Synagoge gekommen ist.
Um 1846 wurde ein Auf-, An- oder Umbau der Synagoge vorgenommen. 1854
(nach Altaras: 1846) ist die
Synagoge abgebrannt. Eine neue Synagoge wurde um 1855 aus der Grundmauern des
Vorgängerbaus der abgebrannten Synagoge errichtet. Erstellt wurde ein hoher, eingeschossiger Fachwerk-Ständerbau
mit Satteldach in Richtung Ost-West auf einem Steinsockel. Es war ein für das
Dorf stattlicher Bau mit großzügigen Fenstern (zwei hochliegende, große
Trapezbogenfenster).
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge im Inneren zerstört. Das
Gebäude selbst blieb erhalten.
Zwischen 1938 und 1940 kam das Synagogengebäude in den Besitz
eines Grundstücksnachbarn und wurde von diesem danach als Scheune verwendet. Gegen Ende des Krieges (1945) sollen
noch Torarollen vorhanden gewesen sein, die - "bevor die Amerikaner
kamen" von Beuerner Jugendlichen auf die Straße geworfen und zerrissen,
Teile davon von Kindern als Malpapier verwendet worden sind. Das
Synagogengebäude blieb bis Anfang der 1980er-Jahre baulich unverändert,
abgesehen von einer teilweisen Vermauerung der Fensteröffnungen und der
Räumung der inneren Ausstattung. Zu Beginn der 1980er-Jahre wurde vom
heutigen Eigentümer ein Zwischengeschoss eingebaut.
Eingehend mit einer Bezuschussung durch den Denkmalbeirat des Landkreises
Gießen für die Dachsanierung der ehemaligen Synagoge wurde im September
2003 durch Susanne Gerschlauer eine "Bauhistorische Kurzuntersuchung
vorgenommen", über die die bei der Literatur genannte Publikation
berichtet. Zum Zeitpunkt ihrer Bestandsaufnahme wurde die ehemalige Synagoge als
Scheune beziehungsweise als Lagerraum für Brennholz verwendet.
Adresse/Standort der Synagoge: die
ehemalige Synagoge steht am Sudwestrand des alten Ortskerns in der Untergasse 17
(ehem. 15; früher: Hauptstraße) in leichter Handlage, traufseitig zur
Haupt-Durchgangsstraße (Untergasse) und giebelseitig zur Hintergasse. Zugang
war zur Zeit der Benutzung der Synagoge von der Untergasse her. Die beiden
Eingänge für Männer und Frauen lagen an der westlichen Giebelseite des
Gebäudes.
Fotos
(Quelle: Arnsberg Bilder S. 22 = A; Altaras 1988 s.Lit.
= Al; Gerschlauer s. Lit. = G)
Plan und Querschnitt |
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Plan von Beuern um 1860 mit
Eintragung der
Synagoge (Gemeindearchiv Großen Buseck, G) |
Querschnitt durch
das
Dachgeschoss (G) |
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Rechts: Fotos um 1970 |
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Eingangstüren in die
ehemalige Synagoge
von Westen mit einem Vordach, das heute
nicht mehr
vorhanden ist (A) |
Innenraum der ehemaligen
Synagoge - mit
den Resten der Frauenempore
(A: historisches Foto nach
1938) |
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Unten: Fotos 1986 /
1996 / 2003 |
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Der Ostgiebel (heute umbaut
und nicht
mehr einsehbar, Foto von 1996, G) |
Der Westgiebel
(November 2003,
G) |
Die nördliche
Traufseite der ehemaligen
Synagoge (Foto von März 1986, Al) |
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Innenliegende Tür des
Fraueneingangs
(Foto vom November 2003, G) |
Westliche Giebelseite mit
Blick auf die
ehemaligen Eingänge (Foto von März 1986, Al) |
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Erdgeschoss, Südost-Ecke, nach
Osten
(November 2003, G |
Erdgeschoss, Südwand
(Foto vom November 2003, G) |
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Bemalung von
Wänden
und Decke |
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Erhaltene Spuren der
Deckenbemalung
(charakteristischer Sternenhimmel,
Foto vom November 2003,
G)
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Über der Zwischendecke - die
Frauenempore
ist nicht mehr vorhanden. Erkennbar ist die
Bemalung der
Wände und den Übergang
zur Decke (Klötzchenfries) |
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Rechts:
Schreiben von Rabbiner Dr. B. Levi,
Gießen an die jüdische Gemeinde Beuern: Festanordnung und Hinweis wegen
des Fallenlassens einer Torarolle durch Wolf Griesheim - vom Jahre 1835
(A: aus Privatbesitz von Julius Griesheim, New York - Original im Leo
Baeck-Institut). Das Dokument lautet in deutscher Übersetzung:
"Mit Gottes Hilfe: 27. Schwat 5595 / 26. Februar 1835, Friede und
Glück sei mit Euch! An der hochgeehrten Parnes (= Vorsteher) von Bauern,
Herrn Schlomo Meyerfeld! Auf ihre Anfrage von heute erwidere ich Ihnen zur
Bekanntmachung in der dortigen Synagoge, dass heute in 8 Tagen, das ist
Donnerstag, 4. Adar, die ganze dortige Gemeinde, mit Ausnahme der
schwangeren und stillenden Frauen, einen ganzen Tag fasten muss, wo dann
zu Schachris (Morgengebet) Selichos (Sühnegebet) gesagt und zu Mincho
Vajedal gelejent (vorgelesen aus der Tora) werden soll. Den nächsten
Monat darauf, das ist der 8. Adar, brauchen bloß diejenigen zu fasten,
die in der Schul gewesen sind..."
In der Nachbemerkung wurde Wolf Griesheim untersagt, die Torarolle aus-
oder einzuheben, "da dessen Herz zu schwach ist".
(aus Arnsberg s.Lit.) |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 67-68. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 22. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 80-81. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 69 (keine weiteren
Informationen) |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 29-30. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 92-93. |
| Susanne Gerschlauer: Die ehemalige Synagoge in
Buseck-Beuern. In: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins
Gießen. 91. Band. Gießen 2006 S. 297-312. Online
zugänglich. |
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Neuerscheinung
in 2013: |
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Hanno Müller, Friedrich Damrath,
Andreas Schmidt:
Juden im Busecker Tal.
Alten-Buseck, Beuern, Großen-Buseck, Burkhardsfelden, Reiskirchen und
Rödgen.
Teil I: Hanno Müller: Familien
Teil II: Friedrich Damrath, Andreas Schmidt:
Grabsteine und ihre Inschriften.
Insgesamt 525 S., 557 Abbildungen. Beide Bände
zusammen € 15,00.
Erhältlich: Kauflädchen, Kaiserstraße 14 in
Großen-Buseck und in der Gemeindeverwaltung der Gemeinde Buseck im
Schloss, beim Heimatkundlichen Arbeitskreis
Buseck e.V. und bei Hanno Müller
(Tel. 06404/5768; E-Mail:
hanno.mueller[et]fambu-oberhessen.de). |
Zur Buchvorstellung siehe
Pressebericht:
Artikel in der "Gießener Allgemeinen" vom 26. September
2013: "250 Jahre jüdisches Leben im Busecker Tal
dokumentiert..."
Link
zum Artikel |
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Hinweis auf familiengeschichtliches Werk
Nathan M. Reiss
Some Jewish Families
of Hesse and Galicia
Second edition 2005
http://mysite.verizon.net/vzeskyb6/ |
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In diesem Werk
eine Darstellung zur Geschichte der jüdischen Familie Griesheim von
Beuern und der Familie Edelmuth von Beuern und Reiskirchen ("The
GRIESHEIM Family of Beuern and the EDELMUTH Family of Beuern and
Reiskirchen", S. 187-232) (
Nachkommen bis ca. 2000) mit zahlreichen Abbildungen
u.a.m. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Beuern
Hesse. Established in 1706, the community numbered 67 (6,4 % of the total) in
1861 and 18 (1,7 %) in 1933. The last Jewish family was deported in 1942.
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