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Bibra
(Gemeinde Grabfeld,
Kreis Schmalkalden-Meiningen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Bibra bestand eine jüdische Gemeinde bis nach 1933. Ihre Entstehung
geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. 1658 erhalten die Juden
Mayer, Salomon und Susman Niederlassungsrecht am Ort. 1673 werden fünf
jüdische Familie genannt (1678 acht Familien, 1720 12 Familien).
Im 19.
Jahrhundert nahm die Zahl der jüdischen Einwohner auf etwa ein Viertel der
Ortsbevölkerung zu (1833 104 jüdische Einwohner von insgesamt 518; 1841 114; 1885 134
jüdische Einwohner von insgesamt 663). Die jüdischen Familien lebten
ursprünglich vom Handel mit Vieh, Stoffen, Textilien und Kleinwaren, später
gab es unter den jüdischen Dorfbewohnern auch Handwerker (Metzger, Schneider), einen Landwirt
sowie mehrere Inhaber von Ladengeschäften (u.a. eine
Kolonialwarenhandlung). Die jüdischen Familien waren im Dorfleben weitgehend
integriert; jüdische Frauen des Heimatvereins trugen in den 1920er-Jahren
dieselben Trachten wie christliche Frauen.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge, eine
Religionsschule (1835 bis 1876 Israelitische Volksschule) und ein rituelles Bad. Die Toten der jüdischen Gemeinde
wurden auf dem jüdischen Friedhof in Bauerbach
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. An jüdischen Lehrern
sind aus dem 19. Jahrhundert bekannt: vor 1835 Weißbacher aus Weißbach, Katz
aus Hammelburg, Wildberg aus Kleinbardorf, Fischmann von Bibra, Löw aus
Berkach; von 1835 bis 1846 Hermann Kusel Ehrlich aus Gleicherwiesen (danach in
Berkach
tätig), 1846 bis 1856 Julius Rosenthal aus Gleicherwiesen, der von Bibra nach
Walldorf und von dort nach Hildburghausen versetzt wurde; 1856 bis 1858 Mendel
Maßbacher aus Gleicherwiesen; 1859 bis 1862 Abraham Kahn aus Bibra; 1862 bis
1876 Georg Holländer aus Bauerbach, der danach nach
Berkach versetzt wurde.
1876 wurde die israelitische Volksschule mit der Dorfschule vereint. Danach
waren noch Religionslehrer tätig: 1884 David Werthan aus Rothenburg an der
Fulda, um 1913 bis nach 1933 Aaron Höxter.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Bernhard Strauss
(geb. 19.11.1889 in Frankfurt am Main, gef. 27.7.1916). Nach dem Ersten Weltkrieg war der
bereits genannte jüdische Lehrer Aaron Höxter Vorsitzender des Kriegesvereins. Er hielt als
Träger des Eisernen Kreuzes erster Klasse in der Folgezeit die jährlichen Gedenkreden am
Kriegerdenkmal.
In der Mitte der 1920er-Jahre gehörten dem Synagogenvorstand
Ferdinand Kahn, Ludwig Katz, Salomon Lichtenstädter und Sally Meyer an. 1924/25
wurden von Lehrer Höxter im Religionsunterricht noch acht jüdische Kinder
(Höxter wurde nach der Deportation 1942 in Stutthof ermordet). Es wurden damals
62 jüdische Einwohner gezählt (10,3 % der Gesamteinwohnerschaft von ca. 600). 1932 waren Gemeindevorsteher Ferdinand Kahn, Leo Frank und Ludwig Katz.
Nach 1933 trafen auch die jüdische Gemeinde in Bibra die zunehmenden
Verfolgungsmaßnahmen der Nationalsozialisten. 1937 wurde am Ort eine
Hachscharah eingerichtet, wodurch jüdische Jugendliche zur Vorbereitung der
Auswanderung nach Palästina eine Ausbildung in der Landwirtschaft erhalten. Von
129 jüdischen Einwohnern, die in Bibra geboren wurden, längere Jahre hier
beheimatet waren oder von hier in andere Orte verzogen sind, wurden 31
deportiert und ermordet; bei 37 ist der Verbleib unbekannt.
Von den in
Bibra geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Erna Frank geb.
Rothfels (1893), Samuel Frank (1872), Berta Friedmann geb. Meyer (1869), Martha
Marianne Friedmann geb. Meyer (1895), Josef Gassenheimer (1879), Louis
Gassenheimer (1873), Klara Gutmann geb. Stern (1863), Aaron Höxter (1892),
Günther Georg Höxter (1925), Armin Holländer (1876), Hugo Kahn (1868), Rita
Kahn geb. Meyer (1906), Bertha Katz geb. Frank (1882), Elli Katz (1907), Ilse Katz
(1911), Josef Katz (1872), Leopold Katz (1874, siehe Seite
zu Saalfeld), Ludwig Katz (1879), Therese Kleemann geb. Engländer
(1881), Elise Mayer geb. Rosenbusch (1859), Abraham Meyer (1879), Josef Meyer
(1866), Oskar Meyer (1904), Siegmund Meyer (1869), Rachel Lufszic geb.
Kuzmin (1894), Babette Nordheim geb. Frank (1866), Renate Pifferling geb. Frank
(1877), N.N. Rosenfeld (?), Paula Rothfels (1877), Alma Steinhardt geb. Gassenheimer
(1877), Clara Strauss geb. Weissbacher (1887), Pauline Strauss geb.
Meyer (1851), Adolf Weissbacher (1884), Max Weissbacher (1885), Elise Zollmann
(1920), Malwine Zollmann (1879).
Vgl. der Zusammenstellung bei Dimitrana und Hartwig Floßmann (s.
Lit.) S. 163-169.
Seit Mai 2007 erinnert ein Gedenkstein in der Ortsmitte an die in
der NS-Zeit ermordeten jüdischen Einwohner Bibras.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeine Berichte
Zahl der jüdischen Einwohner im Herzogtum Meiningen (1841)
Mitteilung in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 16. Oktober 1841: "Die
Zahl der jüdischen Einwohner des Herzogtums Meiningen beläuft sich dermalen
auf 1494, und es wohnen hiervon 19 in der Stadt
Meiningen, 548 in
Walldorf, 63 in
Dreißigacker, 121 in
Bauerbach, 114 in Bibra, 100
in der Stadt Hildburghausen, 51 in
Simmershausen, 153 in
Berkach, 185 in
Gleicherwiesen, 131 in
Marisfeld, 9 in
Liebenstein, 17 verstreut in
verschiedenen Ortschaften, 23 haben bereits das Staatsbürgerrecht, und zwar
nur im Hildburghausischen, 105 haben sich bürgerlichen Gewerben zugewendet." |
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
1879
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. November 1879:
"Vakanz. Die hiesige Kultusgemeinde beabsichtigt, einen
Religionslehrer, Vorbeter und Schächter anzustellen. Besoldung: 900 Mark,
freier Wohnung und nicht unbedeutende Nebeneinkünfte. Bewerber wollen
sich, unter Beifügung ihrer Zeugnisse, recht bald wenden an
S. Gassenheimer, Kultusvorstand. Polen werden nicht
berücksichtigt.
Bibra bei Meiningen, den 8. November 1879." |
Dokument zu Lehrer Georg Holländer (1872)
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries, Anmerkung
gleichfalls von Peter Karl Müller)
Der
Briefumschlag mit dem nicht erhaltenen Brief wurde am 7. September 1872 an
Lehrer Holländer in Bibra geschickt. Es handelt sich um Lehrer Georg
Holländer (geb. in Bauerbach), der seit 1862 Lehrer in Bibra war.
1876 wurde er nach Berkach versetzt, von wo aus er weiterhin in Bibra den
Religionsunterricht erteilte. In Berkach blieb Lehrer Holländer bis 1898.
Siehe "Jüdische Kultur in Thüringen: Eine Spurensuche" Band 3
S. 40.144 u.ö.
Verdienste und Anerkennung fand Georg Holländer unter anderem durch sein Engagement in der Beschaffung der zum
Neubau einer Synagoge in Bauerbach erforderlichen
Mittel (vgl. Pressebericht "Zur Einweihung der Synagoge in Bauerbach 1892").
Lehrer Holländer hielt 1896 die Trauerrede zum Tode von Julius Rosenthal,
dessen Schüler er wohl war (vgl. Pressebericht "Zum Tod von Lehrer Julius Rosenthal 1896" auf
der Seite zu Hildburghausen). |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Ausscheiden des aus Bibra stammenden Oberrechnungsrates
Max Meyer in Stuttgart aus der dortigen Gemeindepflege sowie sein 70. Geburtstag
(1931 / 1935)
Artikel
in der "Gemeinde-Zeitung für die israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 1. April 1931:
"...Max Meyer ist am 22. Mai 1865 in Bibra in
Sachsen-Meiningen als jüngster Sohn des Schnittwarenhändlers Simon
Abraham Meyer geboren. Nach dem Besuch der allgemeinen Volksschule in
seinem Heimatsorte besuchte er das Lehrerseminar in Hildburghausen,
das er nach vier Jahren mit dem Reifezeugnis verließ. Mit 19 Jahren
übernahm er 1885 die Religionslehrerstelle in Rheinbach bei Bonn, die er
nach einem Jahre verließ, um die jüdische Elementarschule zu leiten.
Hier war er bis 1894 tätig. Er bewarb sich von Bentheim aus um die
Religionslehrerstelle in Stuttgart, die ihm aber als Nichtwürttemberger
nicht übertragen ward. Dafür erhielt er die ebenfalls damals
ausgeschriebene Schächterstelle, die ihm am 1. Dezember 1894 anvertraut
wurde. Gleichzeitig wurde er als Lehrer und vertretungsweiser Vorbeter
angestellt..."
Zum Lesen des ganzen Artikels bitte Textabbildung
anklicken |
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Artikel
in der "Gemeinde-Zeitung für die israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 16. Mai 1935:
Zum Lesen bitte Textabbildung anklicken |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Metzgermeister Sachs sucht einen Gehilfen
(1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. November 1900:
"Metzgergehilfe,
angehender, sofort gesucht.
Metzgermeister Sachs, Bibra, bei
Rentwertshausen." |
Weiteres Dokument: Rechnung der Fleischerei Jacob Katz in
Bibra (1908)
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries)
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Die Rechnung der Fleischerei von Jacob Katz
aus Bibra wurde am 8. April 1908 nach Ostheim geschickt; das Schreiben
wurde von Max Katz im Auftrag unterzeichnet mit (soweit lesbar) folgendem
Inhalt:
"Herr Reinhold Zinn. Da ich nicht nach Mellrichstadt auf
den Markt kommen werde wegen unserer Feiertage, so bitte ich dich mein
Guthaben von 4 Häute und Talg sobald als möglich zuzusenden. Bitte
schicke mir sofort Säcke, da ich keine mehr habe.
Besten Gruß - Max Katz im Auftrag. Da es lauter schöne Kalbenhäute sind
so erwarte ich noch 40 Pfennig pro Stück". |
Zur Geschichte der Synagoge
Ein Betsaal beziehungsweise eine Synagoge befand sich ursprünglich in einem
"Judenbau" genannten Haus, das ursprünglich Wirtshaus war und
von jüdischen Familien bewohnt wurden. 1842 wurde eine Synagoge erbaut
und 1846 eingeweiht. In dem massiven, zweigeschossigen Bau befand sich im
nördlichen Teil die Synagoge, daran schloss sich im Erdgeschoss die Wohnung der
Lehrers und Vorbeters an. Im ersten Stock war die jüdische Schule. Der Betsaal
hatte auf drei Seiten eine Frauenempore.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die ehemalige Synagoge zwar nicht zerstört,
dennoch wurden sie mit einer Aufschrift in roter Farbe beschmiert: "Hier
ist der Sitz der Judenverbrecher! Hängt sie auf!". Im Dezember 1939
beschloss die politische Gemeinde den Kauf des Synagogengebäudes für den
Betrag von 1.000.- RM. Das Gebäude wurde zu einem bis heute bestehenden
Wohnhaus umgebaut.
Seit Anfang Juni 2012 befindet sich eine Gedenktafel am Gebäude
(siehe Pressebericht unten).
Adresse/Standort der Synagoge: Hauptstraße 30
Fotos
(Fotos Hahn, Aufnahmedatum 14.8.2005)
Die ehemalige Synagoge
im Sommer 2005 |
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In dem zu einem
Wohnhaus umgebauten Gebäude befanden sich im rechten Teil der Betsaal mit
Frauenempore, im linken Teil die Lehrerwohnung mit Schule. |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Juni 2012:
An der ehemaligen Synagoge wurde eine Gedenktafel
angebracht |
Artikel in der "Südthüringer
Zeitung" vom 6. Juni 2012: "Gegen das Vergessen. An der ehemaligen Synagoge in Bibra wurde jetzt eine Gedenktafel angebracht. Sie soll daran erinnern, dass über Generationen hinweg in diesem Ort jüdische Mitbürger Teil der Dorfgemeinschaft waren.
Link
zum Artikel |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Dimitrana und Hartwig Floßmann: Bibra (ein Rückblick auf 300
Jahre jüdischen Lebens). In. Hans Nothnagel (Hg.): Juden in
Südthüringen - geschützt und gejagt. Bd. 3: Juden in der ehemaligen
Residenzstadt Meiningen und deren Umgebung. Suhl 1999 S. 135-177. |
| Zum Schicksal der aus Bibra stammenden Familie des
Viehhändlers Sigmund Meyer siehe: Joachim Hahn: Jüdisches Leben in
Ludwigsburg. Geschichte, Quellen und Dokumentation. Karlsruhe 1998 S.
474-476. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Bibra Thuringia. Jews settled
there in the late Middle Ages, but were expelled again and again during the 16th
century. In 1678, eight Jewish families lived in Bibra and by 1833 the Jewish
population was 104 (25 % of the total population). A building housing the
synagogue, the school, and the teacher's apartment was erected in 1846. The
Jewish population was 105 in 1900 and 57 in 1925. When the Nazis came to power
in 1933, Jews started to emigrate, most leaving before the outbreak of war. The
synagogue was sold before Kristallnacht (9-10 November 1938) but Jewish
homes were vandalized. The last seven Jews were deported during the war.
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