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"Synagogen im Kreis Bergstraße"
Bürstadt
(Kreis Bergstraße)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Burkhard Vetter,
Bürstadt)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Bürstadt bestand eine kleine jüdische
Gemeinde bis 1938/39. Ihre Entstehung geht in die Zeit um 1700 zurück,
doch gab es nach den Recherchen von Hans Goll bereits im 15. Jahrhundert
mindestens einen jüdischen Einwohner: so wird 1435/36 ein Jude Helfrich
vom Stein genannt, der u.a. einen Hof zu Bürstadt mit Zubehör empfing. Danach
erfährt man erst aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wiederum
von Juden am Ort. 1672 wird Jud Löwe in Bürstadt genannt, 1680
die Juden Aaron und Samuel.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts waren jeweils nur wenige jüdische Familien
am Ort. 1797 begegnet erstmals der jüdische Familienname Sinsheimer am
Ort, 1807 erstmals der Familienname Sondheimer beziehungsweise
Sundheimer, 1827 der Familienname Strauß.
Die Zahl der jüdischen Einwohner blieb auch im 19. Jahrhundert relativ klein: 1806 27
Personen (2,0 % von insgesamt 1.357 Einwohnern),
1828 44 (2,4 % der Gesamteinwohnerschaft von 1.875
Personen), 1847 49 (von insgesamt 2.652 Einwohnern), 1867 50 (von
insgesamt 2.765), 1887 30 (1 % von insgesamt 2.994), 1900 44 (0,8
% von insgesamt 5.500 Einwohnern).
An Einrichtungen waren eine Synagoge (Mainstraße 24) mit Schul- und Gemeindehaus
(Mainstraße 22) sowie
ein rituelles Bad (seit 1842, finanziert durch ein Vermächtnis von Salomon
Sinsheimer) vorhanden (s.u.). Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden in Alsbach
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war seit Mitte des 19. Jahrhunderts
ein eigener Lehrer
(zugleich Vorbeter und Schochet) am Ort. Als Lehrer werden genannt: von 1842 bis
1854 Nathan Feuchtwanger, 1854 bis 1856 Lehrer Bergmann, 1860 bis 1862 Lehrer
Wallach und Oppenheimer (letzterer bis 1865), 1865 bis 1899 Lehrer Marx (Markus)
Lösermann. Später erteilten Lehrer der umliegenden größeren Gemeinden den
Religionsunterricht der jüdischen Kinder am Ort, ab 1904 bis Anfang der
1930er-Jahre Jonas Meyer aus Lampertheim.
Bei der Beisetzung
von Jettchen Abraham 1893 (s.u.) sprach Lehrer J. Rohrheimer aus Biblis.
1902 wurde dreimal wöchentlich im jüdischen Schul- und Gemeindehaus
Religionsunterricht für die jüdischen Kinder erteilt. Die Gemeinde gehörte zunächst dem orthodoxen Bezirksrabbinat
Darmstadt II an, seit 1926 dem liberalen Bezirksrabbinat Darmstadt.
Die
jüdischen Familien lebten von Handlungen und Geschäften. Bis in die
1930er-Jahre hinein hatte Gustav Flörsheim ein Geschäft mit Holz,
Baumaterialien und Haushaltwaren (Ernst-Ludwig-Straße 20), Adolf Brückmann ein Textilgeschäft
(Andreasstraße 2/Ecke Nibelungenstraße), das
sein Schwiegersohn Albert Meyer übernahm. Moses Brückmann hatte ein Schuh-,
Manufaktur- und Modewarengeschäft (Ernst-Ludwig-Straße 1 gegenüber dem Alten
Rathaus), Salomon Sinsheimer eine Getreide- und Futtermittelhandlung
(Ernst-Ludwig-Straße 8), Adolf Sondheimer eine Getreide-, Futtermittel- und
Düngemittelhandlung (Mainstraße 10).
Nach 1933 ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder (1933: 23 Personen) auf Grund des wirtschaftlichen
Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert (1. März 1936: 20, 1939: 5).
Am 1. April 1933 standen SA-Posten vor den Geschäften von Albert Meyer
und Moses Brückmann. Anfang Mai 1933 wurden Moritz Hochstädter und Adolf
Sondheimer in das KZ Osthofen verschleppt; der erste starb im Juli 1933 an den
erlittenen Misshandlungen. Die letzten Gemeindevorsitzenden waren Gustav
Flörsheim (bis 1938) und Albert Meyer. Beim Novemberpogrom 1938 war die Synagoge bereits verkauft;
SA-Leute drangen jedoch in die Wohnung von Familie Albert Meyer ein (Andreasstraße 2),
verwüsteten sie und
misshandelten die 17-jährige Tochter Irene.
Von den in Bürstadt geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", ergänzt/korrigiert auf
Grund der Recherchen von Burkhard Vetter): Rosa Abraham geb. Lösermann
(1873), Markus
Bernhardt (1890), Bertha ("Betty") Bernhardt (1892), Amalie (Mally) Brückmann
(1879), Johanna Gross (1909), Bertha Hirsch geb. Bösmann (1879), Melanie Klein geb. Sondheimer (1883),
Blondina Mann (1879), Baruch Mehrl (1881), Helene Merl (1920), Necha (Nina) Mehrl geb. Perlmann
(1883), Helena Rosa Mehrl (1920), Bertha Reutlinger geb. Strauß (1885), Oskar
Sinsheimer (1892), Albert Sondheimer (1880), Josef Sondheimer (1889), Hermine Vogel
(1864).
Seit Juni 2012 wurden in Bürstädt in mehreren Verlegeaktionen
sogenannte "Stolpersteine" zur Erinnerung an die Opfer der
NS-Zeit verlegt (siehe Berichte unten).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Zum Tod des Gelehrten Zacharias Sinsheimer (1887)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. November 1887: "Worms.
Am Sonntage, 9. Marcheschwan (sc. der 9. Marcheschwan war der 27.
Oktober 1887, allerdings war dies ein Donnerstag), wurde ein Mann zu Grabe
getragen, der es durch ein langes, taten- und segensreiches Leben
verdient, dass seinem Namen auch in Ihrem geschätzten Blatte ein Nachruf
gewidmet, seine Tugend und Gottesfurcht in den weitesten Kreisen des
jüdischen Lebens als würdiges Vorbild bekannt werden.
Herr Zacharias Sinsheimer - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen
- in Bürstadt bei Worms, unter dem Namen Socher Sinsheimer oder
Socher Bürstadt in vielen Kreisen bekannt - ist nach zurückgelegtem 80.
Lebensjahre am Donnerstag, dem 7. Marcheschwan
gestorben.
Der Verstorbene zählte zu denjenigen wackeren und braven Männern, deren
Leben auf den drei Säulen ihres Glaubens - Tora, Gottesdienst und
Wohltätigkeit - begründet ist. Die drei erhabenen Worte waren ihm
die Richtschnur seines Wirkens. Die Tora, welche er von Kindheit an
eifrig gelernt, in welcher er sich einen hohen Grad von Wissen erworben,
sodass er allgemein als Gelehrter anerkannt wurde, war das Feld, in
welchem sein reger und forschender Geist Befriedigung suchte und fand.
Aber nicht das Lernen war ihm Hauptsache, sondern die Tat, der Gottesdienst,
die Anwendung des Erlernten in der würdigsten Weise und sie leitete ihn
auch bei Ausübung von Wohltätigkeit, die zu betätigen er keine
Gelegenheit versäumte.
Die alles wurde in tief gefühlten, warmen Worten bei seiner am Sonntag
unter sehr zahlreicher Beteiligung stattgehabten Beerdigung von den
verschiedenen Rednern zum Ausdruck gerbacht. Es waren dies Herr Rabbiner
Dr. Stein, Worms, die Neffen des Verstorbenen, die Herren Joseph Jeidel, Pfungstadt,
Salomon Bodenheimer II., Biblis und Herr
Lehrer Jaffe, Lorsch, welche der großen
Trauer um den Verlust des Verewigten würdigen Ausdruck verliehen.
Anfügen will ich, dass der Dahingeschiedene auch in hiesiger Stadt (sc.
Worms), während der kurzen Zeit seines Wohnsitzes dahier mit ehrendem
Vertrauen in die Verteilungs-Kommission gewählt wurde und auch in dieser
Eigenschaft mit hellem Blick und liebevollem Herzen in Gemeinschaft mit
seinen Kollegen segensreich zu wirken verstanden hat. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens. N." |
Zum Tod von Jettchen Abraham geb. Lösermann (1893)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Oktober 1893:
"Bürstadt bei Worms, 22. Oktober (1893). Heute morgen hat hier die
Beerdigung einer Frau stattgefunden, die es wohl verdient, dass ihr Name
in Ihrem hochgeschätzten Blatte verewigt wird. Frau Jettchen Abraham aus
Worpswede bei Bremen geborene Lösermann von hier, kam im Frühling,
ärztlichem Rate folgeleistend, mit ihrem 1 Jahr alten Söhnchen hierher,
um ihre angegriffene Gesundheit wieder herzustellen. Doch ihr Leiden
verschlimmerte sich trotz der aufopferndsten Pflege ihrer Eltern, an
welchen sie in mustergültiger Weise das Gebot der Elternehrung erfüllte
und trotz der alles aufbietenden Sorgfalt und Hingebung ihres nur 2 1/2
Jahr mit ihr verehelichten Mannes. Am verflossenen Donnerstag entschließ
sie sanft und ruhig, wie sie gelebt hatte. Wegen der weiten Entfernung vom
Friedhof konnte die Beerdigung erst heute stattfinden. Hier zeigte
sich nun, was für einen guten Ruf die Verblichene sich in ihrem kurzen
Leben - sie zählte kaum 31 Jahre - erworben. Sie zeigte, dass man auch in
geringen Verhältnissen Wohltätigkeit üben kann. In allen Häusern, in
denen sie verkehrte, bat sie um Erlaubnis, die übriggebliebenen Speisen,
den Armen verabreichen zu dürfen, was ihr zuliebe auch immer gestattet
wurde. War das einerseits ein Beweis, welcher Beliebtheit sie sich wegen
ihrer Treue, Gewissenhaftigkeit und Aufrichtigkeit bei ihren Herrschaften
zu erfreuen hatte, so zeigte es andererseits von ihrem gutmütigen und
wohlwollenden Herzen. So war es daher kein Wunder, dass sich ihr
Leichenbegängnis zu einem imposanten gestaltete. Nicht nur die ganze jüdische
Gemeinde und viele Christen, sondern auch zahlreiche Glaubensgenossen von
Nah und Fern kamen, um der selig Entschlafenen die letzte Ehre zu
erweisen. Der aus dem benachbarten Biblis
herbeigerufene Lehrer Herr J. Rohrheimer gab der allgemeinen Trauer
würdigen Ausdruck und spendete ihr das ihr gebührende Lob." |
Über den langjährigen Gemeindevorsteher Gustav
Flörsheim (geb. 1871)
(Quelle: Stadtarchiv Bürstadt, Mitteilung vom 12.10.2010)
Der langjährige jüdische Gemeindevorsteher
Gustav Flörsheim (geb. 30. Juli 1871 in Meerholz;
Foto erhalten von Burkhard Veter)
war Kaufmann und Inhaber einer Baumaterialienhandlung in der
Ernst-Ludwig-Straße 18. Er gehörte von 1905 bis 1934 dem Vorstand der
israelitischen Religionsgemeinde an. Anfang 1934 zeichnete er als Vorstand
allein verantwortlich. Von 1935 bis 1938 bildete er mit Albert Meyer den
Vorstand. Am 5. Juli 1938 verzog er nach Heidelberg, mit ihm sein
Dienstmädchen Berta Bär. Gustav Flörsheim wurde von Heidelberg aus in
ein KZ verschleppt und kam nach 1945 in einem gesundheitlich sehr
schlechten Zustand nach New York. Er ist in den USA verstorben. |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine erste (alte) Synagoge wurde 1818/19 erbaut.
Zur Begleichung der Kosten des Synagogenbaus nahm die jüdische Gemeinde u.a.
ein Darlehen in Höhe von 250 Gulden auf. Erst 1868, als die alte Synagoge schon
nicht mehr stand, konnte eine letzte Schuld zurückgezahlt
werden.
1860 bis 1862 wurde an Stelle der alten Synagoge eine neue erbaut
beziehungsweise die alte Synagoge umgebaut und erneuert. Auch das jüdische Schul- und Gemeindehaus
wurde völlig erneuert. Von der christlichen Gemeinde am Ort wurden 200 Gulden
zu den Baumaßnahmen an der Synagoge beigesteuert. Die Kosten für den Neubau
von Synagoge und Schul-/Gemeindehaus betrugen insgesamt 1776 Gulden.
Da die Zahl der jüdischen Familien am Ort gering war, konnten seit Anfang des
19. Jahrhunderts die regelmäßigen Gottesdienste in der Synagoge nur durch
"Minjan-Männer" aus umliegenden Gemeinden stattfinden. Diese kamen zu
den Gottesdiensten nach Bürstadt, damit hier die notwendige Zehnzahl anwesender
Männer erreicht wurde.
1935-36 wurde das Synagogengebäude
verkauft, später abgebrochen. Im danebenstehenden Gemeindehaus hatte die
Familie von Baruch Merl gelebt. Die Familie wurde möglicherweise Ende
Oktober 1938 im Zusammenhang mit der Abschiebung der "Ostjuden"
deportiert. Vorkommnisse gegen die Gebäude von Synagoge sowie Schul- und
Gemeindehaus beim Novemberpogrom sind nicht bekannt.
Adresse/Standort der Synagoge: Mainstraße 24;
Schul- und Gemeindehaus Mainstraße 22.
Fotos
Historische
Fotos |
Historische Fotos
der Synagoge und des jüdischen Gemeinde- und Schulhauses
sind nicht
bekannt. Hinweise bitte an den
Webmaster der Alemannia Judaica; Adresse
siehe Eingangsseite
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Einzelne
Personenbilder
(erhalten von Burkhard Vetter) |
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Amalia ("Mally")
Brückmann: geb. 1879
in Bürstadt, bis 1937 wohnhaft in Bürstadt,
Nibelungenstraße 53, bis 1938 in der
St. Josef-Straße 12, zuletzt in Frankfurt,
ermordet im KZ Auschwitz. |
Heinrich Klein:
geb. 1876 in Walldorf, war
verheiratet mit Melanie geb. Sondheimer
(siehe rechts), lebte mit seiner Frau in
Heidelberg; am 22.10.1940 nach Gurs
deportiert; 1942 nach Auschwitz, ermordet. |
Melanie Klein geb. Sondheimer:
geb. 1883
in Bürstadt, bis 1908 wohnhaft in Bürstadt,
Mainstraße 10, zuletzt in Heidelberg;
am 22.10.1940 nach Gurs deportiert,
am 4.9.1942 nach Auschwitz, ermordet. |
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Die
Baumaterialienhandlung
von Gustav Flörsheimer
(erhalten von Burkhard Vetter) |
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Das Geschäft von
Gustav Flörsheimer (zur Person siehe oben) stand in der
Ernst-Ludwig-Straße 20 |
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Das Grundstück Mainstraße
22
(Foto: Michael Ohmsen) |
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Auf dem
Grundstück Mainstraße 22 stand bis 1938 das
jüdische Gemeinde- und Schulhaus, daneben auf dem
Grundstück Mainstraße 24 die Synagoge |
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Kriegerdenkmal
1870/71 in Bürstadt
Im Friedhof des Ortes
(Fotos: Michael Ohmsen,
vgl. Fotoseite
von Michael Ohmsen zu Bürstadt) |
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Bei Sal.
Sinsheimer (= Salomon Sinsheimer) und Mos. (= Moses) Brückmann handelte es sich
um Mitglieder der jüdischen Gemeinde (Hinweis von Burkhard Vetter,
Bürstadt). |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Juli 2012:
Arbeitskreis "Jüdisches
Leben in Bürstadt" gegründet |
Link zum Artikel in der "Wormser
Zeitung" vom 13. Juli 2012: Vetter gründet Arbeitskreis (Wormser Zeitung, 13.07.2012) |
Anmerkung: Langfristiges Ziel des von
Burkhard Vetter gegründeten Arbeitskreises ist die Verlegung von
"Stolpersteinen" in Bürstadt. |
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Juni 2013:
"Stolpersteine-"Verlegung in
Bürstadt |
Artikel von Matthias Rebsch in der
Bürstädter Zeitung" vom 26. Juni 2013: "Nur der Auftakt: Stolpersteine als Mahnmal gegen die Nazis in Bürstadt.
BÜRSTADT - Eine große Menschentraube zog am Dienstag durch die Bürstädter Innenstadt, um einer Steinverlegung beizuwohnen. Dass es sich bei den Steinen nicht um gewöhnliche handelt, versteht sich von selbst. Bürstadt gehört seit Dienstag zu den Städten, die mit Stolpersteinen an die Verbrechen der Nazis während des Dritten Reiches erinnern.
'Das heute war nur der Auftakt', sagte der Hauptorganisator Burkhard Vetter.
Gleich mehrere Gäste hatte Vetter für die Verlegung gewinnen können. So verlegte der Gründer der Stolpersteinverlegung, Gunter Demnig, die Steine mithilfe des Bauhofs gleich selbst. Außerdem begrüßte Vetter auch Gäste aus Israel und den USA – Nachkommen der Familie Baruch
Mehrl. 'Es ist eine große Ehre, dass Sie heute bei uns sind', sagte der Bürstädter im Saal des Historischen Rathauses.
Die erste Stolpersteinverlegung wurde gleich gegenüber des Alten Rathauses durchgeführt, wo einst die Familie Brückmann wohnte. Dort, in der Nibelungenstraße 53, kamen vier Steine für Amalia, Heinz-Ludwig, Richard und Ludwig Brückmann in den Boden. Bis auf Amalia überlebten die Brückmanns diese schwierige Zeit. Der Bürstädter Theo Held wusste allerhand zur Familie zu berichten, sagte:
'Es war eine gut funktionierende Familie.' Den Stein hatten Uwe Metzner und die Grünen-Fraktion gestiftet. Für ihn sind diese Stolpersteine personalisierte Gedenktafeln, die an die abscheulichen Taten von damals erinnern sollen.
'Diese Steine sollen zukünftige Generationen davor warnen, so etwas noch einmal
zuzulassen', sagte Metzner.
Schuhgeschäft. In der Luisenstraße 7, gegenüber dem Restaurant 'Zur
Krone', hatte die Familie Mann ein Schuhgeschäft. Nun erinnert dort ein Stolperstein an ihr Schicksal. Dr. Joachim Freund und seine Ehefrau hatten den Stein gestiftet und wollen damit die Lampertheimer Familie nicht in Vergessenheit geraten lassen. Burkhard Vetter rief noch einmal ins Gedächtnis, dass die Juden in Bürstadt geschätzte Menschen waren, die fest im Gemeindeleben integriert waren.
'Viele waren Vereinsgründer, spendabel und gar nicht mehr wegzudenken', sagte der Organisator, der in diesem Zusammenhang betonte, dass die Stolpersteinverlegung mit dem heutigen Tag nicht enden solle.
'Ich sehe das als Prozess. Wir haben noch wesentlich mehr jüdische Familien hier. Und ich freue mich über Leute, die bei dieser Aktion mitarbeiten möchten.'
In der St.-Michael-Straße 1 bekam Pfarrer Josef Adams seinen Gedenkstein.
'Er war ein Mann mit Ecken und Kanten', sagte Manfred Hartmann, der mit seiner Frau Uschi diesen Stein stiftete.
'Er kritisierte die Taten von der Kanzel herunter und wurde nach Dachau
deportiert', erzählte Hartmann. Dort überlebte er. 'Der Stein', so Hartmann,
'würdigt seine Person.'
Die letzten Stolpersteine an diesem Tag wurden in den Gehsteig an der Mainstraße 22 gelassen. Dort stand einst die jüdische Synagoge und war das Zuhause der Familie Mehrl. Stadtverordnetenvorsteherin Bärbel Schader ergriff das Wort.
'Hier ist ein besonderer Ort', sagte die zukünftige Bürgermeisterin. 'Eine Familie wurde von ihrer Heimat verstoßen und musste Unmenschliches ertragen. Diese Steine sollen an die Vergangenheit erinnern und in Zukunft
mahnen.' Die Söhne von Baruch Mehrl, der 1942 ermordet wurde, waren unter den Besuchern. Gemeinsam mit einem Rabbiner der jüdischen Gemeinde beteten sie vor der ehemalige Synagoge für die Toten.
Reichspogromnacht in Bürstadt. Peter Tschirch brachte danach die von der Bürgerstiftung gestiftete Gedenktafel an der Wand des Hauses an. Darauf ist unter anderem zu lesen:
'Hier standen Synagoge und Gemeindehaus der israelischen Gemeinde Bürstadt. Die jüdische Gemeinde wurde durch die Nationalsozialisten entrechtet, vertrieben und vernichtet. Die Synagoge verschwand Anfang der 40er Jahre aus dem
Stadtbild.'
Zum Ende ging es zurück ins Historische Rathaus. Dort begrüßte Bürgermeister Alfons Haag auch Elli Urban, die damals Freunde verlor, die wegen der Nazis auswanderten. Theo Held erzählte allerhand Wissenswertes zu den Familien, die mit Stolpersteinen gewürdigt wurden. Und Burkhard Vetter las noch einen ergreifenden Augenzeugenbericht von Irene Meyer vor, wie sie die Reichspogromnacht in Bürstadt erlebt hatte. Alles wurde für die Gäste aus dem Ausland ins Englische übersetzt. Diese durften sich am Ende noch ins Goldene Buch der Stadt eintragen.
'Dies heute ist ein wichtiger Tag für die Stadt', sagte Bürgermeister Alfons Haag in einer seiner letzten Amtshandlungen."
Link
zum Artikel |
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Juni 2014:
Weitere "Stolpersteine" werden in
Bürstädt verlegt |
Artikel in der "Bürstädter
Zeitung" vom 4. Juni 2014: "Bürstadt 04.06.2014
Die Erinnerung am Leben erhalten. STOLPERSTEINE Verlegung in diesem November
BÜRSTADT - (red). Auch dieses Jahr werden wieder Stolpersteine für Menschen verlegt, die in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft verfolgt wurden. Die Verlegung wird wahrscheinlich im November vorgenommen. Auch die Genehmigung seitens der Stadt Bürstadt liegt bereits vor.
Für folgende Personen sollen Stolpersteine verlegt werden:
1. Gustav Flörsheim, geboren am 30. Juli 1871 in Meerholz, gestorben am 28. September 1943 in New York, am 22. Oktober 1940 deportiert in das Internierungslager Gurs/Südfrankreich, 1941 in das Internierungslager Les Milles/Südfrankreich deportiert, im Dezember 1941 Auswanderung in die USA, dort am 28. September 1943 in New York nach schwerer Krankheit gestorben. Nibelungenstraße 62.
2. Cäcilia Ida Mehrl, geboren am 13. Februar 1912 in Ludwigshafen, am 8. Dezember 1939 nach Haifa/Palästina ausgewandert.
3. Moses 'Moritz' Mehrl, geboren am 21. November 1913 in Ludwigshafen, am 2. August 1939 nach England ausgewandert, im Mai 1947 in die USA gekommen, am 25. Juni 2009 in Brooklyn, New York, verstorben.
Die Familie Mehrl wohnte im Haus neben der Bürstädter Synagoge. Dort liegen bereits drei Stolpersteine, die im Jahr 2013 verlegt wurden. Mainstraße 22.
4. Albert Meyer, geboren am 4. Februar 1896 in Estenfeld, 9. November bis 25. November 1938 Inhaftierung im Konzentrationslager Buchenwald, am 13. Dezember 1938 nach Buenos Aires ausgewandert.
5. Betty Meyer, geb. Brückmann, geboren am 30. Oktober 1896 in Bürstadt, am 13. Dezember 1938 nach Buenos Aires ausgewandert.
6. Irene Sofie Meyer, geboren am 17. März 1922 in Bürstadt, am 13. Dezember 1938 nach Buenos Aires ausgewandert, gestorben am 29. März 1995 in Buenos Aires.
7. Sophie Brückmann geb. Levi, geboren am 26. Juli 1870 in Griesheim, am 13. Dezember 1938 nach Buenos Aires ausgewandert. Die Familie Meyer wohnte bis zu Ihrer Vertreibung in der Andreasstraße 2 in Bürstadt."
Link
zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. 101-102. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 16-17. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 108-109.
|
| Hans Goll / Burkhard Vetter: Von Aaron bis Zacharias. Die
israelitische Religionsgemeinde von Bürstadt. Erste Bearbeitung von Hans
Goll 1988. 2013 ergänzt von Burkhard Vetter. Stand: März 2013. 186
Seiten.
Online eingestellt als pdf-Datei (Hinweis: längere Ladezeit, da ca.
13 MB). |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Buerstadt Hesse. Numbering
34 (1 % of the total) in 1861, the community declined to 23 in 1933 and by 1939
most of the Jews had left.
See also the English Translation of the article "Buergholz" from
Pinkas ha-kehilot Germanyah (translated by Jerrold Landau)
http://www.jewishgen.org/yizkor/Pinkas_germany/ger3_00108.html
.
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