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Dachau (Landkreis
Dachau)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Zur jüdischen Geschichte
in Dachau
In Dachau gab es zu keiner Zeit eine jüdische
Gemeinde. Im Mittelalter werden Ende des 13. Jahrhunderts jüdische
Einwohner genannt. Ein Dachauer Jude namens Häuslin war 1292 Gläubiger des
Kastellans Mollo von Hohenkammer. 1293 lieh der Vicedom Herzog Ludwigs des
Strengen 400 Pfund Regensburger Pfennige bei zwei Dachauer Juden. Die dem Herzog
1293 gezahlte Steuer der Dachauer Juden betrug 6 Pfund Münchner Pfennige. Bis um
1440 dürften einzelne Juden in Dachau gelebt haben.
Danach lassen sich erst seit dem 19. Jahrhundert wieder einzelne jüdische Personen /
Familien in der Stadt nachweisen. Anfang 1830 wird der Israelit Isaak
Schleißheimer aus Dachau genannt, der in München starb und testamentarisch dem
Almosenhaus in Dachau die hohe Summe von 2.000 Gulden vererbt hatte.
Um 1900 lebte eine Familie Weiler in Dachau. Die Söhne Arthur
(geb. 1901 in Dachau) und Leo (geb. 1906 in Dachau) wurden 1942 in Auschwitz
ermordet. Die Familie Weiler wohnte später in
Merchweiler bei Illingen an der Saar
(siehe Beitrag in Literaturliste).
Bei der Volkszählung 1925 wurden in Dachau 21 jüdische Einwohner
registriert, 1933 waren es noch 12.
Unter den jüdischen Familien/Einwohnern Dachaus sind in Erinnerung:
- Familie Neumeyer in der
Herrmann-Stockmann-Str. 10 (ehemalige Hindenburgstraße): Vater Johann (Hans) Neumeyer
(geb. 1887 in München) war seit seiner Jugend
blind, hatte Musik studiert und komponierte. Seine Frau Vera geb. Ephraim gab
den Damen der Dachauer Künstlergesellschaft Unterricht in Tanz und Gymnastik.
Zur Familie gehörten die Kinder Ruth und Raimond, die später nach England
emigrieren konnten. In ihrem Haus lebte auch Julius Kohn.
- Im Haus Herrmann-Stockmann-Str. 27 lebten Alice und Johanna Jaffé. Letztere war
Privatsekretärin beim Ehepaar Meinhold und Julie Rau.
- In der
Herrmann-Stockmann-Straße / Ecke Kurfürst-Karl-Theodor-Straße war seit den 1919 die
große Trachtenfabrik/Handweberei, Färberei und Textildruckerei von Max Wallach, die er
zusammen mit seinen Brüdern Moritz und Julius Wallach (München) gekauft hatte
und mit seiner Frau Melitta (genannt Melly) betrieb. Max Wallach war technischer
Leiter der "Wallach-Werkstätten AG". Ehepaar Wallach wohnte gemeinsam mit
dem Sohn Franz in der Oskar-von-Miller-Straße 1. Max Wallach produzierte in
Dachau bayerische Trachten, die im Trachtengeschäft seiner Brüder Moritz
und Julius Wallach in der Münchner Residenzstraße 3 verkauft wurden
("Volkskunsthaus Wallach"). Die Wallachs hatten großen Anteil daran, dass zu
dieser Zeit die Tracht aus den ländlichen Regionen in München und später
weltweit salonfähig wurde. Sie waren 1910 zu "königlichen Hoflieferanten"
ernannt worden.
Informationen unter anderem: München-Wiki
https://www.muenchenwiki.de/wiki/Trachtengeschäft_Wallach
Artikel "Dirndl, Truhen, Edelweiß: Die Volkskunst der Brüder Wallach. Eine
Ausstellung im Jüdischen Museum München, 27.06.-30.12.2007" in haGalil.com:
https://www.hagalil.com/archiv/2007/06/wallach.htm
Artikel von Grischa Judanin über die Familie Wallach in:
https://www.gedenken9nov38.de/weg-der-erinnerung/familie-wallach/
Artikel von Karin Hartewig in der "Jüdischen Allgemeinen" vom 22. September
2015:
"Kulturgeschichte. Erfundene Tradition. Wie das Dirndl zuerst jüdisch und dann
nationalsozialistisch wurde..."
Beitrag von Dr. Dagmar Buchwald über Julie Wallach (Mutter der Brüder Wallach)
und die Familie Wallach (Bielefeld 2013):
http://www.unglaublich-weiblich.de/pdf/1890_julie_wallach_geb_zunsheim.pdf
(auch als
pdf-Datei eingestellt).
Moritz Wallach Collection im Center for Jewish History:
http://digital.cjh.org/webclient/DeliveryManager?pid=1769265&custom_att_2=simple_viewer
Video zur Familiengeschichte "Camera of My Family: Four Generations in Germany
1845-1945":
https://www.facinghistory.org/resource-library/video/camera-my-family-four-generations-germany-1845-1945
von der Photographin Catherine Hanf Noren erstellt.
Im heutigen Dachauer Stadtteil Augustenfeld in der St.-Peter-Straße 2 (früher
Schleißheimer Straße) lebte der jüdische Schriftsteller Hermann Gottschalk
mit seiner nichtjüdischen Familie (Frau Anni). Vom 1. bis zum 10. November 1938
hat er den Münchner Arzt Dr. Samuel Gilde bei sich aufgenommen, der in
München seine Praxis wegen Berufsverbotes hatte schließen müssen.
Vgl. Publikation von Christoph Triebfürst: "viele Arier in allerjüngster Zeit
noch behandelt" und "zweifellos ein Staatsfeind. Dr. med. Samuel Gilde geboren
am 8. Januar 1874 in Kaunas/Kowno (damals Russland) ermordet am 30. Juni 1944 im
Ghetto Theresienstadt..."
https://www.gedaechtnisbuch.org/wp-content/uploads/2018/07/gilde_klein.pdf
(auch eingestellt als
pdf-Datei).
In
den Jahren der NS-Zeit waren die
jüdischen Einwohner Dachaus von den Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien genauso betroffen wie andernorts. Das Ehepaar Meinhold und
Julie Rau konnte zusammen mit Johanna Jaffé rechtzeitig vor den Deportationen
nach England emigrieren. Die Kinder des
Ehepaares Neumeyer - Ruth und Raimond - konnten - wie auch der Sohn Franz Julius des
Ehepaares Max und Melitta Wallach - im Mai 1939 mit einem Kindertransport nach England
gelangen. Das Ehepaar Hans
und Vera Neumeyer selbst ist umgekommen bzw. wurde ermordet: Vera Neumeyer wurde Anfang
April 1942 ab München in das Ghetto Piaski deportiert und vermutlich in Majdanek
ermordet; Hans Neumeyer wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er im Mai
1944 umgekommen ist. Max und Melitta Wallach wurden 1938 aus Dachau vertrieben,
der Großteil ihres Besitzes wurde beschlagnahmt. Die beiden lebten vorübergehend
in München, seit April 1939 bei Verwandten in Paderborn (Gedenkblatt
Paderborn); seine Brüder Moritz und Julius (München) konnten mit ihren
Familien noch emigrieren. Max und Melitta Wallach wurden 1942 ab Münster-Bielefeld
nach Auschwitz deportiert und 1944 ermordet. Der NS-Bürgermeister Hans
Cramer hat 1939 Dachau für "völlig judenfrei" erklärt.
Von den in Dachau geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Erich Augustin
(1903), Dr. Hans (Johann) Neumeyer (geb. 1887 in München), Vera Charlotte Pauline
Neumeyer geb. Ephraim (geb. 1893 in Görlitz), Max Wallach (geb. 1875 in Geseke),
Melitta (Melita) Elisabeth Wallach geb. Holländer (geb. 1894 in Darmstadt),
Artur Weiler (geb. 1901 in Dachau, später wohnhaft in
Merchweiler, ermordet 1942 in
Auschwitz), Leo Weiler (geb. 1906 in Dachau, später wohnhaft in
Merchweiler, ermordet 1942 in
Auschwitz).
Zur Geschichte des Konzentrationslagers Dachau, in dem auch viele
jüdische Häftlinge Zwangsarbeit leisten mussten, von denen zahlreiche umgekommen
sind, siehe u.a. http://www.kz-gedenkstaette-dachau.de/. Eine besondere Rolle spielte Dachau,
als im Zusammenhang mit dem Novemberpogrom 1938 fast 11.000 Juden hierher in
sogenannte "Schutzhaft" gebracht wurden. Dabei wurden sie vielfach schwer
misshandelt; nicht wenige starben auf Grund der Lagerbedingungen oder danach
in Folge des Lageraufenthaltes. In den folgenden drei Jahren waren gleichfalls
viele Juden unter den Häftlingen des KZ Dachau (im "Judenblock"). Nach dem
Befehl Himmlers vom 5. Oktober 1942, die in Deutschland liegenden
Konzentrationslager "judenfrei" zu machen, deportierte die SS alle jüdischen
Häftlinge Dachaus in das Vernichtungslager Auschwitz. 1944 kamen nach Auflösung
erster Konzentrationslager im Osten jüdische Häftlinge teilweise zurück. Bis
April 1944 trafen Evakuierungstransporte aus geräumten Lagern ein. Die Häftlinge
wurden in Dachau oder den Außenkommandos zur Zwangsarbeit unter katastrophalen
Bedingungen eingesetzt. Am 14. April 1945 wurde Dachau nach dem Befehl Himmlers
teilweise evakuiert. Damit begannen die Evakuierungs- und Todesmärsche, auf
Grund derer wiederum viele Hälfte umkamen. Mehrere der Evakuierungstransporte
wurden schließlich durch die US-Amerikaner gestoppt bzw. befreit. Im KZ Dachau
lebten bis zum Sommer 1945 neben nichtjüdischen ehemaligen Häftlingen auch noch
etwa 2000 jüdische, da sie das Lager aufgrund einer Typhusepidemie noch nicht
verlassen durften. An einem der Wachtürme hing damals die blau-weiße Fahne mit
dem Davidstern.
Nach 1945 entstand in Dachau ein Lager für jüdische Displaced Persons
(Dachau - Jüdische DP-Gemeinde - Jewish DP Community - Jewish Committee
Dachau), das heißt für Überlebende von Konzentrationslagern und andere erst
1946/47 auf Grund neuer Pogrome in Polen und anderen osteuropäischen Staaten
geflüchtete jüdische Menschen. Das Zentrum des Lagers war in der Frühlingstraße
4 (Café Alt Dachau) und im Gasthaus "Unterbräu" ("Jewish Culture Home Dachau").
Die Vorsitzenden waren Joel Sack und Isidor Seligmann. An kulturellen und
religiösen Einrichtungen gab es eine Volksschule, ein Jüdisches Kulturhaus, eine
Bibliothek, eine Religionsschule und eine Koschere Küche. Im Dezember 1945
wurden 110 Lagerbewohner gezählt, im März 1946 191, im September 1947 308,
Januar 1948 (Höchstzahl von 321), im Oktober 1948 209, im März 1949 189, im März
1950 111 und im Februar 1951 78. Auf Grund der starken Abwanderung (insbesondere
nach Gründung des Staates Israel im Mai 1948) wurde das Lager 1951 geschlossen.
Link zu weiteren Informationen:
https://www.after-the-shoah.org/dachau-juedische-dp-gemeinde-jewish-dp-community/
Artikel von Jim G. Tobias in hagalil.com vom 19. Mai 2011 "Als die Fahne mit dem
Davidstern über Dachau wehte":
https://www.hagalil.com/2011/05/dachau-3/
Am Rande Dachaus auf einem Gehöft im Ortsteil Rothschwaige wurde zur
Vorbereitung auf die Auswanderung nach Israel ein Kibbuz eingerichtet (Kibbuz
Nizanim), auf dem junge Leute Grundkenntnisse von Ackerbau und Viehzucht
erhielten. Im Frühjahr 1948 wurde dieser Kibbuz aufgelöst, die jüdischen
Bauernschüler machten sich auf den Weg nach Israel
Zur den Wallach-Werkstätten in Dachau: der in die USA emigrierte Moritz
Wallach, der Bruder des ermordeten Max Wallach (siehe oben), hatte in den USA
wieder einen Betrieb für die Hersteller von Trachten und Stoffen aufgebaut, das
"Handcraft Studio" in Lime Rock, Connecticut. 1948 erhielt er die Wallach
Werkstätten AG in Dachau und das Ladengeschäft in München zurück, das er durch
einen Geschäftsführer betreiben ließ. Er selbst blieb in den USA. Die Firma
Wallach bestand bis 1985 und wurde dann an die Firma Lodenfrey verkauft, die das
Geschäft noch bis 2004 unter dem Namen "Wallach" weiterführten. An die
Wallach-Werkstätten erinnert heute eine Hinweistafel an der
Herrmann-Stockmann-Straße am "Wallach-Park".
Berichte aus der
jüdischen Geschichte in Dachau
In jüdischen Periodika des 19./20. Jahrhunderts wurden noch keine Berichte zur
jüdischen Geschichte in Dachau gefunden.
Beschreibung des
Gemeindegebietes der
jüdischen Gemeinde München 1932 |
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Handbuch
der jüdischen Gemeindeverwaltung und Wohlfahrtspflege 1932 über das
Gemeindegebiet der jüdischen Gemeinde München: "Das Gemeindegebiet erstreckt
sich auf die Stadt München, die
unmittelbaren Städte Freising,
Rosenheim und
Traunstein sowie die
Bezirksämter Aibling, Altötting, Berchtesgaden, Dachau, Ebersberg,
Erding,
Freising, Fürstenfeldbruck,
Garmisch,
Laufen, Miesbach, Mühldorf,
München, Pfaffenhofen,
Rosenheim, Starnberg,
Tölz,
Traunstein, Wasserburg,
Weilheim und
Wolfratshausen". |
Fotos
Die in Dachau
für frühere jüdische Einwohner verlegten "Stolpersteine"
(obere Fotozeile: verlegt am 9. November 2005; Stolperstein unten verlegt am
4. Mai 2017; Quelle: Wikimedia Commons) |
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Für Alice Jaffé |
Für Hans Neumeyer
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Für Vera Neumeyer
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Für Julius Kohn |
Für Max Wallach |
Für Melitta Wallach |
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Für Dr. Samuel
Gilde |
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Gedenkblätter
in Yad Vashem Jerusalem
für Max und Melitta Wallach
https://yvng.yadvashem.org/
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Max Wallach
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Melitta
Wallach geb. Holländer |
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Die
"Wallach-Werkstätten" in Dachau
an der Herrmann-Stockmann-Straße |
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Quelle: Screenshot
aus dem Video
"Camera of My Family: Four Generations in Germany 1845-1945"
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Jüdische
Einwohner Dachaus
(Fotos aus dem Stadtarchiv Dachau) |
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Melitta und
Max Wallach
(vgl.
Gedenkblatt Paderborn) |
Vera und
Hans Neumeyer
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Hermann
Gottschalk und rechts Dr. Samuel Gilde
(Titel der Publikation von Christoph Triebfürst s.o.) |
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Dezember 2014:
Über die Verlegung von
"Stolpersteinen" in Bad Tölz,
Freising und Dachau
Anmerkung: durch den Künstler Gunter Demnig wurden am 9. November 2005
sechs "Stolpersteine" in Dachau verlegt vor dem Haus
Herrmann-Stockmann-Straße 10 für Johann Neumayer (1887), Vera Neumeyer geb.
Ephraim (1893) und Julius Kohn (1886); vor der Herrmann-Stockmann-Straße 27
für Alice Jaffé (1875); vor dem Haus Oskar-von-Miller-Straße 1 für Max
Wallach (1875) und Melitta Wallach geb. Holländer (1894). Am 22. Mai 2014
wurden vier "Stolpersteine" verlegt für nichtjüdische Opfer der NS-Zeit
(siehe Wikipedia-Artikel). Am 4. Mai 2017 wurde ein "Stolperstein"
verlegt vor dem Haus St. Peter Str. 2 für den Arzt Dr. Samuel Gilde (1874).
Er wohnte hier bei dem jüdischen Schriftsteller Hermann Gottschalk in
Augustenfeld (seit 1939 Stadtteil von Dachau); vier weitere "Stolpersteine"
wurden verlegt für nichtjüdische Opfer der NS-Zeit ("Aktion T4").
Siehe Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Dachau
|
Artikel
von Peter Becker in der "Süddeutschen Zeitung" vom 4. Dezember
2014 (auszugsweise zitiert):
"Stolpersteine: 'Die Leute sollen dort wirklich drüberfallen'
Acht Stolpersteine in Bad Tölz und Freising,
zehn in Dachau: In den Städten rund um München gehören die Gedenkmarken im
Boden längst zum Ortsbild. Gestritten wurde darüber nicht - im Gegenteil...
In dem Warenhaus an der Oberen Hauptstraße in Freising, das einst der
jüdischen Familie Holzer gehörte, befindet sich heute ein
Bekleidungsgeschäft. Acht Stolpersteine sind in einer Reihe in den
Bürgersteig davor eingelassen... 'Ein Zeichen der Versöhnung'. So mehrheitlich in Freising die
Entscheidung zugunsten der Stolpersteine ausfiel, so geschah dies auch in
Dachau. Am 9. November 2005 verlegte Demnig auf Initiative der Dachauer
Versöhnungskirche und des Dachauer Forums dort die ersten Gedenktafeln zur
Erinnerung der in der Pogromnacht 1938 ermordeten Juden. Günter Heinritz,
Referent für Zeitgeschichte im Dachauer Stadtrat, sowie seine Vorgängerin
Katharina Ernst sehen in der Verlegung der Steine 'ein Zeichen der
Versöhnung'. Der damalige Stadtrat Helmuth Freunek (CSU) nannte die Aktion
'einen weiteren Schritt zur Aufarbeitung unserer örtlichen Geschichte'. Die
zehn Dachauer Gedenksteine befinden sich in der Hermann-Stockmann-Straße,
Oskar-von-Miller-Straße, Frieden-, Wieninger-, Heimgarten- und Schleißheimer
Straße.
Auch Zeitzeugen unterstützen die Aktion. Bei der Aktion in Dachau
waren sogar zwei Zeitzeugen anwesend. Frank Wallace und Ruth Locke waren
eigens aus England angereist. Letztere hieß mit Geburtsnamen Neumeyer. Die
damals 82-Jährige besichtigte aufmerksam ihr Geburtshaus an der
Hermann-Stockmann-Straße. Es ist das einzige, damals von jüdischen Bürgern
bewohnte Haus, das in Dachau heute noch steht. Wer will, kann sich einem
Rundgang durch die Stadt anschließen, bei dem Gästeführerinnen anhand der
Stolpersteine über die Schicksale der von den Nazis ermordeten Dachauer
berichten..."
Link zum Artikel
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November 2018:
Gedenkveranstaltung zum
Novemberpogrom 1938 und die Vertreibung der Familie Neumeyer aus Dachau
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Artikel von Thomas Radlmaier in der
"Süddeutschen Zeitung" vom 9. November 2018: "Gedenkfeier: 'Lebt wohl!'
Bei der Reichspogromnacht wird das Dachauer Ehepaar Neumeyer aus der Stadt
vertrieben. Im Rathaus erinnern die Enkel mit alten Briefen und zum Teil
noch nie gespielten Liedern an ihre Großeltern.
Es heißt, Musik sage mehr als tausend Worte. Und fast auf die Stunde genau
80 Jahre nachdem ein SS-Hauptsturmführer an der Haustür der Familie Neumeyer
klopft und sie zwingt, Dachau zu verlassen, streichen zwei Schülerinnen im
Rathaus-Foyer über ihre Geigen. Auf der Gedenkfeier am Donnerstagabend
anlässlich des Jahrestages der Reichspogromnacht von 1938 spielen sie ein
Duett von Hans Neumeyer. Der blinde Musiker mit jüdischen Wurzeln hat es vor
seinem Tod in Theresienstadt für seine Tochter Ruth komponiert. Er konnte
die Noten über die Schweiz nach England schicken, wohin er und seine Frau
Vera ihre 'zwei lieben Kinderle' bringen ließen, um sie vor den Nazis zu
retten..."
Link zum Artikel |
Artikel von Thomas Radlmaier in der
"Süddeutschen Zeitung" vom 7. November 2018: "Vor 80 Jahren wurden
jüdische Bürger enteignet. Beschlagnahmt und verschwunden..."
Link zum Artikel |
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November 2018:
Ein Teil der Dachauer
"Stolpersteine" wird geputzt |
Artikel von Tom Hackbarth in der
"Süddeutschen Zeitung" vom 9. November 2018: "Stolpersteine in Dachau:
Erinnerung aufpolieren
Stolpersteine erinnern an die Menschen, die in Dachau vor 80 Jahren dem
Rassenwahn der Nazis zum Opfer fielen - jetzt auch an die Neumeyers
Dachau. Eine kleine Menschentraube hat sich in der
Hermann-Stockmann-Straße vor dem Haus mit der Nummer 10 gebildet. Die
meisten Anwesenden haben den Blick nach unten gerichtet, einige stehen sogar
gebückt da. Es ist das Haus von Tim und Stephen Lockes Großeltern. Auch sie
haben sich am Freitag dem Stadtrundgang "Erinnerung pflegen" durch Dachau
angeschlossen.
Ihre Großeltern haben sie nie kennengelernt. Lange vor der Geburt der zwei
Brüder wurden Hans und Vera Neumeyer am 8. November 1938 aus diesem Haus
vertrieben. Ihre Tochter Ruth, Tim und Stephens Mutter, konnten fliehen;
Vera Neumeyer aber wurde im Holocaust ermordet. Stolpersteine vor ihrem
letzten freiwillig gewählten Wohnort sollen nun, 80 Jahre später, an sie
erinnern. Und um diese Stolpersteine ist die kleine Menschentraube auch
versammelt..."
Link zum Artikel |
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November 2019:
Gedenkveranstaltung zum
Novemberpogrom 1938 und die Vertreibung der Familie Wallach aus Dachau
Anmerkung. Zu der Gedenkveranstaltung waren auch Nachkommen der Familie
Wallach gekommen: die Brüder Paul und Mark Wallace, Enkel von Max und
Melitta Wallach. Ihr Vater Franz Wallach hatte über einen Kindertransport
nach England emigrieren können, schlug in Bath und Birmingham eine
akademische Karriere ein und wurde später Professor für Mechanical
Engineering. Mit seiner Frau Ruth hatte er außer den genannten Kindern Paul
und Mark auch eine Tochter Catherine. Er war bei der Stolpersteine-Verlegung
2005 in Dachau anwesend und starb 2009. |
Artikel von Anna-Elisa Jakob in der
"Süddeutschen Zeitung" vom 10. November 2019: "Kranzniederlegung: Gegen
die Kälte.
In der Nacht auf den 9. November 1938 wurden 15 jüdische Bürger aus Dachau
vertrieben, einige von ihnen später von den Nationalsozialisten ermordet.
Auf der Gedenkfeier im Rathaus mahnen ihre Nachfahren, nicht zu vergessen
Die Kälte dieser Novembernacht will man draußen halten. Für ein paar
Nachzügler wird die Tür zum Foyer des Dachauer Rathauses noch vorsichtig
geöffnet, ein Klacken, ein kalter Windhauch, innen sitzen die Gäste der
Gedenkfeier bereits eng aneinandergereiht und unter hellster Beleuchtung.
Geigen spielen. In diese Wärme holt Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD)
mit nur wenigen Worten die Kälte jener Novembernacht vor 81 Jahren zurück -
die brennenden Synagogen, die willkürlichen Enteignungen, die Verfolgung und
Ermordung jüdischer Bürger während der Novemberpogrome..."
Link zum Artikel |
Artikel von Nikola Obermeier im "Merkur" vom
11. November 2019: "Dachauer Großeltern wurden in Auschwitz ermordet.
Wenn die Enkel zu Zeitzeugen werden..." (Interview mit Paul Wallace)
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 156 (Artikel "Dachau").
|
| Hans Holzhaider: Vor Sonnenaufgang. Das Schicksal
der jüdischen Bürger Dachaus. München 2006. |
| Zu Familie Weiler: Josef Martin: Die Geschicke der
Merchweiler Juden in den dreißiger und vierziger Jahren. In: Merchweiler
Heimatblätter 21 2001 S. 104-146. |
| Zu Familie Weiler: Franz Josef Schäfer: Das
Schicksal der Familien Weiler aus Merchweiler. In: Lebenswege jüdischer
Mitbürger (Landkreis Neunkirchen (Hg.)). Neunkirchen 2009. S. 147-174.
|
| "Die Juden von Dachau". Beitrag in der Website des
Jüdisch Historischen Vereins Augsburg:
https://jhva.wordpress.com/2014/06/25/die-juden-von-dachau/
|
|
Catherine Hanf Noren: The Camera of My Family. 240 S. Verlag Knopf,
distributed by Random House 1976. |
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