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Delémont (Delsberg,
Kanton Jura, Schweiz)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(Seite wurde erstellt unter
Mitarbeit von Louis Bloch)
Die Synagoge Delemont im Film:
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Delémont (Delsberg; gehörte 1271-1793 zum Bistum
Basel, seit 1815 zum Kanton Bern) lebten einzelne Juden bereits im Mittelalter.
1279 schrieb ein dort lebender Jude französische Erklärungen zu schwierigen
Teilen der Bibel. 1307 wurde in Delsberg ein jüdischer Ehevertrag geschlossen.
Ein in Worms 1377 genannter Jude könnte nach seinem Beinamen aus Delsberg
stammen.
Im 18. Jahrhundert erhielt Leemann Lévy am 9. Juli 1722 das
Bürgerrecht. Er war allerdings zum Katholizismus konvertiert. Er kaufte ein Jahr
nach seinem Zuzug die städische Metzgerei und war daneben noch Wirt im
Restaurant Storchen (Auberge de la Cigogne). 1834 konnte sich Jacques
Schoppig in Delémont niederlassen. Er stammte aus
Hagenthal-le-Haut, wo er 1775
geboren ist (er starb 1861 in Delémont). Seit den 1830er-/1840er-Jahren erfolgte ein
weiterer Zuzug
von jüdischen Personen / Familien vor allem aus südelsässischen Gemeinden wie
Durmenach, Hagenthal und
Seppois.
Im 19./20. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1862 18 Gemeindeglieder, 1916 80 jüdische Einwohner (in etwa 20 Familien), 1917 75, um 1920 75
jüdische Einwohner (in etwa 20 Familien). Die jüdischen Gewerbetreibenden
waren als Kaufleute und Viehhändler tätig. Mehrere von ihnen eröffneten
Läden am Ort.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge
(s.u.), eine Religionsschule, ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Kultusbeamter
angestellt, der als Kantor und Religionslehrer tätig war. Um 1920 wird als
solcher Jules Dreyfuss genannt (siehe Gemeindebeschreibungen unten).
An jüdischen Vereinen bestanden ein Wohltätigkeitsverein
Chevra-Kadischa und ein Israelitischer Frauenverein. Beide Vereine waren auch
für das Bestattungswesen zuständig. Die Gemeinde bildete einen Vorstand aus
Präsident, Vizepräsident und Sekretär sowie bis zu drei Beisitzern.
Die jüdische Gemeinde in Délemont blieb klein und erhielt
auch in und nach der NS-Zeit keinen wesentlichen Zuwachs von
Gemeindegliedern.
Bereits in den 1980er-Jahren war kein jüdisches Gemeindeleben mehr
möglich. Nur noch wenige jüdische Einwohner wurden in den 1990er-Jahren
verzeichnet (vgl. unten die Beschreibung zu dem in dieser Zeit gedrehten Film
über die in Delémont lebenden jüdischen Personen und ihre Synagoge).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
In jüdischen Periodika des 19./20.
Jahrhunderts wurden außer dem unten zitierten Bericht zur Einweihung der
Synagoge noch keine Berichte zur jüdischen Geschichte
gefunden. |
Beschreibungen der Gemeinde im "Jüdischen Jahrbuch für die
Schweiz" (1916 - 1921)
Beschreibung von 1916:
Abschnitt im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" Jahrgang
1916 S. 198: "Delsberg. In Delsberg wurde im Jahre 1834 eine
jüdische Gemeinde gegründet und zählt diese heute mit 20
Gemeindemitgliedern ca. 80 jüdische Seelen. Vorstand: M.
Schmoll, Albert, Präsident; Jos. Levy, Vizepräsident; Samuel Schoppig,
Sekretär; Ullmann-Haas und Meyer-Haas als Beisitzer. Beamter:
Jules Dreyfus.
Institutionen: Synagoge (Route de Porrentruy),
Friedhof, Armenpflege." |
Beschreibung von 1919:
Abschnitt
im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" Jahrgang 1919 S.
256-257: "Delsberg.
In Delsberg wurde im Jahre 1834 eine jüdische Gemeinde gegründet und
zählt diese heute mit 20 Gemeindemitgliedern zirka 75 jüdische Seelen. Vorstand:
Albert Schmoll, Präsident; Samuel Schoppig, Sekretär; Joseph Levy, Isak
Ulmann, Isak Meyer, Beisitzer. Beamter: Jules Dreyfus,
Kantor.
Institutionen: Synagoge (Route de Porrentruy); Armenpflege:
Chevros: Chevra-Kadischah, Frauenverein". |
Beschreibung von 1921:
Abschnitt
im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" Jahrgang 1921. S. 179:
"Delsberg.
In Delsberg wurde im Jahre 1834 eine jüdische Gemeinde gegründet und
zählt diese heute mit 20 Gemeindemitgliedern zirka 75 Seelen. Vorstand:
Albert Schmoll, Präsident; Samuel Schoppig, Sekretär; Joseph Lévy, Isak
Ulmann, Isak Meyer, Beisitzer. Beamter: Jules Dreyfus,
Kantor.
Institutionen: Synagoge (Route de Porrentruy); Armenpflege.
Chevros: Chevrah-Kadischah, Frauenverein". |
Statistik der jüdischen Einwohner 1917
Artikel im "Jüdischen Jahrbuch der Schweiz" von 1917 S. 220: Es
werden angegeben an jüdischen Einwohnern:
"Kanton Zürich: Zürich 5212, Winterthur 133, Bülach
24;
Baselstadt 2452;
Genf 2236;
Kanton Bern: Bern 1062, Biel 413, Delsberg
75, Burgdorf 50, Langental 32, Laufen 27, Thun 27;
Kanton Waadt: Lausanne 989, Vevey 127, Yverdon 102, Montreux 96,
Avenches 74, Nyon 64, Morges 40, Mondon 32, Cossonay
24". |
Berichte zu einzelnen
Personen / Familien
Über die jüdische Familie Schoppig in Delémont
(Dokument erhalten von Louis Bloch; Anmerkung: Samuel Schoppig war um 1920
Sekretär der jüdischen Gemeinde s.o.)
Artikel
von Roland S. Sussman in "The Jerusalem Post" vom 16. September
1986 über die
Familie Samuel und Therese Schoppig: "The Jews of Delemont: thin
ranks, much pride...".
Zum Lesen bitte Textabbildung anklicken. |
Zur Geschichte der Synagoge
In den ersten Jahrzehnten des Bestehens der Gemeinde wurden
die Gottesdienste in Privathäusern abgehalten. Ab 1862 konnte man gegen
Mietzahlungen an die bürgerliche Gemeinde in der Orangerie des Schlosses von Delémont die Gottesdienste abhalten. Dieser Raum wurde allerdings Ende Mai 1909
gekündigt. 1910 heißt es dazu: "die israelitische Gemeinde von
Delsberg feierte bis vor kurzem ihren Gottesdienst in einem Lokal, das sie von
der Gemeinde mietete. Nachdem der Mietvertrag aufgelöst wurde, musste sie sich
in einem kleinen Zimmer versammeln, das natürlich den Anforderungen an einen
solchen Ort nicht genügen kann."
Hierauf beschloss die Gemeinde den Bau einer Synagoge an Ort. Ein Grundstück
konnte unterhalb des Schlosses vor den Toren der Altstadt erworben werden. Unter
großen finanziellen Anstrengungen der Gemeindemitglieder und mit Hilfe von
Spenden konnte das zum Bau notwendige Kapitel zusammengebracht werden. Als
Architekt war Arthur Roos aus Mülhausen beauftragt.
Die Einweihung der Synagoge am 20.
September 1911
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Oktober 1911: "Delsberg
(Kanton Bern), Schweiz, 1. Oktober (1911). Die hiesige Gemeinde, die nur
aus 20 Familien besteht, hat andere größere beschämt, indem sie durch
ihre Opferwilligkeit es dahin gebracht hat, eine kleine, aber schöne
Synagoge zu errichten, deren Baukosten 30.000 Frs. betrogen. Die Synagoge,
an der Straße gelegen und im orientalischen Stil gebaut, enthält 40
Männer- und ebenso viel Frauenplätze. Zur Einweihung, die am 20.
September stattfand, waren der Vizepräsident Advokat Gotschel, ein
Glaubensgenosse, der Maire Zurbrugg, ferner Vertreter der Bürger, des
Gemeinderates, der katholischen und evangelischen Kirche erschienen. Die
Einweihungsrede hielt (Delsberg liegt im französischen Jura) Herr
Rabbiner Dr. Cohn von Basel in französischer Sprache. Der gesangliche
Teil hatte Herr Oberkantor Drujan von Basel übernommen. Der Parnes der
Gemeine, Herr Albert Schmok, begrüßte die Behörden und der Maire gab in
längerer Rede seiner Freude über das Aufblühen der jüdischen Gemeinde
und über ihre schöne Synagoge, die eine Zierde der Stadt sei,
Ausdruck." |
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Programm zur
Einweihung
der Synagoge in Delémont
(Dokument erhalten von Louis Bloch) |
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Souvenir de
l'inauguration de la
synagogue Delémont - 20 Septembre
1911 - 27 Elloul 5671 |
Programme Mercredi,
20 Septembre 1911 2 1/2 h.
aprés midi prècises* |
*1. Entrée des Livres de la loi avec
chant hébr. "Ono.
2. Mo Thowu, chant hébr., M. Drujan, Bâle.
3. Allocution du Président de la Communauté, M. Alb. Schmoll.
4. Mo Oschiw, chant hébr., M. Drujan.
5. Consécration et bénédiction de la Synagogue (en allemand), M. le Rabbin
Dr. Cohn, Bâle.
6. Uwenucho Jomar, chant hébr., Rentrée des Livres de la loi dans le
Tabernacle.
7. Allocution en français par M. le Rabbin Dr.
Cohn.
8. Tenu aus, chant final hébraïque.
...
Mincho, Prière du soir.
dès 8 1/2 heures. Soirée familière et dansante á l'Hòtel du Soleil. Entrèe
et Banquet: 3 fr. 50 par personne. |
Über dem Eingangsportal findet sich eine hebräische
Portalinschrift aus Jesaja 56,7: "Mein Haus soll ein Bethaus für alle
Völker genannt werden".
1999 wurden die Synagoge und die noch in Delémont lebenden
jüdischen Einwohner bekannt über den Film des Schweizers Franz Rickenbach
"Une synagogue à la campagne" (deutscher Titel: "Eine Synagoge
zwischen Tal und Hügel"; englischer Titel: "A Synagogue in the
Hills").
1990 hat die jüdische Gemeinde die Synagoge für 30 Jahre an die Stadt Delemont
überlassen (Schenkungsvertrag). Im Jahr 2000 wurde die Synagoge umfassend renoviert.
Adresse/Standort der Synagoge: 12, Route de
Porrentruy
Fotos
Außenansichten der
Synagoge
in Delémont |
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Quelle: Wikimedia Commons
über den
Wikipedia-Artikel zu
Delémont |
Quelle:
Herkunft
unbekannt |
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Innenaufnahmen
(vorläufig eingestellt aus
Quelle:
judaicultures.info) |
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Blick zum Toraschrein mit
Besuchergruppe |
Blick zur Frauenempore
und
die Eingangstüre von Westen |
Einzelne Presseberichte
Januar 1990:
Die Zukunft der Synagoge ist
ungewiss |
Artikel in der "Basler Zeitung" vom 18. Januar 1990: "Der Synagoge von
Delémont droht die Ausräumung.
Seit über zehn Jahren wird die Synagoge von Delémont nicht mehr zu
kultischen Zwecken benutzt - es fehlt die dafür notwendige Anzahl an
männlichen Gemeindemitgliedern. Nun haben die sieben verbliebenen Juden
beschlossen, ihr Gotteshaus der Stadt Delémont auf 30 Jahre zu
überlassen..."
Zum Lesen des Artikels bitte
Textabbildung anklicken |
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August 2001:
Film über das jüdische Leben in Delémont in
den 1990er-Jahren |
Artikel von Volker Müller in der
"Berliner Zeitung" vom 31. August 2010 (Artikel):
"Die letzten Sieben aus der Synagoge von Delémont - Filmreihe über jüdisches Leben in Kino Arsenal.
Eine alte Dame kocht zum Sabbat nach traditioneller Vorschrift das koschere Essen und deckt den Tisch festlich für sich allein. Munter schwatzend putzen Glaubensschwestern mit Wischeimer und Staubtuch das Innere ihrer Synagoge, deren Bänke schon lange verwaist sind und an deren Außenwänden der Putz bröckelt. Es sind schöne und anrührende Bilder, mit denen der Schweizer Regisseur Franz Rickenbach in seinem breit ausladenden, 139 (!) Minuten langen Film "Eine Synagoge zwischen Tal und Hügel" ein verfallendes Stück Kultur festhält. Sieben Jahre lang, von 1992 bis 1999, rekonstruierte er in der jurassischen Kleinstadt Delémont das Leben der letzten jüdischen Landgemeinde in der französischsprachigen Schweiz. Deren physisches Erlöschen ist unabwendbar: Rickenbach traf nur noch sieben betagte Menschen an, vier Witwen, ein Ehepaar und den Gemeindevorsteher; zwei seiner Darstellerinnen haben den fertigen Film nicht mehr erlebt.
Ja, man muss von Darstellern sprechen, denn Rickenbach hat seine einfühlsame Erzählung vom Dasein dieser Glaubensgemeinschaft fernab eines nüchternen Dokumentarismus groß inszeniert. Im opulenten Rahmen des 35-mm-Films, den marginalen Gegenstand bewusst kontrastierend, begleitet von einer emotionsgeladenen Filmmusik (Komposition: Antoine Auberson), tragen die Akteure die Bilder ihrer Erinnerung im buchstäblichen Sinne herbei, werden in ihren Gesichtern und in ihrer Umgebung die Anmut und Würde des Vergehenden nachgerade zelebriert (Kamera und Licht: Pio
Corradi).
Eigentlich sind sie schon keine Gemeinde mehr, bringen sie doch seit Jahren nicht die zehn erwachsenen Männer zusammen, die nach jüdischer Regel für das Abhalten des Gottesdienstes gefordert sind. Zum Tribut an die moderne Zivilisation, die die jungen Mitglieder fortziehen ließ, kam eine eigentümliche biologische Schicksalsmacht: Über Jahrzehnte wurden in der Gemeinde ausschließlich Mädchen geboren.
Aber diese Sieben waren da, unerschütterlich in ihrem Glauben. Sie berichteten mit Freude, Witz und auch Wehmut von den Zeiten, da ihre Familien als Viehhändler und Geschäftsinhaber das Leben des Städtchens mitgeprägt hatten, nicht immer wohlgelitten, doch in ihrer schweizerischen Nische von tödlicher Verfolgung verschont.
Aus ihrem kleinen Zirkel erinnern Rickenbachs Akteure das prosperierende Delémont im beginnenden 20. Jahrhundert. Sie schlagen Erzählbögen zu Menschen, die aus der Stadt gegangen sind. Exkursionen führen ins Elsass, wo die Nazis die jüdischen Gemeinden vertrieben und ausrotteten, die Synagogen heute mißnutzt und verfallen sind. So wird der Film über das kleine Delémont hinaus zu einer Elegie auf den verlorenen Reichtum jüdischer Lebenswelten und kultureller Pluralität überhaupt.
'Eine Synagoge zwischen Tal und Hügel' ist am 6.9., um 18.30 Uhr und am 9. 9. um 21 Uhr in Anwesenheit des Regisseurs im Kino Arsenal 1&2 an der Potsdamer Str.2 zu sehen - innerhalb einer Reihe, die die Freunde der Deutschen Kinemathek anläßlich
der Eröffnung des Jüdischen Museums Berlin veranstalten. Begonnen wird die
Filmreihe am 3. September um 14 Uhr mit 'Jew Suss' von Lothar Mendes aus dem
Jahre 1934 (Wiederholung am 9.9., 19.30 Uhr). Claude Lanzmanns Filmwerk 'Shoah' folgt am 12. (1. Teil) und 13.9. (2.Teil), jeweils 19 Uhr. ARTE zeigt heute um 22.15 Uhr eine stark gekürzte Fassung von
'Eine Synagoge zwischen Tal und Hügel'." |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 159 |
| Ron
Epstein-Mil: Die Synagogen der Schweiz. Bauten zwischen Emanzipation, Assimilation und
Akkulturation.
Fotografien von Michael Richter
Beiträge zur Geschichte und Kultur der Juden in der Schweiz. Schriftenreihe des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, Band 13.
2008. S. 222-227. (hier auch weitere Quellen und
Literatur) |
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