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Fritzlar
mit Cappel, Lohne und Obermöllrich (Stadt Fritzlar) sowie Wabern (Schwalm-Eder-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Fritzlar bestand eine jüdische Gemeinde schon im Mittelalter. Bereits
um 1200 erhob der Mainzer Erzbischof von den Juden der Stadt Steuern. Die jüdischen
Familien wohnten insbesondere oder ausschließlich in der "Judengasse"
(1344 und wiederum 1367 und 1387 genannt). Die "Judengasse" lag in dem
Teil der Altstadt, der in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ausgebaut
worden ist, zwischen der Hadamar- und der Jordansgasse. Bei der Judenverfolgung
in der Pestzeit 1348/49 wurde die Gemeinde vernichtet.
Nach der Verfolgung werden erstmals 1379 wieder Juden in der Stadt
genannt. 1463 wurden Juden in der Vorstadt von Fritzlar, der "Neuen
Stadt" aufgenommen. Die jüdischen Familien lebten vom Geldverleih. 1467
kam es zu einem Konflikt zwischen den Juden und der Stadt, der den Wegzug der
meisten jüdischen Einwohner zur Folge hatte.
In den folgenden Jahrhunderten lebten nur zeitweise wenige jüdische Familien in
der Stadt. 1648 sechs jüdische Familien, 1676/79 drei Familien, 1744 eine
Familie.
Im 19. Jahrhundert kam es zur Neugründung einer jüdischen Gemeinde. Die
Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich wie folgt: 1804 11 jüdische
Einwohner in vier Familien, 1827 110 jüdische Einwohner (3,8 % von insgesamt
2.882 Einwohnern), 1861 108 (3,8 % von 2.869), 1871 131 (4,5 % von 2.925), 1885
163 (5,0 % von 3.239), 1905 148 (4,3 % von 3.448).
Zur Fritzlarer Gemeinde gehörten auch die in Cappel
und Wabern lebenden jüdischen Einwohner (in
Cappel: 1835 2, 1861 9, 1905 8 Personen; in Wabern 1861 2, 1911 11
Juden), in der Mitte des 19. Jahrhunderts auch die in Obermöllrich
lebenden jüdischen Personen (1835 26, 1861 33).
Vermutlich gehörten auch die in Lohne (mit Kirchberg)
lebenden jüdischen Personen (1826: 26) zur jüdischen Gemeinde in Fritzlar,
doch könnten sie auch zur Gemeinde in Gudensberg oder Niedenstein gehört
haben.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts kam es vorübergehend zu einer Spaltung
der jüdischen Gemeinde. Bis dahin war die Gemeinde zeitweise Sitz eines
Kreisrabbinates gewesen. Rabbiner Mordechai Wetzlar, der 1830 als
Kreisrabbiner in Fritzlar
gewählt worden war, verlegte auf Grund der Spannungen in der Gemeinde den Sitz
des Rabbinates nach Gudensberg,
wo er 46 Jahre lang geblieben ist. Radikale Reformer (etwa 20 vermögende
Familien) hatten 1849 in Fritzlar eine eigene Gemeinde gründen wollen mit
eigenem Kultus und unter Ablehnung von Kabbala und Talmud. Sie nannten sich
"Neue Religionsgesellschaft" und beriefen bei gleichzeitiger Ablehnung
von Rabbiner Wetzlar einen eigenen Lehrer für ihre Gesellschaft, was jedoch von
Seiten des Landesrabbinats und der Regierung nicht anerkannt wurde. 1851 gelang
es dem Vorsteher der Gemeinde, Kaufmann David Stern, die Religionsgesellschaft
wieder mit der Gemeinde zu verbinden.
An Einrichtungen bestanden in der Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine jüdische
Religions- beziehungsweise Elementarschule (seit 1868) sowie (seit dem 18.
Jahrhundert) ein Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der
zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. An Lehrern sind bekannt:
ab 1853 Samuel Weinstein, um 1865 weiterhin Samuel Weinstein, dazu J. Appel (Quelle;
Lehrer Appel wird auch genannt im Bericht zum Tod von Moritz Stern 1927 s.u.),
ab 1869 bis 1904 Aron Katz (siehe Artikel unten), um 1914/24 Aron Neuhaus, um
1932 Gustav Kron (letzter jüdischer Lehrer in Fritzlar, siehe Foto unten).
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Leutnant Ernst
Joseph (geb. 3.8.1894 in Fritzlar, gef. 13.3.1918), Gustav Löwenstein (geb.
16.6.1899 in Fritzlar, gef. 31.8.1918) und Sally Neugarten (geb. 17.3.1884, gef.
17.9.1915).
Um 1925 - als noch 150 Personen der jüdischen Gemeinde angehörten (4 % von
insgesamt etwa 3.700 Einwohnern) - waren die Vorsteher der jüdischen
Gemeinde: Moses Lissauer und Leopold Löwenstein. Als Lehrer und Kantor
wirkte der bereits genannte Aron Neuhaus, als Schochet Aron Mansbacher, als
Synagogendiener H. Löwenstein. Die Israelitische Volksschule wurde von
16 Kindern besucht (1932 von 11 Kindern in vier Klassen). An jüdischen
Vereinen gab es den Israelitischen Frauenverein (gegr. 1843), den Alten
Männerverein und den Jungen Männerverein (1932 nur noch den
Israelitischen Männerverein) sowie den Verein "Humanität"
(gegr. 1896, Ziel: Unterstützung hilfsbedürftiger und erkrankter
Mitglieder"). 1932 wurden 140 jüdische Einwohner gezählt.
Inzwischen waren Leopold Löwenstein und David Löwenstein die Vorsteher der jüdischen
Gemeinde. Gustav Kron wirkte als Lehrer und Vorbeter.
Nach 1933 ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder (1933: 128 Personen) auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Zu gewaltsamen
Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung kam es in Fritzlar bereits am
8. November 1938. Sie führten zu einer verstärkten Ab- und Auswanderung,
soweit diese noch möglich war. Die letzten jüdischen Einwohner wurden 1941/42
deportiert.
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Kantor Gustav Kron und seine
Frau Selma, ermordet 1942 im KZ Chelmno |
Von den in Fritzlar geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Frieda (Friederike)
Bacharach (1880), Sophie Bacharach (1874), Sidonia Bachmann geb. Mansbach
(1899), Emilie Baruch geb. Katz (1890), Josef Baruch (1923), Julius Baruch
(1884), Ruth Rosa Baruch (1926), Sara Klara Baumann geb. Mark (1869), Paula
Boldes geb. Neugarten (1887), Emma Boley (1875), Lilli Brill geb. Mannheimer
(1910), Ilse Fried geb. Hony (1912), Johanna Fried geb. Mark (1867), Ludwig
Gutheim (1907), Julius Heilbronn (1897), Hilde (Brunhilde) Helfer geb. Kugelmann
(1916), Hedwig Chana Herze geb. Herzberg (1891), Dina Joseph geb. Hoexter (1876), Moritz Joseph
(1870), Tessy Joseph (1898), Grete Katz geb. Wolff (1911), Paula Kaufmann geb. Sauer (1893), Gustav
Kron (1878), Selma Kron geb. Blumenkrohn (1890), Berta
Kugelmann (1924), Betti Kugelmann geb. Plaut (1884), Frommet Kugelmann (1867), Josef Kugelmann (1877),
Robert Kugelmann (1880), Selma Kugelmann (1875), Julius Lissauer (1906), Max Lissauer (1906), Moses
Lissauer (1870), Susanne Luss geb. Lissauer (1909), Bernd Löwenstein (1938),
Bessy Löwenstein (1902), Blanka Löwenstein (1921), David Löwenstein (1874),
Ella Löwenstein geb. Heilbronn (1893), Elly Löwenstein geb. Wallach (1909),
Herbald Löwenstein (1872), Jettchen Löwenstein (1875), Nathan Löwenstein
(1873), Rickchen Löwenstein
geb. Stern (1872), Siegfried Löwenstein (1884), Sigmund Löwenstein (1905),
Susanne Luss geb. Lissauer (1909), Lilli Mannheimer (1910), Arthur Mansbach
(1898), Ascher A. Mansbach (1865), Günter Mansbach (1932), Hans Mansbach (1931), Herta Mansbach geb. Levie (1907),
Ludwig Mansbach (1896), Ottilie Mansbach (1929), Adele Mark (1874), Max Mark
(1872), Otto Mark (1880), Robert Mark (1876 oder 1877), Jacob Neugarten (1888),
Sophie Pick geb. Neugarten (1887), Herta Poppert geb. Speier (1913), Erna Rapp
geb. Löwenstein (1897), Robert Salmon (1890),
Hermann Speier (1880), Rebekka (oder Ruth) Speier geb. Grünebaum (1888),
Susmann Speier (1870), Erna Stern (1927), Herta Stern (1921), Max Tugendreich (1879).
Von den in Obermöllrich geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Herbald Löwenstein
(1872), Joseph Löwenstein (1868), Siegfried Löwenstein (1884), Selma Rosenhoff
geb. Löwenstein (1889).
Von den in Wabern geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Siegfried Kaiser (1896),
Isaak Wolff
(1869).
Seit 2005 wurden in Fritzlar "Stolpersteine"
verlegt zur Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Einwohner der Stadt, die in
der NS-Zeit umgekommen sind. Informationen auf den Seiten
des Kulturvereins Fritzlar. Informationen zu den
Stolpersteinen mit Opferbiographien: https://www.fritzlar.de/leben-wohnen/stadtportrait/aus-der-geschichte/stolpersteine/
Eine Übersicht der Fritzlarer Stolpersteine auch in
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Fritzlar.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der
Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule
Ausschreibung der Stelle des Lehrers,
Vorbeters und Schochet (1868)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17 Juni 1868:
"Bewerber um die mit dem 1. Juli dieses Jahres erledigt werdende
israelitische Lehrer- und Vorbeterstelle, womit womöglich zugleich der
Schächterdienst vereinigt werden soll und womit dann ein Einkommen von
circa 300 Thalern verbunden ist, werden hierdurch aufgefordert, ihre
Meldungsgesuche unter Anschluss von Qualifikations- und sonstigen
Zeugnissen dem unterzeichneten Vorstande vorzulegen.
Fritzlar in der Provinz Hessen, am 9. Juni 1868. Der Gemeindevorstand Moriz
Mark." |
Pensionierung des Lehrers Aron Katz (1904)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 30. Dezember
1904: "Fritzlar (Hessen-Nassau). Pensionierung. Am 1. Januar wird die
hiesige Gemeinde ihren Lehrer Herrn A. Katz scheiden sehen. Er blickt auf
eine 48jährige Tätigkeit zurück und tritt nunmehr in den wohl
verdienten Ruhestande. Die Gemeinde hat beschlossen, ihm zu Ehren am
genannten Tage eine größere Festlichkeit zu veranstalten."
Anmerkung: Aron Katz ist 1835 in Nentershausen geboren. |
Verabschiedung von Lehrer Aron Katz (1905)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Januar 1905:
"Fritzlar, 9. Januar (1905). Am 1. dieses Monats trat Herr
Lehrer Katz hier nach 49-jähriger Dienstzeit in den wohlverdienten
Ruhestand. Welcher Hochachtung und Verehrung der Scheidende sich nicht nur
in seiner Gemeinde, in der er 36 Jahre gewirkt, sondern in unserer ganzen
Stadt erfreut, zeigte sich so recht in diesen Tagen. Nachdem Herr Katz der
Adler der Inhaber des Hohenzollernschen Hausordens vom Landrat unter
herzlichen, anerkennenden Worten überreicht worden war, hielt am letzten
Tage des alten Jahres unser bisheriger Lehrer zum letzten Male
Gottesdienst als Beamter in seiner Gemeinde. Die Synagoge war bis auf den
letzten Platz gefüllt, als Herr Katz, anknüpfend an den Abschied Jakobs
von seinen Kindern mit tief ergreifenden Worten Abschied nahm von seiner
Gemeinde und Schule. Im Namen der Familie verabschiedete sich sodann der
Sohn, Herr Lehrer Katz - Nienburg, von der Vaterstand. Am Abend hatte der
Männer-Wohltätigkeitsverein ihrem scheidenden Gründer zu Ehren einen
Festkommers veranstaltet. In zündenden Worten feierte der Kreisvorsteher
Herr D. Meyerhoff den bisherigen Vorsitzenden und überreichte ihm unter
Dankesworten ein kostbares Geschenk neben der Ernennung zum Ehrenmitglied,
indem er dabei dem Bedauern der Gemeinde Ausdruck gab darüber, dass es
ihr nicht vergönnt sei, ihren Lieblingswunsch erfüllt zu sehen, nämlich
durch die Nachfolge eines der Söhne den Vater in ihrer Mitte zu behalten.
Die eigentliche Feier fand am 1. dieses Monats statt. Mittags erschien
eine Deputation des Magistrats, bestehend aus dem Bürgermeister und
dessen Vertreter in der Wohnung des Herrn Katz, um die Glückwünsche 'dem
tiefen Bedauern der Stadt Ausdruck zu geben, einen Mann zu verlieren, der
in den langen Jahren seiner Wirksamkeit sich nicht nur die Liebe seiner
Gemeinde, sondern auch die Hochachtung und Verehrung der ganzen Stadt
Fritzlar in reichstem Maße erworben habe.' Am Abend hatten sich neben der
ganzen Gemeinde viele Freunde des Scheidenden in den Räumen des
Frankfurter Hofes zu einer Abschiedsfeier versammelt. Nach einem von Herrn
David Löwenstein vorgetragenen Prolog, dem ein lebendes Bild - die Schule
- folgt, überreichte der Vorsitzende der israelitischen Lehrerkonferenz
Hessens, Lehrer Amram - Borken, unter
innigen Worten dem Freunde eine sehr schöne Adresse. Hiernach ergriff
Lehrer Rosenstein - Rotenburg
das Wort, um seinem alten Lehrer im Namen der Schüler zu danken, die dem
Lehrerberufe sich gewidmet haben. Vorsteher Mannheimer drückte den Dank
der Gemeinde für all das segensreiche Wirken des Scheidenden aus. Tief
bewegt dankte der so Gefeierte für alle die Ehrungen, die ihm in so
außerordentlich reichem Maße geworden
seien." |
Beabsichtigte Auflösung der kleinen jüdischen Schulen (1907)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Oktober 1907:
"Frankfurt am Main, 31. Oktober. Aus Fritzlar kommt die Nachricht,
dass die Regierung die in dem dortigen Bezirke befindlichen jüdischen
Volksschulen mit weniger als zwölf Schülern aufzulösen beabsichtige und
dass darob große Bestürzung unter der jüdischen Bevölkerung herrsche.
Sollte die Nachricht zutreffen, so ist den beteiligten Gemeinden
anzuraten, gegen die beabsichtigte Auflösung, die dem Wortlaut und dem
Geiste des neuen Volksschulgesetzes entschieden widerspricht, Einspruch zu
erheben und diesen Einspruch, falls notwendig, bis vor den Kultusminister
zu bringen." |
Lehrer Aron Neuhaus ist Vorsitzender der Israelitischen Lehrerkonferenz in
Kassel (1925)
Bericht
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. April 1925:
"Israelitische Lehrerkonferenz in Kassel. Kassel, 27. April (1925).
Im Hotel Meier fand die Konferenz der 'Vereinigung israelitischer Lehrer
im Regierungsbezirk Kassel' statt. Der Vorsitzende, Lehrer Neuhaus -
Fritzlar, begrüßte die Mitglieder und Gäste. Lehrer Rosenbusch -
Bebra hielt dann einen Vortrag über: 'Das Arbeitsprinzip im
Religionsunterricht'. Die ethische und erzieherische Aufgabe der
Arbeitsschule sieht er in der Willens- und Charakterbildung durch das Erlebnis
und die Tat. An seine Ausführungen knüpfte sich eine sehr ausdehnende Diskussion,
an der sich eine Anzahl der Herren beteiligte, teils zustimmend, teils
abweisend. Eingehende Besprechung fanden auch die für den an Pfingsten in
Köln stattfindenden Verbandstag gestellten Anträge über die
Ausgestaltung des Verbandsorganes und die Hilfskassen. Der bisherige
Vorstand wurde wiedergewählt. Lehrer Perlstein - Gudensberg berichtete
schließlich über die Hilfskasse 'Esra'." |
Verbandstag des Reichsverbandes der Jüdischen
Lehrervereine in München mit Referat von Lehrer Aron Neuhaus (Fritzlar, 1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 6. Januar 1928:
Zum Lesen bitte Textabbildung anklicken
|
Zu Gustav Kron
Gustav Kron (1878 Wolfhagen - Mai 1942 Vernichtungsager Kulmhof) war von
1924 bis 1938 der letzte Lehrer und Kantor der jüdischen Gemeinde Fritzlar.
Weitere Informationen siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Kron und vor allem (mit Fotos)
http://www.judaisme-alsalor.fr/histoire/rabbins/hazanim/kron.htm
Aus dem jüdischen
Gemeinde- und Vereinsleben
Liberale Einflüsse im jüdischen Gemeindeleben führen zu Unsicherheiten und
Spannungen (1848/49 )
Anmerkung: der Bericht ist aus konservativ-orthodoxer Sicht sehr kritisch
geschrieben.
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 16. Februar
1849: "In Fritzlar sind 22 Mitglieder ausgetreten und haben sich zu
einer besonderen Religionsgesellschaft vereinigt, ihre Dogmen haben sie
noch nicht veröffentlicht, bis jetzt ist ihr Gottesdienst wie früher,
nur dass Männer und Frauen beim Gebete zusammen sind." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 19. Oktober
1849: "Kurhessen. Was die hiesigen jüdischen Verhältnisse
betrifft, so herrscht noch immer dasselbige traurige Chaos. In Kassel
bleibt es stets beim Alten; eine definitive Arrangierung der Gemeinde-Verhältnisse
ist ferner als je; dasselbe gilt von der Anstellung eines Landesrabbinen.
Während der verflossenen (Feiertage) zum Neujahrsfest und Jom
Kippur hörten wir zur Abwechslung einmal wieder einen Berliner
Prediger; die Predigt wurde mit nur geteiltem Beifall aufgenommen; von
Anstellung ist keine Rede. - In Fritzlar, hierzulande hinlänglich
wegen seines religiösen Indifferentismus berüchtigt - haben dreiviertel
der Gemeinde den Berliner Reform-Gottesdienst angenommen, weshalb man
einen eigenen Lehrer und Prediger aus Preußen beschrieb und selbigen mit
300 Gulden honoriert. Da indes viele sich zu dieser Gemeinde halten, um
von den bedeutenderen Abgaben der ältern Gemeinde befreit zu sein, die
aber an einem deutschen Gottesdienste weder das geringste Interesse haben,
noch denselben überhaupt verstehen, so entstehen dadurch die
possierlichsten Situationen. So 'ort' (= betet, von lat. orare) der
Eine zuvor im Hause nach altem Ritus, geht nachher in den Andachtssaal des
neuen; ein Anderer gesucht am Neujahrsfest den Reform-Tempel,
lässt sich aber nach dem Gottesdienst den Schofarbläser der
Synagoge kommen und in seinem Hause vorblasen und was dergleichen mehr.
Dabei verfolgt man sich im Schoße der neuen Gemeinde gegenseitig mit
Pasquillen, sodass es ein Skandal sondergleichen
ist." |
Aufruf des Färbers Frank
(1848)
Anmerkung: bei Färber Frank handelt es sich um eine
nichtjüdische Person.
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 27. Juni 1848:
"In Fritzlar hat ein bekannter Färber Frank einen Aufruf in
der 'Neuen hessischen Zeitung' an die Juden ergehen lassen, worin er
dieselben auffordert, dem Rabbinismus Valet zu sagen, wozu er vorzüglich unrein
zu essen, und Schabbatentheiliger zu sein, rechnet. Das nennt der
arme Mann 'vom Rabbinismus lossagen'!
Der Aufruf hat natürlich auf dem lande nicht den geringsten Anklang
gefunden, und zumal, da er höchst unlogisch geschrieben, eine wahre
Missgeburt von Unverschämtheit und Unwissenheit ist, und werden die Folgen
wahrscheinlich gerade das Gegenteil des Gewünschten bewirken." |
Ein Teil der Gemeinde möchte vom bisherigen Kreisrabbiner
Wetzlar unabhängig sein (1852)
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. November 1852:
"Am Mittag kam ich nach Marburg.
Im Jahre 1848 und den darauf folgenden lösten sich viele israelitische
Gemeinden auf. So ging es denn auch in Fritzlar und in Marburg: dort
trennte sich ein großer Teil von dem Kreisrabbinen Wetzlar, hier
sagten sie sich los von ihrem Provinzialrabbinen Gosen. Die Marburger
nannten sich 'die Überzeugten', indem sie wahrscheinlich überzeugt
waren, ihr Geld zu sparen. Die traurigen Verhältnisse, in welche jüdische
Gemeinden am Wenigsten verfallen sollten, weil sie hierdurch am Ehesten
und mit Recht zu einem schlechten
Beispiel werden müssen, sind nun zwar durch höhere Entscheidungen,
wonach die Abgetrennten zur Zahlung ihrer seitherigen Beiträge verurteilt
wurden, teilweise wieder geregelt, allein in Marburg erkennt die Gemeinde
dessen ungeachtet ihren Rabbinen noch immer nicht an und dieser ist nun
schon während der ganzen Zeit des traurigen Konflikts verhindert, die
Ortssynagoge besuchen zu können. – Herr Gosen, der Nestor unserer
hessischen Rabbinen, ein sehr gemütlicher Mann, wird den meisten Lesern
dieser Zeitung sowohl aus Aufsätzen, die er in dieselbe geschrieben, wie
auch von der Frankfurter Rabbinerversammlung her noch im Gedächtnisse
sein." |
60-jähriges Jubiläum des Israelitischen Frauenvereines (1903)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 11. Dezember
1903: "Fritzlar, 8. Dezember (1903). Der israelitische Frauenverein
begeht nächsten Sonntag, den 13. dieses Monats, das 60jährige Bestehen
des Vereins. Aus diesem Anlass finden neben einem Festessen,
Theateraufführungen mit nachfolgendem Tanzvergnügen im Saale des
Frankfurter Hofes dahier statt. Die ganze israelitische Gemeinde wird sich
vollzählig an der Festlichkeit beteiligen." |
Kurze Vorstellung der jüdischen Gemeinde (1926)
(Aus einem Beitrag von Alexander Fiorino - Kassel: "Versuch einer
Geschichte der Israeliten in Hessen")
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 19. November 1926: "Fritzlar. Bis
zum 14. September 1802 zu Mainz gehörig, hat wohl während des
zwölfhundertjährigen Bestehens der Stadt stets auch eine jüdische
Bevölkerung gehabt, welche das oft sehr harte Schicksal ihrer Mitbürger,
viele Kriege, Pest, Brände und Plünderungen mit ihnen teilten. Manche
jüdischen Familien sind ausgestorben oder verzogen. Die Namen Israel oder
Mark findet man nicht mehr dort. In früheren Zeiten fand der Gottesdienst
in einem Privathause statt, in der unteren Nikolausstraße. Erst 1895
erbaute man in der Holzgasse auf dem Gelände einer alten Stiftskurie eine
Synagoge und hinter derselben, an der Nikolausstraße, wurde eine Schule
errichtet, an der ein Lehrer wirkt; auch befindet sich in Fritzlar der
Kreisvorsteher." |
Anzeige zum Schwuaus-Ball (Ball am Laubhüttenfest,
1928)
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 25. Mai 1928: "Morgen Sonntag,
den 27. Mai, abends 8 Uhr.
Schwuaus-Ball in Fritzlar in sämtlichen Sälen des Hotels
Reichsadler.
Es gastiert die bekannte Jonny-Kapelle. Hierzu ladet herzlichst
ein Das Komité." |
Simchas-Thauroball (Ball zum Feiertag Simchas Tora,
1929)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 25. Oktober 1929: "Fritzlar. Am
Sonntag, den 27. Oktober, abends 8 Uhr, findet in Fritzlar ein
Simchas-Thauroball in sämtlichen Räumen des Hotels Reichsadler statt,
wozu das Komitee Freunde und Bekannte, auch der Nachbargemeinden,
herzlichst einladet." |
Vortragsabend der Sinailoge Kassel in Fritzlar
(1930)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 21. Februar 1930: "Fritzlar.
Sonntagabend weilten in unseren Mauern Mitglied des Kulturausschusses der
Sinailoge Kassel und bereiteten den Mitgliedern unserer Gemeinde einige
angenehme und dabei lehrreiche Stunden. Lehrer Kron sprach in
seiner Begrüßung einige Worte über die Not auf den Gebieten der
Wirtschaft, der Politik und der Kultur, die zu vergessen bzw. zu lindern
diese Veranstaltung besonders geeignet sei. Daran anknüpfend hielt Herr
Dessauer einen wohldurchdachten feinsinnigen Vortrag über 'Das
jüdische Lied - die jüdische Melodie'. Es waren Worte, die aus
jüdischem Herzen kamen und in jüdischen Herzen ihr Echo fanden.
Anschließend an den Vortrag trug Frau Dr. Gotthilf fünf jüdische
Lieder formvollendet vor, welche die gemütsvollen Ausführungen des
Redners unserm Gemüte noch näherbrachten und Saiten in den Herzen der
Zuhörer erklingen ließen, die leider in der hastenden Arbeit des Alltags
verstummen. Gespannte Aufmerksamkeit und lauter Beifall belohnten Redner
und Sängerin für ihre aufgebotene Mühe. Zwei Lieder als Zugabe bildeten
den Abschluss der Vorführungen. Dann folgte noch ein kurzes gemütliches
Beisammensein. Nur allzu früh verließen uns unsere Gäste mit dem
Versprechen, uns sobald als möglich wieder einen solchen genussreichen
Abend zu bereiten." |
Lichtbilder-Vortrag über Palästina (1931)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 24. April 1931: "Fritzlar. Am
Sonntag vor Pessach wurde von Herrn Dr. Erlanger ein
Lichtbilder-Vortrag über Palästina in Fritzlar gehalten, an dem der
größte Teil der jüdischen Gemeinde teilnahm, und der, trotzdem es sich
um eine erstmalige Veranstaltung dieser Art handelte, das Interesse der
Anwesenden für Erez Jisrael weckte." |
Chanukkafeier der jüdischen Jugend (1931)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 18. Dezember 1931: "Fritzlar. Eine sehr
gemütliche Chanukkafeier vereinigte die hiesige Jugend zu einem
wohlgelungenen Zusammensein bei Geschwister B. Die jüdische Jugend ist
durch eine Arbeitsgemeinschaft verbunden, die es sich zur Pflicht macht,
unter Leitung des Herrn Lehrer Kron und des Herrn Dr. Erlanger
jüdische Geschichte zu treiben, wobei jedes Mitglied Vorträge
ausarbeiten muss. Nachdem unter Klavier und Geigenbegleitung Moaus Zur ertönte,
wurde entzündet und Herrn Dr. Erlanger das Wort gegeben, der in
tiefschürfender und vergeistigter Art über das Wirken und den Einfluss
der Makkabäer auf die jüdische Geschichte sprach. Kaffee und Kuchen,
Vorträge, Tanz und Gesellschaftsspiele beendeten diese harmonische Feier.
Ein beträchtlicher Betrag konnte dem Keren Kajemet zugeführt
werden." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod des langjährigen Vorsteher der Gemeinde
Kaufmann David Stern (1899)
Als
am 17. April 1899 der langjährige Vorsteher der israelitischen Gemeinde,
Kaufmann David Stern starb, wurde in einem in der Zeitschrift "Der
Israelit" erschienenen Nekrolog auf die damalige Geschichte und die
Verdienste des Verstorbenen um die Einheit der Gemeinde hingewiesen:
Fritzlar, 17. April (1899). Am 2. Ijar (des Jahres 5659 =
11./12. April 1899) verstarb nach sechsmonatlichem schweren Leiden einer der
würdigsten Männer unserer jüdischen Gemeinde und einer der geachtetsten
Bürger der hiesigen Stadt. Herr Kaufmann David Stern erreichte ein Alter von 81
Jahren. Durch das Hinscheiden dieses streng-religiösen Mannes hat die Gemeinde
einen herben Verlust erlitten. Der Entschlafene hing mit allen Kräften bis zum
letzten Atemzuge an unserer heiligen Religion und war, so lange es ihm die
Kräfte ermöglichten, stets morgens und abends einer der ersten im Bejt
HaKnesset (Synagoge). Bei jedem Krankheits- und Sterbefall in der Gemeinde,
war der Verblichene zuerst am Platze, stand mit Rat und Tat helfend zur Seite,
wie denn auch ein jeder in der Gemeinde seinen Anordnungen sich fügte.
Es war Anfangs der fünfziger Jahre, als mehrere reiche Mitglieder der hiesigen
Gemeinde in verblendeter Nachahmungssucht der Reformbestrebungen größerer
Gemeinden, sich von der Hauptgemeinde trennten und eine Separatgemeinde der
äußersten Reform, die sogenannte Genossenschaft, bildeten. Da fühlte der
nunmehr Entschlafene, damals noch als junger Mann, sich berufen, alle seine
Kräfte zu entwickeln, um die Abgefallenen für die Gemeinde wieder
zurückzugewinnen. Seine Bemühungen waren denn auch vom schönsten Erfolg
begleitet. Die Genossenschaft wurde nach zweijährigem Bestehen von der
damaligen Kurfürstlichen Regierung aufgelöst und deren Mitglieder der alten
Gemeinde wieder zugewiesen.
Der selige Entschlafene bekleidete länger als 25 Jahre das Amt eines Vorstehers
der israelitischen Gemeinde, er war Mitbegründer der Chewra Gemilus
chassidim und hat fast 30 Jahre lang, bis zu seinem Tode, als Vorstand dem
Verein seine Kräfte gewidmet.
Das Leichenbegängnis fand am Freitag, den 14. April, unter Beteiligung einer
großen Menge von Leidtragenden statt. Liskor olam... ("zum ewigen
Gedenken..."). Sein Wirken wird unter uns unvergesslich sein. T'N'Z'B'H'
("Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens"). |
87. Geburtstag von Amalie Löwenstein
(1926)
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung"
vom 1. Januar 1926: "Fritzlar (87. Geburtstag). Die
langjährige, verdiente Vorsitzende des hiesigen Israelitischen
Frauenvereins, Frau Amalie Löwenstein, beging kürzlich in
befriedigender körperlicher und geistiger Frische ihren 87.
Geburtstag." |
Zum Tod des langjährigen Gemeindeältesten Moritz
Mannheimer (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 4. März 1927: "Fritzlar. Ein sehr großer
Leichenzug, wie ihn unsere Stadt selten zu sehen bekommt, geleitete am
letzten Mittwoch die sterbliche Hülle des dahingegangenen Herrn Moritz
Mannheimer zu ihrer letzten Ruhestätte. Diese in allen Schichten der
Bevölkerung sich zeigende Teilnahme legte ein beredtes Zeugnis von der
Wertschätzung und Beliebtheit ab, die sich der Verstorbene durch sein
Wirken zu erwerben gewusst. Auch die Behörden des Kreises und der Stadt
waren durch ihre führenden Persönlichkeiten vertreten. Dreißig Jahre
hindurch hatte der Verblichene als Stadtverordneter und zum Teil
als Magistratsmitglied die Interessen unserer Stadt wahrgenommen
und durch sein kluges Urteil und seine auf dem Gebiete der
Finanzverwaltung besonders hervorragenden Kenntnisse sich um die
Bürgerschaft recht verdient gemacht. Der israelitischen Gemeinde hat er
fast 25 Jahre als Gemeindeältester vorgestanden und ihr Geschick
geleitet; der Bau der neuen Synagoge ist mit auf seine Initiative
zurückzuführen. Sein weitverzweigtes Geschäft führte er in
unermüdlicher, nie rastender Tätigkeit, seine durch nichts
einzudämmende Energie und Schaffenskraft überwand Schlaf und Krankheit.
Ein stark entwickeltes soziales Mitgefühl ließen ihn Armut und Elend
lindern, wo sie ihm entgegentraten. Sein Rat wurde von vielen gesucht und
blieb keinem versagt. Die letzten Jahre brachten ihm manche
Enttäuschungen. Herr Lehrer Kron würdigte am Grabe die Verdienste
des Dahingegangenen. Auf letztwilligen Wunsch des Verstorbenen sprach dann
noch der frühere Lehrer der Gemeinde, Herr Neuhaus, der die
Persönlichkeit des Verklärten nach ihrem Kern und Wesen kennzeichnete.
Möge dem verdienten Manne die Erde leicht sein." |
84. Geburtstag von Witwe Blumenfeld (1927)
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. August 1927: "Fritzlar,
8. August (1927). In größter Frische beging Frau Witwe Blumenfeld,
dahier ihren 84. Geburtstag." |
Zum 75. Geburtstag von Kreisvorsteher Meyerhoff (1927)
Artikel
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 11. Februar 1927: "Unser
langjähriges Mitglied Kreisvorsteher Meyerhoff in Fritzlar in
Hessen beging kürzlich seinen 75. Geburtstag. Zu den Gratulanten
gehörten u.a. die Behörden des Kreises und der Stadt sowie der Vorstand
des Kriegervereins. Auch wir gratulieren dem verehrten Freunde
herzlich." |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 28. Januar 1927: "Foto: David Meyerhoff aus
Fritzlar.
Fritzlar. Am 31. Januar vollendet Herr David Meyerhoff in
seltener geistiger und körperlicher Frische sein 75. Lebensjahr. Herr
Meyerhoff erfreut sich in der ganzen Stadt und bei allen Konfessionen der
allergrößten Beliebtheit. Die jüdische Gemeinde kann insbesondere mit
Stolz und Dank auf ihn blicken, hat er doch ununterbrochen 40 Jahre
hindurch als Gemeindeältester und als Kreisvorsteher der Judenheit des
hiesigen Bezirks große Dienste geleistet. Seiner Rührigkeit verdankt die
Gemeinde auch die im Jahre 1897 eingeweihte neue und sehr würdige
Synagoge sowie das neue Schulhaus. Trotz der größten Schwierigkeiten,
die man seinerzeit gerade in gutsituierten Kreisen der Errichtung dieser
Gebäude entgegensetzte und der man sogar von dieser Seite durch Wegzug
von hier aus dem Wege ging, gelang es seiner Energie, alle Widerstände
niederzukämpfen. Mögen dem rüstigen Herrn noch viele Jahre in
Gesundheit und Frohsinn beschieden sein!" |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 4. Februar 1927: "Fritzlar. Am
verflossenen Montag beging, wie bereits berichtet, Herr Kreisvorsteher
Meyerhoff seinen 75. Geburtstag. Ehrungen aller Art bewiesen, welche
Hochachtung und Verehrung man ihm entgegenbringt. Vom frühen Morgen bis
zum späten Abend erschienen Gratulanten, Mitglieder der israelitischen
Gemeinde und andersgläubige Bürger der Stadt, u.a. der Landrat,
vertreten durch den Kreisoberinspektor Meyer, der Bürgermeister Weinrich
und Mitglieder des Magistrats, General Freiherr von Richthofen (ein Freund
des Hauses) und sonstige prominente Persönlichkeiten. Die hiesigen
Gemeindeältesten überreichten im Namen sämtlicher Gemeindeältesten des
Kreises einen silbernen Becher mit entsprechender Widmung. Der
Kriegervereinsvorstand übergab unter recht herzlicher Ansprache des
Vorsitzenden eine Ehrenurkunde, die besagte, dass der hochgeschätzte
Kamerad Meyerhoff zum Ehrenmitglied ernannt sein. Auch die Stadtkapelle
Fritzlar ließ es sich nicht nehmen, das Geburtstagskind durch ein
Ständchen zu erfreuen. Wenn auch diese Ehrungen in der Hauptsache aus der
großen Belietbeit des Herrn Meyerhoff zu erklären sind, so zeigen sie
doch auch, welches friedliche Einvernehmen unter den Bürgern der
verschiedenen Konfessionen in unserem schönen Städtchen am Ederstrande
herrscht. Möge es so bleiben für alle Zeiten. K." |
Zum Tod von Rosa Gutheim (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 20. Mai 1927: "Fritzlar. Am letzten
Montag wurden die sterblichen Überreste der Witwe Rosa Gutheim,
zuletzt wohnhaft bei ihren Töchtern in Renteln (?) bei Frankfurt, im
Alter von 78 Jahren hier zu Grabe getragen und neben ihrem, ihr vor zwölf
Jahren im Tode vorausgegangenen Gatten, mit dem sie eine innige
glückliche Ehe führte, bestattet. Sie war eine Esches chajil (wackere
Frau) in des Wortes wahrster Bedeutung und bei Glaubensgenossen und
Andersgläubigen ihrer Menschenliebe, Hilfsbereitschaft und Friedensliebe
wegen sehr beliebt. Ihr Andenken sei zum Segen!" |
David Meyerhoff legt sein Amt als Kreisvorsteher nieder
(1927)
Anmerkung: Beim Amt des Kreisvorstehers handelt es sich um den Vertreter des
Kreises Fritzlar im Rabbinatsbezirk Niederhessen mit Sitz in Kassel, der aus
neun Kreisen mit jeweils gewähltem Kreisvorsteher bestand. Zum Kreis Fritzlar
gehörten außer Fritzlar sechs weitere jüdische Gemeinden (Gudensberg,
Jesberg, Niedenstein,
Ungedanken, Zimmersrode und
Zwesten).
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 4. Oktober 1927: "Fritzlar. Herr
Kreisvorsteher David Meyerhoff, der über 36 Jahre das Amt des
Kreisvorstehers (seit 1. Mai 1892) innehatte, hat sein Amt seiner
angegriffenen Gesundheit wegen niedergelegt. Anlässlich seines 75.
Geburtstages haben wir ausführlich auf die Lebensarbeit des Herrn
Meyerhoff im Dienste des Judentums hingewiesen. Wir bedauern lebhaft, den
Abgang dieses hervorragend bewährten Kreisvorstehers und hoffen und
wünschen, dass er trotzdem noch mit Rat und Tat der Jüdischen
Gemeinschaft zur Verfügung stehen wird." |
|
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Oktober 1927:
"Fritzlar, 23. Oktober (1927). Herr Kreisvorsteher David Meyerhoff,
der seit 36 Jahren Kreisvorsteher war, hat aus Gesundheitsrücksichten
sein Amt als Kreisvorsteher niedergelegt." |
|
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. November 1927:
"Fritzlar, 1. November (1927). Der Kreisvorsteher David Mayerhof hat
aus Gesundheitsrücksichten sein Amt als Kreisvorsteher des Kreises
Fritzlar niedergelegt." |
Karl Schloss wurde zum Rechnungsführer der Gemeinde
gewählt (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 28. Oktober 1927: "Fritzlar. Herr Karl
Schloß wurde zum Rechnungsführer unserer Gemeinde
gewählt." |
Zum 89. Geburtstag von Amalie Löwenstein (1927)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Dezember 1927:
"Fritzlar, 12. Dezember (1927). Witwe Amalie Löwenstein, die älteste
Bürgerin, beging ihren 89. Geburtstag. Die Hochbetagte zeigt
trotz ihres Alters für alle Vorkommnisse noch reges Interesse und erfreut
sich bester Gesundheit." |
Zum Tod von Moritz Stern (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 23. Dezember 1927: "Fritzlar. Am
Sonntagnachmittag, kurz bevor wir die Chanukkalichter anzündeten wurde
das allseitig beliebte und geehrte Mitglied unserer Gemeinde, Herr Moritz
Stern nach langem Krankenlager von uns genommen. Dem Chanukkalicht glich
sein Wesen. Wie von diesem, so ging auch von ihm Licht, Wärme und Freude
aus. Das Licht seines Geistes warf seine Strahlen weithin. Der Verstorbene
besaß ein großes Wissen, besonders in der jüdischen Literatur. Einem
angesehenen Hause entstammend, lernte er schon hier in seiner Vaterstadt
bei seinem Lehrer Appel Raschi und Dinim, besuchte dann die
Jeschiwoh des Rabbiners Dr. Plato (des späteren Seminardirektors
in Köln) in Karlsruhe. - Die Wärme, die seinem guten Herzen entströmte,
wirkte wohltuend auf seine Umgebung. Dieses gute, warme Herz leitete ihn
bei der Pflege seiner viele Jahre bettlägerigen Mutter, bei seiner Sorge
um Arme und Hilfsbedürftige, besonders bei seinem eifrigen Streben um die
Förderung des jüdischen Frauenvereins, dessen Rechner er lange Zeit war.
So half er macnhe Not beseitigen und zauberte so manchen frohen Blick aus
den Augen derer hervor, denen er Hilfe und Stütze war. Secher zaddik
livroch. Möge auch das Andenken an diesen Edlen, der in unserer Gemeinde
nicht erlöschen wird, und zum Segen gereichen! K." |
80. Geburtstag von Salomon Speier (1928)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Februar 1928: "Fritzlar,
29. Januar (1928). Herr Salomon Speier, ein allgemein angesehener und
beliebter Mitbürger dahier, begeht heute seinen 80. Geburtstag in
größter körperlicher Rüstigkeit und Geistesfrische." |
80. Geburtstag von Hannchen Krohn
(1928)
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Februar 1928:
"Fritzlar, 31. Januar (1928). Ihren 80. Geburtstag beging Frau
Hanchen Krohn dahier in seltener Frische." |
Zum 90. Geburtstag von Amalie Löwenstein (1928)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Dezember 1928: "Fritzlar,
10. Dezember (1928). Ihren 90. Geburtstag beging am Heiligen Schabbat in
größter körperlicher Rüstigkeit und Geistesfrische im Kreise ihrer
vier Kinder die Witwe Amalie Löwenstein, die älteste Einwohnerin unserer
Stadt. Sie wohnt seit 1865 in Fritzlar." |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 7. Dezember 1928: "Fritzlar. Am 8.
Dezember vollendet Frau Witwe J. Löwenstein in körperlicher
Frische ihren 90. Geburtstag. Sie lebt seit Jahren bei Sohn und Tochter,
die sie in hervorragender Weise pflegen. Sie unterhält sich noch mit
ihren alten Bekannten, die sie sehr oft besuchten, von früheren Zeiten.
Möge ihr noch ein froher Lebensabend beschieden sein. Ad meoh weesrim
schonoh (= alles Gute bis 120)". |
85. Geburtstag von Fanny Löwenstein (1929)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 22. März 1929: "Fritzlar. Am
kommenden Freitag, den 22. dieses Monats, begeht Frau Fanny Löwenstein
Witwe, im Kreise ihrer Lieben, die dankbar zu ihr emporschauen, ihren
85. Geburtstag. In körperlicher und selten geistiger Frische hat sie
unter Gottes Beistand diesen Jubeltag erreicht. Mit regem Interesse
verfolgt sie die Ereignisse des Tages in engerer und weiterer Heimat. Mit
seltenen Geistesgaben ausgestattet, nimmt sie Stellung zu allen Fragen der
Gegenwart. Gern erinnert sie sich an ihre ferne Schulzeit und an ihren
hochverehrten Lehrer, den späteren Seminardirektor Dr. Stein, der
damals Lehrer in ihrem Geburtsorte Ropperhausen
war. Besonders ist sie bewandert im jüdischen Wissen. Hingebungsvoll
vertritt sie die Interessen des jüdischen Frauenvereins, dessen Vorsitzende
sie schon seit langen Jahren ist. Wenn sie in einer Sitzung desselben das
Wort ergreift, so weiß sie immer in sachlicher Weise mit recht viel
Wärme für die Sache, die sie vertritt, einzutreten. Frieden zu hegen und
zu pflegen ist ihr Herzensbedürfnis. Regen Anteil nimmt sie an Freud und
Leid aller. So nimmt es uns nicht wunder, dass sie sich allgemeiner
Hochachtung erfreut. Möge es ihr vergönnt sein, ihr Wiegenfest noch
recht oft in Gesundheit und Zufriedenheit zu begehen. Ad meo weesrim
Schonoh (...bis 120 Jahre)." |
Zum Tod von Amalie Löwenstein
(1929)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1929: "Fritzlar,
16. Mai (1929). Die älteste Einwohnerin unserer Stadt, Frau Amalie
Löwenstein, die erst im Dezember vorigen Jahres ihren 90. Geburtstag
begehen konnte, wurde am Dienstag zu Grabe getragen. Ihre Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Kreisvorsteher David Meyerhoff legt sein Amt nieder
(1929)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 9. August 1929: "Fritzlar. Herr
Kreisvorsteher D. Meyerhoff hat aus Gesundheitsrücksichten sein Amt,
welches er nunmehr 40 Jahre zur größten Zufriedenheit verwaltet hat,
niederlegt. Er war vom Jahre 1887-1890 Gemeindeältester und dann Kreisvorsteher.
Während seiner Amtszeit wurde der Bau der Synagoge in Angriff genommen.
Er selbst hatte an der Erbauung derselben großen Anteil. Auch jetzt, zu
den Vorarbeiten der Renovierung der Synagoge, stellt er seine reiche Erfahrung
in den Dienst der Gemeinde. Stets betrachtet er es als sein höchstes Ziel
nur das beste für de Gemeinden seines Bezirks zu tun, wobei ihm sein
großes Ansehen, was er bei den Behörden genoss, sehr zustatten kam. Der
stellvertretende Landrat hat in einer Abschiedsrede seine Verdienste
restlos anerkannt. Als sein Nachfolger wurde der als Gemeindeältester
bestens bewährte Herr M. Lissauer einstimmig durch Zuruf
gewählt." |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 16. August 1929: "Fritzlar. Vom
Vorsteheramt der Israeliten wurde dem langjährigen, sehr verdienten Kreisvorsteher
Meyerhoff anlässlich seines Ausscheidens nachstehendes Schreiben
gewidmet: 'Sehr geehrter Herr Meyerhoff! Ihrem Ansuchen, Sie von den
Pflichten des Amtes eines Kreisvorstehers zu entbinden, konnten wir bei
Würdigung der dargelegten Gründe nicht noch länger entgegen sein. wir
brauchen Ihnen nicht zu versichern, wie groß das Bedauern ist, mit dem
wir Sie aus Ihrem Amte scheiden sehen, dessen Mühe Sie auf unsere Bitten
hin sich so lange unterzogen haben. Fast ein Menschenalter haben Sie den
Gemeinden Ihres Heimatkreises mit Rat und Tat zur Seite gestanden, haben
für den Frieden in den Gemeinden gewirkt und sind uns ein nimmermüder und
getreuer Helfer gewesen. Mögen sich auch alle Verhältnisse seit Ihrem
Amtsantritt wesentlich geändert haben, Ihre Arbeitsfreudigkeit und Schaffenskraft
ist sich gleich geblieben. Ihres Wirkens wird nicht nur dankbar in Ihrem
Bezirke gedacht werden, sondern in weiteren Kreisen unserer
Glaubensgemeinschaft. Wir aber möchten den Tag, an dem Sie Ihre
Tätigkeit beenden, nicht vorübergehen lassen, ohne Ihnen unseren
herzlichsten Dank zu sagen. Möge es Ihnen vergönnt sein, noch lange
Jahre in Gesundheit und Zufriedenheit auf Ihre Wirksamkeit zurückblicken
zu können. gez.: Vorsteheramt der Israeliten." |
Zum Tod von Kaufmann Elias Lissauer (1929)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 22. November 1929: "Fritzlar. Aus
einem Leben rastloser Tätigkeit wurde vergangenen Donnerstag der Kaufmann
Elias Lissauer durch den Tod abberufen und am Sonntag unter recht
zahlreichem Gefolge zur letzten Ruhe bestattet. Mit reichen Geistesgaben
ausgestattet, hat er es verstanden, sich die Achtung seiner Mitbürger zu
erwerben; sein Rat wurde allseits gesucht. Durch seine Frömmigkeit sowie
sein jüdisches Wissen hat er sich hervorgetan. Mit offener Hand
unterstützte und förderte er alles, was heilsam war für die
Allgemeinheit, für seine Gemeinde, für die Seinen. Die Erhaltung der
Synagoge und des Friedhofes in seinem Heimatdorf Ungedanken sind in der
Hauptsache sein Werk. Nicht nur die Familie, sondern auch die Gemeinde und
viele Freunde und Bekannte betrauern den so frühen Tod des Verewigten. Herr
Kron schilderte am Grabe den Lebenslauf des Verstorbenen in Anlehnung
an den Text der Sidrah des letzten Sabbat und hob seine Verdienste als
guter Jehudi und Mensch hervor. Secher Zadik liwrocho(= das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen)." |
|
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 15. November 1929:
"Unerwartet verschied heute nacht nach kurzem Kranksein mein lieber
Mann, unser treusorgender Vater, Bruder, Schwager, Schwieger- und Großvater
und Onkel,
der Kaufmann Elias Lissauer
in einem 65. Lebensjahre.
Im Namen der trauernd Hinterbliebenen Dina Lissauer geb. Abt.
Fritzlar, den 14. November 1929. Die Beerdigung findet Sonntag, 17.
November, nachmittags 3 Uhr statt." |
60. Geburtstag des
Tempeldieners (= Synagogendieners) Hermann Löwenstein (1929)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 6. Dezember 1929: "Fritzlar, 60. Geburtstag.
Am 11. Dezember begeht Herr Hermann Löwenstein seinen 60.
Geburtstag. Er versieht zur größten Zufriedenheit der Gemeinde seit
über 22 Jahren das Amt des Tempeldieners. Niemals vergisst er eine seiner
Obliegenheiten und erinnert regelmäßig die Angehörigen an ihre Jahrzeit
und sonstigen Gedenktage. Wir wünschen ihm weiteres Wohlergehen.
B." |
Zum Tod von Salli Bloch (1931)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 27. Februar 1931: "Fritzlar. Einen
fühlbaren Verlust erlitt unsere Gemeinde durch den Tod unseres
Gemeindemitgliedes Salli Bloch. Durch sein friedliches,
freundliches Wesen, durch seinen Fleiß hat er sich die Achtung der Umwelt
erworben. Als Mitglied der Baukommission, gelegentlich der Renovierung unserer
Synagoge, hat er fleißig mitgeholfen, unser Gotteshaus in würdiger
Gestalt neu erstehen zu lassen. Um seinen Tod trauern vier Söhne und zwei
Töchter, seine Gattin, seine Geschwister, denen er stets hilfreich zur
Seite stand, sowie seine zahlreichen Freunde. Ein großes Gefolge gab ihm
das letzte Geleit.
Am Grabe schilderte Herr Lehrer Kron in herzlichen Worten das Leben
des Verstorbenen. Es sprach noch Herr Löwenstein, Vorsitzender des
Viehhändlerverbandes, im Namen des Verbandes und Herr Isaac Nußbaum,
Halberstadt, Worte des Gedenkens und des Abschieds. Mit Sally Bloch
verliert die Gemeinde Fritzlar eine aufrechte Persönlichkeit und einen
guten Menschen. Möge ihm, die Erde leicht werden." |
|
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 27. Februar 1931:
"Heute Nachmittag entschlief sanft nach einem mit vorbildlicher
Geduld ertragenem Leiden im 67. Lebensjahre mein innig geliebter Mann,
unser treu-sorgender, herzensguter, lieber Vater, Bruder, Schwiegervater,
Großvater, Schwager, und Onkel
Sally Bloch
Im Namen der tieftrauernden Hinterbliebenen Adelheid Bloch geb.
Meyerfeld.
Fritzlar, Marburg (Lahn), Oschersleben, Halberstadt, Magdeburg, den
22. Februar 1931." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Hochzeitsanzeige von Siegfried Löwenstein und Bertel
geb. Rapp (1924)
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 12. Juni 1924:
"Siegfried Löwenstein - Bertel Löwenstein geb. Rapp.
Vermählte.
Fritzlar - Fulda".
|
Anzeige zum Fritzlarer Landpferdemarkt in der
"Jüdischen Wochenzeitung" (1927)
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 8. Juli 1927: "Fritzlarer
Landpferdemarkt
mit großer Verlosung und Prämiierung von Pferden am 13. und 14.
Juli 1927.
1. Hauptgewinn: 1 eleganter Jagdwagen mit 2 Pferden und Geschirren.
2. und 3. Hauptgewinn: je 1 Einspänner Jagdwagen mit Pferd und
Geschirr.
An beiden Tagen: Volksbelustigung mit Tanz." |
Hochzeitsanzeige von Arthur Mansbach und Johanna geb.
Hirtz (1924)
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 17. Juli 1924:
"Ihre Vermählung geben bekannt: Arthur Mansbach
Johanna Mansbach geb. Hirtz.
Fritzlar / Duisburg-Ruhrort, Harmoniestr. 71 -
Grevenbroich (Niederrhein) zur Zeit Düsseldorf
(Hansa-Hotel)
16. Juli 1924." |
Verlobungsanzeige von Bella Friedmann und Paul Bloch
sowie Hanna Nußbaum und Theo Bloch (1927)
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 22. Juli 1927:
"Bella Friedmann - Paul Bloch Verlobte
Oschersleben (Bode) Berliner Straße - Fritzlar
Hanna Nußbaum - Theo Bloch
Verlobte Halberstadt Seydlitzstraße 13,I
- Fritzlar |
Verlobungs- und Hochzeitsanzeigen von Leo Wallach und
Grete geb. Bloch (1928 /1929)
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 10. März 1928:
"Grete Bloch - Leo Wallach
Verlobte
Fritzlar - Magdeburg.
Empfang: Samstag, den 10. März". |
|
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 8. März 1929:
Leo Wallach - Grete Wallach geb. Bloch
Vermählte.
Trauung am 10. März 1929, 1 1/2 Uhr, im Hotel Emanuel.
Magdeburg - Fritzlar". |
Todesanzeige für Dina Lissauer geb. Abt (1930)
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 7. Februar 1930:
"Heute morgen um 8 Uhr, zehn Wochen nach dem Hinscheiden ihres lieben
Mannes, unseres unvergesslichen Vaters, entschließ nach schwerem Leiden,
unsere liebe, gute Mutter, Großmutter, Schwester, Schwägerin und
Tante
Frau Dina Lissauer geb. Abt
in ihrem 63. Lebensjahre.
Fritzlar, den 4. Februar 1930. Im Namen der Hinterbliebenen: Gustav
Lissauer." |
Verlobungsanzeige von Blanka Löwenstein und Siegfried
Katz (1930)
Anzeige
in der Zeitschrift des "Central-Vereins"
("CV-Zeitung") vom 24. Oktober 1930:
"Blanka Löwenstein - Siegfried Katz
grüßen als Verlobte. Fritzlar - Jesberg. 26. Oktober
1930." |
Todesanzeige für Moses Mannheimer (1931)
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 25. September 1931:
"Gestern Abend verschied plötzlich und unerwartet mein lieber Mann,
unser guter treusorgender Vater, Bruder, Schwager und Onkel
Moses Mannheimer
im 52. Lebensjahr. Im Namen der trauernden Hinterbliebenen: Frieda
Mannheimer geb. Marburger.
Fritzlar, den 17. September 1931." |
Nach der Emigration: Hochzeitsanzeige von Julius Baruch
und Irene geb. Kugelmann (1941)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Aufbau"
vom 9. Januar 1942:
"Julius Baruch - Irene Baruch geb. Kugelmann. Vermählte.
(früher Königsberg) - (früher
Fritzlar)
z.Zt. Fort Ethan Allen Fermont - 27 W. 89 St. 28.
Dezember 1911". |
Zur Geschichte der Synagoge
Im Mittelalter war sicher ein Betsaal vorhanden, der freilich nicht in den
Quellen genannt wird. Allerdings besaß die Gemeinde ein rituelles Bad (Mikwe)
als Hinweis für eine bestehende Gemeinde mit eigenen Einrichtungen.
Auch wird 1470 ein Schreiber (Sofer = Toraschreiber) namens Isaak
genannt, der die Fritzlarer Judenschaft als Gemeinde (Kehilla)
bezeichnete.
Im 18. Jahrhundert wurden die Gottesdienste in einem Betsaal in
einem Privathaus abgehalten. Bereits vor 1827 bestand eine erste Synagoge
und eine jüdische Schule. Das Gebäude in der Unteren Nikolausstraße, in dem
im Erdgeschoss die Schule und im Obergeschoss der Betsaal eingerichtet waren,
befand sich um 1890 in einem schlechten Zustand. Dadurch plante die
Gemeinde den Bau einer neuen Synagoge gemeinsam mit einem neuen Schulhaus. Am 10.
Juli 1896 war nach Mitteilungen in Kurzartikel der jüdischen Presse die Grundsteinlegung
für die neue Synagoge.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Juli 1896:
"Fritzlar, 10. Juli (1896). Heute fand die Grundsteinlegung für die
neue Synagoge statt. Das Schulhaus, ein besonderer Bau, steht bereits im
Rohbau fertig." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. Juli 1896:
"In Fritzlar fand am 10. dieses Monats die Grundsteinlegung für die
neue Synagoge statt. Ein Schulhaus steht bereits im Rohbau fertig." |
Besondere Verdienste beim Synagogenbau kamen beim Bau der Synagoge David
Meyerhoff zu. Er war 40 Jahre Gemeindeältester der jüdischen Gemeinde
Fritzlar und Kreisvorsteher des Kreises Fritzlar. Seine Verdienste um
den Bau der Synagoge und des Schulhauses 1897 werden noch in einem Artikel der
Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Februar 1927 zu seinem 75.
Geburtstag hervorgehoben.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Februar 1927:
"Fritzlar, 1. Februar (1927). Sein 75. Lebensjahr vollendete am
Montag der Kreisvorsteher David Meyerhoff dahier. Er bekleidete 40 Jahre
das Amt eines Gemeindeältesten der jüdischen Gemeinde und Kreisvorsteher
des Kreises Fritzlar. Er erfreut sich in der ganzen Stadt und bei allen
Konfessionen der allergrößten Beliebtheit. Seiner Initiative verdankt
die Gemeinde die im Jahre 1897 erbaute schöne Synagoge und das neue
Schulhaus." |
Am 30. Juni 1897 war die festliche Einweihung der
Synagoge durch Bezirksrabbinat Dr. Prager aus Kassel. Durch festliche
geschmückte Straßen wurden die Torarollen von der alten Synagoge in der
Unteren Nikolausstraße zur neuen Synagoge in der Holzstraße getragen.
Über
die Feier liegt ein Bericht in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 9. Juli 1897 vor:
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 9. Juli 1897:
"Fritzlar,
2. Juli (1897). Am 30. v.M. fand hier die Einweihung der neu erbauten Synagoge
statt. Schön früh hatte sich eine sehr große Anzahl Fremder eingefunden, um
an der Feier teilzunehmen. Nachdem Herr Landrabbiner Dr. Prager aus Kassel
einige Abschiedsworte in der alten Synagoge gesprochen, fand um 1 Uhr der
Festzug statt. Unter dem Vorantritt des Musik- und Synagogenchores bewegte sich
der Zug mit dem Torarollen durch die mit Flaggen, Girlanden und Tannenbäumen
geschmückten Straßen nach der neuen Synagoge Die ganze Stadt hatte Girlanden
und Flaggenschmuck angelegt, ein Beweis, welche Eintracht zwischen den
verschiedenen Konfessionen hier herrscht. In der neuen Synagoge angelangt, hielt
Herr Landrabbiner Dr. Prager eine meisterhafte Weiherede, in welcher er auf die
Bestimmung des Gotteshauses hinwies. Auf sämtliche Teilnehmer machte die Rede
einen tiefen Eindruck. Nachmittags fand ein Mahl statt, an welchem außer einer
Anzahl von Gemeinde-Mitgliedern der Bürgermeister, der Stadtrat und viele
Andere teilnahmen. Der Herr Regierungspräsident Graf Clairon de Houssonville,
welcher sein Erscheinen zugesagt hatte, musste in letzter Stunde wegen
dienstlicher Verhinderung antelegraphieren. Den Schluss des Festes bildete ein
Festball, welcher die Teilnehmer bis zum frühen Morgen vereinigte." |
Die Synagoge in Fritzlar war 40 Jahre lang Mittelpunkt des religiösen Lebens
der Jüdischen Gemeinde. Auch viele besondere Festgottesdienste fanden in ihr
statt, beispielsweise zur 1200-Jahrfeier der Stadt im Juni 1925, als
zeitgleich im Dom, in der evangelischen Kirche und der Synagoge festliche
Gottesdienste stattfanden, was in einem Artikel in der "Jüdisch-liberalen
Zeitung" vom 19. Juni 1925 als Hinweis für das "loyale und
harmonische" Verhältnis zwischen den drei Konfessionen in der Stadt
gewertet wurde:
Artikel
in der "Jüdisch-Liberalen Zeitung" vom 19. Juni 1927: "Fritzlar.
An der Zwölfhundert-Jahrfeier unseres Städtchens haben auf Einladung des
Magistrats viele von hier gebürtige Israeliten teilgenommen. Der Verlauf der
Feier ließ erkennen, dass das Verhältnis der einzelnen Konfessionen, von denen
die katholische vorherrschend ist, loyal und harmonisch ist. Wie im Dom und in
der evangelischen Kirche, so fand auch in der Synagoge am Sonntag Vormittag unter starker Beteiligung hiesiger Gemeindemitglieder und vieler Gäste ein
feierlicher Gottesdienst statt, bei dem Landrabbiner Dr. Walter aus Kassel, der
auch dem Ehrenausschuss angehörte, eine eindrucksvolle Festrede hielt. |
1929/30 wurde die Synagoge umfassend
renoviert. Dabei musste u.a. das Fundament verstärkt werden, nachdem sich Risse
und Senkungen im Gebäude gezeigt hatten. Regierungsbaumeister a.D. und
Architekt K. H. Sichel aus Kassel leitete den Umbau. Die Wiedereinweihung
der Synagoge war am 19. September 1930 in Anwesenheit von Landrabbiner
Dr. Walter.
Stiftung von David, Sam und Eddy Livingston (San
Francisco, früherer Familienname Löwenstein) für die Renovierung der Synagoge (1929)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 28. Dezember 1929: "Fritzlar. Eine
hochherzige Stiftung. Die Herren David, Sam und Eddy Livingston,
San Francisco, spendeten zur Renovierung der Synagoge ihrer Heimatstadt
Fritzlar aus alter Anhänglichkeit und im Andenken an ihre verstorbenen
Eltern den Betrag von 5.000 Mark." |
Die Synagoge wird renoviert (1930)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 4. Juli 1930: "Fritzlar. (Renovierung der
Synagoge). Seit einigen Monaten erfährt die hiesige Synagoge, die vor
34 Jahren errichtet wurde, eine gründliche Renovierung. Dieser Umbau
erstreckt sich zunächst auf die Schaffung eines festeren Fundaments, weil
das Gotteshaus in seinen Grundmauern seinerzeit nicht genügend gefestigt
worden war und sich daher Risse und Senkungen einstellten, die zuletzt
eine weitere Benutzung des Gotteshauses gefährlich erscheinen ließen.
Mit der Verstärkung des Fundaments gehen auch andere, auf die innere
Ausgestaltung der Synagoge bezügliche Renovierungsarbeiten Hand in Hand.
Die Leitung der gesamten Umgestaltung liegt in den Händen des Kasseler Regierungsbaumeisters
a.D. und Architekten K. H. Sichel; die Kosten des Umbaues, die etwa
10.000 bis 12.000 Mark betragen werden, sind durch Beihilfen des Kasseler
Vorsteheramtes der Israeliten und des Preußischen Landesverbandes
jüdischer Gemeinden gesichert. Natürlich haben auch die
Synagogengemeinde Fritzlar und ihre Mitglieder durch persönliche Zuwendungen
zur Stärkung des Baufonds beigetragen. Es kann wohl erwartet werden, dass
das renovierte Gotteshaus zu den Herbstfeiertagen seiner Bestimmung wieder
übergeben werden wird." |
Einweihung der renovierten Synagoge (1930)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 19. September 1930: "Fritzlar. Die
Einweihung unserer gründlich renovierten Synagoge findet so Gott will Freitag,
den 19. September, um 5 Uhr, kurz vor Beginn des Sabbats statt. Herr
Landrabbiner Dr. Walter wird die Festpredigt halten. Die Spitzen der
Behörden sind als Ehrengäste eingeladen.
An demselben Sabbat feiert unser allverehrter Kreisvorsteher, Herr
Moses Lissauer, dem die Gemeinde für seine hervorragende Mitwirkung
an der Renovierung der Synagoge großen Dank schuldet, seinen 60.
Geburtstag. Herr Lissauer war vor Übernahme seines jetzigen Ehrenamtes
mehrere Jahre Gemeindeältester. Sein echt jüdisches Herz, sein klarer
Blick, seine Opferbereitschaft und seine Friedensliebe ließen ihn für
diese Ämter besonders geeignet erscheinen und haben ihm allseits Achtung
und Zuneigung erworben. Wir wünschen, dass Herr Lissauer noch recht lange
im Kreise seiner Angehörigen zum Wohle seiner Gemeinden wirken
kann." |
Ausführlicher Bericht über die Renovierung der
Synagoge in Fritzlar (1930)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 26. September 1930: "Die Erneuerung der
Synagoge in Fritzlar. Die Synagoge in Fritzlar gehört zu den
jüngeren Anlagen des Bezirks. Sie wurde im Jahre 1897 erbaut und zwar
unmittelbar an der alten Stadtmauer, an einer Stelle, an der vordem eine
alte massiv unterkellerte Scheune gestanden hatte. Die Umfassungswände
der Synagoge kamen zum Teil auf das alte Kellergewölbe zu stehen, zum
Teil auf aufgefüllten Boden. Hierbei wurden scheinbar nicht alle für die
Standsicherheit des Neubaues erforderlichen Maßnahmen genügend beachtet,
sodass mit der Zeit sich erhebliche Senkungen und Risse im Mauerwerk
bildeten. Kleinere im Laufe der Jahre vorgenommene Abwehrarbeiten hatten
keinen Erfolg, sodass die Gemeinde Fritzlar im vorigen Jahr den Beschluss
fasste, zur Erhaltung ihres Gotteshauses umfassende Erneuerungsmaßnahmen
vorzunehmen.
Mit der Durchführung der Arbeiten wurden die bekannten Kasseler
Architekten K.H. Sichel und W. Leers beauftragt, die ihr
hervorragendes Können in den Dienst der Gemeinde stellten und ihre
Aufgabe glänzend lösten und die Anfang Mai dieses Jahres mit Hilfe
ortsansässiger Handwerker ans Werk gingen und es mit tatkräftiger
Unterstützung der von der Gemeinde eingesetzten Baukommission rechtzeitig
zu den Herbstfeiertagen vollendeten.
Zunächst wurden die Fundamente der Umfassungswände bis auf gewachsenen
Boden geführt, durch Stampfbeton verstärkt und gegen die Einwirkung des
Tagewassers isoliert. Sodann wurden die Schäden im aufgehenden Mauerwerk
beseitigt und die Wände gegen etwa neu auftretende Spannungen durch
kräftige Verankerungen gesichert. Durch Vermauern einiger überflüssiger
Fenster wurde außerdem die Ostwand, die am meisten gelitten hatte,
statisch verstärkt.
Nach Durchführung dieser konstruktiven Arbeiten wurde auch die innere
Ausgestaltung völlig erneuert. Vor allem wurden die beiden Treppenaufgänge
zur Empore durch Glaswände abgetrennt, um den eigentlichen Synagogenraum
geschlossener zu gestalten und seine Beheizung durch die neuaufgestellten
Großraumöfen zu erleichtern. Decken- und Wandputz wurden unter
Beseitigung aller überflüssigen und stilwidrigen Verzierungen erneuert
und mit einem schlichten, aber außerordentlich wirkungsvollen und dem
sakralen Charakter entsprechenden Anstrich versehen. Hierbei wurde
erreicht, dass der Oraun hakaudesch (Toraschrein) auch
farbig den Mittelpunkt der ganzen Anlage bildet. Zur Ausführung der
Malerarbeiten wurde die Firma Gebr. Hallo, Kassel, hinzugezogen,
die durch verständnisvolles Eingehen auf die Absichten der Architekten
zum Gelingen des Ganzen wesentlich beigetragen hat.
Der sehr schöne große Beleuchtungskörper wurde ebenfalls erneuert und
stilgemäß um eine Lampenreihe vergrößert. Ein noch aus alter Zeit
vorhandener mehrarmiger Leuchter wurde für elektrisches Licht
eingerichtet und über der Mittelempore angebracht. Seitenemporen und
Seitenschiffe des Unterraumes erhielten neue, den vorhandenen im Stil
angepasste Beleuchtungskörper.
Die Anordnung des Gestühls wurde nur insoweit verändert, als für größere
Durchgangsbreiten gesorgt und das Gestühl selbst auf Holzpodeste gestellt
wurde, während die Gänge und der Vorraum einen Mosaikplattenbelag
erhielten. Die Sitzgelegenheiten auf der Mittelempore wurden vermehrt und
reihenweise erhöht.
Ermöglicht wurde die Erneuerung des Gotteshauses durch die Beihilfe des
Israelitischen Vorsteheramtes in Kassel, des Landesverbandes jüdischer
Gemeinden Berlin sowie durch Spenden von Gemeindemitgliedern. An der
Renovierung selbst konnte aber erst gedacht werden, als durch die
hochherzige Spende der Brüder Löwenstein, die in Fritzlar
aufgewachsen sind und jetzt in New York wohnen, zum Andenken an ihre
Eltern diesen ein würdiges Denkmal setzten. Eine geschmackvolle Tafel
wurde im Vorraum angebracht, welche die Erinnerung wach halten soll an
diejenigen, die in treuer Liebe zur alten Heimat die Erneuerungsarbeiten
ermöglichten. - Die Einweihung des Gotteshauses fand am Freitag,
den 19. dieses Monats, nachmittags statt. Die Spitzen der Kreis- und
Stadtbehörde, sowie die Geistlichen beider Bekenntnisse waren als
Ehrengäste zugegen. Die Feier wurde eingeleitet durch Matauwuh
(Chorgesang mit Musikbegleitung), unter dessen Klängen die Torarollen von
den ältesten Mitgliedern der Gemeinde ins Gotteshaus getragen wurden, von
Kindern mit Girlanden und Fähnchen begleitet. Herr Landrabbiner Dr.
Walter zündete das ewige Licht an, nachdem er dessen Bedeutung
hervorgehoben hatte. Es folgte dann ein Umzug mit Torarollen, das
'Einheben' derselben mit Gesang und Musik.
Im Mittelpunkt der Feier stand die inhaltsreiche und formvollendete Rede
des Herrn Landrabbiners, die alle Zuhörer begeisterte. Herr Landrabbiner
führte aus:
Der heutige Tag ist für die hiesige Gemeinde ein besonders festlicher.
Die Sorgen um den Bauzustand des Gotteshauses sind endlich behoben. Aufs
neue in seinen Grundmauern gefestet, erhebt es sich verjüngt. Der
Gemeinde halfen dabei die Körperschaften des Vorsteheramtes der
Israeliten zu Kassel, wie des Preußischen Landesverbandes jüdischer
Gemeinden zu Berlin und mehrere in Amerika lebende und von hier stammende
Glaubensgenossen. Die Feier ist begleitet von der Anteilnahme der hiesigen
weltlichen Behörden und - ein besonders erhebendes Bild - der
Geistlichkeit der anderen Konfessionen. Und die Freude vertieft sich
durch die Weihe des Hauses, die dadurch erfolgt, dass wir uns über seine
Bedeutung klar werden. Das Gotteshaus mahnt zunächst daran, dass dem
Begreifen der Dinge durch den Menschen eine Grenze gesetzt ist. Nie werden
wir das Wesen des Ewigen ausforschen, wie und was er ist. Aber, dass er
ist und vor ihm offen liegt, was uns verborgen bleibt, darin dürften wir
uns nicht beirren lassen. Wenn hundert und aberhundert sich hier zur
Andacht versammeln, so folgt daraus, dass nicht ein Wahngebilde in uns
nach Ausdruck ringt, sondern ein dem Menschen tief eingeborener Zug. Darum
kann man nicht ein Gotteshaus erbauten und dann keine Erbauung darin
suchen, sondern muss ihm den schönsten Schmuck durch eine dichtgedrängte
Beterschar stets geben.
Aber die Frömmigkeit - daran mahnt das Gotteshaus des des weiteren - darf
in ihm nicht Halt machen, sondern muss sich ins Leben hinauspflanzen. Ein
Schrifterklärer bemerkt zu den Worten: 'das Offenkundige für uns und
unsere Kinder', dass wir das Böse aus unserer Mitte tilgen müssen. Wenn
dem Gottesdienste des Gebetes kein solcher des Handelns folgt, so ist das
keine wahre Religion. Diese ist vielmehr die Harmonie aller im Menschen
sich regenden Kräfte. Die Talmudlehrer erkennen ausdrücklich an, dass
die 613 Gebote des Judentums von dem Propheten Habakuk in eins
zusammengefasst worden sind, indem er sagte: 'Der Fromme lebt in seinem
Glauben'. Wenn dieser Widerspruch in der Gemeinde nie zutage tritt, wenn
die Jugend durch Erziehung und Unterricht vor ihm bewahrt wird, dann darf
von diesem Hause schon jetzt gesagt werden: Es ist und bleibt geweiht zu
einer Stätte der Erhebung für die Beter, zu einer Stätte der
Verherrlichung des einig einziger Gottes im Himmel auf Erden.
Ein Choral schloss die Feier, die auf alle - nicht zuletzt durch den
hervorragenden Gottesdienst des Herrn Lehrer Kron - einen tiefen Eindruck
hinterließ." |
Brand im Haus neben der Synagoge während dem
Gottesdienst (1931)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 1. Mai 1931: "Fritzlar. Eine
unerwartete Störung erfuhr der Gottesdienst am siebenten Tag Pessach. Im
Nachbarhaus, unmittelbar neben der Synagoge, in der Wohnung des
Buchbinders Stern, war ein Zimmerbrand ausgebrochen. Hilfsbereite Nachbarn
hatten schnell die Rettungsarbeiten verrichtet. Die Feuerwehr hatte bald
das Feuer auf seinen Herd beschränkt. Der Gottesdienst konnte dann zu
Ende geführt werden." |
Einweihung eines Gedenksteines in der Synagoge für die
im Weltkrieg Gefallenen jüdischen Gemeindeglieder (1931)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 11. Dezember 1931: "Fritzlar. Am
1. Chanukkatag fand hier in der Synagoge die Einweihung eines
Gedenksteines für die Gefallenen der Gemeinde Fritzlar und deren Filialen
statt. Das Denkmal besteht aus einem blaugrauen, vom Boden ab 2,10 Meter
hohen und 0.80 Meter breiten Stein aus Dorlaer Muschelkalk. Der Stein ist
in der mittelsten Seitennische in die Wand eingelassen. In Goldbuchstaben
sind die neun Namen und Sterbetage (hebräisch und deutsch) der Gefallenen
eingezeichnet. Ein Jahrzeitslicht, bestehend aus einer beweglichen
elektrischen Birne, einen Finger darstellend, wird jedes Mal an dem
Sterbetage des Gefallenen neben seinem Namen sichtbar sein. Die
Einweihungsfeier, verschont durch Chorgesang, und ein vorzüglich zu
Gehör gebrachtes Solo, vorgetragen von Herrn Fritz Joseph, war
recht stimmungsvoll. Der Hauptpunkt der Feier, die Predigt des Herrn
Lehrer Kron, eine Parallele zwischen den Makkabäern und unseren
Helden des Weltkrieges, ergriff die Zuhörer und löste Gefühle der
Verehrung und Dankbarkeit aus gegen die, welche zur Ehre des Judentums und
in Treue zum Vaterlande ihr Leben geopfert haben. Nach der Predigt folgte
die Enthüllung des Denkmals durch den Herrn Gemeindeältesten, Leopold
Löwenstein, der den Spendern, die uns die Errichtung des Denksteins
ermöglichten, dankte und versprach, dass der Gefallenen auch durch die
Gemeinde gedacht werde, so lange unser Gotteshaus seiner Bestimmung diene.
Eine kurze Seelenfeier mit nachfolgendem Kaddisch, von Frontkämpfern
vorgetragen, schloss die würdige Feier. Es wird uns dazu noch
geschrieben:
Fritzlar. Der vergangene Schabbos Chanukkah wird jeden
Synagogenbesucher hier eine unvergessliche Erinnerung bedeuten, wurde doch
endlich der Gedenkstein für die jüdischen Gefallenen der Gemeinde
Fritzlar der Öffentlichkeit übergeben. Ein feierlicher Gottesdienst ging
der Feier voraus. Unser verehrter Herr Lehrer Kron, der sich in
unserer Gemeinde der größten Beliebtheit erfreut und der sich besonderer
Verdienste um die geistige Hebung der Gemeinde rühmen kann, verband in
einer formvollendeten Predigt die Zeit der Makkabäer mit den toten Helden
des Weltkriegs. Harmoniumspiel wechselte mit Chor- und Sologesängen. Die
Enthüllung des Gedenksteins zeigte ihn uns in seiner schlichten Schönheit.
Herr Leopold Löwenstein übernahm den Stein für die Gemeinde. Der
Entwurf wurde von Herrn Regierungsbaumeister Sichel angefertigt. F.L."
|
Nach dem Abschluss der Renovierungsarbeiten im Herbst 1930 war die Synagoge nur
noch acht Jahre Mittelpunkt des jüdischen Lebens in Fritzlar.
Bereits am 8. November 1938 kam es zu einem schweren Anschlag
auf die Synagoge in Fritzlar. Eine SS-Truppe, unterstützt durch die örtliche
Hitler-Jugend setzte die Synagoge in Brand. Im Dezember 1938 wurde das Gebäude abgebrochen.
Eine Gedenktafel erinnert seit einigen Jahren an die Synagoge.
Adressen /Standorte der Synagogen:
| Vor 1827-1897: Erste Synagoge in der Unteren
Nikolausstraße |
| 1897-1938: Neue Synagoge in der Holzstraße (früher:
Holzgasse), heute
Neustädter Straße / Ecke Judengasse;
das jüdische Schulhaus befand sich in der Judengasse / Ecke Nikolausstraße hinter der Synagoge |
Fotos
(Quelle: P. Arnsberg Bilder und Dokumente S. 61; neuere
Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 8.4.2010)
Historische
Fotos |
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Die Synagoge in Fritzlar:
1897-1938 |
Gustav Kron (1878-1942), der
letzte
jüdische Lehrer und Vorbeter,
in der Synagoge in Fritzlar |
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Die
"Judengasse" |
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Straßenschild |
Am Ende der
Judengasse rechts
stand die Synagoge |
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Der Standort
der
ehemaligen Synagoge |
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Das
Grundstück der Synagoge an der Ecke Neustädter Straße / Judengasse blieb
unbebaut |
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Die
Gedenktafel
für die Synagoge |
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Obere
Tafel: "Synagoge Fritzlar. Im Vorgarten gegenüber stand einst die
Synagoge, das jüdische Haus des Gebets, 1896/97 erbaut und Gott geweiht,
am 8. und 9. November 1938 geschändet und verwüstet, im Dezember 1938
abgerissen - doch nicht vergessen!" - Untere Tafel: "An dieser
Straße stand im Mittelalter eine Stiftkurie und an gleicher Stelle von
1896 bis 1939 die durch nationalsozialistischen Ungeist geschändete und
dann beseitigte Synagoge der Jüdischen Gemeinde". |
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Im Fritzlarer
Dom entdeckt:
Darstellung von
Edith Stein |
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Die
katholische Nonne jüdischer Herkunft Edith Stein (geb. 1891 in Breslau)
wurde am 9. August 1942 im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet. Sie wurde 1998
durch Papst Johannes Paul II. heilig gesprochen. |
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In den Jahren 2005 bis 2007 wurden in
Fritzlar "Stolpersteine"
verlegt zur Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Einwohner der Stadt,
die in der NS-Zeit umgekommen sind. Informationen auf den Seiten
des Kulturvereins Fritzlar.
Seite mit
Fotos zur Verlegung am 7. März 2005; Seite
zur Verlegung am 23. März 2006; Seite
zur Verlegung 2007.
Drei Häuser mit "Stolpersteinen" werden exemplarisch gezeigt: |
Gießener
Straße 25 |
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Erinnerung
an Emma Boley (1875-1942) und
Herta Speier (1913 - deportiert nach Auschwitz, überlebte) |
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Gießener
Straße 17 |
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Erinnerung
an Siegfried Kaufmann (1882 - deportiert 1942), Paula Kaufmann geb. Sauer
(1893 - deportiert 1942), Sara Sauer geb. Gutheim (1871 -
1943) |
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Marktplatz 13 |
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Erinnerung
an den Schuhmachermeister Max Marx (1872 - 1942); bei der Verlegung des
"Stolpersteins" sprach der Vorsitzende des Kulturvereins
Fritzlar, Dr. Ulrich Skubella
(Rede
auf Seite des Kulturvereins) |
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Andernorts
entdeckt:
Grabstein für Moses Mark aus Fritzlar
auf dem jüdischen Friedhof in Warburg |
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Grabstein
für "Moses Mark aus Fritzlar geb. am 17. Oct. 1780, gest. am 4. Sep.
1868" |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Anmerkung: seit 2005 wurden in Fritzlar
in mehreren Verlegeaktionen durch den Künstler Gunter Demnig
"Stolpersteine" verlegt. |
Juli 2010:
Die in der Fraumünsterstraße verlegten
"Stolpersteine" werden nach dem Umbau der Straße wieder neu
verlegt |
Artikel in der "Hessischen
Allgemeinen" vom 30. Juli 2010 (Artikel):
"Stolpersteine kommen wieder an den alten Platz.
Fritzlar. Das Kunstwerk 'Stolpersteine' in der Fritzlarer Fraumünsterstraße kommt nach dem Umbau der Straße an seinen alten Platz zurück.
Die Quader sollen an das Schicksal von Juden erinnern. Sie werden vor den Häusern verlegt, in denen diese früher gewohnt haben. Während der Bauarbeiten in der Fraumünsterstraße waren sie in Sicherheit gebracht worden.
Wie Bürgermeister Karl-Wilhelm Lange auf Anfrage sagte, werde zunächst die Fahrbahndecke gepflastert. Das sei aus technischen Gründen nicht anders möglich. Danach werden die Stolpersteine wieder eingebaut. Im Aussehen erinnern sie an Pflastersteine, haben jedoch ein Messingbeschichtung.
(rbg)." |
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September 2013:
Weitere Stolpersteine werden verlegt - bald
liegen 80 "Stolpersteine" in Fritzlar |
Artikel von Nina Nickoll in der Hessischen
Allgemeinen (HNA.de, Lokalausgabe Fritzlar-Homberg) vom 18. September
2013: "Zwei neue Stolpersteine verlegt – Kooperation von Geschichtsverein und Kulturverein.
Unauffällige Mahnmale
Fritzlar. Ein Mann klopft zwei Pflastersteine aus dem Gehweg in der Fritzlarer Altstadt, aber kein Fußgänger bleibt stehen. Gunter Demnig tut, was er schon oft getan hat: Er klopft Steine aus der Straße, um Platz zu schaffen für seine Stolpersteine – eine Kunstaktion des Kölners.
Am Dienstag war der Künstler in der Kasseler Straße 14, buddelte zwei Steine aus und legte goldene in das entstandene Loch. Doch es handelt sich nicht um irgendwelche Steine, es die Stolpersteine Nummer 73 und 74 in Fritzlar.
'Jetzt fehlen noch sechs, dann sind alle 80 Steine verlegt', sagte Clemens Lohmann, Vorsitzender des Fritzlarer Geschichtsvereins.
Erinnerung an die NS-Zeit. Auf den neuen Stolpersteinen sind die Namen von Siegfried Neugarten und Leopold Nussbaum zu lesen. Neugarten wurde 1898 geboren und 1940 von den Nationalsozialisten deportiert, Nussbaum, Jahrgang 1901, wurde 1943 deportiert. Die Nazis ermordeten ihn in Auschwitz, das genaue Todesdatum ist nicht bekannt. Neugarten gelang 1942 die Flucht aus dem französischen Gurs nach Belgien, wo er in einem Versteck überlebte. 1944 wurde er befreit...
Die sechs Steine, die noch Teil des Stadtbildes werden sollen, sind bereits gestiftet worden. Sie liegen in einer Glasvitrine in der Touristinformation bereit. Ob und wann die Steine in den Boden gepflanzt werden können, sei abhängig davon, wie kooperativ die Eigentümer seien.
'In der Kasseler Straße gab es einen Eigentümerwechsel', sagte Lohmann, dadurch sei die Verlegung der Steine möglich geworden.
Die Stolpersteine ersetzen schon seit Jahren Steine vor Wohnhäusern, mittlerweile gibt es sie an über 500 Orten in Deutschland.
'Fritzlar ist eine der ersten Städte, in der die Steine verlegt wurden', sagte Lohmann.
2005 kamen die ersten Gedenksteine nach Fritzlar. Ins Rollen gebracht hatte alles Pfarrer Paulgerhard Lohmann, der die Geschichte der Juden in Fritzlar erforscht.
Clemens Lohmann erinnert sich noch daran, wann er die Verbrechen des Nationalsozialismus bewusst wahrgenommen hat. Seine Eltern berichteten dem damals 17-Jährigen vom Schicksal Blanka Löwensteins.
'In der Pogromnacht haben Nazis ihr Klavier einfach aus dem Fenster
geworfen', erinnert sich Lohmann. Ihn habe das damals erschüttert, auch Demnigs Kunstaktion bewege ihn immer wieder. Ob die Fritzlarer noch darüber stolperten, sei eine andere andere Frage..."
Link
zum Artikel |
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Mai 2024:
Virtuelle Rekonstruktion der
Fritzlarer Synagoge und Präsentation zum Hessentag
|
(Abbildung links: Innenraum - virtuelle Rekonstruktion; Quelle:
Geschichtsverein Fritzlar/TU Darmstadt) .
Artikel von Daniel Seeger in hna.de vom 22. Mai 2024: "Geschändet,
zerstört, rekonstruiert: Fritzlarer Synagoge zum Hessentag in virtueller
Realität begehbar.
Ein ambitioniertes Projekt bringt die zerstörte Synagoge von Fritzlar in
virtueller Realität zurück. Besucher des Hessentags können so einen Einblick
in das jüdische Leben der Vergangenheit erhalten.
Fritzlar – Einst hatte Fritzlar eine blühende jüdische Gemeinde, deren
Geschichte bis ins Mittelalter zurückreicht. Die Synagoge wurde aber erst
Ende des 19. Jahrhunderts erbaut – und stand nur wenige Jahrzehnte. Denn
unmittelbar nach den Novemberpogromen 1938 wurde das Gebäude abgerissen.
Initiative sorgt für digitale Rekonstruktion der Fritzlarer Synagoge.
Eine Initiative des Fritzlarer Geschichtsvereins und der Gesellschaft für
christlich-jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) ermöglicht zum Hessentag, der vom
24. Mai bis 2. Juni stattfindet, Einblicke in das von den Nazis zerstörte
Gotteshaus – mithilfe digitaler Rekonstruktionsverfahren. Entstanden ist ein
beeindruckender Film des Innenraums, der vergangene Zeiten zumindest
virtuell aufleben lässt. Gezeigt wird der auf einer Leinwand in der Alten
Waage, berichtet Dagmar Lohmann vom Geschichtsverein Fritzlar. Und wer mag,
der kann mittels VR-Brillen auch in einer virtuellen Realität durch das
neoromanische Gotteshaus wandeln.
Rekonstruktion aus wenigen Fotos: Fritzlarer Synagoge virtuell begehbar.
'Aus ein paar wenigen Fotos wurde der Innenraum der Synagoge virtuell
rekonstruiert', berichtet Lohmann. Ein aufwendiges Projekt, Quellen für die
Rekonstruktion stammen aus Fritzlarer Beständen, aber auch aus dem
Bildarchiv Marburg und aus dem Hessischen Staatsarchiv in Wiesbaden.
Finanziert wurde das Projekt allein durch Spenden, rund 12 000 Euro seien
bislang zusammengekommen, von Unternehmen, Vereinen und Privatpersonen. Aber
Geschichtsverein und GCJZ wollen weitersammeln – denn bislang reichte das
Budget nur für die Rekonstruktion des Innenraumes – der Außenbereich soll
noch folgen.
Synagoge Fritzlar: Experten der TU Darmstadt kümmern sich um
Rekonstruktion. Möglich wurde das Projekt auch durch die Expertise eines
Teams der Technischen Universität Darmstadt um Dr.-Ing. Marc Grellert vom
Fachgebiet Digitales Gestalten. Seit Mitte der 1990er beschäftigt sich ein
Team der Universität mit der digitalen Rekonstruktion von Synagogen, die in
der NS-Zeit zerstört worden sind. Nur an wenigen Standorten ehemaliger
Synagogen wird versucht, ein Bild davon zu vermitteln, was diese Orte einst
geprägt hat, heißt es auf der Website des Projekts. Auch in Fritzlar zeugen
nur noch Hinweisschilder davon, dass es in der Dom- und Kaiserstadt auch ein
jüdisches Gotteshaus gab. Mit der Rekonstruktion soll ein Beitrag dazu
geleistet werden, Fritzlars Synagoge und das jüdische Leben wieder
sichtbarer zu machen. 'Es geht nicht nur darum, Geschichte lebendig werden
zu lassen, sondern ein Zeichen zu setzen', betont Dagmar Lohmann. 'Wir
wollen Verantwortung tragen für die Geschichte unserer Stadt.' Die virtuelle
Rekonstruktion soll nach der Ausstellung beim Hessentag in Fritzlar
verbleiben. Ihr Zuhause wird dann das Museum Hochzeitshaus sein."
Link zum Artikel |
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Hinweis
auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Fritzlar
und die umliegenden Orte |
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs
(innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus
hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar:
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41
Zu Fritzlar sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur
Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):
HHStAW 365,209 Sterberegister der Juden von Fritzlar 1824 -
1871; darin auch Angaben zu Cappel, Obermöllrich,
Rothhelmshausen, Ungedanken, Wabern https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v2083522
HHStAW 365,202 Geburtsregister der Juden von Fritzlar 1824 -
1871; darin auch Angaben zu Cappel, Obermöllrich, Rothhelmshausen,
Ungedanken, Wabern; darin auch ein Gesuch der Witwe des Dr. Albert
Weinstein, Mathilde geborene Meier aus Fritzlar um Berichtigung des falsch
in das Geburtsregister eingetragenen Geburtsdatums eines ihrer drei in
Südafrika geborenen Kinder, 1870 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4101083
HHStAW 365,203 Geburtsregister der Juden von Fritzlar (Abschrift von
1937) 1824 - 1880; darin auch Angaben zu Cappel, Obermöllrich,
Rothhelmshausen, Ungedanken, Wabern
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v825434
HHStAW 365,208 Sterberegister der Juden von Fritzlar 1824 - 1880
(Abschrift von 1937); darin auch Angaben zu Cappel, Obermöllrich,
Rothhelmshausen, Ungedanken, Wabern
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v289873
HHStAW 365,206 Trauregister der Juden von Fritzlar 1827 -
1871; darin auch Angaben zu Cappel, Obermöllrich, Rothhelmshausen,
Ungedanken, Wabern https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1230095
HHStAW 365,205 Trauregister der Juden von Fritzlar 1827 - 1880
(Abschrift von 1937); darin auch Angaben zu Cappel, Obermöllrich,
Rothhelmshausen, Ungedanken, Wabern
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4250808
HHStAW 365,207 Trauregister der Juden von Fritzlar 1872 -
1937; enthält auch Angaben zu Cappel, Obermöllrich,
Rothhelmshausen, Ungedanken, Wabern; https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4971254
HHStAW 365,210 Sterberegister der Juden von Fritzlar 1872 -
1937; enthält auch Angaben zu Cappel, Obermöllrich,
Rothhelmshausen, Ungedanken, Wabern; darin auch eine Beschreibung
und ein Gräberverzeichnis des jüdischen Friedhofs in Fritzlar,
zusammengestellt durch Hans Oppenheimer aus Kassel am 17. Mai 1943 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3271669
HHStAW 365,204 Geburtsregister der Juden von Fritzlar 1872 -
1938; enthält auch Angaben zu Cappel, Obermöllrich,
Rothhelmshausen, Ungedanken, Wabern; darin auch ein Schreiben des
Regierungspräsidiums Kassel zur Sicherstellung der Synagogenregister
1939 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v825435
|
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 266f; III,1 S. |
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 214-217. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 61. |
| Karl E. Demandt: Fritzlar in seiner Blütezeit.
Marburger Reihe 5. Marburg und Witzenhausen 1974. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 548-549. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 170-171. |
| Dagmar und Clemens Lohmann: Das Schicksal der Jüdischen
Gemeinde in Fritzlar 1933-1945. Die Pogromnacht 1938. Fritzlar 1988
(Geschichtsverein Fritzlar. Beiträge zur Stadtgeschichte 5). |
| Dietfrid Krause-Vilmar: Was geschah mit den
Synagogen in den Altkreisen Fritzlar, Homberg, Melsungen und Ziegenhein (dem
heutigen Schwalm-Eder-Kreis)? online
zugänglich |
| Paulgerhard Lohmann/Jechiel Ogdan: Jüdische
Kultur in Fritzlar, Beiträge zur Stadtgeschichte Nr. 13, April 1999.
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| Paulgerhard Lohmann: Jüdische Mitbürger in
Fritzlar 1933-1949. Taschenbuch. Februar 2006. (Books
on Demand GmbH) |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Fritzlar (in Jewish sources, Virshlar)
Hesse-Nassau. Jews living there fell victim to the Black Death persecutions
(1348-49). Numbering 110 (4 % of the total), the revived community opened a
synagogue in 1827. Radical reformers who objected to the Kassel rabbinate's
"narrow talmudism" and split the community in 1849-52 were forced to
disband. A new synagogue built in 1897 unterwent major renovations in 1930. Of
the 128 Jews registered in 1933, 75 had left (some for other parts of Germany)
by 31 December 1937. Shortly before Kristallnacht (9-10 November 1938),
SS stormtroopers and Hitler Youth organized a pogrom, burning the synagogue's
interior and looting Jewish homes and stores. Ten Jews were sent to death camps
in 1942 and at least 42 perished in the Holocaust. Jewish Displaced Persons
housed at a local United Nationals Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA)
camp after Worldwar II mostly settled in Israel.
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