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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Haslach im Kinzigtal (Ortenaukreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Manfred Hildenbrand,
Haslach und Sören Fuß, Haslach)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts fürstenbergischen
Haslach lebten Juden bereits im Mittelalter. Bei der Verfolgung in der
Pestzeit 1349 in Offenburg, die dort zur Verbrennung von etwa 50-60 jüdischen
Personen in ihren Häusern führte, hatte ein Offenburger Jude unter Folter
ausgesagt, einer seiner Glaubensgenossen namens Kerfholz aus Haslach habe im
Herbst 1348 der Offenburger Judengemeinde das Gift gebracht. Daraufhin wurden
die Juden in Haslach der Brunnenvergiftung angeklagt und im Mai 1349 auf
dem Haslacher Marktplatz verbrannt.
Nach dieser Verbrennung der Juden 1349 schweigen bis zum 19. Jahrhundert die
Quellen im Blick auf jüdische Geschichte in Haslach.
Erst nach 1862 sind einzelne jüdische Personen und Familien nach Haslach
zugezogen, die von 1895 bis 1938 eine Filialgemeinde zu Offenburg
bildeten. Die Zahl der jüdischen Einwohner in Haslach entwickelte sich wie
folgt: 1871 3 jüdische Einwohner, 1875 5, 1880 14, 1885 25, 1890 31, 1895 37, 1900
Höchstzahl mit 43 jüdischen Einwohnern, 1905 29, 1910 28, 1925 13, 1933 8.
An Einrichtungen hatte die Filialgemeinde einen Betsaal eingerichtet
(siehe unten). Die Toten der Familien wurden auf den jüdischen Friedhöfen in Schmieheim
(u.a. Mina Mannheimer geb. Wertheimer gest. 1893; August Cassel, gest. 1869; Lea
Bloch geb. Schnurmann gest. 1918; Salomon Bloch, gest. 1897; Brein Balbina
Weill, gest. 1895) und Offenburg beigesetzt. Die jüdischen Haushaltsvorsteher waren
großenteils als Händler und Kaufleute tätig, darunter auch Viehhändler
(Isaak und Siegfried Mannheimer) und ein Weinhändler (Heinrich Bloch). Nach
1900 ging die Zahl der jüdischen Einwohner wieder zurück.
1933 gab es nur noch zwei jüdische Familien in der Stadt: Alfred Moses
(Kaufmann in der Mühlenstraße 9), der mit Altwaren, Altpapier, Lumpen, Fellen
und Knochen handelte (Ehefrau Martha und Söhne Eugen und Helmut, siehe Foto
unten) sowie der Kaufmann Josef Bloch (Sägerstraße 20), der Öle und Fette
(für Maschinen, Wagen und Autos) verkaufte (Ehefrau Josefine und Sohn Artur).
Beide Familien waren mit ihren Handlungen sofort vom angeordneten Boykott der
jüdischen Geschäfte zum 1. April 1933 betroffen. Auch der Dentist Eugen
Geismar (ein zum Katholizismus konvertierter Jude) wurde boykottiert. Alfred
Moses gab sein Geschäft im Juni 1938 auf und zog nach Freiburg. Er wollte mit
seiner Familie im Mai 1939 in die USA emigrieren, doch wurde das Schiff wieder
nach Europa zurückgeschickt. Anfang 1940 gelang beim zweiten Versuch die
Auswanderung von Frankreich aus.
Von den in Haslach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", verglichen mit dem Angaben
bei M. Hildenbrand s. Lit. 2006 S. 252; diese Angaben können durch neueste
Forschungen korrigiert werden - siehe auch die 2009 erscheinende Chronik von M.
Hildenbrand; nach Mitteilung von Sören Fuß, Haslach sind nachweislich
umgekommen:)
Arthur Bloch (1903),
Emma Bloch (1883), Joseph Bloch (1870), Josephine
Bloch geb. Wertheimer (1875), Karl Bloch (1896), Ludwig Bloch (1906), Sigmund Bloch
(1878), Lydia Müller geb. Weil (1888), Julius Weil
(1886), Sophie Weil ().
Für mehrere der genannten Personen (Angehörige der Familien Bloch und Weil
sowie Fritz Mannheimer wurden im September 2010 in Haslach
"Stolpersteine" verlegt (siehe Pressebericht unten). Die in einigen
Listen aufgeführte Hanna Hilb geb. Kassewitz (1898) ist nicht umgekommen; sie
überlebte noch den Recherchen von Sören Fuß die Shoa in verschiedenen KZ.
Auch Fritz (Siegfried) Mannheimer (1888) überlebte die Lagerhaft in Frankreich
durch die Flucht nach Belgien, wo er sich verstecken konnte; doch starb er 1950
in Karlsruhe an den Folgen von Lagerhaft und Flucht.
Zur Geschichte des Betsaales
Die Filialgemeinde des 19./20. Jahrhundert hatte seit Ende
der 1890er-Jahre einen Betsaal in einem Privathaus in der Sägerstraße
12 eingerichtet (Haus der Familie Krafft). Näheres zur
Einrichtung des Betsaales geht aus einem Bericht der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 12. Juni 1899 vor:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Juni 1899: "Aus
Baden. Durch die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten und die gleichzeitig ins Leben getretene Freizügigkeit sind viele große Landgemeinden zu wenigen Mitgliedern herabgesunken, so dass manchmal die zum öffentlichen Gottesdienstes nötige Zehnzahl nicht mehr vorhanden ist. Andererseits sind aber in erfreulicher Weise da neue Gemeinden entstanden, wo früher keine Juden wohnten. Wir meinen nicht gerade die schnell aufgeblühten Gemeinden von Freiburg, Offenburg und Konstanz mit prachtvollen Synagogen mit orthodoxem Gottesdienste. Einsender dieses war vor einiger Zeit in dem Städtchen Haslach im badischen Schwarzwalde. Er hat hier mit großer Genugtuung wahrgenommen, dass die dortigen wenigen Israeliten mit vielen Opfern einen Betsaal mit Aron HaKodesch, zwei Sifrei Tora (Torarollen), schönen goldgestickten Parochet (Toravorhang) aus Samt, ebenso Mäntelchen in gleicher Arbeit eingerichtet haben. Durch freiwillige Spenden in der Gemeinde sollen nun auch Toraschmuck und weitere Ritualien angeschafft werden. Die beiden älteren Brüder Bloch versehen unentgeltlich das Amt eines Vorbeters (baal kore), Wir rufen der kleinen Gemeinde chasak we'emaz ("sei stark und fest!") zu." |
Der Betsaal wurde vor allem auf Grund der
zurückgehenden Zahl der jüdischen Einwohner in Haslach bereits nach dem Ersten
Weltkrieg wieder geschlossen.
Das Gebäude Sägerstraße 12 wurde Ende der 1970er-Jahre abgebrochen (musste
der neuen Umgehungsstraße / sog. Osttangente weichen).
Fotos
(Quelle: Beitrag von Manfred Hildenbrand: Juden in
Haslach s.Lit.; auch das Foto Sägerstraße 12 wurde von Manfred Hildenbrand zur
Verfügung gestellt)
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
September 2010:
"Stolpersteine" werden in Haslach
verlegt |
Artikel von Marijana Babic im "Schwarzwälder Boten" vom 21.
September 2010 (Artikel):
"Anregung zum An- und Innehalten.
Haslach - Für Haslachs Bürgermeister Heinz Winkler sind sie "Steine der Mahnung": 13 "Stolpersteine", die an das Schicksal der Haslacher NS-Opfer erinnern sollen, wurden am Sonntagabend in der Altstadt verlegt. Initiiert hatte die Aktion der Arbeitskreis "Stolpersteine".
Rund 150 Gäste wohnten der feierlichen Verlegung der Stolpersteine bei, darunter auch einige Angehörige jener Haslacher, die den Verbrechen in der NS-Zeit zum Opfer gefallen sind.
"Es haben sich Stimmen gemehrt, die ein Gedenken fordern". Der Aktionskünstler Gunther Demnig, der selbst am Sonntagabend nicht anwesend war, verlegt seit 1995 in der ganzen Republik "Stolpersteine", die zum An- und Innehalten anregen sollen. Die Betonquader mit eingelassener Messingplatte werden jeweils vor den Häusern der NS-Opfer angebracht: So etwa in Haslachs Hauptstraße 48 (heute Modehaus Döker), wo die jüdische Familie Weil ein Textilgeschäft betrieb, bevor sie Anfang der 40er-Jahre in verschiedene Internierungslager verschleppt wurde. Im Stolperstein eingraviert sind Name, Geburtsdatum, das Datum der Deportation und der Todestag von Sophie und Julius Weil sowie dessen Schwester Lydia Müller.
"In den vergangenen Jahren haben sich die Stimmen gemehrt, die ein Gedenken fordern", begründete der Vorsitzende des Arbeitskreises, Mathias Reininger, die "Stolperstein"-Aktion. Außer Reininger besteht der Arbeitskreis aus Heinz Winkler, Kulturamtsleiter Martin Schwendemann, dem Haslacher Ortschronisten Manfred Hildenbrand, Sören Fuß, Leiter der Gedenkstätte Vulkan, sowie den Stadtpfarrern Hartmut Rehr und Helmut
Steidel.
Der 20. Oktober 1940 war der Tag des Unheils. Die Schicksale der 13 Haslacher wurden am Sonntag dargelegt. Für viele von ihnen markierte der
20. Oktober 1940 das Unheil – das Datum, an dem in einer Großaktion die jüdische Bevölkerung Badens, der Pfalz und des Saarlands in französische Lager, meist nach Gurs, deportiert wurde. Katastrophale hygienische Bedingungen, Nahrungsmangel und menschenverachtende Zwangsarbeit bedingten eine hohe Sterberate.
Neben Juden fielen auch andere Minderheiten dem NS-Regime zum Opfer. Rund 30.000 Zeugen Jehovas – damals "Ernste Bibelforscher" genannt – lebten zum Zeitpunkt von Hitlers Machtergreifung in Deutschland. Symbolisch für sie können die Haslacher Wendelin Schille und Franz Ruschmann stehen, die sich aus Glaubensgründen dem NS-Terror widersetzten und dies mit dem Leben bezahlten.
Die Rigorosität der Nazis mag auch das Schicksal Ernst Mosers verdeutlichen. Der überaus intelligente junge Mann litt an Epilepsie – und wurde damit von den NS-Ideologen als "lebensunwertes Leben" eingestuft. Im Zuge des Euthanasieprogramms T4 wurde er 1940 ermordet.
Die Feierstunde im "Haus der Musik" wurde von Schülern des Robert-Gerwig-Gymnasiums unter Lehrer Mathias Meier-Gerwig mitgestaltet: Antonia Stöhr, Hanna Kopp, Saskia Mayer, Elisa Göppert, Nikolas Schmidt und Felix Kind entzündeten für jedes der 13 Opfer eine Kerze.
Thilo Haas (Saxofon) und Musikschulleiter Peter Stöhr (Querflöte) erinnerten an die tragischen Schicksale mit Melodien, die unter die Haut gingen. Die beiden Stadtpfarrer schlossen die Gedenkstunde mit Psalm 142.
INFO - NS-Opfer in Haslach
Emma Bergheimer: früherer Wohnort: Engelstraße 17 (Hausanlage Possler); ermordet 1942 in Auschwitz.
Ernst Moser: geboren am 19. Oktober 1906 in Oberweier; früherer Wohnort (seit 1913): Steinacher Straße 19 (Küferstube Schwarz
[2019: Gaststätte 'In vino veritas']); im Juli 1940 in Grafeneck vergast.
Franz Ruschmann: geboren am 27. Mai in Achern; letzte Adresse: Hauptstraße 37 (ehemals Metzgerei Hättich); 1942 in Brandenburg hingerichtet.
Fritz Siegfried Mannheimer: geboren am 30. April 1888 in Haslach; früherer Wohnort: Engelstraße 25 (Ölmayer); Lageraufenthalte und langjährige
Flucht nach Belgien, wo er im Versteck überlebte. Er starb 1950 in
Karlsruhe an den Folgen von Lagerhaft und Flucht.
Familie Bloch, bestehend aus Ehepaar Joseph und Josefine Bloch (umgekommen 1940 in Gurs), Sohn Arthur (1942 in
Auschwitz ermordet), sowie Josephs Bruder Sigmund (ermordet 1942 in Sobibor) und dessen Sohn Ludwig (umgekommen in Flossenbürg 1945); früherer Wohnort: Sägerstraße 20 (heute DM-Markt).
Wendelin Schille: geboren am 4. September 1884 in Haslach; früherer Wohnort: Seilerstraße 5; ermordet 1940 im Gestapo-Gefängnis Karlsruhe.
Familie Weil, bestehend aus Mutter Sophie Weil (ermordet in Auschwitz) und den Geschwistern Julius (Jahrgang 1886, ermordet in Auschwitz) und Lydia Müller, geborene Weil (Jahrgang 1888, ermordet in Auschwitz)*; ehemaliger Wohnort und Textilgeschäft: Hauptstraße 48 (heute Modehaus Dölker**)."
*Anmerkung: eine weitere Tochter Hedwig konnte mit Mann und zwei Kinder nach
Kuba entkommen. Die Eltern sind später in die USA übergesiedelt.
** Heute (2019): Schreibwarengeschäft Aberle. |
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Januar 2011:
Gedenken an die Familie Bloch zum
Holocaust-Gedenktag in einem Presseartikel des "Schwarzwälder
Boten" |
Foto
links: Sigmund Bloch - 1942 im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Repro: Hildenbrand
Artikel im "Schwarzwälder Boten" vom 28. Januar 2011 (Artikel):
"Haslach i. K. Eine ganze Familie wird ausgelöscht.
Haslach (hd). Im zweiten Teil unserer Serie über die Haslacher NS-Opfer widmen wir uns heute der Familie Bloch. Seit dem 19. September erinnern fünf "Stolpersteine" auf dem Bürgersteig an der Rückseite des dm-Markts in der Sägerstraße 20 an das Ehepaar Joseph (geboren 1870) und Josephine Bloch (geboren 1875), ihren Sohn Artur (geboren 1903) sowie den Bruder von Joseph, Sigmund Bloch (geboren 1878), und dessen Sohn Ludwig (geboren 1906).
Joseph und Artur Bloch betrieben in der Sägerstraße ein Handlungsgeschäft mit Ölen und Fetten für Maschinen, Wagen, Karren und Autos. Joseph Blochs Vater Gustav (geboren 1838) hatte das Grundstück bereits 1888 gekauft. Am 9. November 1938 – in der sogenannten Reichspogromnacht – wurde das Geschäft der Blochs von der SS verwüstet. Öle und Fette wurden ausgeschüttet. Joseph Bloch und sein Sohn Artur wurden verhaftet und fünf Wochen lang im KZ Dachau inhaftiert. Ende 1938 mussten die Blochs auf Anordnung der Nazis ihr Geschäft schließen.
Am 22. Oktober 1940 wurde die Familie Bloch wie alle Juden in Baden, der Pfalz und im Saarland in das NS-Lager Gurs in den Pyrenäen deportiert. Die Lebensumstände in Gurs waren unbeschreiblich. Innerhalb weniger Wochen starben Hunderte von Häftlingen, vor allem ältere Menschen wie Josephine und Joseph Bloch. Die 65-Jährige fand bereits am 14. November den Tod, ihr 70-jähriger Ehemann Joseph am 13. Dezember. Der 37-jährige Sohn der beiden, Artur, lebte bis August 1942 in Gurs. Dann wurde er in das Durchgangslager Drancy bei Paris gebracht und von dort in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, welches er nicht überlebt hat. Über das genaue Todesdatum und die Umstände seiner Ermordung ist nichts bekannt.
Der Viehhändler Sigmund Bloch hatte mit seiner Familie ebenfalls eine Weile in der Sägerstraße gelebt. Dann war er nach Gengenbach und später nach Offenburg gezogen. 1939 wurde er nach Halle zwangsumgesiedelt, wo er in einem Rüstungsbetrieb arbeiten musste. 1942 wurde er in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet. Sein Sohn Ludwig kam mit seiner Familie 1940 nach Augea im französischen Jura. Als er in die Schweiz fliehen wollte, wurde er verhaftet und in ein KZ in Osteuropa deportiert. Ende 1944 kam er ins KZ Flossenbürg in der Oberpfalz. Dort wurde Ludwig Bloch am 28. Februar 1945 ermordet." |
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März 2012:
Eine Broschüre zu den "Stolpersteinen"
in Haslach ist erschienen |
Artikel im "Schwarzwälder Boten"
(Lokalausgabe) vom 6. März 2012: "Mit einer Broschüre auf den Spuren der Opfer
Haslach (nis). In Haslach erinnern seit dem 19. September 2010 exakt 13 "Stolpersteine" an Haslacher, die während der NS-Diktatur verfolgt und ermordet wurden. An den früheren Wohnorten dieser Menschen – jüdische Mitbürger, Zeugen Jehovas, Euthanasie-Opfer – rufen die kleinen, in den Boden eingelassenen Messingtafeln ihren Lebens- und Leidensweg ins Gedächtnis.
Wer bei einem Rundgang durch die Straßen Näheres über diese Schicksale erfahren möchte, kann jetzt zu einer von der Stadt und dem Arbeitskreis Stolpersteine Haslach herausgegebenen Broschüre greifen. Bei der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend haben Sören Fuß, der für die Texte verantwortlich zeichnet, und Kulturamtsleiter Martin Schwendemann das druckfrische Heft vorgestellt. Neben den dargestellten Schicksalen und Zusatzinformationen zu dem Lager Gurs, der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas und dem Euthanasie-Programm der Nazis findet sich darin auch ein Übersichtsplan der Haslacher "Stolpersteine".
Bei der Vorstellung der Broschüre vor den Mitgliedern des Gemeinderats erklärte Sören Fuß, dass bei der Recherche etliche neue Details ans Licht gekommen seien. Er rechnet damit, dass in Zukunft weitere Fakten bekannt werden und ist sich sicher: Die Bevölkerung könne aus dem Heft "eine ganze Menge erfahren".
1500 Exemplare sind davon gedruckt worden. Erhältlich sind sie ab sofort
gegen eine Schutzgebühr von 3 € bei im Kulturbüro im Alten Kapuzinerkloster."
Hinweis: Kulturbüro / Tourist-Information Im Alten
Kapuzinerkloster Klosterstraße 1 77716 Haslach im
Kinzigtal Tel.: 07832/706-172 Fax: 07832/706-179
info@haslach.de."
Link
zum Artikel |
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November 2018:
Erinnerungsrede von Sören Fuß an
die jüdischen Familien in Haslach |
Foto links: Eugen und Helmut Moses mit ihrer Mutter Martha.
Artikel in "Baden-online.de" vom 21. November 2018: "Erinnerungsrede. Das
Schicksal der Juden in Haslach.
Im Friedensgottesdienst am Volkstrauertag in der evangelischen Kirche
Haslach hat Sören Fuß anlässlich des 80. Jahrestags der Novemberpogrome an
das Schicksal der jüdischen Familie Moses erinnert. Hier ein Auszug seiner
Rede. Sören Fuß beschränkte sich in seiner Erinnerungsrede zur
Reichspogromnacht vor 80 Jahren auf das damalige Gebäude und seine Bewohner
gerade gegenüber der evangelischen Kirche in der Mühlenstraße 9, das über
Jahrzehnte unter dem Namen Haus Moses bekannt war, bevor es 1985 abgerissen
wurde. Das Offenburger Tageblatt fasst die Rede zusammen:
Vor 140 Jahren bezog Familie Salomon Bloch das Haus, in dem das Gasthaus
'Zum Goldenen Löwen' eine zentrale Rolle in Haslach gespielt hatte. Salomon
Bloch betrieb neben der Gastwirtschaft auch eine Altwarenhandlung. Die
Familie lebte über 40 Jahre in diesem Haus, die Tochter Sophie zog nach
ihrer Hochzeit mit Max Weil in das Haus des heutigen Schreibwarengeschäftes
Aberle, früher Dölker-Bekleidung. Sie und ihre Kinder Julius und Lydia
wurden später in Auschwitz ermordet. Auch Sophies Bruder Sigmund und dessen
Frau wurden später Opfer des Holocaust.
'Kauft nicht bei Juden' Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der 'Löwen'
geschlossen, das Altwarengeschäft wurde unter dem alten Namen 'Salomon Bloch
und Söhne' von den neuen Besitzern, der Familie Moses weitergeführt. Martha
und Alfred Moses mit ihren beiden Söhnen waren die letzten jüdischen
Bewohner des Hauses. Eugen Moses wurde 1926 geboren, sein Bruder Helmut zwei
Jahre später. Beide gingen in den christlichen Kindergarten. Eugen war
bereits in der Volksschule als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht
kamen. Anfang April 1933 standen SA-Männer vor dem Haus Moses und
blockierten den Zugang zum Geschäft. 'Kauft nicht bei Juden', war das Motto.
Die Hitlerjugend sang vor dem Haus: 'Wenn das Judenblut vom Messer spritzt,
dann geht’s nochmal so gut.' In der Folge zog die Famlie nach Südbaden. Doch
Alfred Moses vermisste Haslach sehr und so kehrte die Familie zurück.
Reichspogromnacht. Neben den zunehmenden Einschränkungen der
jüdischen Bevölkerung in ganz Deutschland mussten auch die beiden Buben in
Haslach manches Leid erfahren. Die Situation in Haslach wurde immer
angespannter, so dass sich Familie Moses entschloss nach Freiburg zu ziehen.
Im Juni 1938 verkaufte Alfred Moses das Haus an die Stadt Haslach. Dann kam
die Reichspogromnacht, in deren Folge 30.000 Juden in Konzentrationslager
eingewiesen wurden. Hunderte Juden fanden bei diesen Aktionen den Tod. Der
Umzug der Familie Moses nach Freiburg lag gerade vier Wochen zurück. Alfred
Moses konnte sich mit viel Glück der Deportation in ein KZ entziehen. Nicht
so Joseph und Artur Bloch, 300 Meter weiter in der Sägerstraße; deren
Geschäft wurde verwüstet und die beiden Männer ins KZ Dachau deportiert. Der
getaufte jüdische Dentist Eugen Geismar wurde fünf Wochen im Wolfacher
Gefängnis inhaftiert. Die Lebensumstände für Juden wurden immer
bedrohlicher. Familie Moses bestieg im Mai 1939 ein Schiff nach Kuba. Mehr
als 900 Männer, Frauen und Kinder waren an Bord. Nach der
Atlantiküberquerung tauchten unerwartete Probleme auf: weder Kuba noch die
USA erlaubten ein Anlanden. Schließlich kehrte das Schiff mit den
verzweifelten Flüchtlingen – einige hatten Selbstmord begangen – um. Dem
deutschen Kapitän gelang es über Funk zu erreichen, dass England, Holland,
Belgien und Frankreich bereit waren, die Flüchtlinge aufzunehmen. Für zwei
Drittel von ihnen bedeutete dies dennoch die spätere Deportation in die
Vernichtungslager.
Flucht in die USA. Familie Moses verließ das Schiff in Antwerpen und
wurde dann in Frankreich interniert. Helmut und Eugen kamen in ein
französisches Kinderheim. Abermals begannen schwierige Bemühungen um einen
Platz auf einem Schiff. Schließlich gelang es der Familie ein Jahr nach dem
ersten Versuch im allerletzten Augenblick die Flucht über den Atlantik. Nur
wenige Tage bevor die deutsche Wehrmacht in Frankreich einmarschierte, kam
ihr Schiff am 26. Mai 1940 in New York an. Schon drei Jahre später starb der
Vater, ein Jahr darauf, 1944, kehrte Eugen als amerikanischer Soldat nach
Europa zurück und kämpfte als 18-Jähriger in der Ardennenschlacht. Vorher
hatte man den Namen in Moser geändert, um bei einer möglichen Gefangenname
durch die Deutschen die jüdische Herkunft zu verheimlichen. Nach Kriegsende
absolvierten die beiden Söhne unter ärmlichen Verhältnissen in New York ihre
Berufsausbildung. Dennoch machte Eugen Karriere bei IBM, Harvey, wie sich
Helmut nun nannte, absolvierte ein Medizinstudium und wurde Hautarzt.
Eintrag ins Goldene Buch. Im Mai 2006 kam es zu einem beeindruckenden
Zeitzeugengespräch von Eugen Moser mit Schülern der Realschule und er trug
sich in das Goldene Buch der Stadt ein. Es war Eugens Mosers letzter Besuch.
Er starb vor sieben Jahren. Harvey Moser hing an Haslach ebenfalls immer
sehr. Das letzte Lebenszeichen von ihm datiert auf April 2017, da hat er in
New York noch vor einer Schulklasse gesprochen. Seitdem blieben Versuche der
Kontaktaufnahme erfolglos. 'Heute vor vier Wochen war sein 90. Geburtstag.
Ob er ihn noch erleben durfte, ist derzeit nicht bekannt', sagte Fuß."
Link zum Artikel |
Ergänzend: Museum of Jewish
Heritage: Stories Survive Speaker Series: Harvey Moser
https://mjhnyc.org/events/stories-survive-speaker-series-harvey-moser/
United States Holocaust Memorial Museum: Oral History interviews with
Harvey Moser
https://mjhnyc.org/events/stories-survive-speaker-series-harvey-moser/
Artikel in "the island now": Harvey Moser's story of survival:
https://theislandnow.com/great_neck/harvey-mosers-story-survival/
Facebook:
https://www.facebook.com/events/museum-of-jewish-heritage-a-living-memorial-to-the-holocaust/stories-survive-speaker-series-harvey-moser/909475672717187/
|
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 229. |
| Manfred Hildenbrand: Die nationalsozialistische Machtergreifung in
einer Kleinstadt – Haslach i.K. im Jahre 1933, in: Die Ortenau 63 (1983)
S.2-48, bes. S.34ff. |
| ders.: Das mittlere Kinzigtal zur Stunde Null – Kriegsende und Besatzung
1944/45, in: Die Ortenau 65 (1985) S.2-24. |
| ders.: Zeitungsartikel im Offenburger Tagblatt. Kinzigtäler Ausgabe. 29.
Dezember 1984 (zum Abriss des Hauses Moses in Haslach) und 23. Februar 1985
(über Familie Bloch). |
| ders.: Juden in Haslach im Kinzigtal. Vom Mittelalter
bis zur NS-Gewaltherrschaft. In: Die Ortenau 2006 S.
239-254.
Hinweis: durch neuere Recherchen ist die Personenliste
am Ende dieses Beitrages nicht mehr gültig. |
| ders.: Chronik der Stadt Haslach in vier Bänden. 2009. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
| Christiane
Twiehaus: Synagogen im Großherzogtum Baden (1806-1918). Eine
Untersuchung zu ihrer Rezeption in den öffentlichen Medien. Rehe: Schriften
der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg. Universitätsverlag Winter
Heidelberg 2012.
Zum Betsaal in Haslach: S. 109-114. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Haslach Baden. The
medieval Jewish community was destroyed in the Black Death persecutions of
1348-49. The Jewish population in 1900 was 43. Of the eight Jews left in 1939,
one family reached to U.S., another perished after deportation to the Gurs
concentration camp, and one Jew survived the Theresienstadt ghetto.
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