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"Synagogen im Kreis Bad Dürkheim"
Kallstadt (VG
Freinsheim, Kreis
Bad Dürkheim)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Im ehemals kurpfälzischen Kallstadt bestand eine jüdische Gemeinde
bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18.
Jahrhunderts zurück, als Kallstadt Mittelpunkt der in der unmittelbaren Umgebung
lebenden jüdischen Familien war (Ungstein, Herxheim und Erpolzheim). 1685 wurde
der Jude Jakob in Kallstadt genannt. Er war als Viehhändler tätig. 1708 werden
die jüdischen Familienvorstände Isaac und Mayer erwähnt. Letzterer betrieb
offenbar eine Metzgerei in Kallstadt. 1737 wird berichtet, dass in Kallstadt
zwei jüdische Familien in eigenen Häusern lebten.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1801 29 jüdische Einwohner (zusammen mit
Leistadt; 2,6 % der
Gesamteinwohnerschaft), 1808 39 (5,9 %), 1825 51 (5,4 %), 1836 26 jüdische
Familien, 1875 38 jüdische Einwohner (etwas mehr als 3 % der
Gesamteinwohnerschaft), 1900 12 jüdische Einwohner, 1918 noch eine jüdische
Familie.
1809/10 werden als jüdische Haushaltsvorstände genannt: Jacob Cohn
(Cohn; Kurzwarenhändler), Abraham Löb (Kolonialwarenhändler), Marx Löb
Senior (Hausierer), Salomon Löb (Viehhändler), Aron Lev, Isaak Mayer
(Metzger), Jacob Wolff (Mehlhändler).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge
(s.u.), eine jüdische Schule und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde
wurden auf dem jüdischen Friedhof in
Wachenheim beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein
Lehrer angestellt, der
zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. Ausschreibungen der Stelle
unten). Genannt wird unter anderem Lehrer Schwab (gest. 1885). Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat Frankenthal.
Um 1924 gehörten zur jüdischen
Gemeinde nur noch drei Personen. Die Gemeinde war schon ein paar Jahre zuvor aufgelöst,
die Synagoge 1918 verkauft und die noch am
Ort lebenden jüdischen Personen der Gemeinde Bad
Dürkheim zugeteilt worden.
Von den in Kallstadt geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Thekla Brink
(1878), Friederike Oberlänger (1878), Helene Weglein (1879). Die im
Nachbarort Leistadt geborene und in
Kallstadt aufgewachsene, danach nach Bad Dürkheim verzogene Selma Maas (1893)
wurde in Auschwitz ermordet.
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1876
/ 1877 / 1886 / 1887 / 1900 / 1901 / 1902 / 1907 (Aushilfsvorbeter für die
Feiertage)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. August 1876:
"In der hiesigen Gemeinde ist die Stelle eines Vorbeters, Schächters
und Religionslehrers vakant und möglichst bald zu besetzen.
Fester Gehalt 450 Mark, nebst freier Wohnung, den Einkünften der
Schechita und sonstigen Emolumenten. Meldungen mit Beifügung der nötigen
Zeugnisse sind an den unterzeichneten Synagogenvorstand zu richten.
Kallstadt (Rheinpfalz), den 16. August 1876. Jacob Mayer II." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Oktober 1877:
"Die hiesige Lehrer, Kantor- und Schächterstelle ist vakant und soll
sofort besetzt werden. Gehalt aus der Kultuskasse 345 Mark, aus der Chebra
100 Mark, nebst freier Wohnung und den Schlachtgebühren. Nur im deutschen
Reiche Beheimatete können bei der Prüfung der Meldungen berücksichtigt
werden.
Kallstadt (Rheinpfalz), den 7. Oktober 1877. A. Löb,
Kultusvorstand." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Mai 1886:
"In der israelitischen Gemeinde dahier ist die Stelle eines Lehrers
vakant und wollen sich Bewerber melden an
Karl Löb, Kallstadt." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Februar 1887:
"Die Stelle eines Religionslehrers, Vorbeters und Schochet ist sofort
zu besetzen. Gehalt 500 Mark nebst freie Wohnung und circa 200 Mark
Kasualien.
Kallstadt, Pfalz. Karl Löb." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. August 1900:
"Wir suchen per 1. September 1900 einen Religionslehrer, der vorbeten
und schächten kann, mit einem Gehalt von 1.000 Mark inklusive
Nebeneinnahmen bei freier Wohnung.
Carl Kuhn, Vorstand, Kallstadt, Rheinpfalz." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Januar 1901:
"Die Stelle eines Religionslehrers, Vorbeters und Schächters,
mit einem Gehalt von 1.000 Mark inklusive Nebeneinnahme bei freier Wohnung
zu besetzen.
Carl Kuhn, Vorstand, Kallstadt, Rheinpfalz." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. März 1902:
"Die israelitische Gemeinde Kallstadt (für Mallstadt) sucht
einen Vorbeter, der aber Inländer sein muss. Gehalt 400 Mark. Die
Nebenverdienste belaufen sich auf 600 Mark, freie Wohnung. Bewerber wollen
ihre mit Zeugnissen belegten Gesuche bis längstens 25. März dieses
Jahres bei dem Unterzeichneten einreichen.
Kallstadt (für Mallstadt) (Pfalz), 10. März.
Der Vorstand: Karl Kuhn." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juli 1907: "Die
israelitische Gemeinde Kallstadt
Dürkheim (Pfalz) sucht für die bevorstehenden Feiertage zur Aushilfe
einen Vorbeter.
Lusttragende wollen sich an den Unterzeichneten wenden.
Karl Kuhn, Vorstand." |
Mitteilung des Todes des Lehrers Schwab (1885)
Artikel
in "Rechenschaftsbericht der Achawa" 1885 S. 4: "Die Zahl unserer aktiven
Mitglieder belief sich am Anfang des Jahres 1885 auf 243; durch den
Tod verloren wir drei Mitglieder (die Lehrer Hosch in Neisse, Schwab in
Kallstadt und Sonnenberger in Bechtheim);
durch den Beitritt von 15 neuen Mitgliedern (siehe Seite 13) wuchs die Zahl
auf 255." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Die israelitische Kultusgemeinde Freinsheim wird mit
der Gemeinde in Kallstadt vereinigt (1894)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung der Judentums" vom 29. Dezember
1893: "Wegen allzu geringer Zahl von Angehörigen wurde die
israelitische Kultusgemeinde Freinsheim vom 1. Januar 1894 ab mit der zu
Kallstadt vereinigt. Die Synagoge in Freinsheim kommt in Folge dessen zum
'Ausgebot".(?)." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Dezember 1893:
"Kallstadt, 11. Dezember 1893. Wegen allzu geringer Zahl von
Angehörigen wurde die israelitische Kultusgemeinde Freinsheim vom 1.
Januar 1894 ab mit der hiesigen vereinigt. Die Synagoge in Freinsheim kommt
infolge dessen zum 'Ausgebot.' (?Red.)" |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine alte Synagoge unbekannten Baujahres befand sich 1827 in
einem baufälligen Zustand. Der Bau einer neuen Synagoge wurde damals in der
jüdischen Gemeinde beschlossen. Über mehrere Jahre wurden immer
wieder neue Baupläne eingeholt, die jedoch nicht die Zustimmung der
Regierung bekamen. Erst ein (inzwischen vierter) Entwurf des Zivilbauinspektors
August von Voit von Anfang 1836 fand die Zustimmung der Regierung, sodass im
August 1836 mit dem Bau begonnen werden konnte. Die Baukosten wurden in der im
Juli erfolgten Ausschreibung der Arbeiten mit 3.140 Gulden
veranschlagt:
Anzeige
im "Amts- und Intelligenzblatt des Rhein-Kreises" vom 9. Juli
1836: "...den 5. Juli 1836.
Kallstadt. (Erbauung einer Synagoge.) Montag, den 25. Juli laufenden
Jahres, Vormittags 9 Uhr, wird auf dem Rathause dahier, die Erbauung einer
Synagoge, an den Wenigstnehmenden durch unterzeichnetes Amt versteigert,
veranschlagt:
a) Erd- und Maurerarbeiten ...
Kallstadt, den 4. Juli 1836. Das Bürgermeisteramt. Ruprecht." |
Der Rohbau der Synagoge wurde im April 1837
fertiggestellt. Im Sommer 1837 konnte die Synagoge mit ihren
charakteristischen ägyptischen Stilelementen, die mehr als 3.000
Gulden gekostet hatte, eingeweiht werden.
Aus der Geschichte der Synagoge sind nur wenige Berichte bekannt. 1862
erfährt man von der feierlichen Einweihung einer neuen
Torarolle:
Einweihung einer neuen Torarolle in der Synagoge (1862)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Juni 1862:
"Kallstadt, 11. Mai (1862). Am verflossenen Freitag und Samstag
feierte die hiesige israelitische Kultusgemeinde ein gewiss seltenes Fest.
Es fand nämlich die Einweihung einer neuen, von Herrn Samuel Lohmann von
hier gestifteten Tora statt. von Nah und Fern strömten Freunde herbei, um
der Feier beizuwohnen. Die liturgischen Feierlichkeiten waren ganz der
Bedeutung des Festes angemessen. Was uns besonders freue, war, dass wir
unter dem Zuge sowie in der Synagoge viele protestantische Mitglieder der
Gemeinde bemerkten, unter andern den Herrn Vikar, den Herrn Einnehmer, den
Adjunkt, die meisten Gemeinderäte und die beiden Lehrer. Wohl eine
Gemeinde, in der Toleranz im entschiedensten Sinne des Wortes
herrscht." |
Fast 70 Jahre war die Synagoge in Kallstadt Mittelpunkt des
jüdischen Gemeindelebens. Dann mussten die regelmäßigen Gottesdienste
eingestellt werden, da die ausreichende Zahl der Beter (Minjan) nicht mehr
zustande gekommen ist.
Nach der Auflösung der jüdischen Gemeinde wurde das Synagogengebäude im
Rahmen einer Versteigerung im März 1918 an einen Nachbarn - Karl Freund
III. - verkauft. Er nutzte das Gebäude in der Folgezeit als Wohnhaus und
Scheune. Bei dieser Nutzung blieb es trotz verschiedener Umbauten im Inneren und
an den Fenstern. Zur Vergrößerung des zunächst im ehemaligen Eingangs- und
Schulbereich befindlichen Wohnraums wurde ein Teil des Betsaals umgebaut. 1994
bis 1996 wurde bei einer erneuten Renovierung der gesamte Synagogenraum in
die Wohnung einbezogen.
Seit November 1985 steht das Gebäude als Kulturdenkmal unter
Denkmalschutz.
Adresse/Standort der Synagoge: Neugasse
10/12
Fotos
(Quellen: Landesamt S. 203-204; Foto dritte Fotozeile Mitte aus
O. Weber s. Lit. S. 102; die Foto von 2010 sind von Michael Ohmsen; das Foto
"Ansicht von Nordwesten" findet
sich in hoher Auflösung auch auf seiner Fotoseite
zu Kallstadt)
Die 1829 von Baupraktikant
Schwarzenberger
vorgelegten Pläne zum Synagogenbau
in Kallstadt
(nicht verwirklicht) |
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Der Plan
Schwarzenbergers wurde von der Regierung verworfen, worauf Schwarzenberger
drei Jahre später einen neuen
Entwurf vorlegte, der gleichfalls
durchgefallen ist. |
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Die ehemalige
Synagoge
um 1990 |
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Blick auf das
Synagogengebäude von Nordosten |
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Westfassade mit Eingangsportal |
Deckendetail der ehemaligen
Synagoge |
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Die ehemalige Synagoge
im Herbst 2010
(Foto: Michael Ohmsen,
vgl. Anmerkung oben) |
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Ansicht von Nordwesten |
Seitenansicht von Nordosten |
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Eingangsportal
an der Westfassade |
Rückansicht des ehemaligen
Synagogengebäudes |
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Beisetzung der aus
Wallstadt verstorbenen
Personen im jüdischen Friedhof Wachenheim
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Teilansicht des
Friedhofes, in der Mitte Grabstein für
Fanny Mayer aus Kallstadt |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Otto Klamm: Kallstadter Juden. 13 Artikel im
Amtsblatt Freinsheim. Jahrgang 1985.
Online
zugänglich (eingestellt als pdf-Datei). |
| Alfred Hans Kuby (Hrsg.): Pfälzisches Judentum
gestern und heute. Beiträge zur Regionalgeschichte des 19. und 20.
Jahrhunderts. 1992. |
| Stefan Fischbach: Zur Inventarisation der
Synagogenbauten in Rheinland-Pfalz. Ein Projekt des Landesamtes für
Denkmalpflege zum Synagogen-Gedenkbuch. In: In: SACHOR. Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit
in Rheinland-Pfalz. Hrsg. von Matthias Molitor
und Hans-Eberhard Berkemann in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für
politische Bildung Rheinland-Pfalz. Erschienen im Verlag Matthias Ess in Bad
Kreuznach. 8. Jahrgang
Ausgabe 2-1998 Heft Nr. 16. S. 5-14. Online
zugänglich (als pdf-Datei eingestellt). Zu Kallstadt S.10.
|
| Otmar Weber: Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter
besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südpfalz. Hg. von der
Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz in Landau. 2005.
S. 94. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 202-204 (mit weiteren Literaturangaben).
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