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Küps
(Kreis Kronach)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Küps bestand eine jüdische Gemeinde bis zur zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16.
Jahrhunderts zurück, als die Ortsherrschaft der Herren von Redwitz jüdische
Familien in relativ großer Zahl aufnahm. Ende des 17. Jahrhunderts lebten
jüdische Familien in 18 Häusern des Ortes. Die Häuser konzentrierten sich vor
allem auf den Bereich um die sogenannte "Judengasse" und die parallele
Straße "Am Hirtengraben". Die jüdischen Familien lebten insbesondere
vom Viehhandel; im 19. Jahrhundert kamen einige Handlungen im Ort dazu.
Ihre Blütezeit erlebte die
Gemeinde vom 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. 1809/10 wurde die
Höchstzahl von 161 jüdische Einwohner gezählt. Durch Abwanderung in die
Städte und Auswanderung ging die Zahl der jüdischen Einwohner relativ schnell
zurück. 1811/12 wurden 104 jüdische Einwohner gezählt, 1867 30, 1871 und 1880
25, 1890 nur noch 6.
Im Jahr 1900 lebte keine jüdische Person mehr am Ort.
Weitere Details siehe die Geschichtsdarstellung des jüdischen Lehrers Leopold Godlewsky
(Amberg) aus dem Jahr 1929 (siehe unten).
An Einrichtungen waren eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule, ein rituelles
Bad (Am Hirtengraben 10) und (bereits seit 1597) ein Friedhof vorhanden. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt. Die Gemeinde gehörte bis 1862 zum Rabbinat Redwitz, danach zum
Bezirksrabbinat Burgkunstadt.
Von den in Küps geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Emma Ledermann geb.
Rosenbaum (geb. 1864 in Küps, später Kaufmannswitwe in Nornberg, starb fünf
Tage nach der Deportation ihres Sohnes Ludwig am 29.3.1942 an Suizid); Toni Marx geb.
Rosenbaum (geb. 1878 in Küps, später in Frankfurt wohnhaft, umgekommen im KZ
Auschwitz), Frieda May geb. Rosenbaum (geb. 1874 in Küps, später
in Berlin wohnhaft, umgekommen im Ghetto Theresienstadt), Friedrich Rosenbaum
(geb. 1868 in Küps, später wohnhaft in München, umgekommen im
Vernichtungslager Treblinka), Luise Rosenthal geb. Rosenbaum (geb. 185 in Küps,
später wohnhaft in München, 1940 deportiert und umgekommen).
Aus
der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige von Sigmund Rosenbaum (1861)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 15. Januar 1861: "Bei Unterzeichnetem, der seine Frau
verloren hat, kann eine jüdische Person gesetzten Alters, welche sich der
Leitung des ganzen Haushalts unterziehen und eine gute Hausmannskost
kochen kann, eine dauernde Kondition finden.
Küps in Bayern, im Oktober. Sigmund Rosenbaum".
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Hinweis: Zu Familie Rosenbaum siehe den
Beitrag von Christian Porzelt (vgl. Lit.): Die
Familie Rosenbaum in Küps. |
Dazu eingestellt:
Umschlag eines Briefes an die Gebrüder Rosenbaum in
Küps (1881)
(aus der Sammlung von Christian Porzelt, Kronach)
Der
Brief wurde 1881 von M. Huemer in Peuerbach (Oberösterreich) an
Sigmund Rosenbaum's Söhne Getreide-Geschäft in Küps geschickt. Die
Familie Rosenbaum war eine der letzten Familien, die in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts noch in Küps lebten. 1869 gründeten die
Brüder 'Simon und Leopold Rosenbaum unter dem Namen "Sigmund
Rosenbaum's Söhne" eine Kolonial- und Handelsproduktenhandlung. Die
Firma war überwiegend im Getreidehandel tätig. 1880 verkauften die
Brüder Rosenbaum ihr Anwesen in Küps und zogen vermutlich 1885 nach
Nürnberg. |
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Umschlag eines Briefes an S.
Rosenbaum Söhne in Küps (1881)
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries)
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Der
Brief wurde am 8. Februar 1881 aus Neustadt an der Haide (= Neustadt b.
Coburg) an Herrn S. Rosenbaums Söhne in Küps geschickt.
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Zur Geschichte der Synagoge
Eine erste Synagoge wurde Ende des 17.
Jahrhundert erbaut (1694)
Eine neue Synagoge wurde 1769
an Stelle der alten Synagoge erbaut. Sie wurde bis um 1870 benutzt.
Seit 1874 wurde das Gebäude zur Lagerung von Heu und Stroh verwendet. An der Südseite der Synagoge war
die Lehrerwohnung angebaut.
Im Mai 1900 wurde die Synagoge (teilweise?) abgebrochen.
An ihrer Stelle wurde eine Turnhalle erbaut, in der ein Teil der
Inschriftentafeln der Synagoge eingebaut wurden (s.u. im Bericht von Godlewsky). Zudem wurde die Inschrift
angebracht:
"Hier, wo die Synagoge stand
erhebt sich jetzt ein Turnerhaus.
Was edler Sinn zuvor geplant
Hat Opfermut geführt hinaus.
Auch fürder unser Losung sei:
Frisch, fromm, fröhlich, frei!"
In die ehemalige Turnhalle ist seit den 1980er-Jahren das Gemeindehaus der evangelischen
Kirchengemeinde eingezogen ("Luthersaal").
Adresse/Standort der Synagoge: Am Hirtengraben 1
Fotos / Abbildungen
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Die ehemalige Synagoge in
Küps
(Quelle: Beitrag Godlewsky s.u.);
links unten die nach Abbruch der
Synagoge 1900 erbaute Turnhalle,
die inzwischen der evangelischen
Kirchengemeinde als Gemeindehaus dient. |
Inschriftentafel
der ehemaligen Synagoge mit den Inschriften (nach Godlewsky s.u.):
"'Ich bin wie eine Lilie'
[Sarons] (Hohes
Lied, Kap. 2,1). (Zugleich die
Jahreszahlinschrift für 1769 = 5529).
'Dies ist das Tor des Ewigen, Gerechte
werden darin eingehen.' (Psalm 118,20).
"Der Ewige behütet die Türen Israels." -
"Dies sind die Tore der Frömmigkeit, Gerechte werden darin eingehen."
(Psalm 118,20). |
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Der "Luthersaal"
der
evangelischen Kirchengemeinde
(Foto aus der
Ausstellung
von Babette Koblenz "Unkenntlich") |
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Die ehemalige Synagoge 2007
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 10.4.2007
Fotos von 2015 von Christian Ebertsch) |
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Blick auf den heutigen
"Luthersaal" |
Die ehemalige Synagoge |
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Der
"Luthersaal" von Westen und Norden |
Blick auf die ehemalige
Synagoge, Apsis nach
Osten im Bereich des früheren Toraschreines |
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Nördliche Seite
des Gebäudes |
"Mens sana in corpore
sano" -
Inschrift aus Turnhallenzeiten |
Inschriftentafel zur
Erinnerung an den
Umbau der Synagoge zur Turnhalle (Foto rechts von 2015) |
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Inschriften der ehemaligen
Synagoge,
nun an der Nordseite eingebracht |
Jahreszahl der
Erbauung der
Synagoge |
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"Der Ewige behütet
die Türen Israels." (Foto rechts von 2015) |
"Dies sind die Tore der Frömmigkeit,
Gerechte werden darin eingehen."
(Psalm 118,20; Foto rechts von 2015). |
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Die
Judengasse in Küps |
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Straßenschilder (Foto rechts
von 2015) |
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Die Mikwe (das rituelle
Bad) in Küps
Bei der bis heute erhaltenen Mikwe in Küps (im Keller des Gebäudes
Am Hirtengraben 10) handelt es sich um
ein private rituelles Bad einer jüdischen Familie. Das Haus, das bereits im 18.
Jahrhundert einer jüdischen Familie gehörte (1782 im Besitz eines Jud Löw;
1855 Handelsmann Löser Strauß), stand in der Nähe der Synagoge.
Um 1990 wurde das Gebäude abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt. Das
rituelle Bad blieb erhalten und wird damals saniert.
Beschreibung der Mikwe von Eva Groiss-Lau s. Lit. S. 136-137:
"Der Kellerraum, in dem der Abgang zur Mikwa beginnt, liegt 0,7 m unter dem
jetzigen Straßenniveau. Er hat einen Grundriss von 6,47 x 5,70 m. Die 0.90 m
starken Wände waren früher verputzt, jetzt sind die grob behauenen,
unregelmäßigen Sandsteinblöcke sichtbar, die sich in einem Gewölbe von 2.85
m Höhe schließen. Der mit Steinplatten bedeckte Boden öffnet sich in der
linken hinteren Ecke zu dem Mikwen-Abgang, der mit einer steilen Treppen in
einer Linkswendung von 90 Graf 3,70 m hinabfährt. Das Tauchbecken misst 1,39 x
1,16 m und hat nur noch Grundwasser in einer Höhe von ca. 20 cm. Auch hier ist
der Wasserspiegel im Verhältnis zu früher ein beträchtliches Stück
abgesungen. An Nischen sind neben zwei kleineren im unteren Bereich, die
sicherlich zum Laternenabstellen dienten, eine größere am Beginn des Abstiegs
zu erwähnen, die groß genug für einen Sitzplatz erscheint. Ein paar Löcher
(20 x 20 mm) weisen auf ein ehemaliges Treppengeländer hin."
Einweis: ein virtueller Rundgang durch die Mikwe (rituelles Bad) in Küps
ist möglich über https://synagoge-kronach.de/3d-rundgang/#.
Fotos: Jürgen Hanke,
Kronach |
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Der auf den Grundmauern des
nicht mehr
bestehenden jüdischen Hauses erstellte Neubau |
Eingang
zur Mikwe |
Nische am Beginn
des Abstieges |
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Abstieg zum Tauchbecken |
Das Wasserbecken/Tauchbecken |
Zeichnung der Mikwe von
Dipl.-Ing. K. Schleipen
und H. Martins, Vermessung Dr. S. Rudolf
(in:
Groiss-Lau s. Lit. S. 137) |
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Neuere Fotos der Mikwe
(Aufnahmen vom 25.4.2022 von Jürgen Hanke, Kronach) |
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Heutiges Haus Am
Hirtengraben 10
mit Eingang zur Mikwe |
Nische am Beginn des
Abstieges
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Abstieg zum Tauchbecken
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Abstieg zum Tauchbecken
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Das
Wasserbecken/Tauchbecken |
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Hinweis auf die Mikwe in
Küps auf
dem Faltprospekt des Aktionskreises
Kronacher
Synagoge e.V. |
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Hinweis:
"Mikwe (rituelles Tauchbad) aus dem 17. Jahrhundert, hervorragend
renoviert
und gepflegt von Herbert Gögelein (Privathaus) in Küps." |
Artikel zur jüdischen Geschichte in Küps
1. Artikel aus der Bayrischen Israelitischen Gemeindezeitung vom 15. Mai
1929:
Die
Juden von Küps Von Leopold
Godlewsky, Amberg
Zu den schon längst von Juden verlassenen Ortschaften Bayerns zählt auch
der Marktflecken Küps (Oberfranken), an der Bahnlinie
Probstzella-Lichtenfels.
Bereits im 12. Jahrhundert waren dort Juden ansässig. Bei der großen
Judenverfolgung (1298) fingen in Kronach etwa 100 Seelen, in Kunstadt etwa
fünf zu Grunde ('Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstbistum Bamberg'
von Dr. Eckstein, Seite 2.). Küps blieb verschont. die vom Bischof von
Bamberg im Jahre 1478 ernstlich durchgeführte Judenausweisung traf die
'fremdherrischen' Juden nicht. Die von Küps waren damals Schutzjuden der
Standesherren von Redwitz-Rodach. Und als im Jahre 1699 anlässlich einer
Hungersnot, an der selbstverständlich die Juden mit schuld sein sollten,
die ganze Judenschaft Oberfrankens durch Ausweisung und Plünderung schwer
leiden musste – so zog am 23. Mai 1699 eine wilde Rotte auch nach dem
nahen Burgkunstadt, wo 14 Judenhäuser gestürmt und geplündert wurden
– fand sie hier in Küps Schutz an ihren ritterschaftlichen
Territorialherren, die sogar für die Juden des 'Cantons Gebürg' einen
gemeinsamen Friedhof eingeräumt hatten (etwa 1580) und nach einer
desfallsigen Urkunde dieses Privilegium 1680 erneuerten (Siehe Eckstein).
Selbstredend blieben die lästigen Leistungen wie Schutzgelder, Gansgeld,
Neujahrsgeld, Leib- und Totenzoll noch Jahrhunderte lang bestehen. Eine
interessante, von den Standesherren von Redwitz unterzeichnete Urkunde aus
dem Jahre 1700 gibt uns Aufschluss über den Totenzoll, der in den
Sammelfriedhof Küps verbrachten auswärtigen jüdischen Leichen (Siehe
Eckstein).
Bei der hohen Seelenzahl der Juden in Küps hat sich schon im Jahre 1671
deshalb Pfarrer Kümmelmann bei seinem Standesherrn wegen der Juden
angenommen, beschwert und erhalten, dass ihnen auferlegt worden, bei ihrer
Beschneidung und Hochzeit die sonst bei Christen gewöhnlichen Accidentia
(Gebühren) zu leisten, wie denn am 11. Januar 1672 bei einer Beschneidung
die erste Gabe geleistet wurden (Pfarrlehnbuch Küps).
Noch heute besteht am Ostende des Ortes, wo sich früher weiter keine
Häuser mehr befanden, der Judenfriedhof (siehe Abbildung 1), der nach den
gemachten Untersuchungen, auf seinen bildhauerisch zum Teil
rechtinteressanten Denkmälern auch Inschriften vom Jahre 1625 aufweist
bis 1822 beziehungsweise 1835, und Tote auch aus Mitwitz, Merzbach
(Unterfranken), Friesen, ja aus dem
ganzen 'Kanton Gebürg' in sich vereinigte. Seit Auflassung dieses
'Judenfreythofes' 1835 dient der Sammelfriedhof in Burgkunstadt
zur gemeinsamen Begräbnisstätte der Juden der Umgegend.
Unmittelbar an den Friedhof schlossen sich die Judenhäuser an im
sogenannten 'Winkel', der eben von der Herrschaft gleichsam als 'Ghetto'
eingeräumt war und auch eine 'Judengasse' aufwies. Wenn in Bamberg noch
im Jahre 1687 die Anzahl der Judenhäuser auf 12 festgesetzt wurde und
1693 durch dringliches Bitten der Gemeinde auf 24, so waren die Herren von
Redwitz viel toleranter. Denn in diesem kleinen Orte war eine nicht
unbedeutende Anzahl Judenfamilien ansässig mit etwa 18 Judenhäusern –
deren Hausnummern heute noch sämtlich nachgewiesen sind – und einer
Synagoge mit Lehrerwohnung (siehe Abbildung 2). Ebenso siedelten sich in
dem nur eine Viertelstunde entfernten ritterschaftlichen bis 1627 von
Redwitzschen, sodann von Künsbergschen Orte
Oberlangenstadt mindestens ebenso viele Judenfamilien an mit eigener
Synagoge – ein Vorhang weist die Jahreszahl 1760 auf - , die im Jahre
1871 zur Feier des Friedensfestes von Freiherrn von Künsberg renoviert
wurde und bis vor kurzem noch gottesdienstlichen Zwecken diente.
Interessant ist die Bewegungsziffer der jüdischen Einwohner in Küps. Bis
zum Jahre 1806 befand sich die jüdische Seelenzahl daselbst in
aufsteigender Tendenz. Nach dem statistischen Büro München wohnten im
Jahre 1809/10 in Küps 161 jüdische Bürger. Im Jahre 1811/12 bereits nur
noch 104. Es ging nun rapid abwärts. Im Jahre 1867 waren es 30; 1871
zählte man noch 25; 1880 ebenfalls 25; 1890 nur noch 6. Im Jahre 1900 war
in Küps keine jüdische Seele mehr zu verzeichnen.
Über die Erbauung der Küpser Synagoge ist nichts bekannt, wohl aber wies
das im Mai 1900 niedergelegte massive Gebäude, das einer Turnhall
gewichen ist, als Erbauungsjahr 1769 inschriftlich nach. Das scheint die
zweite Synagoge gewesen zu sein. Pietätvoller Sinn hat jene alten
Inschriften der neuen Turnhalle eingefügt. Wir lesen dort: siehe Abbildung unten mit hebräischer Inschrift.
So mutet es uns wehmütig an, wie ein verklungen Lied aus fernen Tagen, wenn
wir in hebräischer Schrift lesen: 'Ich bin wie eine Lilie' [Sarons]
(Hohes Lied, Kap. 2,1). (Zugleich die Jahreszahlinschrift für 1769 =
5529).
'Dies ist das Tor des Ewigen, Gerechte
werden darin eingehen.' (Psalm 118,20).
"Der Ewige behütet die Türen Israels." -
"Dies sind die Tore der Frömmigkeit, Gerechte werden darin eingehen."
(Psalm 118,20).
Auf der Südseite der Synagoge befand sich die Wohnung des Lehrers, die
ebenfalls fromme Inschriften an den Oberschwellen der Türe und der Fenster
auswies. Auf der Rückseite der Turnhalle lesen wir den Spruch:
"Hier, wo die Synagoge stand
erhebt sich jetzt ein Turnerhaus.
Was edler Sinn zuvor geplant
Hat Opfermut geführt hinaus.
Auch fürder unser Losung sei:
Frisch, fromm, fröhlich, frei!"
Seit 1870 war die Synagoge nicht mehr benützt. 'Es war ein schmerzlicher
Anblick', schrieb im Jahre 1908 der um die Heimatpflege hochverdiente Pfarrer
Pöhlmann aus Küps, 'wenn die alte Synagoge nach hundertjährigem Dienst kalt
gestellt, zu einem Streu- und Heumagazin jahrelang herabgesunken war. So ganz
vertrauert blickte der ehrwürdige '10-Gebot-Schrein' darein, dass er nun ganz
und gar so vergessen und verachtet war und in einer so wüsten Umgebung trotz
Butzenscheiben und Logengitter sich befand. Noch führt er sein traurig Dasein
in dunkler Ecke weiter, ein schmerzvoller Zeuge vergangener Zeiten, vielleicht
kommt er noch einmal wieder zu Ehren unter verständigen, schonenden,
zartfühlenden Händen." -
Freud und Leid teilten die jüdischen Gemeindemitglieder mit ihren Dorfgenossen,
sodass sie in gutem Frieden zusammenlebten. Auch in den Kriegszeiten wollten sie
ihren Mann mitstellen. So hören wir, dass bei einer Waffenlieferung während
des Siebenjährigen Krieges acht jüdische Hausväter sich als wahrhafte Männer
präsentierten und 4 Pistolen, 2 Flinten, 4 Degen, 1 Büchse und einen Säbel
lieferten. Im übrigen waren ihnen die stetigen Einquartierungen insofern
gewinnbringend, als sie die Gewürzlieferanten waren, d.h. den Spezereihandel
trieben, auch nicht selten zu Armeelieferanten wurden und so immer auf den
Kriegsrechnungen erschienen. Im Krieg wie im Frieden betrieben sie eifrig
Viehhandel.
II.
Wenn wir vorhin von der Wohnung des jüdischen Lehrers sprachen, so wissen wir
leider nur sehr wenig von deren Insassen und ihren Schulen. Die protestantische
Lokalschulinspektion hatte kein Aufsichtsrecht über die Juden in Küps und
Oberlangenstadt. Sie gehörten zum Rabbinate Redwitz, das bis 1862 bestand und
von Rabbiner Moses Gutmann (Verfasser des Werkes 'Die Apokryphen des Alten
Testaments, aus dem griechischen Text übersetzt und durch Einleitungen und
Anmerkungen erläutert.' (Altona 1841), von 1827 bis 1862, wo er starb, versehen
wurde. Unmittelbar darauf wurde dieses Rabbinat dem in Burgkunstadt einverleibt.
Wir lesen von einem jüdischen Religionslehrer Marx Abraham dahier. Im Jahre
1811 befand sich in Küps ein sogenannter Judenschulmeister, der von der
gesamten Judenschaft angenommen war. Dieser aber beschäftigte sich wenig oder
gar nicht mit dem eigentlichen Unterricht (profanen) der Jugend, gab ihr
höchstens Anweisung in hebräisch Lesen und in den jüdischen Zeremonien und
besorgte die Synagoge. Außerdem hielten sich mehrere wohlhabende Judenfamilien
einen jüdischen, wie man sagt, studierten Privatlehrer gemeinschaftlich auf
eigene Kosten. Von 18 Kindern unterrichtete er 9 im Deutschen, Lesen, Schreiben
und Rechnen und in der hebräischen Sprache. Die andern 9 Kinder armer Eltern
lernten bei dem Judenschulmeister so viel Hebräisch als zum Bekenntnis ihrer
Religion nötig erschien, versäumten aber das Deutsche, sowohl Lesen als
Schreiben und Rechnen ganz. In Oberlangenstadt war damals gar kein jüdischer
Jugendlehrer, denn der dort gewesene Privatlehrer war vor einiger Zeit wieder
abgegangen. So stand es in beiden Orten nicht gut um die jüdischen Schulen.
Vielleicht wurde Michael Küpßer aus Küps, geb. 1785, der 1812 in Redwitz
jüdischer Privatlehrer war, später hier angestellt. Sicher ist uns nur, dass
am 25. April 1825 Seligmann Strauß an die hiesige israelitische Schule von der
Königlichen Regierung berufen wurde, aber noch am 12. Dezember 1830 beschwert
er sich bei ihr, dass sich weder eine Lokal- noch eine Distriktsschulinspektion
um seine Schule kümmere. Er fühlt es zugleich als eine seiner heiligsten
Pflichten, den Eltern und geneigten Judenfreunden sowohl als auch der
Königlichen Regierung selbst durch Abhalten öffentlicher Prüfung, unter der
Leitung seiner Schulinspektion, Rechenschaft von seinem Wirken in seiner Sphäre
(Bereich) abzulegen. Gleich einer gesetzwidrigen Winkelschule bleibt seine
Schule im Verborgenen 'und ein pflichtvergessener Lehrer würde unter solchen
Spielraum genug haben, ein Mietling in seinem Amte zu sein, was ich doch selbst
auch sein könnte, indem Niemand von meinem Wirken in der Schule etwas weiß.'
Trotzdem müssen die sowohl aus der Werktags- als auch aus der Sonn- und
Feiertagsschule austretenden Schüler einen Schulentlassschein zu 30 Kreuzer
nebst Stempel lösen, 'ungeachtet der Herr Pfarrer nicht einmal weiß, ob der
Schüler lesen oder schreiben kann.'
Am zweiten Weihnachtsfeiertage 1830 unterstellt die Königliche Regierung die
hiesige israelitische Schule der protestantischen Lokal- und
Distriktsschulinspektion. Vier Jahre danach muss dieser Lehrer sch wieder
beschweren. dass man die Aufbesserung seines Diensteinkommens auf die Congrua
(allgemeiner Gleichgehalt) zu 50 Gulden nicht gewähre. In der Tat wurde ihm
eine solche für 1832-34 verweigert, wohl aber 'vertröstete man ihn auf bessere
Zeiten'. Und wie 1835 die 'bösartige Krankheit der Menschenblattern im hiesigen
Orte grassieret', und auch ihn traf, sodass er an derselben 22 Tage gefährlich
darniederlag, erstirbt er in den Hoffnung gnädigster Bitterhörung und erkält
doch wenigstens 15 Gulden Krankenunterstützung. Zwei Jahre darauf verlässt er
seinen Dienst und wandert nach England aus.
Bezüglich der jüdischen Schule selbst sollte nach Regierungsvorschrift vom 28.
Juli 1834 entweder eine vollständige Elementarschule eingerichtet werden, oder
die jüdischen Kinder sollten der christlichen Schule zugewiesen werden mit
gesondertem Religionsunterricht. Da die jüdische Gemeinde. den Aufwand für eine eigene Schule nicht
aufbringen wollte oder konnte, so wurden die jüdischen Schüler von Küps (17)
und Oberlangenstadt (18) der hiesigen protestantischen Schule zugewiesen. Wegen
Überfüllung derselben wurde aber in dem Jahre 1835 die Errichtung einer
christlichen Schule angeordnet, die im Jahre 1837 fertig gestellt war. (Akten
der Distriktsinspektion). Diese Schule hatten nunmehr die jüdischen Kinder von
Küps und Oberlangenstadt zu besuchen. Der Religionsunterricht wurde vom
jüdischen Lehrer und Vorsänger Abraham Hirsch Kronacher in Oberlangenstadt
erteilt (geb. 2. August 1797, gest. 1867). Ihm war vorangegangen Isak Kronacher
(gest. 29 Oktober 1828, 79 Jahre alt). Auf Abraham Kronacher folgte Lehrer
Abraham Bonheim (1868-74) und auf diesen Simon Silberstein (1874-1880), sodann
Adolf Schwarz (1880-1882), der nach Binswangen übersiedelte und dort lange
Jahre amtierte. Hingegen kam von dort Moses Wetzlar 1882 nach Kronach, der
nunmehr den jüdischen Kindern von Oberlangenstadt und Redwitz den
Religionsunterricht in Oberlangenstadt erteilte.
Wir fügen hier die bemerkenswerte Tatsache ein, dass der Rabbiner Johannes
Callarius von Burgkunstadt, der sich deshalb Gnostopolitanus nennt, am 20. Mai
1519 an die neu (1502) gegründete Universität Wittenberg berufen wurde als
Lehrer der hebräischen Sprache, nachdem er sich zum Christentum bekehrt und die
Rechtfertigung vor Gott aus dem Glauben angenommen hatte. Nach wenigen Monaten,
im Dezember, kam der bedeutende Mann an die Universität Leipzig, wo Matthäus
Aurogalles (Goldhahn) sein Schüler war, der dann Luther bei dem großen Werke
der Bibelübersetzung, insbesondere des Alten Testaments, wacker beistehen
könnte. (1530). (49. Jahrgang der Monatsschrift für die Wissenschaft des
Judentums.).
Noch können wir etwas Seltsames und Bemerkenswertes von der Küpser jüdischen
Gemeinde berichten. In Staub und Moder auf dem Dachboden der Synagoge zu
Altenkunstadt lagen die papierenen Zeugen vergraben und vergessen, bis der
verstorbene Rabbiner Dr. Goitein (Burgkunstadt) sie eines schönen Tages aus
ihrem tiefen Schlafe weckte und zum Reden brachte. Es handelt sich hier um die
'Blutbeschuldigung von Küps 1797.' Der oben genannte Lehrer Marx Abraham in
Küps habe Ende Mai 1797 den zehnjährigen, schwachsinnigen Bettknaben Mathes
Marr aus Grün bei Küps in seine Wohnung gelockt, habe ihn mit einem Stricke
angebunden, ihm ein Eisen in den Mund geschoben, und ihn an einem Nagel
aufgehängt. Sodann habe er ein langes Messer, eine Hechel, ein Schüsselein und
ein Häfelein gebracht, ihm mit dem Messer in die Finger geschnitten und auf den
Bauch gehechelt, von welchem sehr viel Blut in ein Schüsselein gegossen sei.
Aus den Fingern sei auch Blut geflossen, das in Blasen an den Fingern
aufgefangen worden sei usw. Da bald hierauf in der ganzen Gegend eine
Beunruhigung der Gemüter sich bemerkbar machte, erließ die fürstbischöfliche
Regierung in Bamberg, an die sich die Stadt- und und Judenschaftsdelegierten
wandten, verschiedene Regierungsdekrete an das Centamt Weißmain zur
Untersuchung des Falles, wodurch die Unhaltbarkeit der verbreiteten Lögen sich
herausstellte. Traurig aber interessant sich diese Dokumente einer dunklen
Zeitepoche und die einer gewissen Tragikomik in der Auswirkung nicht
entbehren. Doch fühlte man sich schon deutlich hindurch dien Flügelschlag
eines freiheitlichen Zeitgeistes, welcher langsam aber unaufhaltsam über den
Rhein zu unser herüberschwebte. |
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2.
Artikel aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. April 1900:
Eine
Blutbeschuldigung am Ende des 18. Jahrhunderts
- Mitgeteilt
von Dr. E. Gotein, Distriktsrabbiner, Burgkunstadt.
(Anmerkung 1: Auf dem Bodenraume der Synagoge zu Altenkunstadt fand ich hierüber
ein Aktenbündel enthaltend drei Dekrete der fürstbischöflichen Regierung zu
Bamberg (im Original), ein Schreiben des Amtmannes von Unterlangenstadt und ein
solches des Stadtvogtes von Burgkunstadt an den Hofrat und Centrichter von
Weismain, eine Bittschrift der Stadt- und Landjudendepotierten zu Bamberg (in
Abschrift), einen Bericht des Centrichters von Weismain an die Regierung zu
Bamberg (19 Bogen Original).
Ende Mai 1797 verbreitete der zehnjährige, schwachsinnige Bettelknabe
Mathes Marr aus Grün bei Küps folgende Beschuldigung. Er sei in das Haus des
Juden Marx Abraham, Schullehrers in Küps gelockt worden. Dieser habe ihn mit
einem Stricke angebunden, ihm ein Eisen in den Mund geschoben und ihn an einem
Nagel aufgehängt. Sodann habe dieser ein langes Messer, eine Hechel, ein Schüsselein
und ein Häfelein gebracht, ihm mit dem Messer in die Finger geschnitten und auf
den Bauch gehechelt, von welchem sehr viel Blut in ein Schüsselein
herabgelaufen sei. Aus den Fingern sei auch Blut geflossen, das in Blasen an den
Fingern aufgefangen worden sei. (Anmerkung 2: Als der Untersuchungsrichter
dem Knaben vorhielt, dass man an seinen Fingern und an seinem Bauche nichts
bemerke, als einige ganz kleine, Nadelstichen ähnliche rote Pünktchen, da sah
er mit stierem, sinnlosem Blick vor sich hin und alles, was aus ihm
herauszubringen war, lautete 'ich weiß nicht'). Zwei Bauern seien dann
hereingekommen und hätten ausgerufen: 'Jud, was machst du da?', hätten ihm
die Hände und den Leib abgewachsen und gesagt: 'In dieses Haus gehst Du
nimmer herein.'
Der Oheim des Knaben, der Schneider Johann Öhrlein aus Grün, bei dem dieser
wohnte, ging mit dem Knaben zum Schullehrer hin und machte ihm Vorwürfe. Dieser
war über die lügenhafte Anschuldigung empört und soll nach der Aussage des Öhrlein
ihm mit einem Messer gedroht und ihn mit dem Jungen zur Stube hinausgestoßen
haben. (Anmerkung 3: Bericht des Hofrats zu Weismain an die fürstbischöfliche
Regierung).
Da bald hierauf in der ganzen Gegend eine Beunruhigung der Gemüter sich
bemerkbar machte, beeilten sich die Stadt- und Landjudenschaftsdeputierten zu
Bamberg, dem drohenden Unheil vorzubeugen und dem weiteren Umsichgreifen des lügenhaften,
verhetzenden Gerüchts entgegenzutreten. Sie warteten nicht erst, bis die
Katastrophe hereingebrochen, sie um ihr Hab gekommen und an ihrem Leben bedroht
worden wären, um hernach zu protestieren; sie richteten vielmehr sofort am 7.
Juni ein Bittgesuch an die fürstbischöfliche Regierung in Bamberg, das
folgenden Wortlaut hat:
'Hochwürdigster Fürstbischof! Ein Mensch, seiner Profession ein Schneider,
und der Religion nach protestantisch, gebürtig von Krün, Centamts Weissmain, führte
vor einigen Tagen einen Knaben in das Haus des Schutzjuden Marx Abrahams zu Küps,
eines von Redwitzischen Untertans, und dem Centamte Weissmain unterworfen.
Dieser Mensch sprengte in der dortigen Gegend unter den Leuten aus, als hätte
obgemeldeter Jud diesen Knaben aufgehängt und wenn zwei andere Bauern nicht
noch zur rechten Zeit hinzugekommen wären, und den Jungen nicht sogleich
gerettet hätten, er ihn auch umgebracht hätte. Durch dieses fälschlich und
boshaft von diesem Menschen ausgebreitete Gerücht ist die ganze Gegend alldort
über die dortherinn wohnende Judenschaft aufgebracht, und nimmt sich den
unerlaubten Anlass, jeden Juden gröblichst zu insultieren, sodass sich keiner
seit einigen Tagen getraut, sicher aus seinem Haus zu gehen, und wenn einer auf
offener Straße angetroffen wird, er sich in Gefahr befindet, von den sich
zusammenrottenden Leuten misshandelt zu werden.
Um diesem Übel kräftigst vorzukommen, so sehen wir uns notgedrungen, Eure
hochfürstliche naden fußfälligst zu bitten, dem Centamte Weissmain gnädigst
aufzulegen, dass dasselbe diesen Vorfall geschärftest untersuche und den
Ausstreuer dieses falschen Gerüchts sorgfältigst ausmache, übrigens aber für
unsere persönliche Sicherheit zweckmäßige Vorkehr treffe, und uns hinlängliche
Genugtuung verschaffe. Da Gefahr auf Verzug haftet, und die Erbitterung der
dortigen Gegend über die Juden zu groß ist, so flehen wir untertänigst um
eine schleunigst zu befördernde höchste Entschließung und ersterben in
tiefster Erniedrigung.
Bamberg, den 7. Junius 1797. Eurer höchfürstl. Gnaden untertänigst
gehorsamste sämtliche Stadt- und Landjuden-Deputierte.'
Wie die Judenschaft, so hatte auch die Regierung die Bedeutung und Tragweite der
Angelegenheit sogleich erfasst. Sie ordnete daher eine schleunigste Untersuchung
des Falles an. Vor allem war sie darauf bedacht, den gewissenlosen Hetzern das
Handwerk zu legen und Vorsorge zu treffen, dass der Frieden unter der Bevölkerung
infolge dieser das Merkmal der Lüge an sich tragenden Beschuldigung nicht gestört
werde. Sogleich erließ sie an den Centrichter zu Weismain folgende
Regierungs-Entschließung:
'(Was bey hochfürstlicher Regierung die Stadt- und
Landjudenschaftsdeputierten wegen eines christlichen Knaben, welcher dem
Vorgeben nach in dem Hause des Juden Marx Abraham zu Küps aufgehängt worden,
und wenn nicht Bauern dazu gekommen wären, würde umgebracht worden sein,
untertänigst vorgestellt und gebeten haben, hat Hofrat und Centrichter aus der
angefügten abschriftlichen Beilage des mehreren zu ersehen. Derselbe erhält
hierauf nachfolgende Weisung, um sich darnach gehorsamst zu achten.)
1. Ist dieser sich ereignet haben sollende Vorgang ohne Verzug und genau zu
untersuchen.
2. Ist allen christlichen Untertanen des Centamts Weissmain bei Vermeidung einer
empfindlichen Strafe nachdrücksamst zu untersagen, des besagten Vorfalls wegen,
er befinde sich wahr oder nicht, keinem Juden, er sei ein bambergischer oder
fremdherrischer, das mindeste Leid zuzufügen.
3. Wenn etwa ein oder anderer Jude dessfalls schon beleidigt oder misshandelt
worden ist, gegen die Täter mit ernstlicher Strafe, vorausgesetzt, dass Mangel
an Gerichtsbarkeit hierunter kein Hindernis in Weg lege, ohne Nachsicht zu
verfahren.
4. Hat Hofrat und Centrichter von gegenwärtiger Entschließung den Centämtern
Burgkunstadt und Kronach ungesäumte Nachricht zu erteilen, mit dem Beifügen,
dass auch gedachte zwei Centämter sich hiernach gebührend bemessen sollen.
Decretum: Bamberg, den 10. Junius 1797. A.H.
Papstmann, F. von Heinrich Back,
Mayer, Heinrichen.'
Welch heilsame Wirkung diese Regierungsentschließung übte, ersehen wir aus
folgendem Schreiben des Stadtvogts von Burgkunstadt vom 17. Juni 1797 an den
Centrichter in Weismain: 'Den Inhalt des höchstvenerierten Reggs.-Dekretes
vom 10. hujus werde nicht nur allein in dem diesseitigen Cent-Amt bekannt
machen, sondern auch jene Insolenz abstrafen, die sich einer meiner Untertanen
letzthin gegen einen Juden 'des Küpser vermeintlichen Vorhangs halber'
erlaubt hat.
Doch die Gefahr war noch nicht vorüber; denn nicht überall wurde mit gleicher
Strenge vorgegangen. Abermals wandten sich die Juden an die Regierung, die bald
am 23. Juni folgendes zweites Dekret erließ: 'Die Originalanlage, welche
wieder zu remittieren ist, zeigt, dass die Juden des Centamts Weissmain und der
dortigen Gegend des Gerüchts wegen, dass einer derselben einen Christenjungen
habe aufhängen wollen, sich noch immer nicht vor Misshandlungen gesichert
halten, und die Mutter des gedachten Knaben mit Erwähnung dieser Geschichte
betteln gehen soll; hierdurch aber das Landvolk immer mehr gegen die Judenschaft
aufgebracht werde, und selbst um Ausrückung einer hochfürstlichen
Regierungskommission gebeten worden Ob nun schon hochfürstliche Regierung
diesem letztem Gesuche noch zur Zeit zu willfahren billigen Anstand nimmt, so
ist es dennoch nötig, dass Hofrat und Centrichter 1. die ihm
mittelst Dekrets vom 10. l. M. aufgetragene Untersuchung auf das schleunigste
fortsetze und zu Ende bringe; 2. die bereits geführten Untersuchungsakten ohne
allen Verzug zur hochfürstlichen Regierung einschicke; 3. die ihm
vorgezeichnete Warnung, dass kein Hochstifts Untertan irgend einen Juden
beleidigen soll, nochmals wiederhole; 4. wenn das Gerücht, dass die Mutter des
erwähnten Christenjungen im lande herumzieht, und unter dem Vorwand, dass ihr
Kind von den Juden in der angegebenen Art misshandelt worden, betteln, nicht gänzlich
unbegründet ist, dieselbe mit ihrem Sohne unverzüglich in Verhaft bringe. Gut
wird es aber sein, wenn dieses in den Grenzen des Amts Weismain geschieht, damit
man nicht mit den benachbarten Ämtern in Kollision komme. 5. Wenn dem Centamte
Weismain der Observanz gemäß das Recht zukommt, die ritterschaftlichen
Vogteileute in Centfällen als Zeugen unmittelbar vorzuladen, so ist der Vetter
des Jungens, N. Ehrlein zu Gründ, einem von Redwitzischen zu Unterlangenstadt
gehörigen Orte unmittelbar, in entgegengesetztem Falle aber mittelst
Requisition, vorzuladen, und im allgemeinen über das, was ihm von der Sache
bekannt, denselben vernehme.
Wirft sich es heraus, dass er das Gerücht von der Tat fälschlich ausgesprengt
hat, so ist er zu Arrest zu bringen.
Da die Judenschaft alles gefahrvoll vorstellt, so versiehet sich Hochfürstliche
Regierung, dass dem gegenwärtigen Dekrete pünktlichste und schleunigste Folge
geleistet werde.
Decretum: Bamberg, den 23. Junius 1797. A.J.
Pabstmann. F. von Heinrichen. Heinrichen.'
Das Centamt Weisman hatte hierauf am 5. Juli beschlossen, 'dass die
konstituierte Anna Marrin aus Grün nebst ihrem Jungen, da dieselbe mit diesem
nach eigenem Geständnis im Lande herumgezogen ist und unter der Erzählung
einer an ihrem Kinde von einem Juden verübten Misshandlung Almosen gesammelt
hat, auch die Absicht, solches fortzusetzen, nicht bergen konnte, in Verhaft zu
nehmen und bis auf weitere Hochfürstliche Befehle darin zu halten sei'
Die Untersuchungsprotokolle wurden dann der Regierung am 19. Juli eingesandt. Aus
diesen geht hervor, dass der Knabe, der überhaupt schwachsinnig war, sich
mehrfach als verlogen zeigte. Als ihm vier Männer vorgeführt wurden, und er
befragt worden war, welcher von diesen ihn von dem Strick losgemacht hätte,
deutete er auf alle vier Personen. Zwei Einwohner von Küps, Johann Schneider
und Lorenz Winter, die Nachbarn des Marx, die als die beiden Retter angegeben
wurden, sagten unter Eid aus, dass sie gar nicht in das Haus des Marx gekommen
seien. Letzterer beteuerte. 'Es sei ihm wohl bekannt, dass er und der
Schuhmacher Johann Schneider als diejenigen, welche den Jungen gerettet hätten,
nun aber durch Bestechung der Juden zum Stillschweigen gebracht worden seien, in
dem gemeinen Gerede der Leute angegeben würden. Allein er könne auf seinem
Eide behaupten, dass er nicht nur das Haus des Juden Marx Abraham zu Küps, wo
die Geschichte sich ereignet haben soll, lange vor der jüdischen Ostern das
letzte Mal und seit dieser Zeit nie mehr betreten haben, sondern auch den Jungen
aus der Gründ das erstemal in seinem Leben in dem Amte zu Küps gesehen habe,
allwo beide Deponenten und noch zwei andere Männer dem besagten Jungen zur
Anerkennung vorgestellt worden sein, dieser aber sämtliche vier Männer als
diejenigen, welche ihn vom Stricke losgebunden hätten, angegeben habe... Hätte
er die mindeste Wissenschaft von einer solchen Tat (des Juden Marx) erhalten, so
würde er der erste gewesen sein, solches bei der Behörde anzuzeigen.'
Durch die Regierungs-Entschließung vom 29. Juli wurde die Sache endgültig
erledigt. Sie lautet: 'Der genauesten Untersuchung ungeachtet, die Centrichter
wegen des angeblich von einem Juden zu Küps misshandelten Mathes Marr aus Grün
geführt hat, hat man nach gegenwärtiger Lage der Sache weder einen
zureichenden Grund, gegen den bezüchtigten Juden mit einer Untersuchung
fürzuschreiten,
noch kann gegen den insitzenden Jungen und dessen Mutter etwas weiteres
vorgenommen werden. Die Sache muss insolange auf sich beruhen, bis sich nähere
Anzeigen von der Richtigkeit der Gesichte einer – oder von deren Erdichtung
und fälschlichen Aussprengung andererseits ergeben. Dieses wird Centrichtern
auf seinen sub prosso den 19. dieses erstatteten Bericht mit dem Beisatze eröffnet,
dass er den insitzenden Jungen und dessen Mutter des Arrestes wieder entlassen,
jedoch beiden vor ihrer Entlassung die weitere Verbreitung der Geschichte bei
Zuchthausstrafe untersagen soll.
Und weil die Judenschaft noch immer über Beleidigungen klaget, die sie dieser
Geschichte wegen von den christlichen Einwohnern dortiger Gegen zu leiden hätten,
so hat Centrichter die deshalb bereits erlassene Warnung, dass sich niemand,
einen Juden zu beleidigen, beigehen lassen soll, auf das schärfste zu
wiederholen, und dabei den Untertanen die dem Intelligenzblatte eingerückte
Nachricht an da Publikum begreiflich zu machen, auch zu nämlichen Ende mit den
Centämtern Burgkunstadt und Kronach weiter Kommunikation zu pflegen.
Dekretum Bamberg 29. Julius 1797.
A. J. Pabstmann. J.W. Degen. H.
Werner. Joh. Oesterreicher.
An den Centrichter zu Weisman."
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Sonstiges
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert:
Grabstein in New York für Sophie King geb. Reiter aus Küps (gest.
1886)
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn.
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Grabstein für
"Sophia King née Reiter
Born at Küps Bavaria
Died Sept. 1, 1886,
Aged 68 years". |
Ergänzender Hinweis zu Sophia King geb.
Reiter (von Christian Porzelt, Kronach vom 21.12.2014): Sophie
wurde 1819 als Tochter des Löser Bär Reut(her) geboren, der sein
Geld mit Botengehen und Viehtreiben verdiente. 1826 geriet er in Konkurs (siehe
rechts Anzeige im Intelligenz-Blatt für den Ober-Main-Kreis vom
23.9.1826), woraufhin er Küps verließ und mit seiner Familie nach
Amerika ausgewandert sein dürfte. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Adolf Eckstein: Geschichte der Juden im ehemaligen
Fürstbistum Bamberg. Bamberg 1898 S. 131-133. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 213. |
| Siegfried Rudolph: Judentauchbäder in Mitwitz und
Küps. In: Heimatkundliches Jahrbuch des Landkreises Kronach Bd. 18. 1990/91
S. 77-83. |
| Eva Groiss-Lau: Jüdisches Kulturgut auf dem
Land. Synagogen, Realien und Tauchbäder in Oberfranken. Hg. von Klaus Guth.
München/Berlin 1995. |
| Hans-Peter
Süss: Jüdische Archäologie im nördlichen Bayern. Franken und
Oberfranken. Verlag Dr. Faustus Büchenbach 2010 (Reihe: Arbeiten zur
Archäologie Süddeutschlands Band 25). Zu Küps S.80-82.
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| Christian Ebertsch / Dieter Lau: Jüdische
Landgemeinde Küps. 64 S. 2015. |
| Flyer: "Das
Projekt Jüdische Landgemeinde Küps" (eingestellt als
pdf-Datei) |
| Christian Porzelt: Die
Familie Rosenbaum in Küps. 2017. Online zugänglich
(pdf-Datei). |
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