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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Meersburg (Bodenseekreis)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Zur jüdischen Geschichte
in Meersburg
In Meersburg lebten vom 15. bis 17. Jahrhundert wenige
jüdische Personen. Eine erste Erwähnung liegt aus dem Jahr 1421 vor, wonach
ein Jude der Stadt den Goldenen Opferpfennig verweigerte. Nach 1423 werden Kirssmann Jud und Märkli Jud
genannt. 1429 wurden die Juden aus der Stadt vertrieben.
1541 bis 1551 war Schay [Esajas] Jud in der Stadt; er wird im Zusammenhang mit
Judenklagen gegen Württemberger vor dem Rottweiler Hofgericht genannt. 1546
flohen die Meersburger Juden zusammen mit dem Konstanzer Bischof nach Güttingen;
sie kehrten 1548 wieder zurück.
Zwischen 1652 und 1658 lebte ein jüdisches Ehepaar in Meersburg, das dann aus
der Stadt ausgewiesen wurde.
Seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts konnten sich jüdische Personen wieder in der Stadt
niederlassen, doch sind nur sehr wenige nach Meersburg zugezogen: die Zahl der jüdischen Einwohner
entwickelte sich wie folgt (Angaben nach den Ergebnissen der Volkszählungen):
1864 und 1871 je 1 jüdischer Einwohner, 1875 und 1880 je 5 jüdische Einwohner,
1885 4, 1890 7, 1895 und 1900 je 8, 1905 6, 1910 3, 1925 2.
Die in Meersburg lebenden jüdischen Personen waren der jüdischen
Gemeinde in Konstanz zugeteilt.
Unter jüdischer Leitung entstand in Meersburg und wurde weitergeführt eine
für die Wirtschaft der Stadt jahrzehntelang sehr bedeutende Baumwollweberei:
von 1874 bis 1932 war es die Baumwollweberei Fa. J. Koblenzer, später Fa. J. Koblenzer/Erlanger.
Sie ist 1874 von dem Konstanzer Kaufmann Jacob Koblenzer und seinem Bruder Adolf
Koblenzer (Ulm) in Meersburg gegründet wurden (zunächst mit dem Sozius Isaak
Bernheim als "Mechanische Baumwollweberei", später unter dem Namen
"Firma J. Koblenzer"). Vor 1900 wurde sie von den Neffen der Gründer,
Adolf und Jacob Erlanger übernommen. 1910 entstanden, nachdem ein Brand die
mitten in der Stadt am Hang unterhalb des alten Schlosses befindliche Fabrik
zerstörte, neue Firmengebäude 1910 am Stadtrand am Weg nach Hagnau. Die Firma
beschäftigte mehrere Hundert Arbeiternehmer (ca. 300 Männer und 200 Frauen an
bis zu 414 Webstühlen). Aus der Familie Erlanger verstarb Richard Erlanger
(Konstanz) im Ersten Weltkrieg. Die Firma kam 1924 an die Augsburger Spinnerei
AG - Firma Raff und Söhne (Augsburg), die den Betrieb jedoch 1932
einstellte.
An der Stelle, wo sich die alte Fabrik befand, befindet sich heute eine
Gedenktafel für die Brüder Erlanger, da diese sich auch für die
Verschönerung des Stadtbildes engagierten.
1923 starb in Meersburg der Philosoph und Schriftsteller Fritz Mauthner (geb.
1849 in Horschitz, Böhmen als Sohn des jüdischen Tuchfabrikanten Emmanuel
Mauthner und seiner Frau Amalie). Mauthner lebte seit 1909 mit seiner Frau, der
Ärztin und Schriftstellerin Hedwig Straub (bzw. Harriet Straub oder Hedwig
Siller-O'Cunningham) im bekannten "Glaserhäusle" oberhalb der
Weinberge in Meersburg. Fritz Mauthner wurde 1919 Ehrenbürgerin Meersburg (nach
Aberkennung in der NS-Zeit 1949 erneuert), wo er 1923 starb. Seit 1933 war
Hedwig Mauther als Witwe eines Juden zahlreichen Schikanen ausgesetzt. Sie
sollte in der Kriegszeit auch den Judenstern tragen. Sie überlebte im "Glaserhäusle"
in Meersburg gemeinsam mit einer jüdischen Frau (Lili Aschaffenburg, die unter
der falschen Identität Roggowski in Meersburg lebte). Kurz nach Kriegsende
verstarb Hedwig Mauthner in Meersburg. Das Grab von Fritz und Hedwig Mauthner
ist auf dem Friedhof in Meersburg (in der Mitte der Ost-West-Achse, vom
Hochkreuz aus gesehen). Nach Fritz Mauthner ist seit 1955 in der Meersburger
Oberstadt der "Mauthnerweg" benannt.
Wikipedia-Artkel: Fritz
Mauthner, Harriet
Straub.
1931 starb in Meersburg der Kunsthistoriker Paul Kristeller (geb. 1863 in
Berlin), ein Sohn des Arztes Samuel Kristeller.
Wikipedia-Artikel: Paul
Kristeller, Samuel
Kristeller.
Bei der Volkszählung 1933 wurden keine jüdischen Einwohner in Meersburg
festgestellt.
Von den in Meersburg geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen ist in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Jacob Erlanger (geb.
1865, 1940 nach Gurs deportiert und umgekommen), Selma Esther Fuchs geb.
Koblenzer (geb. 1882 in Meersburg, wohnt später in Konstanz, ermordet 1944 in
Auschwitz).
Berichte aus der
jüdischen Geschichte in Meersburg
Der jüdische Landstreicher Josef Schweizer sitzt in
Meersburg in Untersuchungshaft (1836)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1836 S. 512 (Quelle: Stadtarchiv
Donaueschingen): "Kundschaftserhebung.
Der unten signalisierte mit einigen anderen jüdischen Landstreichern
dahier in Untersuchung einliegende Israelit Josef Schweizer besaß
folgende Gold- und Silberwaren, über deren rechtlichen Erwerb er sich
nicht auszuweisen vermag, als:
1) Ein Paar runde goldene Ohrringe, fasettenmäßig gearbeitet und in der
Größe eines neuen badischen Sechskreuzerstücks.
2) Ein Paar dito kleinere, faconiert und gearbeitet wie die obigen, in der
Größe eines neubadischen Groschenstücks.
3) Ein Paar dito in der Größe eines bayerischen Silberkreuzers.
4) Eine goldene Vorstecknadel mit einem geschliffenen Kristall.
5) Eine goldene Vorstecknadel mit einem roten Kopfe - eine Rose bildend -
ein rot gebeiztem Bein.
6) Eine gläserne Kapsel mit Gold eingefasst und mit Bügel (Medaillon).
7) Drei silberne Hemdenknöpfe von getriebener Arbeit, blau emailliert und
eine Art Malteserkreuz bildend.
Da zu vermuten ist, dass dieser Bursche diese Ware irgendwo entwendet hat,
so bringt man dieses zur öffentlichen Kenntnis mit der Aufforderung an
die etwa Beschädigten zur Begründung ihrer Ansprüche an diese Effekten.
Meersburg, am 11. Juni 1836. Großherzoglich badisches Bezirksamt.
Mainhard.
Signalement. Alter 15 (?) Jahre, Größe 5' 3", Statur
untersetzt, Kopfhaare braun, Stirne nieder, Augen blau, Augenbrauen braun,
Nase stark und gebogen, Mund groß, ... Zähne gut, Bart keinen,
Gesichtsfarbe ..., Gesichtsform oval, Abzeichen: rote ..dene
Augen". |
Vikar Glasstetter hetzt gegen den
jüdischen Fabrikanten in der Stadt (1874)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 3. November 1874: "Konstanz, 14. Oktober (1874). Vikar
Glasstetter in Meersburg lehrte die Schulkinder einen schmutzigen
Spottvers auf einen israelitischen Fabrikanten daselbst. Als letzterer
klagte, verbot der Vikar, unterstützt von der Lehrschwester Clara
Rudigier, den Kindern, davon zu sprechen und vermochte letztere fast
insgesamt zu falschen Zeugenaussagen vor dem Schöffengericht Überlingen.
Da auch die Lehrschwester, welche hätte Aufschluss geben können, trotz
ihrer handgelöblichen Verpflichtung, falsche Aussagen machte, wurde der
Vikar freigesprochen. In zweiter Instanz jedoch bekam er zehn Tage Haft,
da einige der Kinder reumütige Geständnisse machten. Es wurde nun
Anklage gegen die Lehrschwester wegen falscher Versicherung an Eidesstatt
erhoben. Die Verhandlung führte zu einer Schuldigerklärung und
Verurteilung der Angeklagten zu einer zweimonatlichen Gefängnisstrafe.
Das Zeugenverhör gewährte traurige Einblicke in die gewissenlose
Beeinflussung der Kinder. Auf dem Gerichtstische lag ein schönes
Gebetbuch mit Goldschnitt, welches der Vikar der elfjährigen Hauptzeugin
als Lohn für ihre falsche Aussage versprochen und nach vollbrachter
Leitung wirklich geschenkt hatte. Alles höchst charakteristisch!
(Schwäbischer Merkur)." |
Fotos
Es sind noch keine
Fotos zur jüdischen Geschichte in der Stadt vorhanden. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica III,2 S.853-854.
|
| Hektor Ammann, Die Judengeschäfte im Konstanzer Amman-Gerichtsbuch 1423-1434, in: Schriften d. Vereins für Geschichte des Bodensees und Umgebung 71 (1952) S.37-84.
|
| Franz Hundsnurscher / Gerhard Taddey: Die
jüdischen Gemeinden in Baden. S.167. |
| Quellen zur Geschichte der Juden bis zum Jahr 1600 im
Hauptstaatsarchiv Stuttgart und im Staatsarchiv Ludwigsburg (QGJ).
Bearbeitet von Wilfried Braunn 1982. Quellen Nr. 456 und 558. |
| Jacob Toury: Jüdische Textilunternehmer. S. 95-99.
108. 112. |
| Erich Bloch: Geschichte der Juden in Konstanz. 1971.
S. 70. |
| Helmut Fidler: Jüdisches Leben am Bodensee.
Verlag Huber Frauenfeld - Stuttgart - Wien 2011. 320 S. zahlreiche
Abbildungen. Verlag: www.verlaghuber.ch
mit Infoseite
zum Buch. ISBN 978-3-7193-1392-0. 29,90 € 39,90
CHF
Wenn aus Fremden Nachbarn werden. Zwei Generationen nach dem Zweiten
Weltkrieg und dem Ende des Holocaust geht Helmut Fidler einen
ungewöhnlichen Weg, um achthundert Jahre jüdische Geschichte in der
Bodenseeregion zu beschreiben. Er sucht die Orte auf, an denen jüdisches
Leben heute noch sichtbar, nach-erlebbar und begreifbar ist, erzählt von
Personen, die hier gelebt haben, und von Ereignissen, die in Erinnerung
geblieben sind. |
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