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im Elsass"
Mulhouse
(Mülhausen, Dep. Haut-Rhin / Alsace / Oberelsass)
Jüdische Geschichte / Synagogue / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In der früheren Reichsstadt Mülhausen im Elsass bestand eine jüdische
Gemeinde bereits im Mittelalter. Nach 1266 werden Juden aus Mülhausen in
verschiedenen Städten, um 1300 auch in Mülhausen selbst genannt. 1311 hört
man von einer Synagoge in der Stadt (in der rue du Sauvage). Während der Zeiten der Judenverfolgungen
("Armlederverfolgung" 1338 und Pestzeit 1348/49) wurden die meisten Juden der
Stadt ermordet. Nach 1367 zogen wieder einzelne jüdische Familien zu. Ihre
höchste Zahl wird um 1418 mit neun Familien erreicht. Danach ging die Zahl
wieder zurück.
Um 1500 waren es noch drei Familien, bis 1512 nur noch eine
Familie. Von 1515 bis 1798 gehörte die Stadt zur Schweizer Eidgenossenschaft,
in der keine dauerhafte Ansiedlung von Juden geduldet wurde. In der Zeit nach
dem Dreißigjährigen Krieg konnten einzelne jüdische Personen / Familien in
der Stadt leben (seit 1655), doch nahm die Zahl bis Ende des 18. Jahrhunderts
auf Grund der Restriktionen nur sehr langsam zu: 1784 wurden 23 jüdische
Familien mit zusammen 94 Personen in Mülhausen gezählt.
Seitdem die Stadt 1798 zu Frankreich gehörte, zogen zahlreiche jüdische Familien aus
elsässischen Landgemeinden
zu.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1808 165 jüdische Einwohner, 1822 ca. 400, 1846 ca. 1.100, 1861 1.329,
1890 2.132, 1900 2.466, 1910 2.287.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde im 19./20. Jahrhundert eine Synagoge
(s.u.) beziehungsweise mehrere Synagogen/Beträume, Schulen (auch eine
Israelitische Gewerbeschule, siehe Berichte unten), ein israelitisches Krankenhaus
(seit 1866, siehe Berichte unten) u.a.m. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der
Gemeinde gab es Lehrer und weitere Kultusbeamten. Im 19.
Jahrhundert unterstand die jüdische Gemeinde zunächst dem Rabbinat Wintzenheim.
Seit 1831 hatte Mülhausen einen eigenen Rabbiner.
Als Rabbiner waren in Mülhausen zwischen 1831 und 1939
tätig:
- 1831 bis 1870: Rabbiner Salomon Dreyfuß (gest. 1870 in
Mülhausen).
- 1873 bis 1898: Rabbiner Salomon Mook (geb. 1833 in
Froeschwiller,
gest. 1898 in Mülhausen; war ab 1870 Militärseelsorger, ab 1873 Rabbiner in
Mülhausen, seit 1885 auch für das Rabbinat in Pfastatt zuständig; um 1885/97
Amt eines Oberrabbiners.
- 1900 bis 1922: Rabbiner Félix Blum (geb. 1847 in
Bischheim, gest. 1925 in Straßburg): studierte an der École Rabbinique in
Paris; war seit 1875 Rabbiner in Fegersheim, seit 1886 Rabbiner in Phalsbourg
(Lothringen), seit 1899 Rabbiner in Mülhausen; 1922 in den Ruhestand nach
Straßburg.
- 1922 bis 1928: Rabbiner Jacob Kaplan (geb. 1895
in Paris, gest. 1994 in Paris): studierte in Paris, unterbrochen durch den
Kriegseinsatz (verwundet) im Ersten Weltkrieg; Studienabschluss 1921; von 1922
bis 1928 Rabbiner in Muhouse, danach in Synagogen in Paris; während der
deutschen Besatzung nach Vichy, dann nach Lyon geflüchtet; 1950 bis 1955
Oberrabbiner in Paris, danach 1955 bis zu seiner Pensionierung 1980 Oberrabbiner
von Frankreich vgl. Wikipedia-Artikel
zu Jacob Kaplan (französisch)
- 1929 bis 1939: Rabbiner René Hirschler (geb. 1905 in
Marseille, umgekommen nach KZ-Aufenthalten auf einem Todesmarsch im Frühjahr
1945): studierte in Paris; im Alter von 23 Jahren bereits zum Rabbiner in
Mülhausen ernannt; 1939 Beförderung zum Oberrabbiner von Straßburg und dem
Unterelsass; 1943 von Marseille nach Auschwitz deportiert.
Zahlreiche Vereine prägten das jüdische Gemeindeleben. 1849 erfährt
man von einem in der Wohltätigkeit sehr aktiven Frauenverein sowie einem
Verein zur Beförderung des Ackerbaues und der Handwerke unter den Juden.
In diesem Jahr konnte das 25-jährige Amtsjubiläum des damals ersten
Gemeindevorstehers S. A. Oppé gefeiert werden.
Der 1859 in Mülhausen geborene Alfred Dreyfus wurde 1894 vor einem
Militärgericht wegen angeblichen Landesverrats zu lebenslanger Deportation
verurteilt; der Prozess war durch antisemitische Vorurteile geprägt ("Dreyfus-Affäre";
siehe Wikipedia-Artikel
Alfred Dreyfus und Wikipedia-Artikel
Dreyfus-Affäre). Dreyfus wurde nach einigen Jahren vom französischen
Präsidenten begnadigt und uneingeschränkt rehabilitiert.
Nach Einführung einer Orgel in der Synagoge 1890 / 1892 (s.u.) bildete sich in der Gemeinde
eine orthodoxe Gruppierung, die fortan einen eigenen Gottesdienst
abhielt. Mittelpunkt der orthodox Gesinnten in der Gemeinde war bis zu seinem
Tod 1910 Jacques Meyer. Ende des 19. Jahrhunderts werden die
religiösen Verhältnisse in der Gemeinde von konservativen Kritikern als sehr
liberal geschildert (vgl. Bericht unten von 1892).
1936 wurden in Mülhausen 2.240 jüdische Einwohner gezählt. Diejenigen,
die in den folgenden Jahren nicht mehr die Stadt verlassen konnten, wurden unter
der deutschen Besatzung am 16. Juli 1940 nach Südfrankreich deportiert. Viele
von ihnen wurden in den folgenden Jahren zahlreiche ermordet.
Nach 1945 entstand in Mülhausen wiederum eine jüdische Gemeinde. 1953
wurden 348 jüdische Familien in der Stadt gezählt. Erster Nachkriegsrabbiner
war Dr. Lucian Uhry (1872-1951). 1964 gehörten zur
jüdischen Gemeinde 1.920 Personen. In den 1960er-Jahren sind viele
nordafrikanische Juden nach Mülhausen zugezogen, in den 1990er-Jahren einige
aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Derzeit leben zwischen 3.000 und
4.000 jüdische Personen in der Stadt.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen
Gemeinde von den 1840er-Jahren bis zu den 1930er-Jahren
Anmerkung: der Zeitraum ergibt sich durch die Auswertung von Artikeln zur
jüdischen Geschichte in Mulhouse in deutschen jüdischen
Periodika
Berichte aus
der Geschichte des Rabbinates in Mulhouse
Rabbiner Salomon Dreyfuß wird von einem fanatischen
Gemeindegliede geohrfeigt (1841)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 21.
März 1841: "Ein schändlicher Vorfall ereignete sich in
Mühlhausen (Oberrhein). Der Rabbiner Dreyfous hielt am Samstag den
5. Dezember in der Synagoge eine Rede, welche eine große Sensation
hervorgebracht haben soll. Er sprach darin von den Heuchlern, welche sich
jeder Verbesserung widersetzen und von den wahrhaft Frommen, welche eine
heilsame Reform wünschen. Ein Herr Wahl (ein blinder Fanatiker) glaubte
in jener Rede Anspielungen auf seine Person zu finden, und um ihn zu
rächen, gibt einer seiner Söhne dem Rabbiner beim Herausgehen eine -
Ohrfeige." |
Rabbiner Salomon Mook aus Thann wird Nachfolger von
Rabbiner S. Dreyfuß (1873)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. April
1873: "Mülhausen (Elsass), im März (1873). Endlich ist
der hiesige Rabbinersitz, der so viele Jahre schon seit dem Tode des
Rabbiners S. Dreyfuß erledigt geblieben war, wieder besetzt worden, und
zwar durch Herrn Mook, bisher Rabbiner zu Thann."
|
Auf die Ausschreibung der Rabbinatsstelle haben sich
über zehn Kandidaten gemeldet (1899)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Februar
1899: "Mülhausen (Ober-Elsass), 7. Februar (1899). Für
die hiesige vakante Rabbinatsstelle haben sich bis jetzt schon über zehn
Kandidaten gemeldet. Es ist dies auch garnicht zu verwundern, da das
hiesige Rabbinat das einträglichste des ganzen Elsass
ist." |
Rabbiner Félix Blum wird Nachfolger von Rabbiner
Salomon Mook
(1899)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Oktober
1899: "Mülhausen (Elsass). An Stelle des im Dezember vorigen
Jahres verstorbenen Rabbiners Abraham Mock (falsch für: Salomon Mook)
in Mülhausen (Elsass), wurde unter den sieben Bewerbern, welche im
letzten Frühjahre ihre Probepredigten abhielten, vom Konsistorium in
Straßburg, Herr Rabbiner Blum von Bischheim zur Zeit Rabbiner in
Pfalzburg gewählt, welches Amt von demselben Schabbat Schuwa angetreten
wurde." |
Gedenkfeier (Jahrzeit) und Grabsteinsetzung für
Rabbiner Salomon Mook (1900)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Januar
1900: "Mülhausen im Elsass, 3. Januar (1900) Auf dem
israelitischen Friedhofe fand dieser Tage die Gedenkfeier für den vor
Jahresfrist dahingeschiedenen, noch in bestem Andenken stehenden
Oberrabbiner Mook statt, wobei in üblicher Weise der Grabstein auf seinem
Grabe gesetzt wurde. Zu dieser Zeremonie, die sich zu einem tief
ergreifenden Akte gestaltete, hatten sich zahlreiche Teilnehmer
eingefunden, worunter die Spitzen der israelitischen Gemeinde, der
Präsident des Verwaltungskomitees, Herr Ch. Bloch, der Amtsnachfolger des
Verewigten, Rabbiner Blum u.a.m. Diese beiden Herren hielten Ansprachen,
wobei sie die Verdienste des Verblichenen hervorhoben und ihm warme Worte
treuen Gedenkens nachriefen. Die Versammlung war von diesen zu Herzen
gehenden Worten tief ergriffen. Die zahlreiche Beteiligung und aufrichtige
Teilnahme an dieser Feier ließ die allgemeine Beliebtheit des leider zu
früh heimgegangenen Mannes erkennen." |
Ein zweites Rabbinat in Mülhausen
wird abgelehnt (1909)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Dezember 1909: "Mühlhausen
im Elsass, 25. November. Bei der von der Regierung beabsichtigten
Neueinteilung der Rabbinate, ist bekanntlich für Mühlhausen ein zweiter
Rabbiner in Aussicht genommen. Die Verwaltungskommission der hiesigen
israelitischen Gemeinde hat sich jedoch gegen dieses Vorhaben der Regierung
gewandt, in dem sie folgendes geltend machte: 'es ist in Mühlhausen kein
Bedürfnis für zwei Rabbinatstellen vorhanden, nachdem der jetzt amtierende
Rabbiner reichlich Zeit übrig hat, um die rituellen Funktionen in
Rixheim und
Habsheim mitbesorgen zu können. Sollte
das Kaiserliche Ministerium eine gegenteilige Ansicht vertreten, so
erscheint die Anlieferung der Gemeinden
Rixheim und Habsheim zweckmäßiger
an den Rabbinatsbezirk St. Ludwig,
welcher eine sehr geringe israelitische Bevölkerung aufweist.'
Wie man hört will sich auch der Gemeinderat, der sich in seiner heutigen
Sitzung mit der Angelegenheit befassen wird, dem Antrag der jüdischen
Gemeinde anschließen."
|
|
Artikel
in "Die jüdische Presse" vom 14. Januar 1910: "Fast
durchgehend verlieren die Gemeinden ihre bisherigen Rabbiner ungern;
andererseits wird - was nicht gerade als ein Beweis opferwilligen Interesses
gelten kann - der Neueinstellung eines Rabbiners wegen Mehrbelastung ihres
Etats von einzelnen Gemeinden Widerstand entgegengesetzt. Letzteres ist in
einer der weitaus leistungsfähigsten Gemeinden, in Mühlhausen, der
Fall. Hier soll neben dem bestehenden ein zweites Rabbinat (Mühlhausen-Süd)
eingerichtet werden, dass die Gemeinden Pfaffstadt,
Rixheim und
Habsheim mit umfasst. Gegen die
Anstellung eines zweiten Rabbiners hat sich nun die Verwaltungskommission
der Gemeinde Mühlhausen mit der Begründung ausgesprochen, dass der
derzeitige Rabbiner zur vollsten Zufriedenheit sein Amt auch in den
angeschlossenen Filialgemeinden versehen. Die Regierung holte ein Gutachten
des Gemeinderats ein, das einstimmig im Sinne des Beschlusses der
Verwaltungskommission lautete. Über ein gegen diesen Beschluss sich
richtendes Schreiben des Herrn Konsistorialrats Bernheim wurde vom
Gemeinderat zur Tagesordnung über gegangen, seine Inhalt als eine Äußerung
der Antipathie gegen den derzeitigen Rabbiner bezeichnet ein Abbild der
gegenwärtigen unerquicklichen Mühlhausener Gemeindeverhältnisse. Die
Verwaltungskommission ihrerseits empfahl der Regierung,
Habsheim und
Rixheim dem Rabbinat
St. Ludwig anzugliedern. " |
Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Verschiedene Berichte aus dem Gemeindeleben (Gründung eines Vereins zur Beförderung des Ackerbaues und der Handwerke unter den Juden, Bericht über den
Frauenverein - 25-jähriges Dienstjubiläum des Gemeindevorstehers S. A. Oppé's) (1847)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Januar
1848: "Mühlhausen, 1. Dezember (1847). Seit langer Zeit
haben Sie keine Nachricht über den Zustand unserer Gemeinde erhalten,
aber seien Sie versichert, dass wenn auch nicht alles Gute und
Lobenswerte, was in unserer Mitte geschieht, der Öffentlichkeit
übergeben wird, so schreiten wir nichtsdestoweniger auf dem einmal
betretenen Pfad weiter und die Einigkeit, die bei uns herrscht, wirkt
segensreich zum Gedeihen des zeitgemäßen
Fortschrittes.
Ein Verein zur Beförderung des Ackerbaues und der Handwerke unter den
Juden wurde hier vor Kurzem begründet und hat allgemeine Teilnahme
gefunden.
Unser vor Jahren begründeter Frauenverein, der den
wohltätigen Zweck hat, arme, kranke Frauen zu unterstützen und eine
Mitgift an unbescholtene Jungfrauen bei deren Verheiratung zu
verabreichen, ist in steter Wirksamkeit und hat schon manche drückende
Not erleichtert, manche Träne des Kummers getrocknet und dabei einen
Fonds gebildet, der ihm eine immerwährende Dauer
sichert.
Aber der Zweck meines heutigen Schreibens ist die Beschreibung eines
Festes, das von allen Mitgliedern unserer Gemeinde aufs Herzlichste
gefeiert wurde. - Unser erster Vorsteher, Herr S. A. Oppé, feierte am
vergangenen 20. November sein 25-jähriges Dienstjubiläum als Vorsteher
unserer Gemeinde. Viel Gutes hat der wackere Mann während seiner
Amtsführung für die hiesige Gemeinde gewirkt, und er bestrebte sich
stets Einigkeit und Frieden zu erhalten. Und wie sehr dieses Streben und
Wirken anerkennt wurde, das zeigte die herzliche Teilnahme, die man dem
Jubilar an den Tag legte. - Wenn unter unseren christlichen Mitbürgern
ein vom Staat gut besoldeter Beamter sein Amtsjubiläum feiert, wird ihm
von oben herab eine Belohnung dargereicht. Dem jüdischen Beamten, der
honoris causa seine Stelle verwaltet, ihm reicht sein Gewissen und die
Liebe seiner Gemeinde den noch schöneren Lohn, der vorzüglich im
Bewusststein, Gutes und Herrliches bewirkt und für das Wohl seiner
Glaubensbrüder gestrebt zu haben, besteht.
Da das Fest gerade auf Sonnabend fiel, so wurde dasselbe auch in der
Synagoge durch Predigt und passende Gesänge gefeiert. Das Thema der
Predigt, die zum Texte die zweite Hälfte des 6. Verses des 29. Kapitels
in Sprüche Salomons hatten, war: 'Die Freuden, welche die Tugend schon in
diesem Erdenleben gewährt.'
Nach Beendigung des Gottesdienstes begab sich eine Deputation der Gemeinde
ins Haus des Jubilars und überreichte demselben einen silbernen Pokal,
als einen geringen Beweis seiner vielen Verdienste und der Zuneigung und
Liebe der ganzen Gemeinde. Die Anrede, die Herr David Mankiewitz bei
dieser Gelegenheit an den Jubilar hielt, war schön, und schilderte das
segensreiche Wirken des wackeren Greises, und tief gerührt dankte darauf
der gute Mann. Abends versammelte der Herr Oppé alle Mitglieder der
Gemeinde, Männer und Frauen in seinem Hause zu einem fröhlichen Mahle,
dessen Freuden durch die |
Herzlichkeit,
welche bei demselben herrschte, erhöht wurden, und wobei mancher schöne
und treffende Toaste schallte. So endete dieses schöne Fest, dessen
Andenken noch lange bei uns sich erhalten wird, und ein Jeder von uns hegt
wohl den innigen Wunsch: 'dass der liebe Gott noch lange den geliebten
Jubilar in der Fülle seiner Kraft uns erhalte!'" |
Kritischer Bericht über die Gemeinde aus
konservativ-orthodoxer Sicht (1892)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. August
1892: "Mühlhausen im Elsass, im Juli (1892). Sie haben vor
einiger Zeit die Verhältnisse in Elsass-Lothringen bezüglich unserer
heiligen Religion, als nicht sehr glänzend geschildert, dass dieselben
sich seither zum Besseren gewendet hätten, kann ich leider nicht
behaupten. Gerade das Gegenteil ist der Fall und erlauben Sie mir einige
kurze Bemerkungen, wie die Verhältnisse in hiesiger jüdischer Gemeinde
liegen.
Seit beinahe zwei Jahren ist die hiesige prachtvolle Synagoge mit
einer Orgel verziert, und soll solche, soviel ich hörte, aus
Mitteln die durch Umgrabung von Toten, vom alten Friedhof auf den Neuen,
geflossen sind, erstanden worden sein. Mit dieser Orgel hatte man kein
Glück, trotz aller Mühe konnte man ihr nur die herzzerreißendsten Töne
entlocken und jetzt ist man damit beschäftigt, eine größere in den
oberen Teil des Gotteshauses zu stellen; bis Rosch-haschono wird deren
Einweihung stattfinden. - Ob der Herr Oberrabbiner auch bei dieser
Feierlichkeit erscheint, weiß ich nicht. Einige Männer, die es mit
unserer heiligen Wahrheit (Religion) noch ernst nehmen, besuchen
seit Einführung der Orgel ein Privat-Minjan. Die Metzgerei-Verhältnisse
sind nicht besser. Von ca. 30-40 jüdischen Metzgern ist nicht einer, der
nicht öffentlich den Schabbat entheiligt, und das Fleisch wird in
einem Wagen zugleich mit Schweinefleisch den Metzgern ins Haus gebracht,
teilweise verkaufen sie selbst Schweinefleisch.
Ein hiesiger Kultusbeamter hat an einer jüdischen Hochzeit, die
bei einem christlichen Hotelier abgehalten wurde, öffentlich gegessen,
und wird er von dem Rabbiner, der nur beim 'Dessert' zugegen war, bemerkt,
auch geniert sich dieser Beamte nicht am Schabbat nach dem
Gottesdienst, nach dem 2 Stunden von hier entfernten H., wo er zur Zeit
mit seiner Familie zum Sommeraufenthalt weilt, zu reisen. - Das hiesige Mikwah
wird von ca. 12-14 Frauen benützt, während die Gemeinde über 500 Frauen
zählt.
Die Kinder haben keine Ahnung von dem, was in unserer heiligen Tora
steht, und so könnte ich noch lange erzählen, wie es hier mit unserer
Religion aussieht, und das Traurigste ist, dass es täglich schlimmer
wird. Möge der liebe Gott unsere Zustände bessern." |
Gründung der Chewra Machsike hadaß
(1899)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Oktober
1899: "Mühlhausen im Elsass, 28. Oktober (1899). Am Sabbat Parschot
chajesara (= Schabbat mit der Toralesung Parascha Chaje Sara,
dies war am 28. Oktober 1899) wurde durch Seiner Ehrwürden Herrn Rabbiner
Struck aus Solothurn die hiesige
Chewra machsike hadass eingeweiht. Herr Benedikt Weill überließ zu
diesem Zwecke dem Vereine sein Betlokal. Ein ausführlicher Bericht wird
später folgen." |
Gemara-Schiur in der Gemeinde
mit Rabbiner Dr. Schüler aus Bollweiler (1901)
Anmerkung: unter den orthodox Gesinnten der Gemeinde gab es eine
Talmud-Lern-Gruppe, die sich zu regelmäßigen Lernstunden (Schiurim) traf. Der
Sium wurde gefeiert, wenn das Studium eines Traktates zu seinem Ende kam und mit
einem neuen Traktat begonnen wurde. Die Anwesenheit und die Worte von Rabbiner
Félix Blum zeigten ein inzwischen wohl einigermaßen entspanntes Verhältnis
zwischen den Orthodoxen in der Gemeinde und der Hauptgemeinde.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. März
1901: "Mühlhausen im Elsass, 6. März (1901). Vor
ungefähr einem Jahrzehnt fassten einige Männer den löblichen
Entschluss, im Hause des verehrten Herrn Jacques Mayer hier einen
Gemoroh-Schiur ins Leben zu rufen. Herr Rabbiner Schüler in Bollweiler
hat auf deren Ansuchen sich als Lehrer erboten. Trotzdem dieser Schiur aus
Rücksicht für einige Teilnehmer, die während der Woche geschäftlich
verhindert sind, nur an Sonntag Nachmittagen stattfinden konnte, hatten
wir doch das Glück, am letzten Sonntag den 'Sium' des Traktates Schabbat
zu veranstalten. Diese Feier fand im Hause des Herrn Bloch-Dreyfuß in
würdiger Weise statt.
Gegen 4 1/2 Uhr versammelten sich die Teilnehmer des Schiur und dessen ehrwürdiger
Rabbi, um den Traktat Schabbat zu vollenden und den Traktat
Chullin zu beginnen.
Nach Vollendung des Abendgottesdienstes wurde unserem allverehrten Lehrer
als kleine Anerkennung ein prachtvoller Sessel, nebst Widmungsurkunde in
unserer heiligen Sprache verfasst und von allen Schiur-Mitgliedern
unterzeichnet, überreicht.
Bei dem darauf folgenden Festessen begrüßte der Gastgeber die Gäste im
Allgemeinen und insbesondere drückte derselbe Herrn Rabbiner Schüler im
Namen Aller den herzlichsten Dank aus, dass er es niemals versäumt, bei
Regen und Sturm, bei Wind und Wetter, uns Gelegenheit zu geben, seinen
klaren Vortrag über Gemara nicht nur, sondern auch sein reiches
und erprobtes Bewandertsein in allen Teilen unserer Tora zuteil
werden zu lassen. Wahrlich, das Wissen des Herrn Rabbiner Schüler wäre
würdig, einer größeren Gesellschaft, als wir es leider sind, gewidmet
zu werden.
Sodann hielt unser hochgeehrter Rabbi eine längere, tief durchdachte
Rede, die alle Anwesenden zu einer wahren Begeisterung hinriss. Herr Rabbiner
Blum von hier führte aus, wie sehr es ihn freue, dass in hiesiger
Gemeinde sich noch Männer fänden, die die alttraditionelle Fahne noch
hoch hielten und zeigten, dass die Tora auch in Mülhausen noch gepflegt
wird.
Herr Dr. Meyer, eines der eifrigsten Mitglieder unserer Chewrah,
sowie noch andere Herren brachten mit Beifall aufgenommene Toaste aus. Es
war bald Mitternacht, als sich die Gesellschaft mit dem Bewusstsein, einen
herrlichen Abend zu Ehren unserer heiligen Tora verlebt zu haben,
trennte.
Gestatten Sie mir, geehrter Herr Redakteur, noch den Wunsch auszusprechen:
Möge es Gott geben, dass es unserem hochverehrten Lehrer Herrn Schüler,
sowie allen Teilnehmern vergönnt sein möge, den kommenden Traktat
Chullin in gleicher Gesundheit zu lernen und zu vollenden, wie die Gemara
Schabbat und möge sich die Gesellschaft noch vergrößern. Um
groß zu machen und zu verherrlichen die Tora. Ja, so möge der Wille
(Gottes) sein. Amen." |
Vortrag von Rabbiner Dr. Kroner aus Stuttgart (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Mai 1901: "Mülhausen
im Elsass. Herr Dr. Kroner, Kirchenrat aus Stuttgart, dessen
Autorität als Rhetoriker allerseits anerkannt wird, hielt vergangene
Woche zum Schlusse der Saison im hiesigen 'Verein für jüdische
Geschichte und Literatur' einen Vortrag über Nationalismus und
Universalismus im Judentume'.
In seinem tief durchdachten vortrage besprach der Redner die beiden heute,
durch Burenkrieg und Friedenskonferenzen so aktuell gewordenen, die Welt
bewegenden Motive des 'Nationalismus und Universalismus' in der von der
Geschichte und Lehre des Judentums gegebenen Beleuchtung. Trotzdem die
Juden von jeher eine Nation im vollsten Sinne mit aller dem Begriffe
anhängenden Abgeschlossenheit bildeten, blieben sie doch immer der
Universalidee - der Gleichheit der Pflichten gegen alle Menschen - von
allen Völkern am meisten eingedenk. Es würde zu weit führen, wollten
wir die klaren und übersichtlichen Ausführungen des Redners, über die Erhaltung
des Nationalitätsgedankens im jüdischen Volke im Laufe der Jahrtausende,
wiedergeben; es sei daraus nur erwähnt, dass mit dem Beginne unseres
jetzigen Exils einzig und allein das Gesetz, nämlich unsere Göttliche
Tora, die Basis unserer nationalen Zusammengehörigkeit
bildet.
Dadurch geben wir das in seiner Erhabenheit einzig dastehende Beispiel,
einer auf rein geistigem Gemeingut beruhenden nationalen
Einheit. In klarer und überzeugender Weise wusste Redner
darzulegen, in welchen Formen die 'universelle' Weltanschauung im Laufe
der Zeiten dem Judentume sich kund gab.
Mit unserer Urgeschichte beginnend, welche die Welt als das Werk eines
Gottes, die Menschheit |
als
Kinder einer Familie, die Sendung der Abrahamiden zum Segen aller
Völker, im Gebete für fremde Nationen, uns darstellt, ging der
Vortragende zur ersten Leidenszeit unserer Vorfahren in Ägypten über,
deren Bitterkeit kein anderes Gefühl zurückließ, als die dankbare und
mitfühlende Erinnerung an ihre Bedrücker. In der Zeit der nationalen
Blüte sehen wir den 'Universalitätsgedanken' in der Auffassung Israels
als Priester der Völker in wahrhaft herrlicher Weise ausgedrückt. Man
lese die Psalmen 8, 15, 19 und 145, um sich von der Erhabenheit der Lehre,
von der 'universellen' Stellung des Menschen - von einer universellen
Ethik (vom wahrhaft Frommen) - vom Weltengott und Weltengesetze, im Munde
des königlichen Sängers bewusst zu werden. Man lese im Buche der Könige
wie Salomo alle Völker zum Gebet und zur Opferung im Tempel
einlädt und Gott um die Erhörung des fremden Beters bittet. Man lese
Jesaias, um trotz der beständigen Kämpfe mit der Übermacht der
Nachbarnationen, die Lehre von der Friedensbotschaft Israels, von der
Lehraufgabe Israels, von der Vereinigung aller Völker zu einem
Gottesvolke zu empfangen. Man lese Jeremias, welcher trotz der Zerstörung
des ersten Tempels und trotz der Verbannung durch grausame Barbaren, die
volle Anerkennung der nichtisraelitischen Regierung und sogar den Befehl,
für das Wohl derselben mit Gebet und Tat einzutreten, predigte. Nach der
Vergeistigung des Nationalitätsgedankens im Exil sehen wir auch die
'universelle' Auffassung vom jüdischen Berufe umso greifbarere Formen
annehmen, als durch die beständige Berührung mit den anderen Völkern
die Gelegenheit zu ihrer Betätigung sich mehrte. Volle Hingabe an den
Staat, dessen Bürger wir sind, dessen Boden unsere Heimat ist, Mitarbeit
an allen einen Angelegenheiten, zu seinem Wohl und zu seiner Erhaltung,
lehrt uns das Beispiel der Großen unseres Volkes, Nehemia, Mordechai, Samuel,
Chisdai, Ibn-Nagrela, Arbabanel usw. Endlich gibt uns auch die ganze
nachbiblische jüdische Literatur Zeugnis von demselben Gedanken in vertiefter
Form. Man vergegenwärtige sich nur der Bedeutung der Gottesnamen in
unseren Gebeten, die in denselben niedergelegte universelle Sittenlehre,
die die ganze Menschheit umfassende Auffassung unserer Festgottesdienste,
die tiefen Sprüche der Agada.
Der in allen seinen Teilen formvollendete Vortrag wurde mit
verständnisvollem Beifalle aufgenommen und schließen wir unser
gedrängtes Referat mit dem Wunsche, dass bald in Erfüllung gehen mögen
die Worte des Propheten Jesaja (66,23): 'Und es geschieht: je von
Neumond zu Neumond, und je von Sabbat zu Sabbat wird kommen alles Fleisch,
sich vor mir zu bücken, spricht der Ewige'." |
Ergebnis der Israelitischen Konsistorialwahlen -
Zuschuss der Stadt für die Israelitische Gewerbeschule - Zuschuss zu Gehältern
der Geistlichen werden gestrichen (1904)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Januar
1904: "Mülhausen (Ober-Elsass), 6. Januar (1904). Bei den
israelitischen Konsistorialwahlen im Ober-Elsass vom 27. Dezember 1903
waren 2002 Wähler eingeschrieben und wurden 848 Stimmen abgegeben;
gewählt und ernannt wurden Lazare Lantz mit 857 Stimmen, Dr.
Hirtz mit 804 Stimmen, Lucien Mannheimer mit 789 Stimmen. Die Gründe
zu erforschen, warum zwei Drittel der einegschriebenen Wähler durch ihre
Abwesenheit von der Wahlurne glänzten, wäre sehr
interessant.
Am 12. November hat der hiesige Gemeinderat 4.000 Mark für die hiesige israelitische
Gewerbeschule mit 15 gegen 14 Stimmen bewilligt, auch zwei
Sozialdemokraten stimmten dafür. Für die nächsten Jahre aber soll der
Zuschuss nicht mehr bewilligt werden. Bekanntlich hat die Ablehnung des
Zuschusses zu einer Krise im Gemeinderat Anlass gegeben , in deren Verlauf
das Gemeinderatsmitglied, Fabrikant Molach, aus dem Gemeinderat
austrat.
In der Sitzung vom 25. März hatte die sozialdemokratische Rathausmehrheit
der hiesigen Stadt die bisherigen Besoldungen der hiesigen katholischen
Vikare in Höhe von 22.000 Mark, sowie den den protestantischen und
katholischen Pfarrern und dem Rabbiner bisher gewährten städtischen
Zuschuss von 11.000 Mark gestrichen, weil die Gehälter der Vikare nach
Ansicht der |
sozialdemokratischen
Gemeinderats-Fraktion keine direkten Pflichtausgaben der Stadt im Sinne
der Gemeindeordnung darstellen, und der Gemeinderat in seiner Mehrheit
grundsätzlicher Gegner der Bewilligung öffentlicher Mittel für
konfessionelle Zwecke ist. Auf Beschwerde der geschädigten Vikare hat nun
nach sehr langer - mehrmonatlicher - Erwägung der Bezirkspräsident, mit
Zustimmung der Ministerium, am Tage von der christlichen Feiertagen
entschieden, dass die im Budget der Gemeinde Mülhausen gestrichenen Gehälter
der katholischen Pfarrer als Pflichtausgaben der Gemeinde zu betrachten
seien. Für uns Israeliten hat die Entscheidung des Bezirkspräsidenten insofern
eine schwerwiegende Bedeutung, als, wie ich von zuverlässiger Quelle
höre, die getroffene Maßnahme nur auf die Subventionen der katholischen Vikare
Bezug hat, nicht aber auch auf die Streichung des bisher dem hiesigen
Rabbiner gewährten Zuschusses. Es ist nun die Frage, welche Stellung hat
das israelitische Konsistorium des Ober-Elsass der Seitens des
Mühlhausener Gemeinderats, bezüglich der Streichung des bisher dem
Mühlhausener Rabbiner gewährten Zuschusses getroffenen Maßnahme
gegenüber genommen? Es handelt sich hier nicht ausschließlich um einer
Geldfrage, sondern hauptsächlich um eine Prinzipienfrage, um die
Gleichberechtigung der Konfessionen, die im Reichslande bisher im
Allgemeinen aufrecht gehalten wird; auch handelt es sich nicht nur um eine
Frage, die im Rahmen der Gemeindepolitik von einer einzelnen STadt gelöst
werden kann, sondern es ist eine Frage, die für alle mit Rabbinatssitzen
größeren Gemeinden des Ober-Elsass in Betracht kommen könnte, weil die
Gemeinde Mühlhausen tonangebend für ganz Ober-Elsass ist - deren Lösung
einzig und allein in den Händen des israelitischen Konsistoriums des
Ober-Elsass liegt. Bilden ja die drei reichsländischen israelitischen
Konsistorien die vermittelnden Behörden zwischen Rabbiner und
israelitische Gemeinde einerseits und Rabbiner oder israelitische Gemeinde
und Regierung andererseits." |
Gründung einer Ortsgruppe der Schomre-Schabbos-Vereine
(1908)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 11. September
1908: "Mülhausen im Elsass. Vorigen Donnerstag Abend
wurde hier eine Ortsgruppe der Schomre-Schabbos-Vereine gegründet. In der
von den Herren Dr. med. E. Meyer, N. Rhein und B. Bahn
einberufenen, stark besuchten Versammlung übernahm der durch den Kampf
gegen das badische Gebetbuch bekannte Herr Bloch-Dreyfus aus Freiburg
das Referat, welches von den Anwesenden mit großem Beifall aufgenommen
wurde. Es sprachen sodann die Herrn Rabbiner F. Blum, Mülhausen
und Dr. S. Schüler, St. Ludwig.
Sämtliche Anwesenden zeichneten sich als Mitglieder
ein." |
Der Krieg bedroht auch viele Orte mit jüdischen
Gemeinden im Oberelsass (1914)
Anmerkung: die angegebene Zahl der jüdischen Gemeindeglieder bezieht sich
auf ca. 1890.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18.
September 1914: "Hagenau, 10. September (1914). Die schweren Kämpfe
im Oberelsaß, die in letzter Zeit zwischen den Franzosen und Deutschen
ausgefochten wurden, erinnern uns daran, dass die dortige Gegend ziemlich
stark von Juden bewohnt ist, die jetzt nicht nur zum großen Teil
gezwungen waren, Heim und Herd zu verlassen, sondern neben der schweren
seelischen Not auch viel durch die Zerstörung von Hab und Gut zu dulden
haben. Es wohnen in dem vielgenannten Altkirch
289 jüdische Seelen, Hirsingen 74,
Dammerkirch (Dannemarie) 15, Hagenbach
26, Bergheim 110, Grussenheim
314, Neubreisach 102, Blotzheim
62, Bollweiler 120, Ensisheim
27, Regisheim 154, Dürmenach
205, Hegenheim 169, Hüningen
50, Kolmar 1105, Dornach
202, Mülhausen 2271, Niederhagental
145, Niedersept 124, Pfastatt
73, Markirch 147, Rappoltsweiler
134, Habsheim 73, Rixheim
69, Sennheim 151, Wattweiler (Wattwiller)
37, St. Ludwig 60, Kembs
50, Sierenz 113, Uffheim
120, Gebweiler 305, Sulz
182, Thann 163, Winzenheim
421 Juden. Die meisten Familien, besonders in der Mülhauser Gegend, haben
sich flüchten müssen, viele davon haben sich während dieser schweren
Zeit in der Schweiz niedergelassen.". |
Aus der
Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schulen
Jahresbericht
der israelitischen Arbeitsschule (1847)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 20. September 1847: "Mühlhausen (Elsass), im
September (1847). Der jährliche Bericht der hiesigen israelitischen
Arbeitsschule ist diesmal ein wahrer Hilferuf. Es sind ihr so
viele Subskribenten, ohne irgendeine Rechtfertigung abgefallen, dass nur
durch sehr viele Anstrengungen einige neue Subskribenten zu erlangen, und
durch Unterstützung des Konsistoriums, des Maires etc. ein Defizit
vermieden, und der Bestand gesichert wurde. Die Ausgaben beliefen sich auf
9.254 Frcs., die Einnahmen auf 8.408 Frcs., wozu aber 1.850 Frcs.
Überschuss aus dem vorigen Jahre zur Hilfe kamen. Das schwere Jahr hat
natürlich dazu beigetragen, die Ausgaben für den Unterhalt der Zöglinge
zu mehren, die Einnahmen zu verringern. Bis jetzt sind 19 Handwerker und
Künstler (in 5 Jahren) aus der Schule hervorgegangen, 21 befinden sich in
ihr, die gänzlich erhalten werden, und 4 sind im Juli wieder aufgenommen
worden. der Bericht sagt, wären alle Subskribenten treu geblieben, so
könnte sie bereits 30 Schüler erhalten. 20 sind bereits im voraus
eingeschrieben, und der Zudrang im Steigen. Allerdings wäre es eine
unvertilgbare Schmach für die Juden im Elsass, wenn sie diese
segensreiche Anstalt sinken ließen!" |
Rechenschaftsbericht für das Jahr 1858 für die
Gewerbe- und Handwerksschule in Mühlhausen (1859)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 4. Juli 1859: "Mühlhausen, im Juni (1859). Der
Rechenschaftsbericht des Comité der Gewerbe- und Handwerksschule für
arme Israeliten über das Jahr 1858 ist erschienen. Es heißt darin: 'Seit
der Gründung unserer Schule wurden nahe an 150 Handwerker in ihr
gebildet. Diese Kinder, großenteils Waisen, und vom Lande kommen, konnten
beim Eintritt kaum lesen, aber beim Austritt französisch sprechen und
schreiben und besaßen gründliche Kenntnisse im Rechnen und Linearzeichnen,
ohne der Spezialfertigkeit in den Handwerken, die sie ergriffen, zu
erwähnen. Das gute Beispiel, welches sie geben, trägt wesentlich dazu
bei, die Kinder der Mittelklasse dem Handwerke zuzusenden und die
Jahrhunderte lang andauernden Gewohnheiten auszurotten, die sich der
Bildung unserer Glaubensgenossen im Elsass entgegenstemmten. In diesem
Jahre noch haben unsere Einnahmen aller Art sich gemehrt und uns
gestattet, obgleich wir 30 Eleven in der Schule hatten, die höchste Zahl,
die wir noch bis jetzt erreicht, noch Ersparnisse zu machen. Sie betrugen
nämlich im Jahre 1858: 15.655 Frcs., während sie Ausgaben sich nur auf
9.306 Frcs. beliefen. Die Kasse ist daher jetzt im Besitz von 14.643 Frcs.
Das Hauptbedürfnis besteht in der Errichtung eines größeren Lokals, auf
welche die Direktion jetzt mit aller Macht hinarbeitet. Noch immer melden
sich drei- und viermal mehr Knaben, als die Gesellschaft vermöge ihrer
Mittel annehmen kann. Sie hat in diesem Jahre 21 neue Zöglinge
aufgenommen, während drei die Anstalt verließen. Es steht demnach nicht
zu bezweifeln, dass diese so segensreich wirkende Anstalt noch einer
großen Ausdehnung in der Zukunft fähig
ist." |
Über die Israelitische Handwerkerschule (1889)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 23. Mai 1889: "Mühlhausen (Elsaß), im Mai (1889). Die
hiesige israelitische Handwerkerschule verdient ein allgemeines Interesse.
Ihr Zweck ist, arme Kinder besonders Waisen in Unterricht und Erziehung zu
nehmen und zu Künstlern und Handwerkern heranzubilden. Sie hat bereits
mehrere hundert Zöglinge ausgestellt, welche jetzt teils selbständig
etabliert, teils als Werkführer und tüchtige Arbeiter in großen
Etablissements angestellt sind. Im verflossenen Jahre hatte die Anstalt 35
Zöglinge. Ihre Einnahmen betrugen über 20.000 Francs, ihre Ausgaben
17.0000 Francs. Außerdem hatte die Anstalt an Spenden für den Fond 5.500
Frcs. zu verzeichnen. So kann man gewiss sein, dass diese segensreich
wirkende Schule einer langen Zukunft entgegengeht." |
Oberlehrer Dr. H. Levy bekommt den Titel des
"Professors" (1906)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 18. Mai
1906: "Mülhausen im Elsass. Verleihung. Dem Oberlehrer
Dr. H. Levy wurde der Titel Professor verliehen." |
Über den Besuch der höheren Lehranstalten durch
jüdische Schüler (1873)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. September
1873: "Mühlhausen (Elsass), im August (1873). Wenn aus den
preußischen und anderen deutschen Landen mehrfach berichtet wird, dass
die höheren Lehranstalten, insbesondere die Gymnasien, von der jüdischen
Jugend in einem numerischen Verhältnisse besucht werden, welches das der
christlichen Konfessionen bei Weitem übersteigt, und sich dadurch zweifellos
der bei den jüdischen Eltern vorwaltende Trieb, ihren Kindern eine
höhere und gründliche Bildung zu verschaffen, erweit: so ist Dies im
Elsass nicht der Fall. Hier zum Beispiel in Mühlhausen, wird das Collège
(Gymnasium) von 156 Schülern besucht, von denen 120 evangelisch, 33
katholisch und nur 3 jüdisch sind; dagegen die Gewerbeschule von 259 Schülern,
von denen 123 evangelisch, 87 katholisch und 49 jüdisch sind. Während
also auf dem Gymnasium erst der 52. Schüler Jude ist, ist auf der
Gewerbeschule schon der fünfte Schüler ein solcher. Offenbar ist Dies
die Folge des Gesamtbildungsstandes unserer hierländischen
Glaubensgenossen, und darf als charakteristisches Zeichen nicht
übergangen werden. Nur die Bemerkung wollen wir hinzufügen, dass, im
Ganzen genommen, eine Bevölkerung, welche nach industrieller Ausbildung
strebt, ohne die Entwicklung der Intelligenz und Wissenschaft in ihrem
Schoße nachdrücklich zu fördern, mit der Zeit auch in industrieller
Beziehung zurückgeht. Es ist Dies ein Erfahrungssatz, den bedeutende
Teile unserer Stammesgenossenschaft im Osten in traurigster Weise
bestätigt haben." |
Bericht über die israelitische Gewerbeschule
(1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Mai
1891: "Die israelitische Gewerbeschule des Ober-Elsaß in Mühlhausen
zählte im verflossenen Jahre 38 Schüler. Der Jahresbericht konstatiert,
dass die Anstalt sich in erwünschter Fortentwicklung befindet und die
Resultate derselben sich in dem Ergebnisse, vielen Schülern eine
sorgenfreie und ehrenhafte Existenz gesichert zu haben, dokumentieren. Die
Einnahmen beliefen sich auf Mark 19.661,30, die Ausgaben auf Mark
14.982,56 und da dieses Jahr 10.829 Verpflegungstage enthielt, so kamen
die Kosten eines einzelnen Schülers auf Mark 1.38 per Tag. Der Bezirkrat
gab einen Beitrag von Mark 8700, die Stadt Mühlhausen einen solchen von
Mark 2.000." |
Bericht über die Israelitische Gewerbeschule
(1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. April
1901: Mülhausen im Elsass. Die 'Israelitische Gewerbeschule des
Ober-Elsass' hier versendet soeben ihren Bericht über das Rechnungsjahr
1900. Nach demselben beherbergte das Institut während des verflossenen
Jahres 41 Zöglinge, und wieder sind daraus elf junge Arbeiter hinaus ins
Leben getreten. Sie haben ihre Lehrzeit beendet und besitzen jene
Kenntnisse, die zum Unterhalt des Lebens notwendig sind. In ihre Stelle
ist eine gleich Anzahl von Lehrlingen getreten.
Die Jahreseinnahmen beliefen sich auf 19.314,84 Mark, die Total-Ausgaben
auf Mark 14.194,76." |
Das Israelitische
Krankenhaus in Mulhouse
Bericht über das israelitische Krankenhaus
(1867)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Oktober
1867: "Mülhausen (Frankreich), den 1. September. Vor
einigen Tagen erschien der Rechenschaftsbericht des hiesigen
israelitischen Krankenhauses, der die Zeit vom 30. Juni 1865 bis dahin
1867 umfasst. Während dieser Zeit wurden 42 Personen in dem Hospital
verpflegt, von denen 32 geheilt entlassen worden; in Behandlung befinden sich
gegenwärtig 22 Kranke. Die Einnahmen beliefen sich in dem angegebenen
Zeitraume auf Frs. 30.104,25 Cts., wohingegen die Ausgaben die Höhe von
Frs. 35.320,19 Cts. erreichten, sodass sich ein Defizit von Frs. 5.215,85
Cts. zeigt.
An Geschenken flossen in den letzten beiden Jahren dem Krankenhause Frs.
19.949,90 Cts. zu, dann Frs. 12.000 allein von den Gebrüdern Lantz,
und Frs. 1449 von Herrn Lazarus Lantz, dem gegenwärtigen
Präsidenten des so wohltätig wirkenden Hospitals, das sich der
geringfügigen Subvention von Frs. 500 Seiten der Stadt zu erfreuen hat.
Wir wünschen der Anstalt fernerhin das beste
Gedeihen." |
Bericht über das Israelitische Krankenhaus
(1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. April
1891: "Mülhausen im Elsass. Im Laufe seines 25-jährigen
Bestehens hat das hiesige israelitische Krankenhaus sich stets der
Vermehrung seiner Gönner und ihres fortwährenden Wohlwollens zu erfreuen
gehabt.
Die Stadt Mülhausen bewilligte, wie früher, auch im vergangenen Jahre
ihren jährlichen Beitrag von 1.600 Mark.
Die Anstalt beherbergt 26 Zöglinge, und zwar 9 Männer und 17 Frauen.
Deren Durchschnittsalter ist 80 Jahre. Es wurden im Jahre 1890 12 Kranke
gepflegt.
Im Laufe des Jahres starben 6 Zöglinge (4 Männer und 2 Frauen). Der
Grund dieser dem vorigen Jahre überlegenen Zahl der Sterbefülle ist
größtenteils den Folgen der Influenza zuzuschreiben". |
Der Gemeinderat stellt Zuschüsse an das israelitische
Krankenhaus und die israelitische Gewerbeschule in Frage
(1903)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 7. August
1903: "Mülhausen im Elsass. Eine sonderbare
Prinzipienfestigkeit legte der Gemeinderat von Mülhausen in einer seiner
letzten Sitzungen an den Tag. Derselbe hatte infolge seiner
sozialistischen Mehrheit beschlossen, nciht, wie der vorige Gemeinderat,
verschiedenen konfessionellen Wohltätigkeitsanstalten gewohnheitsmäßige
Zuschüsse zukommen zu lassen, sondern hatte 50.000 Mark ausgesetzt, aus
welcher Summe 'auf Ersuchen und nach Prüfung der Bedürfnisfrage' von
Jahr zu Jahr Zuschüsse bewilligt werden sollten. Aus diesem Fonds waren
nun viele konfessionelle Anstalten unterstützt worden, das katholische
und evangelische Waisenhaus, das Spital der Schwestern, das
protestantische Institut Stricken u.a.m. So baten auch das israelitische
Spital und die israelitische Gewerbeschule um je 4.000 Mark Zuschuss. (Die
beiden Anstalten hatten auch früher jährlich diese Summe erhalten).
Diese Eingaben waren nicht, wie die übrigen, einzeln auf die Tagesordnung
gesetzt, sondern unter 'Verschiedenes' untergebracht worden. Infolgedessen
waren dieselben den Gemeinderatsmitgliedern, welche nicht zu der
betreffenden Kommission gehörten, unbekannt. Als Herr Dr. Elias (Dem.)
sie verlesen hatte, teilte der Parteiführer der Sozialisten mit, dass
seine Fraktion die Bewilligung aus prinzipiellen Gründen, wie er näher
ausführte, ablehne. vergebens wies Herr Dr. Elias darauf hin, wie
notwendig die jüdische Handwerkerschule sei usw. Es halt nichts. Die
Petitionen fielen, wobei übrigens der Sozialist Haas für, der Sozialist
Dreyfuß dagegen stimmte. Von den Demokraten stimmte nur der Führer Herr
Simonet dagegen. Die Folge dieser Ablehnung war, dass die jüdischen
Gemeinderäte Herren Wallach und Dr. Elias ihre Demission gaben. Letzterer
hat dieselbe auf Ersuchen der demokratischen Partei zurückgezogen; der
Gegenstand wird noch einmal zur Verhandlung kommen." |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Eine Zeitschrift 'Das israelitische Elsaß-Lothringen'
soll von J. Wurmser herausgegeben werden (1877)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. Oktober 1877: "In Mühlhausen (Elsaß) soll eine
Zeitschrift 'Das israelitische Elsaß-Lothringen' in deutscher und
französischer Sprache erscheinen. Als Redakteur nennt sich J.
Wurmser." |
Zum Tod von A. Meyer, Frau von Jacques Mayer
(1885)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. August
1885: "Mülhausen, Elsass. Es ist eine höchst traurige
Pflicht, die ich hiermit erfülle, indem ich Ihnen von dem Hinscheiden
einer edlen und frommen Tochter Israels berichte, deren Hintritt eine
tiefgehende Lücke zurücklässt, die namentlich in unserer gegen alles
Religiöse so gleichgültigen Zeit nicht so leicht ausgefüllt werden
dürfte. - Freitag, den 17. Ellul, verschied nach mehrmonatlichem Leiden
im 61. Lebensjahre Frau A. Meyer, Gattin des durch seine
aufrichtige Frömmigkeit und sein eifriges Wirken für die Armen des
heiligen Landes bekannten Herrn Jacques Meyer - Gabbai des
Vereins für das Heilige Land für Elsass-Lothringen. In der
Verewigten verliert die Familie eine treue, hingebungsvolle Gattin und
Mutter, und die ganze Gemeinde ein leuchtendes Vorbild echt weiblicher
Tugend und Frömmigkeit. Jede ihrer Handlungen zeugte von aufrichtiger
Religiosität, von dem tiefen, echt jüdischen Sinn, der ihr ganzes Wesen
erfüllte. Für Gottesfurcht und Menschenliebe zu wirken galt ihr als das
höchste Ziel und eben deshalb stand sie ihrem edlen Gatten stets kräftig
zur Seite in seinem Streben, die drei jüdischen Hauptpflichten: Tora,
Gottesdienst und Wohltätigkeit im häuslichen Kreise heimisch zu
machen. In der ihr eigenen |
freundlichen
Weise suchte sie selbst Andersdenkende für das wahre religiöse Leben zu
gewinnen und zu begeistern, was ihr nicht selten auch gelang. Ihre
angelegentlichste Sorge war die Heilighaltung und pünktliche Erfüllung
der religiösen Vorschriften bei ihren Kindern zu erwirken. Wahrhaft
rührend ist der letzte Wille, den sie bereits vom schweren Leiden geplagt
mit zitternder Hand niederschrieb, in welchem sie ihre Söhne beschwor,
stets gewissenhaft unsere heilige Religion zu beobachten; wohl wissen,
dass die Heilighaltung der göttlichen Ruhetage gleichsam zu den
Fundamenten des Judentums gehört, legte sie ihren Kindern unter den
ergreifendsten Worten ans Herz, sich niemals zur Verletzung des
Gottgebotenen Ruhetages verleiten zu lassen. - Dass die Hingeschiedene
aber auch an die Werke tätiger Menschenliebe nicht vergessen, bezeugt
schon der Umstand, dass sie ihren Gatten in seinen philanthropischen
Bestrebungen stets lebhaft unterstützte, spendete sie doch selbst
alljährlich namhafte Summen für die Notleidenden des heiligen Landes.
Sie vernachlässigte aber auch nicht in inländischen Armen; gar manche
Not wurde von ihr gelindert, manche Träne durch ihre milde Hand
getrocknet. Eingedenk des Prophetenwortes 'demütig wandeln' (Micha
6,8) übte sie all diese schönen Pflichten im Stillen, nicht strebend
nach Beifall und Lobeserhebung.
Dass der leider nur zu frühe eingetretene Abschluss eines solch
tugendreichen Lebens allgemeine Teilnahme und innige Trauer hervorgerufen,
lässt sich leicht begreifen; die hohe Verehrung, die man der Edlen
allseitig entgegenbrachte, kam bei dem Leichenbegängnisse zum
lebhaftesten Ausdruck. Von Nah und Fern waren zahlreiche Verwandte und
Freunde herbeigeeilt, um der Entschlafenen die letzte Ehre zu erweisen. Im
Trauerhause sprach Herr Rabbiner Bamberger aus Niederhagenthal,
die zahlreichen Verdienste der Seligen in trefflichen Worten schildernd
und zu treuer Nachahmung auffordernd. Auf dem Friedhofe angelangt, ergriff
der Rabbiner der hiesigen Gemeinde, Herr Mook, das Wort und entwarf
ein wahrhaft treues Bild von dem Leben und Wirken der Verblichenen; er
knüpfte daran tief ins Herz dringende Ermahnungen an die Hinterbliebenen,
dem schölnen Vorbilde der Verewigten treu nachzuleben.
Zum Schluss drückte Herr Rabbiner Schüler aus Bollweiler
den schmerzlichen, unersetzlichen Verlust aus, der die Familie betroffen,
und wies darauf hin, wie betrübend der Heimgang einer solch wahrhaft
Frommen auf jeden Jehudi wirken muss, namentlich in unserer Zeit und hier
zu Lande, so die Ehrfurcht vor dem göttlichen Gesetze immer mehr
schwindet, das jüngere Geschlecht sich immer mehr über die heiligsten
Gesetze hinwegsetzt und die Unwissenheit in religiösen Dingen in
erschreckender Weise zunimmt.
Möchte der Allgütige der tiefgebeugten Familie den Balsam des Trostes
ins wunde Herz gießen! das gottgefällige Wirken der Verklärten, die
sich nunmehr emporgeschwungen in die Regionen des ewigen Friedens, möchte
aber sorgfältigste Nachahmung unter uns finden und ihr Andenken stets ein
gesegnetes bleiben. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
|
Über die Vermächtnisse von Jean Dollfus
(1887)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Juni
1887: "Mülhausen (Oberelsass), 5. Juni (1887). Eine längere
Liste der von Herrn Jean Dollfus gemachten Vermächtnisse ist
dieser Tage zur öffentlichen Kenntnis gelangt. Danach erhalten die sieben
Patronate der Stadt und dasjenige von Dornach jedes 3.200 Mark, das
hiesige Hospital 4.000 Mark, ebenso viel das Haus der Schwestern in der
Burggasse und die Blindenanstalt in Illzach: die hiesige
Kinderbewahranstalt 3.200 Mark und das hiesige israelitische Hospital
2.400 Mark." |
Zum Tod des Gemeindevorstehers Isaac Lanz
(1903)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. August
1903: "Mülhausen (Elsass), 4. August (1903). Am Tischobe-Av
(= 2. August 1903), vormittags 10 Uhr, fand die Beerdigung unseres
langjährigen ersten Vorstehers der hiesigen israelitischen
Kultusgemeinde, Herrn Isaac Lanz statt.
Da der Gottesdienst in der Orgelsynagoge an diesem Tage immer nach 9 Uhr beendigt
ist, so wurde derselbe in Folge dessen noch um eine Stunde früher
abgebrochen. Wäre da der Nachmittag nicht geeigneter zu der Beerdigung
gewesen?
Seit einiger Zeit weilen in der hiesigen israelitischen Gewerbeschule
dahier zwei Waisenknaben von 13 und 16 Jahren aus Kischinew, welche
zur Erlernung eines Handwerks, auf Veranlassung des Herrn Dr. Elias
hierher befördert wurden." |
Bankier Alexandre Haas wird "Ritter der Ehrenlegion"
(1906)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 21. Dezember
1906: "Mülhausen im Elsass. Herr Alexandre Haas,
Direktor der Banque de Mulhouse, wurde zum Ritter der Ehrenlegion
ernannt." |
Zum Tod von Jacques Meyer
(1910)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 19. August
1910: "Mülhausen im Elsass. Vorigen Freitag starb hier der in
weitesten Kreisen bekannte Gabboi d'Erez Jisroel Herr Jacques Meyer
im Alter von 84 Jahren. Die Beerdigung fand am Sonntag statt. Im
Trauerhause hatte zunächst sein langjähriger Freund Herr Rabbiner
Schüler - Bollweiler den großen Verlust geschildert, den die Schar der
Frommen in Mülhausen erlitten, deren Mittelpunkt der Verewigte gewesen
war, und gezeigt, wie dessen ganzes Leben gewidmet war der Tauroh, Awaudoh
und Gemiloth Chassodim. Dann setzte sich der Leichenzug - eine schier
unübersehbare Menge, wie man sie hier noch selten gesehen - in Bewegung.
Auf dem Friedhofe angekommen, sprachen Herr Rabbiner Dr. Cohn - Basel
als Vertreter des Vereins zur Förderung des gesetzestreuen Judentums in
der Schweiz und die Herren Rabbiner Blum - Mülhausen und Bloch
- Dornach. Aus allen Reihen klang der
Schmerz wieder, den das alte, wahre Judentum mit dem Tode des Herrn Meyer
erlitten, und der Wunsch, es möge ein würdiger ERsatz auf dem Gebite der
Wohltätigkeit gefunden werden." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige der Bäckerei von Abraham Bigard
(1903)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. April 1903:
"Für meine an Samstags und Freiertage streng geschlossene Brot- und
Feinbäckerei wird ein
Lehrling
gesucht.
Abraham Bigard, Bäckerei, Mülhausen im Elsass,
Gerechtigkeitsstraße 33." |
Verlobungsanzeige von Minni Nussbaum und Nathi Samuel
(1934)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. November
1934: "Statt Karten!
Minni Nussbaum - Nathi Samuel. Verlobte.
Vesoul, 11 Rue des Jlottes - Mulhouse, 6 Rue des Cordiers." |
Trauungsanzeige für Minni Nussbaum und Nathi Samuel
(1935)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. April
1935: "Statt Karten.
Wir beehren uns, unsere - so Gott will - am 14. April, 1 1/4 Uhr,
in Basel, Synagoge Ahornstraße, stattfindende Trauung anzuzeigen.
Minni Nussbaum - Nathi Samuel.
Basel, Salmenstraße 25 - Mulhouse, 6, Rue des Cordiers". |
Zur Geschichte der Synagoge
Die Hauptsynagoge
Im 18. und bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts gab es mehrere Beträume
in der Stadt, da der Bau einer Synagoge der jüdischen Gemeinde nicht erlaubt
war.
Eine erste Synagoge konnte 1822 in der Rue Sainte-Claire gebaut werden.
Nach wenigen Jahren war sie bereits zu klein.
1846 konnte mit dem Bau einer neuen Synagoge auf dem Grundstück
eines früheren Klarissen-Klosters begonnen werden. Die Pläne hatte
Stadtbaumeister Architekt Jean-Baptiste Schacre gezeichnet. Am 13. Dezember
1849 wurde sie eingeweiht. Sie kostete die Gemeinde 150.000 Fr., wozu die
Stadt 15.000 Fr. beisteuerte. Der Anteil der Gemeinde wurde durch den Verkauf
der Synagogenplätze erbracht. Durch diesen Verkauf wurde sogar ein wesentlich
höherer Betrag als die Kosten der Synagoge erzielt. 1867 beschloss die
Gemeinde die Aufstellung einer Orgel in der Synagoge. Doch wurde offenbar erst 1892
die Orgel eingebaut.
Eine neue Synagoge wird gebaut (1847)
Anmerkung: die liberale "Allgemeine Zeitung des Judentums"
berichtet über Neuerungen der Reform wie Orgel und Veränderungen im
Frauenbereich in der Synagoge. Tatsächlich wurden diese nicht umgesetzt, was
angesichts des nachfolgenden Berichtes über die orthodox geprägte jüdische
Gemeinde auch überraschend gewesen wäre. Erst 1867 wurde die Aufstellung einer
Orgel in der Synagoge beschlossen (siehe Bericht unten).
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1.
Februar 1847: "Zu Mühlhausen im Elsass wird eine neue
Synagoge für 150.000 Fr. (40.000 Thlr.) gebaut; die Stadt hat 15.000 Fr.
(4.000 Thlr.) als Beitrag votiert. Sie wird eine Orgel erhalten, und die
Frauensitze werden an den Seiten, aber nicht getrennt, von den
Männersitzen sein." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Orient"
vom 1. Januar 1847: "Mühlhausen (im Elsass). Der Munizipalrat
dieser Stadt hat die Summe von 15.000 Fr. für die Errichtung einer
Synagoge votiert. Ein schöner Beweis von Fortschritt und Humanität. Die
Synagoge wird, dem Vernehmen nach, ausgezeichnet werden, die Vorzüge der
zu Straßburg, Nancy und Colmar in sich vereinigend. (L.P.)." |
Zuschüsse der Stadt zum Synagogenbau
(1847)
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 13. April
1847: "Mühlhausen. Zum Baue einer neuen Synagoge hat der
hiesige Stadtrat eine Beisteuer von 15.000 Frs. aus der Kommunalkasse
bewilligt. Solches Geschenk ehrt gewiss den Geber besonders dadurch, dass
es beweist, wie sehr der Sinn der Humanität und der Gerechtigkeit sich
immer mehr Bahn bricht; aber nicht minder den Empfänger, indem es sichere
Bürgschaft dafür ablegt, dass dieser durch sein Betragen nicht nur zu
Klagen keinen Anlass gegeben, vielmehr sich solchen Entgegenkommens und
solcher Beweise der Achtung und Wertschätzung in jeder Beziehung würdig
gemacht. Rechnet man nun noch den Umstand dazu, dass, wie im Elsass im
Allgemeinen, so sich vorzüglich die hiesige jüdische Gemeinde besonders
durch strenge Religiosität, durch Festhalten an den Grundsätzen des
orthodoxen Judentums auszeichnet; so ist dadurch vom Neuen die Wahrheit bekräftigt,
wie Verharren beim orthodoxen Judentum sich wohl mit Emanzipation
verträgt, wie der strenggläubigste Jude der nicht einen Schritt weit von
seinen Religionsvorschriften abweicht, dennoch sich der vollkommensten
Achtung und des Entgegenkommens seiner christlichen Mitbrüder zu erfreuen
hat, eine Achtung, die es nicht bei Worten allein bewenden lässt, sondern
durch die Tat seligen erst die wahrhafte Bedeutung verleiht, sie ins Leben
praktisch hinüber führt. In diesem Sinne hat uns das mitgeteilte Faktum
einen doppelten Triumph verschafft, den der Humanität und zugleich den
der strengen Religiosität." |
Die Einweihung der neuen Synagoge rückt näher (1849)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Orient" vom 27. Oktober
1849: "Die jüdische Gemeinde zu Mühlhausen (im Elsass)
ist im Begriffe, eine großartige Synagoge, die 150.000 Fr. kostete,
einzuweihen, wozu auch die Stadt 15.000 Fr. gesteuert. Das Übrige und
noch viel mehr, hat die Gemeinde, teils durch den Verkauf der Stände,
teils durch Gaben zusammengebracht. Diese Synagoge wird das schönste
Monument der Stadt sein." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29.
Oktober 1849: "Mehrere Journale haben von der prächtigen Synagoge
gesprochen, welche die Gemeinde zu Mühlhausen nächstens einweihen
wird. Die Stadt hat zu den Kosten, welche 150.000 Frks. (40.000 Thlr.)
betragen, 15.000 Frks. (4000 Thlr.) beigetragen. Der Verkauf von 128
Stellen hat 170.000 Frks. (45,333 1/3 Thlr.) eingebracht. Es bleibt nun
noch der fünfte Teil der Stellen, deren Preis die Totaleinnahme auf
200.000 Frks. (53.333 1/3 Thlr.) bringen wird. Den Käufern ist
mitgeteilt, dass der Überschuss unter ihnen wieder verteilt werden
wird." |
Die Einweihung der Synagoge (1849)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Januar
1850: "Mühlhausen, 16. Dezember (1849). Wir entnehmen aus dem
uns übersandt 'Industriel Alsacien' eine Beschreibung der Einweihung der
neuen Synagoge, die in ihren Hauptsätzen so lautet:
Das Fest fand am 13. Dezember statt, in der Mitte eines großen
Zusammenflusses von Zuschauern. Der Tempel, der 2000 Personen fassen
kann, was ganz gefüllt, und eine zahlreiche Menge drängte sich außen,
angezogen durch die Neuheit der Feierlichkeiten, die vor sich gehen
sollten. Außer den Mitgliedern der Gemeinde, waren viele Personen aus und
außerhalb der Stadt eingeladen und erschienen. Reservierte Plätze waren
den Behörden und Körperschaften der Stadt, den Offizieren der
Nationalgarde und Garnison und Anderen vorbehalten. Ein Detaschement der
Nationalgarde und eine Kompanie der Linie waren befehligt, um die Ordnung aufrecht
zu erhalten. Sie bildeten ein Spalier von der alten zu neuen Synagoge, wohin
sich die Rabbiner und Delegierten der Gemeinde begaben, um einen letzten
Gottesdienst zu feiern und die Gesetzesrollen abzuholen, welche von jetzt
ab in einem kostbareren Tabernakel ruhen sollten.
Die Übertragung der Torarollen geschah in Prozession, unter Absagung
eines hebräischen Gebetes, welches der Rabbiner von Mühlhausen
rezitierte. Jeder der eingeladenen Rabbiner trug im rechten Arm eine
Rolle, eingehüllt in eine Bekleidung, die bei mehreren durch den Reichtum
der Stoffe und Stickereien sich auszeichnete. Es folgte ein religiöser
Gesang, Musik von Halevy, die durch den Vorsänger und ein
Männer- und Kinderchor ausgeführt wurde. Dieser Gesang, von
bemerkenswerter Harmonie, machte einen tiefen Eindruck, und zeigte die klare
und biegsame Stimme des neuen Vorsängers. Die Weihe des Tempels geschah
durch eine Prozession aller Rabbiner des Departements, von denen jeder
eine Rolle trug, rings um die Estrade in der Mitte des Schiffes mehrere
Male, unter Begleitung des Gesanges. Nachdem alle Rollen in das Tabernakel
gestellt waren, hielt der Rabbiner von Mühlhausen eine Rede, in welcher
er von dem Einfluss, welchen die Erbauung des neuen Tempels auf den israelitischen
Kultus über würde, von der moralischen Zukunft der Gemeinde, und von den
Banden der Brüderlichkeit sprach, welche in dieser Stadt zwischen den
Israeliten und ihren Mitbürgern bestehen. Nach abermaligen herrlichen
Gesängen wurde eine Sammlung für die Armen durch sechs israelitische Mädchen,
eine jede von einem Kommissär begleitet, veranstaltet, die reichlich
ausfiel. Hierauf sprach der Rabbiner ein Gebet für die Republik, ein
Dankgebet wurde vom Vorsänger und Chor vollführt, dann erteilte der
Rabbiner den Segen, und eine Militärmusik beendete die Feierlichkeit,
welche 4 Stunden gewährt und die Zuschauer aller Religionsparteien tief
ergriffen hatte.
Der Tempel ist von orientalischem Stile, mit den Emblemen des mosaischen
Kultus innen und außen verziert. Das Innere, voll Lichtes, enthält ein
großes Schiff und zwei Seitenhallen in Form von Galerien. Im Grunde des
Schiffes gen Osten ist das Tabernakel gestellt, dessen Proportionen mit
dem Gebäude vollkommen harmonieren. Das Gesims des Tabernakels ist durch
zwei Säulen, jede aus einem Stein von 5 Metern Höhe getragen. Die Türen
des Tabernakels sind von einem weiten Vorgang von Karmosinsammet, reich in
Gold gestickt und befranzt, bedeckt. Um die Türen zu öffnen hebt man den
Vorhang auf, der in einem Doppelfache verschwindet. Über dem Gesimse
befindet sich eine Rose von farbigem Glase, die Sonnenstrahlen nachahmend,
was von schönem Effekt ist. In der Mitte des Schiffes befindet sich die
Estrade, gegenüber eine Kanzel von schön skulpiertem Eichenholz. Das Schliff
ist für die Männer auf festen Bänken bestimmt, an den Seiten und über
dem Eingange sind Tribünen für die Damen. Erleuchtet wird der Tempel
durch 300 Gasflammen, die, namentlich durch den Kronleuchter über der
Estrade von 60 Flammen, ein feenhaftes Licht
verbreiten." |
Die Einführung einer Orgel in der Synagoge wurde beschlossen
(1867)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. Juli
1867: "Mülhausen (Frankreich), im Juni. Dem Beispiele
Straßburgs folgend hat unsere Gemeinde mit großer Majorität die
Einführung einer Orgel beschlossen. Dieselbe wurde nämlich in der
Synagoge aufgestellt und sollte am Schewuoth zum ersten Mal gespielt
werden. Dass unser Herr Rabbiner Dreyfus, Herausgeber des weiland
Lien d'Israel, seine Einwilligung verweigerte, wird Sie und jeden
überraschen, der ihn von früher kennt! Seine Renitenz wird jedoch die
harmonischen Klänge unserer Orgel nicht lange hemmen." |
Eine Scheibe der Synagoge wurde eingeschlagen
(1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. August
1901: |
Zum Kol Nidre-Gottesdienst wurde in die Synagoge geschossen
(1908)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Januar
1908: |
Die Synagoge wurde während der Zeit der deutschen Besatzung zwischen 1940 und
1945 demoliert und ausgeplündert (selbst der Parkettboden wurde gestohlen),
überstand jedoch als Bauwerk die NS-Zeit.
1950 wurde die Synagoge umfassend restauriert. 1984 wurde sie in
die Liste der historischen Gebäude der Stadt eingetragen.
Die Synagoge ist bis zur Gegenwart Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens in
Mulhouse. Am 10. April 2010 kam es zu einem Brand in der Synagoge durch einen
Kurzschluss im Windkanal an der Orgel, wodurch der Dachstuhl und die Emporen zerstört wurden. Die
Synagoge musste umfangreich renoviert werden. Sie wurde am 2. September 2012
in Anwesenheit des Oberrabbiners von Frankreich Gilles Bernheim wieder feierlich
eingeweiht.
Pressebericht zur Einweihung: http://www.lalsace.fr/haut-rhin/2012/09/03/du-beau-monde-pour-la-synagogue-renovee
Die orthodoxen Beträume
Die Einführung der Orgel in der Synagoge 1890 beziehungsweise 1892 (neue
Orgel) führte auch in Mühlhausen
dazu, dass eine Gruppe orthodox Gesinnter nicht mehr die Gottesdienste in der
"Orgelsynagoge" besuchen wollte, sondern fortan ihren eigenen
Gottesdienst abhielt. In Mühlhausen war es Jacques Meyer - genannt Jekel
Meyer, der die orthodox Gesinnten sammelte und zunächst in seinem
Privathaus einen Betraum einrichtete. Nachdem er 1910 gestorben war und der
Betsaal in seinem Haus nicht mehr zur Verfügung stand, konnte die orthodoxe
Gruppe 1912 einen Betsaal im Hinterhaus der Metzgerei Bloch in der
Gerberstraße einrichten. Gut 20 Jahre später war dieser Betraum zu klein
geworden, worauf die orthodoxe Gemeinde, die sich inzwischen "Societé
israélite de stricte observance" nannte, 1933 eine neue Synagoge in
der rue des Bonnes Gens 10 einweihte. Der orthodoxe Betraum wurde - nach dem
Namen des Gründers - auch "Beth Jacob" genannt.
Eine orthodoxe Gruppe hält ihren eigenen Gottesdienst
im Haus von Jacques Meyer ab
(1892)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. März
1892: "Mühlhausen im Elsass. Seit der Einführung der
Orgel in die hiesige Synagoge hat Herr Jacques Meyer sich
veranlasst gesehen, einen Gottesdienst nach althergebrachter Weise für Schabbat
und Feiertag in seinem Hause einzurichten. Genannter Herr hat sich
auch als Gabbai des Vereins des Heiligen Landes um die Armen des
hl. Landes, für die er eine unermüdliche Tätigkeit entfaltet, sehr
verdient gemacht. In seinem Hause werden alle Anordnungen unserer heiligen
Religion aufs strengste gehandhabt; dies zu beobachten hatte ich am 15.
Schewat besonders Gelegenheit, an welchem Tage (Schabbat Schira)
Herr Meyer seine Freunde und Gesinnungsgenossen nach dem Mincha-Gebete
mit allen Sorgen Früchten bewirtete. Isch Jehudi (frommer jüdischer
Mann). |
Eine neue Torarolle aus Jerusalem wird von Jacques Meyer
eingeweiht (1899)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. April
1899: "Mülhausen (Elsass). Sie brachten bereits wiederholt
Berichte über die Einweihung der neuen Torarolle des rühmlich in
weiten Kreisen bekannten Herrn Jacques Meyer. Eine Hauptsache blieb
dabei unerwähnt, dass nämlich die Rolle in Jerusalem hergestellt
ist, und dadurch einen ganz besonderen Wert hat. Die selten schöne Schrift,
die vorzügliche Ausstattung, die vollendete Vereinigung aller
Eigentümlichkeiten, haben den alten Ruf der heiligen Stadt gerade nach
dieser Seite hin, wieder voll und ganz gerechtfertigt. Die Torarolle,
die zwei Jahre für ihre Herstellung erforderte, erregt das Entzücken
aller Beschauer und der billige Preis, sowie die Vereinigung aller oben
erwähnten Vorzüge haben bereits die Nachbestellung von zwei Torarollen
zur Folge gehabt. Hoffentlich bewährt sich auch hier das Wort: eine
Mizwe zieht eine andere Mizwe nach sich, dass eine gute Tat die andere
nach sich zieht und dass hierdurch noch recht viele veranlasst werden, Torarollen
auf der heiligen Stadt zu beziehen." |
Einweihung des neuen Betsaales der orthodoxen Gemeinde
(1912)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 2. August
1912: "Letzten Samstag wurde der neue Betsaal der
hiesigen orthodoxen Gemeinde nach einer kurzen Ansprache seitens des
Konsistorialmitgliedes Meyer seiner Bestimmung übergeben. Der
Betsaal befindet sich im Hinterhause der Metzgerei Bloch
(Gerberstraße)." |
Einweihung des Betlokals der orthodoxen "Societé
israélite de stricte oberservance"
(1933)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. März
1933: "Mühlhausen (Elsass). 5. März (1933). Die 'Societé
israélite de stricte observance' hat am Rosch Chaudesch Adar (= 1. Adar)
ihr neues Betlokal, rue des Bonnes Gens 10, eingeweiht. Das Consistoire du
Haut-Rhin war vertreten durrch seinen Präsidenten, Herrn Paul Wurmser,
aus Colmar, durch seinen -Vizepräsidenten Herrn Oberrabbiner Ernest Weil,
Colmar, und die Mitglieder des Consistoire Herrn Dr. med. Ernest Meyer, Mühlhausen
und Herrn Emanuel Schwab, Mühlhausen. Weiter waren vertreten die Gemeinde
Mühlhausen und viele andere Organisationen und Ehrengäste. Das Minjan,
welches sich zum 'Beth Jacob' entwickelt hat, wurde vor ca. 50 Jahren
durch Jacques Meyer - das Andenken an den Gerechten ist zum
Segen - genannt Jekel Meyer gegründet, als die Orgel in der Synagoge
in Mühlhausen eingeführt wurde. Das bisherige Lokal war längst zu eng
und man musste sich nach neuen Räumen umsehen, die in Zukunft nach dem
Namen des Gründers des Minjan 'Beth Jacob' genannt werden. Herr
Mathieu Meyer, Bruxelles, ein Sohn von Jacques Meyer - das Andenken
an den Gerechten ist zum Segen -, und Herr Sam Meyer, Paris,
ein Enkel, haben als Vertreter der Familie Meyer der Einweihung
beigewohnt.
Die Feier begann mit der Ankunft der Torarollen, die von den Rabbinen und
Ehrengästen getragen wurden.
Nachdem Herr Nathan Rein, der Präsident der 'Societe de la stricte
observance', die Mitglieder des 'Beth Jacob' sowie die zur Feier
anwesenden Gäste und Delegierten aus Mühlhausen, Colmar, Straßburg,
Zürich und Basel begrüßt hatte, ergriff Rabbiner Camille Bloch,
Mühlhausen-Dornach, das Wort zur Einweihungsrede. Es ergriffen noch das
Wort Herr Dr. Meyer, Mühlhausen, Herr Baruch Kahn, der Vizepräsident von
Beth Jacob', Herr Rabbiner Deutsch, Bischheim und Herr Oberrabbiner
Weil, Colmar, die alle mit ihren schönen Ausführungen der Feier die
würdige Stimmung gaben. Für die gesanglichen Leistungen zur
Verschönerung der Feier gebührt aller Dank den Kantoren Weiß,
Straßburg und Rowinsky, Colmar.
Zum Schluss ergriff Herr Mathieu Meyer, Bruxelles, das Wort, um ihm Namen
seiner Familie zu danken und seiner Freude Ausdruck zu geben, dass das
Werk seines Vaters Jacques Meyer - das Andenken an den Gerechten ist
zum Segen - im 'Beth Jacob' weiter lebt." |
Adressen/Standorte der Synagogen:
Synagoge von 1822: Rue Sainte-Claire
Synagoge von 1849: 19, rue de la Synagogue
Fotos
Historische
Ansichten |
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Außenansichten
der Synagoge |
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Fotos
aus Rothé / Warschawski s.Lit. S. 170-171; rechts:
Wikipedia-Artikel |
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Innenansicht
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Foto aus
Rothé / Warschawski S. 171. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Simon Adler: Geschichte der Juden in Mülhausen im
Elsass. Inaugural-Disseration Universität Basel. Mülhausen 1914. |
| René Hirschler: Les Juifs à Mulhouse. Èdité par
la Communauté Israélite de Mulhouse. 1938. |
| Michel Rothé/Max Warschawski: Les synagogues
d'Alsace et leuir historie. Herusalem 1992. S. 170-173. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Mulhouse (Muelhausen) Haut-Rhin
dist. The earliest reference to Jews in Mulhouse dates from 1290. There
was a massacre of Jews in 1337 and persecution during the Black Death
disturbances of 1348-49. According to official documents from 1385, the Jews had
to pay the treasury a sum equal to a third of their assets. In 1418, nine Jewish
families were living in Mulhouse. Though not expelled, there were no Jews in
Mulhouse between 1512 and 1655. At the beginning of the 18th century, the few
Jewish families residing in Mulhouse engaged in commerce, which aroused the ire
of Christian competitors. By 1784, 23 families (94 personens) resided in the
town. Following riots in Alsace in 1789, the number of Jews in Mulhouse grew.
The first small synagogue built in 1822 was replaced by a new one in 1849. The
community founded a school in 1842 and an almshouse-hospital in 1863. Alfred
Dreyfus (1859-1935) was born here. By 1885, the Jewish population was 3.839,
decreasing to 3.506 in 1905 and 1.710 in 1926. From 1930, the Kadima bulletin
provided information about the social activities of the local mutual aid
societies. The Zionists were active, establishing a society with 60 members in
1935, as well as committees representing Keren Hayesod, Heren Kayemet (nine
members), and Maccabi (30 members). On the eve of Worldwar II, the community
decreased to 2.240 members. Under the German occupation, Mulhouse was the site
of a regional camp, mainly for female internees. On 15 July 1940, the Jews of
Mulhouse were expelled by the Germans to the south of France, along with the
other Jews of Alsace-Lorraine. The synagogue, partially damaged, was saved from
total destruction. In 1964, the community numbered 1.920 members.
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