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Okriftel (Stadt
Hattersheim am Main, Main-Taunus-Kreis)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Okriftel bestand im Verbund mit Hattersheim eine jüdische
Gemeinde bis nach 1933. Bereits im 18. Jahrhundert lebten jüdische Personen am
Ort (belegt für 1733 und 1753). Bereits damals besuchten diese die
Gottesdienste in Hattersheim (siehe unten). 1761 war die Zahl der jüdischen
Einwohner (mindestens zehn Männer) allerdings so groß, dass man an die
Einrichtung eines eigenen Gottesdienstes denken konnte. Im Laufe der folgenden
Jahre ging die Zahl der jüdischen Einwohner zunächst wieder zurück: 1775
wurden vier, 1781 nur noch zwei jüdische Familien in Okriftel
gezählt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1843 29 jüdische Einwohner, 1905 49, 1910 45.
An Einrichtungen bestand im 18. Jahrhundert zeitweise ein Betraum in einem
der jüdischen Häuser (s.u.). Die Toten der
jüdischen Familien wurden auf den jüdischen Friedhöfen in Niederhofheim und Bad
Soden beigesetzt.
Die jüdischen Familien waren im Leben des Ortes völlig integriert. Sophie und
Moritz Weil betrieben eine Metzgerei.
Über die Zeit des 20. Jahrhunderts bis zur Auswanderung / Deportation der
jüdischen Einwohner müssen noch Informationen eingestellt werden (keine
Angaben im "Heimatgeschichtlichen Wegweiser").
Von den in Okriftel geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Gustav Abraham (1885), Max
Abraham (1904), Moritz Abraham (1882), Selma Gotthilf geb. Schwarz (1900), Selma
Grünebaum geb. Abraham (1903), Babette Gutheim geb. Abraham (1872), Josef
Gutheim (1915), Siegmund Gutheim (1906), Paula Lang (1881), Wally Löwenberg
(1922), Abraham Mannheimer
(1867), David Mannheimer (1870), Frieda Mayer geb. Haas (1876), Jenny Meyer geb.
Weil (1871), Amalie Moses geb. Abraham (1869), Heinrich Weil (1874).
Von 2010 bis 2013 wurden in Okriftel zur Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit insgesamt
41 "Stolpersteine" verlegt. Die Gedenksteine liegen in der
Kirchgrabenstraße/Jahnallee, Neugasse, Langgasse, Weingartenstraße,
Privatstraße, Wehrstraße und in der Alten
Mainstraße. Eine genaue Übersicht gibt es - mit Biographien der Familien und
Personen - über die Seite http://www.hattersheim.de/stolpersteine/.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Seder-Handtuch von Lehrer Mannheimer
(1870)
Zu Lehrer Mannheimer nach Arnsberg Bd. I S. 338-339: "Ab
1850 übte Lehrer Mannheimer das Amt des Religionslehrers für die drei Orte
Okriftel, Hattersheim und Hofheim aus; er hatte das Lehrerseminar in
Langenschwalbach besucht. Mit seiner Familie lebte er in äußerst bescheidenen
Verhältnissen in Okriftel (1873 hatte er 11 Kinder zwischen 2 und 18 Jahren);
er war über 50 Jahre Lehrer und starb 1902 im Alter von 71
Jahren".
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. April 1870: "Seder-Handtuch.
Der Lehrer Mannheimer zu Okriftel bei Frankfurt hat durch eine
Zusammenstellung von auf das Pessachfest bezüglichen Bibelversen und
Sentenzen und den dazu geeigneten Bildern ein sogenanntes Sederhandtuch
hergestellt, dessen Ausführung als sehr gelungen und das als eine
wirkliche Zierde am Sedertische angesehen werden darf. Dasselbe ist zu
haben auf Leinwand gedruckt 2 Gulden 30 Kreutzer, auf Seide 7 Gulden
bei obengenanntem Lehrer und in der hebräischen Verlagsbuchhandlung von
J. Kauffmann in Frankfurt am Main." |
50-jähriges Lehrer-Jubiläum von Lehrer E. Mannheimer (1900)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Mai 1900:"Frankfurt
am Main, 30. April (1900). Es dürfte weitere Kreise Ihrer Leser
interessieren, dass am Samstag, den 30. Juni dieses Jahres, Sabbat
Korach, der Religionslehrer und Kantor E. Mannheimer in Okriftel,
Kreis Höchst am Main, sein 50jähriges Amtsjubiläum und zwar - was ja
nur zu selten ist - auf einer und derselben Stelle wirkend, feiert. Trotz
seiner anstrengenden Tätigkeit, er hat außer Okriftel noch die Gemeinden
Hattersheim und Hofheim im Taunus als Filialen, erfreut sich der Genannte
vorzüglicher Körper- und Geistesfrische. Die Ehefrau desselben ist eine
Nichte des verstorbenen Reb Elosor Ottensoser in Höchberg
und ist eine Esches chajil (wackere Frau), eine Perle jüdischer
Frauen. Dass auch die Kinder, zwei von ihnen wirken ebenfalls als Lehrer,
zu echten Jehudim heranerzogen wurden, bedarf wohl keiner Erwähnung. Die
einzige Schattenseite, die den Kenner der Situation jüdischer
Kultusbeamten bei ähnlichen frohen Gelegenheiten beschleicht, ist die,
dass diesem ehrenwerten Stande keine Pensionsberichtigung oder
Reliktenversorgung zugesichert ist, so sie nach dornenvoller, beschwerlicher
Laufbahn sich vom Dienste zurückziehen müssen; auch mangelt es den
Landgemeinden oft an Intelligenz, an Mitteln und gutem Willen, die treuen,
aufopfernden Dienste eines so biederen Schulmannes und Beamten
anzuerkennen.
Mögen daher die Gönner, Freunde und Bekannten, speziell aber die
Kollegen dieses bewährten Lehrerveteranen, dazu beitragen, das seltene
Ehrenfeld desselben gebührend zu verschönern." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Juli 1900: "Okriftel,
8. Juli (1900), (Fünfzigjähriges Lehrer-Jubiläum, verbunden mit
einer Toraeinweihung). Wie vorauszusehen war, gestaltete sich die
fünfzigjährige Jubiläumsfeier des Lehrers Herrn E. Mannheimer hierselbst
zu einer imposanten Ehrung desselben. Der Gemeindevorstand verband damit
die Einweihung einer neuen Torarolle, wohl bewusst, dass er damit
so recht nach dem Sinne des treuen Beamten das Fest verschöne. Herr
Lehrer Abraham Mannheimer in Dettelbach,
Sohn des Jubilars, hielt am Sabbat eine gediegene, ihres tiefen Eindruckes
nicht verfehlende, längere Rede.
Am Sonntag Mittag fand vor den zahlreich erschienenen Angehörigen,
Kollegen und Gönnern des Jubilars ein Festakt statt. Herr Bürgermeister
Jung, ein persönlicher Freund des Gefeierten, überbrachte mit herzlichen
Worten in Vertretung des Landrates von Höchst am Main und im Namen Seiner
Majestät des deutschen Kaisers das Allgemeine Ehrenzeichen mit der Zahl
50 und der Inschrift: 'Verdienst um den Staat!' am Bande. Der Jubilar
dankte tief ergriffen, während ein Kollege, Herr Ledermann - Höchst am
Main, ein begeistert aufgenommenes Hoch dem allergnädigsten Landesvater
ausbrachte. Rührend war es, wie nun diem zahlreichen Enkel und Enkelinnen
ihre Glückwünsche größtenteils poetisch vortrugen.
Beim Festdiner, an dem auch der Bürgermeister bis zum Schlusse verharrte,
reihte sich Rede an Rede. Die Schüler, Kinder und Kollegen feierten in
ernster und humoristischer Weise den Jubilar als Lehrer Familienvater und
Bürger, dessen zweites Heim das Gotteshaus geworden, während die Schule
eine Sorge seines Vaterherzens sei. Die gottesfürchtige, biedere Gattin
aber wurde als eine heldenhafte Frau, deren Heldentum sich auf dem Boden
des Hauses entfaltete, geschilderte, die in Anmut und Würde
umherschreite, Bildung mit Gottesfurcht verbinde, Freude und Segen
verbreitend.
Der Jubilar dankte in der ihm eigenen bescheidenen Art, alles Verdienst
ablehnend. Unzählige Gratulationen, Begrüßungstelegramme und reiche,
sinnige Geschenke zeigen von der allgemeinen Sympathie und dem Beliebtsein
des Jubilars.
Gebe Gott dem Biederen an der Seite seiner braven Frau ein weiteres,
glückliches Alter, möge er auch ferner seiner körperlichen und
geistigen Frische sich erfreuen, und er noch lange seines edlen Berufes
schaffensfreudig obliegen." |
Kennkarte
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarte
der in Okriftel
geborenen Martha Anspach geb. Abraham |
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Kennkarte (ausgestellt
in Mainz 1939) für Martha Anspach geb. Abraham (geb. 1. September
1883 in Okriftel) |
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Zur Geschichte eines Betraumes
Bereits im 18. Jahrhundert wurden die Gottesdienste in
Hattersheim besucht. 1761 beantragten die in Okriftel lebenden jüdischen
Personen, eigene Gottesdienste abhalten zu dürfen. Ihre Zahl (10 Männer) sei
ausreichend - die Gottesdienst könnte in einem Privathaus abgehalten werden.
Zur Begründung für die Einrichtung eigener Gottesdienste wurde angehört, dass
bei jedem Gang nach Hattersheim Leibzoll zu bezahlen sei (Hattersheim gehörte
zu Kurmainz, Okriftel zu Nassau). Der Antrag wurde behördlicherseits zunächst
abgelehnt, erst 1765 wurde eine Genehmigung erteilt. Die Okrifteler Juden
hatten sich bereit erklärt, 5 Reichstafel - bei Erhalt der Genehmigung zu
bezahlen. Für einige Jahre werden danach in Okriftel Gottesdienste abgehalten
worden sein (W. Zink siehe Literatur vermutet den Zeitraum von 1765 bis ca.
1774). 1775 gab es allerdings nur noch vier, 1781 nur noch zwei
jüdische Familien. 1788 werden unter den Gottesdienstbesuchern in
Hattersheim zwei jüdische Männer aus Okriftel genannt.
Über einen Betraum im 19./20. Jahrhundert liegen keine Informationen vor. Der
Bericht zur Einweihung einer neuen Torarolle anlässlich des 50.
Dienstjubiläums von Lehrer Mannheimer bezieht sich vermutlich auf den Betraum
in Hattersheim.
Adresse/Standort des Betraumes: unbekannt
Fotos
Es sind keine
Fotos zur jüdischen Geschichte in Okriftel vorhanden;
über Hinweis und
Zusendungen freut sich der Webmaster der "Alemannia Judaica";
Adresse siehe Eingangsseite. |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Siehe die Beiträge
auf der Seite zu Hattersheim. |
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Mai 2012:
Verlegung von "Stolpersteinen" in Okriftel und Hattersheim |
Artikel von Jennifer Hein in der
"Frankfurter Rundschau" vom 10. Mai 2012: "Was bleibt,
sind alte Fotos.
Hattersheim. Zwölf neue Stolpersteine erinnern an jüdische
Familien..."
Link
zum Artikel. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 337-339 (Abschnitt zu
Hattersheim) |
| keine Abschnitte bei Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 und dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 424 (im Abschnitt zu Hattersheim) |
| Wolfgang Zink: Ehemalige Synagogen im
Main-Taunus-Kreis. Orte jüdischen Lebens und Glaubens. Online
zugänglich. |
|
Dokumentation "...man müsste einer späteren Generation Bericht
geben...". Hattersheim 2013. Informationen
in der Website der Stadt Hattersheim. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Hattersheim
am Main, Hesse-Nassau. Jewish families lived there from the mid-17th
century, establishing a community that had several dozen members in nearby
Hofheim and Okriftel up to 1788. Numbering
32 (3 % of the total) in 1885, the Jews of Hattersheim never built a synagogue
and worshiped in private homes. Seven emigrated to the United States before Kristallnacht
(9-10 November 1938); four perished in the Theresienstadt ghetto and Auschwitz
in 1942-43.
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