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Dettelbach
(Kreis Kitzingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)
In Dettelbach bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42.
Ihre Entstehung geht in die Zeit des 15./17. Jahrhunderts zurück. Erstmals werden
im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen des Würzburger Bischofs Johannes mit
Erkinger von Seinsheim im Jahr 1423 Juden in Dettelbach genannt. In
Würzburger Urkunden von 1489 werden gleichfalls Juden am Ort
erwähnt.
In der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg nahm die Zahl der jüdischen
Einwohner zu: 1675 werden neun Juden am Ort genannt (vermutlich mit Familien). Bis weit ins 19. Jahrhundert lebten die jüdischen
Familien vor allem vom Weinhandel.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1816 109 jüdische Einwohner (4,5 % von insgesamt 2.400 Einwohnern), 1837
130 (5,3 % von 2.445), 1867 103 (4,5 % von 2.268), 1900 101 (4,9 % von 2.065),
1910 81 (3,9 % von 2.058).
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Dettelbach auf 24
Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände genannt (mit
neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Abraham David Wiesengrund (Weinhandel und
Güterbesitz; zur Familie siehe die unten angegebenen Links), Abraham Jacob Uhlfelder (ohne Erwerb), Abraham Jacob Roßkamm
(Viehhandel), Baruch Löb Offenbacher (ohne Erwerb), Beritz David Wiesengrund
(Viehhandel und Güterbesitz), David Simon Kronthal (Wein- und Schnitthandel),
Gabriel Seligmann Feldheim (Wein- und Schnitthandel), Jacob Wolf Zunz
(Schnitthandel), Isaac Joseph Dietigheim (Schlachten), Jacob Simon Rosenfeld
(Schmusen), Joel Baruch Offenbacher (Warenhandel), Joel Seligmann Feldheim
(Ellenwaren- und Weinhandel), Löb David Wiesengrund (Metzgerei), Löb Davide
Sandfeld (Warenhandel, Witwe von Löb Simon Seifin (Stricken und Spinnen),
Raphael Joseph Aubheimer (Taglöhner), Simon Isaac Rosenbaum (verschiedener
Handel), Seligmann Moises Feldheim (verschiedener Handel), Simon Joel
Wonnefrieden (Vieh- und Weinhandel). Wolf Hayum Heinemann (geringer
Warenhandel), Wolf Feifel Schloß (Warenhandel), Jacob Wolf Wassermann
(Vorsänger, seit 1818), Salomon Seligmann Feldheim (Weinhandlung, seit 1818),
Wolf Straus Feldheim (Weinhandel,
1822).
An Einrichtungen waren neben
der Synagoge (s.u.) eine jüdische Schule (Religionsschule; von 1909 bis
1924 Israelitische Elementarschule/Volksschule), ein rituelles Bad und zwischen ca. 1600 und ca. 1800 ein Friedhof vorhanden. Danach
wurden die Toten der Gemeinde in Schwanfeld
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Seit 1818 wird
als Lehrer Jacob Wolf Wassermann genannt. Die Gemeinde gehörte zum Distriktsrabbinat Würzburg.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Gefreiter Wilhelm
Friedenthal (geb. 19.8.1892 in Dettelbach, gef. 1.11.1916) und Max Wiesengrund
(geb. 2.12.1881 in Dettelbach, gef. 22.6.1915). Außerdem sind gefallen: Otto
Karl Kronthal (geb. 18.11.1896 in Dettelbach, vor 1914 in Würzburg wohnhaft,
gef. 2.10.1918) und Simon Kronthal (geb. 16.8.1891 in Dettelbach, vor 1914 in
Würzburg wohnhaft, gef. 20.11.1918).
Das
Verhältnis zwischen jüdischen und nichtjüdischen Ortsbewohnern war bis Anfang
der 1930er-Jahre offenbar gut (siehe unten: Bericht zur Synagogeneinweihung
1862). Dies dürfte vor allem auch auf langjährige Wirksamkeit zweier
jüdischer
Lehrers und Vorbeter zurückzuführen sein: so wirkte Jakob Kahn von
1858 bis 1898 in der Gemeinde. Er unterrichtete zeitweise auch an der christlichen Schule;
sein Nachfolger war Abraham Mannheimer (aus Okriftel bei Frankfurt), der von 1898 bis zum Ende der
jüdischen Gemeinde 1937 in Dettelbach wirkte und schließlich nach der
Deportation ermordet wurde. Zeichen des guten Miteinanders zwischen Juden und
Christen war auch, dass während
der Weimarer Zeit zwei jüdische Männer (Hermann Weichselbaum und der
Gemeindevorsitzende Hirsch Sittenheim) Mitglieder des Stadtrates
waren.
Um 1925, als noch 58 Personen der jüdischen Gemeinde angehörten
(1,9 % von insgesamt etwa 2.000 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde: Hirsch Sittenheim,
Hermann Weichselbaum, H. Steinberger und Moritz Laubheim (vgl. zu den Wahlen
1930 Artikel unten in "Der Israelit" vom 2.11.1930). Als Lehrer und Seelsorger
der Gemeinde war weiterhin der bereits genannte Abraham Mannheimer tätig. Er unterrichtete
im Schuljahr 1924/25 noch vier
Kinder an der jüdischen Religionsschule. An jüdischen Vereinen
bestanden der Wohltätigkeitsverein Chewra Kadischa ("Bruderschaft",
Ziel: Fürsorge in Trauerfällen) und der Israelitische Frauenverein (Ziel:
Fürsorge für Arme, Kranke und Trauernde). Zur Gemeinde Dettelbach gehörten
seit 1907 (nach der Auflösung der dortigen Gemeinde) auch die in Bibergau lebten jüdischen Einwohner (1925 6 Personen).
In den 1920er- und Anfang der 1930er-Jahre war Dettelbach für orthodoxe Jugendgruppen, die sich
u.a. in den sogenannten "Esra-Gruppen" organisiert hatten, ein beliebter
Ort, an dem regelmäßig Freizeiten durchgeführt wurden (siehe Berichte unten von
1924/1932).
1933 lebten noch 39 jüdische Personen in Dettelbach
(1,8 % von 2.111 Einwohnern). Abgesehen von einem Überfall auf ein jüdisches
Haus im Sommer 1935 blieb es in Dettelbach auch im Zusammenhang mit der
Pogromnacht 1938 (siehe unten) relativ ruhig. Zwischen 1933 und 1941 verließen
18 jüdische Personen die Stadt: 15 konnten emigrieren (sechs nach Palästina,
fünf in die USA, zwei nach Holland, je einer nach Belgien und in das
Saargebiet), drei verzogen in andere deutsche Ort. Anfang 1942 lebten
noch 24 jüdische Personen in Dettelbach, von denen zwölf am 24. April 1942
über Würzburg nach Izbica bei Lublin deportiert wurden. Die letzten elf
jüdischen Einwöhner, allesamt ältere Personen, wurden am 21. September 1942
über Würzburg in das Ghetto Theresienstadt verschleppt. Unter ihnen war auch
Lehrer Abraham Mannheimer, der nach wenigen Monaten in Theresienstadt umgekommen
ist.
Von den in Dettelbach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Klara Adler geb. Fröhlich (1873), Fanny Adler geb.
Strauss (1859), Josefine Buchmann geb. Schmalgrund (1879), Fanny Ehrmann geb.
Wiesengrund (1871), Elisabeth Auguste Feldheim
geb. Adler (1896), Karl Feldheim (1857), Siegbert Feldheim (1880), Moses
Frank (1889), Laura Liane Frankenfelder geb. Mondschein (1893), Selma Friedenthal (1874), Else Grünebaum geb. Steinberger (1897), Heinrich Heinemann
(1891), Klara Heinemann geb. Salin (1888), Olga Krebs geb. Salin (1893), Ludwig Kronthal (1894), Gisela
Laubheim geb. Salin (1895), Herta Laubheim geb. Gerst (1913), Moritz Laubheim
(1867), Paul Laubheim (1911), Hilde Lieblich (oder Freundlich) verw. Klebe geb.
Zunz (geb. 1889?), Julie Lippmann geb. Schmalgrund (1877), Lehrer Abraham Mannheimer
(1867), Frieda Mannheimer (1899 oder 1900), Ida Mannheimer (1901), Lea Ida Mannheimer (1901), Sara Mannheimer (1897), Blanka Matthes geb. Salin
(1883), Sofie Salin geb. Wiesengrund (1859), Ruth Erna Schaumberg geb. Steinberger
(1910), Selma Schlesinger geb. Feldheim (1885), Grete (Gretchen) Schloss geb.
Wiesengrund (1876), Käthe Schloss (1898), Lina Schloss geb. Neuburger (1873),
Ludwig Schloss (1867), Benno Schmalgrund (1872), Edmund L. Steinberger
(1905), Hermann Steinberger (1871), Julius Stern (1869), Walli Strauss geb.
Wiesengrund (1880), Selma Urspringer geb. Bonheim (1879), Else (Elsa)
Wiesengrund (1878), Auguste Zunz (1863),
Bertha Zunz geb. Meyenberg (1857).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer und der Schule
Ausschreibung der Stelle(n) des
Religionslehrers, Vorsängers und Schächters 1889 / 1890
1889 wurde die Religionslehrerstelle
ausgeschrieben, wobei der Grund dafür nicht klar ist, zumal Lehrer Jakob
Kahn bis 1898 an der Schule der Gemeinde unterrichtete. Möglicherweise
hat dieser eine Veränderung überlegt, ist dann jedoch weiterhin in
Dettelbach geblieben. |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. März 1889:
"Israelitische Religionslehrerstelle. Bis zum 10. Juni diesen Jahres
ist die hiesige Religionslehrer-, Schächter- und Kantor-Stelle neu zu
besetzen.
Nur gut qualifizierte, streng religiöse, seminaristisch vorgebildete
Bewerber wollen Abschriften ihrer Zeugnisse unter Referenzangaben
baldgefälligst an Unterfertigten einsenden.
Fixer Jahresgehalt als Lehrer, Vorsänger und Schächter 740 Mark. Neue,
schöne, geräumige Wohnung mit Garten 125 Mark. Mitbesorger des
Unterrichtes und Schächtens in dem 3/4 Stunden entfernten Bibergau per
Jahr 200 Mark. Schlachtgebühren exklusive bedeutender Nebenverdienst und
exklusiver Privatunterricht mindestens 600 Mark.
Dettelbach am Main, 3. März 1889. Der Kultusvorstand." |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
13. Oktober 1890: "Israelitische Religionslehrerstelle.
Bis zum 1. Januar 1891 soll die hiesige Religionslehrer-, Schächter- und
Kantorstelle neu besetzt werden.
Nur solche Bewerber, welchen in den elementaren Fächern die besten
Zeugnisse zur Seite stehen, haben auf Bevorzugung zu rechnen, welchen dann
auch durch Erteilung von Privatunterricht große Nebenverdienste in
Aussicht stehen.
Fixer Jahresgehalt als Lehrer, Vorsänger und Schächter Mark 740. Neue,
schöne, geräumige Wohnung mit Garten Mark 125. Mitbesorgen des
Schächtens und Unterrichts in dem 3/4 Stunden entfernten Bibergau
per Jahr Mark 200. Schlachtgebühren exklusiv bedeutender Nebenverdienste
und exklusiv Privatunterricht mindestens Mark 600. Zeugnisse und
Referenzangaben sind an den Unterfertigten einzusenden. Dettelbach am
Main, 5. Oktober 1890. Karl Friedenthal, Kultusvorstand." |
Ausschreibung der Stelle des
Schächters (1884)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Januar 1884:
"Schächterstelle. Die israelitische Gemeinde Dettelbach besetzt
sofort die neugeschaffene Schächterstelle mit einem garantierten
Einkommen von Mark 750. Gut qualifizierte Bewerber wollen sich gefälligst
wenden an
J. Schmalgrund, Kultusvorstand." |
Bericht anlässlich des Todes von Lehrer Jakob Kahn (von 1858 bis 1898 Lehrer in
Dettelbach)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 17.August
1906: "Würzburg. Sterbefall. Am 9. (sc. August 1906) wurde ein
Lehrerveteran, der seine letzten Tage als Pfründner im hiesigen jüdischen
Spital verbrachte, zu Grabe getragen. Jakob Kahn, geboren zu Höchberg bei
Würzburg, war ein Lehrer alten Schlages. Seine Ausbildung hatte er in einem
christlichen Lehrerseminar genossen, da seinerzeit noch kein jüdisches Seminar
in Bayern bestand. Sein jüdisches Wissen eignete er sich bei hervorragenden
Rabbinen an. Nach einer Anstellung in Mainbernheim siedelte er nach Dettelbach
über, woselbst er über 40 Jahre amtierte. Ständig hatte er Zöglinge in
Pension bei sich, da sein Lehrgeschick weit bekannt wurde. Auch christliche Pensionäre
gingen zu ihm. Durch die königliche Regierung wurde ihn einstens die
Stellvertretung an der christlichen Schule zu Dettelbach übertragen, gewiss ein
Beweis hohen Vertrauens und hoher Anerkennung. Der Heimgegangene hatte manches
Herbe zu ertragen. So verlor er durch den Tod seine beiden Söhne, seine
einzigen Kinder. Er selbst blieb bis ins höchste Alter körperlich und geistig
rüstig. Fast 90 Jahre erreichte er, nachdem vor wenigen Jahren seine Frau ihm
im Tode voranging."
|
Eröffnung und Anzeige der israelitischen Elementarschule
/ Volksschule (1909)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
6. Mai 1909: "Dettelbach (Bayern), 2. Mai 1909. Mit dem 1. Mai
hat die hiesige Kultusgemeinde ihre neu errichtete Elementarschule
eröffnet. Aus der bisherigen Religionsschule ist laut
Regierungsentschließung vom 22. April etc. eine öffentliche
Volksschullehrerstelle geworden (Definitivum). Dieselbe ist dem bisherigen
Stelleninhaber Herrn A. Mannheimer übertragen. Es ist überaus
erfreulich, wenn kleinere Orte oder mittlere Gemeinden in dieser Art für
die Zukunft ihrer Beamten sorgen. Eine solche Gemeinde ehrt sich nur
selbst. Nach der neueren schulpolitischen Gesetzgebung Bayerns und der
herrschenden 'Windrichtung' ist es den Gemeinden nicht schwer, bei nur
einigem guten Willen ihre konfessionelle Schule einzurichten. Sie hat
davon ideellen und materiellen Vorteil zu erwarten" |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5.
August 1909: "Israelitische Elementarschule, Dettelbach, Bayern.
Am 1. Mai dieses Jahres eröffnet, modern ausgestattet, Zöglinge werden
angenommen; gründliche Nachhilfe. (Unterricht auch in:) Mischna,
Raschi, Tanach (= hebr. Bibel). - Stenographie, Französisch, auch
Musik; mäßige Pensionspreise. Eintritt gleich nach Sukkot
(Laubhüttenfest). - Gesunde, herrliche Lage, unweit Würzburg -
Kitzingen. A. Mannheimer, Lehrer." |
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Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom
6. Mai 1910: "Dettelbach (Unterfranken). Wenn es noch
immer mehr als genug Gemeinden gibt, die da fürchten, die Gründung
jüdischer Elementarschule mache 'Rischus' (d.h. sorge für
Antijudaismus), so könnte ihnen eine Feier wie die am 3. Tag Chaul
hamaued (3. Halbfeiertag des Pessachfestes = Dienstag, 28. April 1910)
hierorts gehabte das strikte Gegenteil beweisen.
Am 1. Mai 1909 wurde die Religionsschule dahier zu einer 'öffentlichen
Volksschule'. Nachträglich feierte man dies wichtige Ereignis in der
Gemeinde nun am 28. April dieses Jahres. Im festlich geschmückten
Schulsaale fanden sich zahlreiche israelitische Gemeindemitglieder ein,
Damen und Herren. Ferner: der königliche Bezirksamtmann Regierungsrat
Ruck - Kitzingen, der Bürgermeister und Stadtverwaltungsmitglieder
Dettelbachs, der königliche Rentamtmann, der Dechant Pfarrer Lippert als
Lokal- und Distriktsschulinspektor. Auch der zuständige Rabbiner N.
Bamberger - Würzburg war erschienen. Kultusvorstand M. Wiesengrund
erteilte, nachdem die Schulkinder 'Baruch-habo' gesungen, Herrn Regierungsrat
Ruck das Wort. Nach ihm sprachen Dechant Lippert, Distriktsrabbiner
Bamberger, Lehrer Mannheimer, Bürgermeister und Reichstagsabgeordneter
Baumann. Leider gestattet der Raum nicht, Näheres aus den Ansprachen zu
bringen. Nur soviel sei bemerkt, dass dieselben einen wahren Kiddusch-haschem
(Heiligung des Gottesnamens) bedeuteten.
Ehre und Hochachtung einer Gemeinde, die solches unter mannigfachen Opfern
erreichte. Insbesondere verdient Dank und Anerkennung der Kultusvorstand
M. Wiesengrund, der zielbewusst das Ganze geleitet durch Klippen und
Gefahren, sodass der Bezirksamtmann betonen konnte, die Gründung dieser
Schule sei ihm besonders leicht gefallen." |
Vortrag von Lehrer Abraham Mannheimer über "Die alten Akten der Gemeinde"
(1913)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom
7. November 1913: "Dettelbach, Bayern. Einen interessanten
Vortrag hielt unser Lehrer Mannheimer. Er hatte in mühevoller Arbeit die alten
Akten der Gemeinde gesammelt und eine Art Chronik dazu geschrieben.
Acht Foliobände mit 2213 Belegen, mit Sachregister und Nummern versehen,
bilden nun den Grundstock eines Archivs der Gemeinde. In einem
einstündigen Vortrag referierte er darüber und erntete reichen Beifall
für seine interessanten Ausführungen. -
Auch war die Nachbargemeinde Mainstockheim
durch ihren Vorstand und mehrere Gemeindemitglieder vertreten, da sie
ebenfalls ihr altes Aktenmaterial sichten und binden lassen will. Das
sollte und könnte in noch vielen Gemeinden geschehen! Heimatliebe und
jüdische Pietät sollten dahin führen. In dieser Beziehung hat sich
Lehrer Mannheimer um die hiesige Kultusgemeinde ein bleibendes Verdienst
erworben. S." |
Anzeigen von Lehrer Abraham Mannheimer (1922 / 1929)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. April 1922: "Nachhilfebedürftige
Knaben, 9-13 Jahre alt, finden ab 1. Mai Aufnahme bei Lehrer A.
Mannheimer, Dettelbach am Main." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. März 1929: "Zurückgebliebene
Knaben finden energische Förderung und liebevolle Pflege bei
Unterzeichnetem. Pensionspreis monatlich 105 Mark. Hauptlehrer A.
Mannheimer, Dettelbach am Main (Bayern)." |
25-jähriges Ortsjubiläum von Lehrer Abraham Mannheimer
(1923)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
8. November 1923: "Dettelbach (Bayern), 2. November 1923. Am Schabbat
Paraschat Lech Lecha (Schabbat mit der Toralesung Lech Lecha,
d.i. 1. Mose 12,1 - 17,27, das war Schabbat, 20. Oktober 1923) feierte
Hauptlehrer Mannheimer sein 25jähriges Ortsjubiläum. Herr Kultusvorstand
Sittenheim würdigte in einer Ansprache dessen Verdienste. Eine Deputation
der politischen Gemeinde unter Führung des Bürgermeisters Schwarz, Herrn
Prälat Lippert, Herrn Finanzamtmann Regierungsrat Hartmann gratulierten.
Die Realschülerin Ella Frenkel dankte im Namen ehemaliger Schüler unter
Überreichung eines Blumenstraußes in gebundener Rede und in launigen
Anspielungen auf Wesen und Wirken des Jubilars. Letzterer dankte allen und
betonte den Idealismus für das rechte Wirkte des jüdischen
Lehrers." |
Zum Tod der Frau von Lehrer Abraham Mannheimer (1927)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
5. Mai 1927: "Dettelbach (Bayern), 2. Mai (1927). Am Tag nach dem
Pessachfest wurde dahier Frau Hauptlehrer Mannheimer unter selten
starker Anteilnahme der jüdischen und nichtjüdischen Bevölkerung ebenso
der näheren und weiteren Umgebung zu Grabe getragen. Sie erreichte ein
Alter von 62 Jahren, von denen sie fast 29 am hiesigen Orte verlebte.
Einer Familie entstammend, in der seit je Tora und Gottesfurcht
zuhause ist und deren Glieder weit und breit im Lehrberufe oder als
Kultusbeamte und als Beschneider gewirkt und wirken, wahrte sie die
schönen Traditionen ihrer Ahnen und stand ihrem Gatten in seinem Wirken
für Tora, Gottesdienst und Wohltätigkeit kräftig zur Seite.
Namentlich lehrte sie ihre Kinder, wie man im jüdischen Heime die
strengen Vorschriften des Kaschrut zu wahren hat. Bei der Beerdigung
musste sich Herr Distriktsrabbiner Dr. Hanover-Würzburg des Tages nach
dem Fest wegen auf nur wenige Worte beschränken, die aber trotzdem
tiefsten Eindruck auf alle Trauerteilnehmer machten. Zugleich sprach er im
Namen der Kultusgemeinde Beileid und Dank aus für das ideale Schaffen der
Verblichenen und den Wunsch eines Trostes durch Gott. Groß war
auch die Beteiligung auf dem altehrwürdigen Friedhof in Rödelsee;
während der Trauerwoche trafen fast stündlich Tröster ein und
Hunderte sandten schriftliche Beileidsbekundigungen. Den Hingang der wackeren
Frau, die sich als solche auch während der mehrmonatlichen Erkrankung
bewährte, empfindet mit der Familie die ganze Gemeinde. Die Wand ihres
Sterbegemachs bildet zugleich die Wand der Synagoge beziehungsweise
Frauensynagoge und so konnte sie die Gebete der Feiertage
noch mitanhören. Am 7. Tage des Pessachfestes hauchte sie ihre reine
Seele aus. Möge ihr Verdienst der schwer betroffenen Familie,
der Gemeinde und allen, die sie kannten, beistehen. Ihre Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum 70. Geburtstag von Lehrer Abraham Mannheimer (1937)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
Januar 1937: "Abraham Mannheimer 70 Jahre alt. Die vorliegende Nummer
war schon abgeschlossen, als wir in Erfahrung brachten, dass unser Freund
und Kollege Abraham Mannheimer in Dettelbach am 16. dieses Monats seinen
70. Geburtstag begeht. Der sehr beschränkte Raum, der noch verfügbar
ist, zwingt uns zu unserem größten Bedauern, die Würdigung der sehr
ersprießlichen Tätigkeit Mannheimers in größtmöglichster Kürze
vorzunehmen. Eine eingehende Darstellung ist auch deshalb nicht notwendig,
weil wohl alle Leser dieses Blatte, vor allem aber die Lehrer, Mannheimer
sehr genau kennen und daher wissen, dass er eine charaktervolle,
überzeugungstreue Persönlichkeit, ein idealgesinnter und erfolgreicher
Lehrer und Erzieher und ein gewandter, geistreicher Schriftsteller ist.
Auch wir sind stolz, ihn zu unseren Mitarbeitern zählen zu können.
Mannheimer ist seit 1887- also nun 50 Jahre - Vereinsmitglied und gehörte
von 1897 bis 1907 unserer Verwaltung an. In Dettelbach amtierte
Mannheimer, beliebt und geachtet in allen Schichten der Bevölkerung, seit
1898. Wir beglückwünschen den arbeitsfrohen und vorbildlichen Jubilar
auf das herzlichste und wünschen ihm einen recht langen, gesegneten
Lebensabend." |
Ein Artikel von Lehrer Abraham Mannheimer:
"Friedhofsbesuch" (verfasst 1920)
Lehrer Abraham Mannheimer hat zahlreiche Artikel in der Zeitschrift
"Der Israelit" und in der "Bayerischen Israelitischen
Gemeindezeitung" abgefasst. Hier ein Bericht von ihm aus dem Jahr 1920:
"Friedhofsbesuch".
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
9. September 1920: "Friedhofsbesuch. Elulbetrachtung von A.
Mannheimer in Dettelbach (sc. Monat Elul war 1920 von Mitte August bis
Mitte September). Kräftig entfaltet die Spätsommersonne noch den Glanz
ihrer Strahlen und übergießt die Landschaft mit goldenem Scheine. Die Nebelschleier
des Morgens mussten ihm weichen und blau lacht der Himmel herab, als wäre
es Mai. Und doch ist das Getreide längst geerntet, ja größtenteils
gedroschen, und die Frühsorten des Obstes holt der fürsorgliche Landmann
nach Hause. Spinngewebe, der sogenannte 'Altweibersommer' fliegen durch
die Lust und bleiben schließlich an Bäumen, Hecken und Gräsern hängen,
oft auch als ungebetene Zierde an Hut und Rock des Wanderers. Elul ist's,
Bußezeit in Israel. Der Schofar tönt mahnend und weckend. Roschhaschono
kommt. Altjüdischer schöner Brauch lenkt den Schritt zum Friedhof, zur Ruhestätte
der Toten. Eine kleine halbe Stunde führt der Pfad aufwärts,
zwischen Hohlwegen hindurch an Hecken- und Schlehensträuchern vorbei.
Endlich ist's erreicht. Auf freierer Anhöhe in der Nähe eines Waldes
liegt der alte Friedhof, anderswo durften die Vorfahren ihn nicht
angelegen. Schon von ferne grüßen einige Grabsteine über die
nicht sehr hohe Mauer hinüber und stimmen den nahenden Besucher oder
vorübereilenden Wanderer ernst. Endlich öffnet sich die schwere eiserne
Pforte. Pochenden Herzens durchschreite ich eine kleine Halle und stehe
beim Eintritte zum Friedhofe. Ich muss halt machen und wische mir die
Schweißperlen von der Stirne, die der mühevolle Aufstieg hervorgelockt.
Meine Kräfte und Gedanken sammeln sich gleichzeitig. Wie ruhig, wie
schön ist es hier! Kein lärmender Trubel stört in der weihevollen
Stimmung. Nur vom nahen Walde hört man zuweilen die gedämpften Laute
verschiedener Vögel, auf den Bäumen über den Gräbern zwitschern
Spatzen, ich sehe Schmetterlinge und Bienchen von Blume zu Blume sich
wiegen und aus der Talebene dringt noch das schwache Echo des rasenden
Dampfrosses ans Ohr. Auch das erstirbt allmählich und wiederum feierliche
Stille. Kein Mensch ringsum. Ich nehme das jüdische Andachtsbuch heraus
aus der Tasche und bete so, wie es die Weisheit unserer großen
Altvorderen uns gelehrt: 'Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der
Welt, der euch erschaffen, der Euch mit Recht gebildet, Euch mit
Recht verpflegt, Euch mit Recht sterben ließ, der die Zahl Euer aller im
Gerichte kennt und Euch auch einstens wieder ins Leben zurückrufen wird.
Gelobst seist Du, Ewiger, der die Toten belebt.' Wie wundervoll abgefasst!
Wie wird hier alles berührt, was an Empfindungen uns bewegt, wenn man den
'guten Ort' betritt. Der Jude nennt ihn euphemistisch Haus der Lebenden
und verbindet mit der düsteren Vorstellung des Totenreichs den
Lichtgedanken des Lebens: der Euch mit Recht gebildet und mit Recht
verpflegt. Hier ruhen Menschen, die Gott selbst mit dem Nahrungstrieb
ausgestattet und die deshalb tausendfältige Pfade im Leben gewandelt. Der
Allvater sieht dies vom Himmel aus und denkt gnadenvoll an die Irrwege
seiner Kinder im Drange nach Speise und Trank, nach Genuss und Wohlleben.
Täglich prägt sich der Jude die Wahrheit ein, dass die Ernährung der
Millionen Lebewesen dieselbe Allmacht bekundet, wie das einstige Erwachsen
der Toten. In unserer Schmono-Esrei (18-Bitten-Gebet) sprechen wir im
gleichen Atemzug nacheinander: 'Du ernährst die Lebenden mit Gnade,
belebst die Toten in großem Erbarmen' (2. Spruch). Kein Volk der Erde
bejaht so kräftig das Leben wie das jüdische. Seine heiligsten Männer,
die Kohanim (Priester), haben der Leiche und den Gräbern fern zu
bleiben. 'Antikes und modernes Heidentum setzt so gern Religion und
Religiöser mit dem Tode und dem Todesgedanken zusammen. Wo der Mensch
endet, beginnt ihnen das Reich Gottes, Tod und Sterben sind ihnen die
eigentlichen Manifestationen ihrer Gottheit. Ihrer Tempel geweihte
Stätten sind daher bei Gräbern, ihrer Priester erste Stelle ist daher
bei Leichen. Wo Augen und Herzen brechen, ist ihrer religiösen Aussaat
willkommenster Acker und ein Zeichen des Todes, ein Symbol der alles Leben
bewältigenden Todesmacht am eigenen Fleische immer gegenwärtig zu haben,
dürfte als das Religiöse par excellence gelten, vor allem als des
Priesters wesentlichstes Attribut. (Glatze!). Nicht also der jüdische
Priester, weil nicht also die jüdische Gotteslehre, die jüdischer
Religion, Unser Gott; nicht die Kraft und Leben brechende Gewalt des Todes
ist seine erhabenste Manifestation. Nicht wie man zu sterben, wie man zu
leben habe, sollen Heiligtum und Priester in Israel lehren. Wenn der Tod
die volksgenossen zur Liebestätigkeit an der Leiberhülle einer
heimgerufenen Person versammelt, haben die Priester fern zu bleiben und
durch ihr Fernbleiben die Standarte des Lebens neben der Leiche aufrecht
zu halten'. (Hirsch, Pentateuchkommentar, 2. Buch Mose, 21. Kap.). Wir
sollen und wollen |
und
den Lebensgedanken nicht überwuchern lassen durch jenen des Todes. Mitten
im Bewusstsein unserer physischen Abhängigkeit und Hinfälligkeit fühlen
wir uns frei durch das eigentlich Göttliche in uns. Bald ertönt in den
jüdischen Gotteshäusern vierfach der Ruf nach Leben und wir suchen
vorher die Ruheplätze der Toten auf. Freilich in jüdischem Sinne, in
jüdischer Auffassung. Welch überwältigenden Eindruck macht doch ein
altes Haus des Lebens (Friedhof)! Was Gedankenlose als wüstes
Durcheinander ansehen, ist gerade das Reizvoll, Stimmungsvolle. Das alte
Haus des Lebens hat etwas, das der neuere Friedhof sich um keinen Preis,
durch keinerlei künstliche Maßnahmen verschaffen kann: es hat
Geschichte. Die kann man nicht 'machen'. Sinnend betrachten wir die
verwitterten, grauen Steine, halb schief und umgesunken, zumeist bis zum
Oberteil im Erdboden steckend. Ehrwürdige Zeugen der Vergangenheit, da
unsere Väter bitter zu ringen hatten ums tägliche Brot, ums nackte
Leben, gegen brutale Gewalt und Knechtung. Wer mag unter diesen Steinen
nach schwerem Leidensgang schlafen? Die Inschriften sind kaum zu
entziffern. Und doch ist keiner verschollen und vergessen, so wenig wie
jene, die in der Mitte des Hauses des Lebens ohne irgend ein Grabesdenkmal
schlummern. Die hölzernen Stelen sind längst dem Zahne der Zeit erlegen;
kein Mensch vermag zu sagen, wann sie einmal gesetzt wurden. Wie süßer
Trost gehen mir die Worte der Eintrittsbrocho (Segensspruch zum Eingang in
den Friedhof) zu Herzen: Er kennt die Zahl eurer aller im Gerichte!
Der Allwissende braucht nicht Holz-, Stein- und Marmor zum Schutze gegen
Vergänglichkeit und Vergessenheit, 'du denkst an dein Werk in Ewigkeit'
beten wir am Roschhaschonofeste (Neujahrsfest). 'Du gedenkst, was von je
geschehen, vor dir sind offenbar alle Geheimnisse und die Fülle des
Verborgenen vom Weltanfang; denn es gibt kein Vergessen vor dem Throne
deiner Herrlichkeit...'. Und ist nicht auch die leibliche Persönlichkeit
eines Mose (Mosche Rabenu) spurlos aus unserer Mitte geschwunden?
Niemand kennt den Hügel seiner Grabesruhe, außer Gott. Wie würde man
vielleicht dorthin pilgern zu Tausenden und Hunderttausenden. Vielleicht
war es Gottes Plan, ihn nur geistig fortleben zu lassen in Israels Mitte,
in der Geschichte. Ganz anders denkt die Jetztzeit. Ich musterte die
massig dreinschauenden modernen Grabsteine, mit ihrer Wucht und
prunkvollen Ausstattung. Tausende wagt man an ihre Herstellung. Und doch
darf gesagt werden, dass die jüdische Pietät hier nicht jüdische Wege
wandelt. Das Judentum hat sich nie durch Japhets Schönheit blenden
lassen; ja es führte einen ständigen Kampf gegen sie, insofern der
sittlich hohe und erhabene Geist Schems dadurch verdunkelt oder getrübt
werden sollte. Wir sind eben das Volk der Hawdala, der feinen
Unterscheidungsgabe, die Nation mit dem kritischen Blick. Wäre es nach
der hochentwickelten Kunst unserer Zeit gegangen, ob sie in Farben, Formen
oder Tönen sich äußert, nimmermehr hätten an 20 Millionen blühender
Menschenleben grausam in die Gruft sinken dürfen (sc. Opfer des
Weltkrieges). Wir lassen uns durch äußeren bestrickenden Sinnenreiz
nicht täuschen, selbst auf dem Friedhof nicht. Israel weiß seine
Toten auch ohne dies zu ehren. Heilig bleibt uns jede Gruft. Störung in
der Grabesruhe, Exhumierungen sind uns in tiefster Seele zuwider.
Weihevolle Stunden verbringen wir am 'guten Ort', am Ruheplatz unserer
Lieben und mit einem sogenannten Rundgang nehmen wir Abschied, um
pietätvoll allen Heimgerufenen gerecht zu werden, um auch nicht den
Schein und Schatten einer Zurücksetzung anderer auf uns ruhen zu lassen.
Zurück ruft uns das Leben des Alltags in seine Rechte, in unsere
Pflichten, jeder nach Maßhabe seiner ihm von Gott verliehenen Gaben und
Güter an Geist und Vermögen. Schlaft wohl, ihr Verklärten, auf deren Verdienst
wir in diesen Tagen pochen; andachtsvoll nehmen wir Abschied, gehoben und
geläutert nach jüdischer Lebensauffassung und jüdischer Weltanschauung.
Drunten im Tale in festlich versammelter Gottesgemeinde hallt Schofarton,
ringen sind sinnige inhaltsschwere Bitten über den Lippen Tausender,
klingt der Ernst der ehrfurchtgebietenden Tage aus in die
Jubelakkorde des schönen Sukkot-Festes und in das lebensheitere Gelöbnis
(hebräisch und deutsch:): 'Lasst uns jubeln und frohlocken mit dieser
Tora". |
Der Gegentext zum vorigen: Ein Gedicht von
Abraham Mannheimer: "Hakenkreuzler
im Judenfriedhof" (1927)
Anmerkung unter dem Gedicht: "In den jüngsten Tagen häuften sich im
Rheinland und in Bayern, Württemberg, jüdische Friedhofsschändungen derart,
dass man entsetzt vor einer derartigen Kulturschande steht. Der wahre Tiefstand
des wahnwitzigen Judenhasses kommt hier sinnfällig zum Ausdrucke, nachdem im
Vorjahre schon 16 Friedhofschändungen zu verzeichnen waren. Was die jüdische
Psyche hierbei empfindet, was aber namentlich jeden nichtjüdischen
Vaterlandsfreund mit Abscheu und Entsetzen erfüllen muss, kommt in dem
folgenden Gedichte ernst und würdig zum Ausdruck".
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Juni
1927:
"Hakenkreuzler im Judenfriedhof!
Von A. Mannheimer in Dettelbach.
Stille Nacht in Berg und Tale,
Friedvoll ruht die müde Welt
Nur das Mondenlicht das fahle,
Grüßt vom trüben Himmelszeit.
Wer ein trautes Heim gefunden,
schmiegt sich sanft in Schlafes Arm.
Glocken künden späte Stunden,
Vöglein zirpt im Neste warm.
Einsam lehnt am Bergesrücken
Dort der Judenfriedhof klein;
zwischen niedern Mauerstücken
Bleicht der Toten müd' Gebein.
Liegt umrauscht von alten Bäumen,
Liegt gar hübsch am Ährenfeld,
Oft zu andachtsvollem Träumen
Es den Wandrer inne hält.
Schaut der Gräber lange Reihen,
Hört der Steine kalten Gruß,
Lauscht den lieblichen Schalmeien
Die ein Vöglein flöten muss. |
Sieht das Bienchen voller Leben
Über Totengrüfte ziehn,
Sieht die Schmetterlinge schweben
Zu den wilden Blumen hin.
Weihe senkt die Grabesstille
Jedem Fühlenden ins Herz
Aus des Lebens schweren Banden
Hebt sie frei ihn himmelwärts.
Aber horch! Zur Geisterstunde
Dringen Laute dumpf heran
In die stille Abendrunde,
In der Fluren weiten Plan.
Ist's der Bäume ächzend Heilen?
Sind die Toten aufgewacht?
Tauschen Unken, Raben, Eulen,
Ihren Gruß um Mitternacht?
Sind des Krieges wilde Horden
Geisterhaft emporgetaucht?
Pocht es an der Hölle Pforten?
Hört nur, wie es flucht und faucht?
Trugbild graus! Nicht von Dämonen
Rührt das Höllenschauspiel her:
Männer, die in Deutschland wohnen,
Christen, Bürger deutscher Ehr.
Hoch das Hakenkreuz erhoben
Folgen sie des Führers Spur.
Wotantreue sie geloben,
Feierlich erklingt der Schwur:
'Hakenkreuz, du heil'ges Zeichen,
Deutscher Zukunft Schild und Hort,
Niemals wanken wir und weichen,
Bis das Reich in sicherm Port!' |
Zündend wirkt die stolze Rede.
Brüder zeiget deutschen Mut!
Heute Nacht gilt deutsche Fehde
Der verfaulten Judenbrut!
Wenn der dunkle Schleier senket
sich auf unser heilig Land,
Greift zum Pickel und gedenket,
Wotan segnet euere Hand.
Stoßet gut, ihr deutschen Brüder,
Dass des schweren Steines Wucht
Tief im Grab zermalmt die Glieder
Dieser Juden, gottverflucht.
Hei wie da die Augen leuchten,
Wie der Arme Kraft sich stählt!
Dumpfes Dröhnen, in den feuchten
Boden schlägt es ungezählt.
Ringsumher das Erdreich zittert,
Um die Wette geht das Spiel.
Stein und Stein liegt bald zersplittert
Auf dem Rasen grün und kühl.
Durch die Reihen geht ein Kichern;
Endlich ruft man zum Appell,
Lob und Dank noch zu versichern,
Für die Arbeit gut und schnell.
Heil! Was unsre Kameraden
Anderwärts schon längst vollbracht.
Haben eure wackre Taten
Nun erreicht in dieser Nacht.
Hakenkreuzler seid verschwiegen
Nach der Feme heil'gem Recht!
Wackre Deutsche werden siegen,
Uns regiert kein Judenknecht.
Wotan, segne unsre Mannen!
Einen Händedruck in Eil -
Schweigend zieht die Schar von dannen: Deutsches Vaterland, Heil,
Heil!
A.M. (= Abraham Mannheimer)" |
Die letzten Strophen des Gedichtes erschienen durch ein Versehen des
Setzers erst in der Ausgabe "Der Israelit" vom 23. Juni 1927. |
Auswahl aus weiteren Beiträgen von Abraham Mannheimer (1900 - 1937)
Anmerkung: Von den zahlreichen Beiträgen des Lehrers Abraham
Mannheimer in jüdischen Periodika, insbesondere der Zeitschrift "Der
Israelit" sei im Nachfolgenden auf eine Auswahl hingewiesen. Sie behandeln
theologische, aber auch politisch und gesellschaftlich aktuelle Fragestellungen.
Im Nachfolgenden kann nur ein Teil dieser Beiträge und jeweils nur der Anfang
der Artikel zitiert werden.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Dezember 1900: "Nach
den Lehrerkonferenzen 1900. Von A. Mannheimer - Dettelbach. Die
jüdischen Lehrerkonferenzen pro 1900 sind sämtlich vorüber. Die Leitung
des Bundes der jüdischen Lehrervereine hatte als das zu behandelnde Thema
die Frage gestellt: Soll der systematische Religionsunterricht beibehalten
werden oder nicht! Die Wahl des Verbandsthemas war eine überaus
glückliche, ein Griff mitten in das Gefühlsleben der gesamten
Lehrerweit, die Aussprache über eine so tief einschneidende Frage ein
wahres Herzensbedürfnis. Die Jahreskonferenzen pro 1900 lieferten darum
sozusagen ein Stimmungsbild der jüdischen Lehrer
Deutschlands..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. November 1901: "Anschauung
und Veranschaulichung. Ein Brachfeld im jüdischen Schrifttum und im
jüdischen Religionsunterricht. Von A. Mannheimer - Dettelbach. Das
Wort Anschauung pfeifen heutzutage die Spatzen von den Dächern aller
Lehrerseminare. Als eine der ersten didaktischen Regeln wird sie dem
Jünger der Pädagogik dort vorgeführt, theoretisch wie praktisch, ihm
gewissermaßen als die goldene Regel aller Erziehungs- bezw.
Unterrichtskunst geschildert. Und mit Recht. Soll denn der Schöpfer
umsonst uns mit all' den wunderbaren Organen ausgestattet haben, die wir
Sinne nennen? ..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. August 1902: "Zur
Würdigung des hebräischen Grammatikunterrichts. Von A. Mannheimer -
Dettelbach. Schluss. Ich bleibe zunächst bei der
letzten Frage stehen. Ein Jeder kennt die Tatsache, dass auf unseren
Mittelschulen, namentlich den Gymnasien, fremdsprachliche Kenntnisse
verschiedener Art vermittelt werden. Die Arbeit ist keine leichte, und
haben Fachmänner wiederholt bestätigt, dass das Deutsche hierdurch zu
kurz komme..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. September 1902: "Jüdische
Sprichwörter und Redensarten. Von A. Mannheimer, Dettelbach.
(Fortsetzung statt Schluss.) Wer kennt nicht den Namen Abraham
Tendlau? Sein 'Buch der Sagen und Legenden jüdischer Vorzeit' hat so
manches Kind erfreut und erbaut. Vor vier Jahrzehnten griff man gerne nach
'Tendlau's Märchen,' erquickte sich an den farbenprächtigen
Blüten, die heute noch süßen Duft atmen. sie sind ein aus der 'Vorzeit
herüberhallender Laut,' wie der Verfasser selbst sagt. Noch mehr aber
sollten die 'die Sprichwörter und Redensarten deutsch-jüdischer Vorzeit
sein', die im Jahre 1860 als 'Beitrag zur Volks-, Sprach- und
Sprichwörterkunde' in Frankfurt am Main erschienen. Rein äußerlich
betrachtet, repräsentiert sich..." |
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Nachstehend der
gesamte Beitrag über "Jüdische Sprichwörter und Redensarten"
- zum Lesen bitte Textabbildungen anklicken: |
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Teil I
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. September 1902 |
Teil 2
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Sept. 1902 |
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Teil 3
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. September 1902 |
Schluss
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Okt. 1902 |
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Beitrag über "Die
statistische Übersicht der jüdischen Lehrerkonferenzen pro 1899 - 1900 -
1901" zum Lesen bitte Textabbildungen
anklicken |
Der Beitrag
erschien in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Mai
1903 |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. November 1903:
"Die Chanukkageschichte. In 4 Lektionen nach den 5 formalen
Stufen. Von A. Mannheimer, Dettelbach. Vorbemerkung. Es dürfte nicht
leicht ein Geschichtspensum geben, das für den erziehlichen Unterricht,
wie ihn Herbart-Ziller begründet, eine reichere Ausbeute bietet, als die
Geschichte vom Chanukkafest. Sache des methodisch-geschulten Lehrers muss
es sein, diese Schätze auch zu heben, sie dem Kinde in ihrem wahren Werte
und Glanze zu zeigen..." |
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Gedicht
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. März 1904: "Elijahu
in der Sedernacht. Von A. Mannheimer, Dettelbach. Es sinket die Sonne
am westlichen Rand, Das Abendroth strahlet vom Berge ins Land, Und linde
säuseln die Lüfte. Bald dämmert und dunkelt die liebliche Nacht
Des Frühlings herunter auf alle die Pracht Der Felder, der Berge,
der Klüfte..." (links ist nur der Anfang des Gedichtes
wiedergegeben). |
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Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 26. Juli 1907: "Ein jüdisches Gebetbuch Bayerns vor 80
Jahren. Von A. Mannheimer - Dettelbach..."
Der Artikel handelt von dem in München 1827 bei Ernst August
Fleischmann gedruckten Gebetbuch: "Tägliche Gebete der Israeliten,
mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Dr. Alexander
Behr". |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11.
Februar 1915 aus der Zeit des Ersten Weltkrieges: "Nährschutz -
Feindestrutz - Landesschutz! Von A. Mannheimer in Dettelbach. So ist
denn eingetreten, was jeder Denkende voraussehen konnte, der wahre
Vaterlandsfreund aber wünschen musste: Der Staat selbst nahm alle Mehl-
und Getreidevorräte in Beschlag und will mit starker Hand eine gerechte
Verteilung der Volksnahrung herbeiführen, wodurch allein die Ruhe und
Sicherheit unserer Zukunft gewährleistet wird. Zweifellos greift die
Maßnahme tief in die Lebensgewohnheiten des Einzelnen wie des ganzen
Volkes ein...". |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Juli 1915: "Das
rechte Wort. Von A. Mannheimer in Dettelbach. Es gibt Worte, die man
nicht leicht in andere Sprachen übertragen kann, ohne dass sie ihres
Zaubers beraubt werden. Das jüdische 'Rachmonus' lässt sich nur sehr geschwächt
durch die deutsche Übertragung 'Barmherzigkeit' wiedergeben, ebenso
schwer dürfte das Empfindungswort 'nebbich' vollinhaltlich und treffend
zu übersetzen sein. Nur in der Ursprache und im Munde der eigenen
Volksgenossen tritt mit solchen Worten die ganze Wucht ihrer Bedeutung vor
den begreifenden Verstand, in das empfindende Gemüt. Wenn wir das
Verhalten der zahlreichen Feinde unseres teuren Vaterlandes, das Verabscheuungswürdige
und Empörende ihrer Politik und ganzen Handlungsweise treffend und kurz
brandmarken wollen, so glauben wir das nicht besser tun zu können als mit
den kernjüdischen Worten: Sin-as chinom, Bilbul. Zu deutsch besagen diese
Ausdrücke etwa: grundloser Hass, lügnerische Verleumdung. Uns besagen
sie mehr! In ihnen zittert alles Leid..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Juni 1921: "Die
Völker und die Offenbarung. Von A. Mannheimer in Dettelbach. Im
Midrasch, beziehungsweise Mechilta und Jalkut zu Parschas Jirwoh, wird uns
Folgendes erzählt: Als Gott unter Donnergetöse, Blitzen und Flammen,
Erdbeben und Posaunenschall am Sinai sein Gesetz offenbarte, spürte man
auch anderwärts die gewaltige Aufregung der ganzen Natur. Die Völker
gerieten in Schrecken und liefen angsterfüllt zu dem großen Zauberer
Bileam, ihn über die Bedeutung der eigenartigen Erscheinungen zu
befragen. 'Was ist denn los? Soll..." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. März 1922: "Aktuelles
zum Pessachfest. Von A. Mannheimer in Dettelbach. 1. Es dürfte kaum
ein Fest geben, das so tief in unser häusliches und persönliches Leben
eingreift, als Pessach. Das ganze Haus wird sozusagen umgekehrt durch das
'Schütteln'. Der Kenner des jüdischen Religionsgesetzes weiß, wie viele
und dazu penible Vorschriften der Pessach bringt für unser religiöses
Verhalten. Dafür lohnt er uns auch mit einer der schönsten und innigsten
Feiern, dem Seder. Wenn u..." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. August 1922:
"Die Variationen in den ersten und zweiten Zehn Geboten
nach dem Kli Jakar (= Torakommentar von Rabbi Schlomo Efraijim
aus Luntschütz, 1550-1619). Von A. Mannheimer in Dettelbach. Der Dekalog
im 2. Buch Moses, Kap. 20, wie er am Wochenfest in unseren Gotteshäusern
allgemein zur Verlesung kommt, weicht seinem Wortlaute nach bekanntlich
vielfach ab von dem der Zehn Worte in Parschas..." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
14. September 1922: "Die Rehabilitierung eines Vaterlandsliedes.
Von A. Mannheimer in Dettelbach. Alles ist den Schicksalssternen
unterworfen, selbst die Torarolle im heiligen Schrein', behaupten die
Talmudweisen. Warum soll dies nicht auch für die Lieder zutreffen? Sind
doch Lieder so enge mit dem menschlichen Leben verwachsen, begleiten sie
doch unser wechselvolles Dasein von der Wiege bis zum Grabe. In ihnen
klingt und schwingt nach, was uns im tiefsten Innern bewegt, Freude, Schmerz,
Hoffnung, Sehnsucht, Dankbarkeit, Liebe, Trost, Kampfesmut und stolzer
Trotz, die ganze Skala menschlicher Gefühle. Das ist so seit grauester
Vorzeit. Moses stimmt am Meeres-...". |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
30. November 1922: "Erblügen. Von A. Mannheimer in
Dettelbach. Es sei mir gestattet, im Anschluss an den Wochenabschnitt
einige Erblügen zu beleuchten, die so allgemein verbreitet wie innerlich
unhaltbar sind. Ihre Tradition geht über Ketten von Geschlechtern, die
von Religions wegen die falsche oder gefälschte Wahrheit in sich
aufnehmen. Die schiefe Meinung über Juden und Judentum beruht oft gerade
auf ihnen, sodass selbst Bessergesinnte und Wohlmeinende sich nicht vom
Banne der Irrlehre freizumachen vermögen. Wir meinen die Behauptung, dass
der Patriarch Jakob den Typus eines schlauen, betrügerischen Juden
darstelle, dass gewissermaßen dieser Typus sich im geschichtlichen Israel
wiederspiegle. Wenige Striche genügen, um..." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
3. Januar 1924: "Moses. Von A. Mannheimer in Dettelbach. die
laufenden Toraabschnitte führen die Gestalt Moses' in plastischer Form
uns vor die Seele. All unser Denken und Fühlen durchzieht das eine Wort:
Moses. Die Lebensgeschichte dieses größten aller Menschen und Propheten
zieht uns immer neu in ihren Bann. Und wer könnte sich ihr entziehen, der
jemals die viel bewegte, in allen Phasen fesselnde Geschichte dieses
Mannes durchdachte?..." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
21. Mai 1925: "Werturteile über die Schechita (Schächten).
Von A. Mannheimer in Dettelbach. Im Hinblick auf den neuen Vorstoß des
Tierschutzverbandes gegen die Schechita, dessen Einzelheiten den Lesern
dieser Blätter bereits bekannt sind, verlohnt es sich - und wäre es auch
nur - um Vorurteile auf jüdischer Seite restlos zu zerstreuen - noch
einmal auf einige oft übersehene Seiten des Problems hinzuweisen.
Bereits 1899 wies Dr. Lieber, der bekannte...". |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
14. Juni 1928: "Geht uns auch an, viel an. Von A. Mannheimer
in Dettelbach. Die gut geleitete 'Sparkassen-Rundschau' bringt stets eine
Fülle des Belehrenden und Unterhaltenden für unsere Jugend. Unser
besonderes Interesse verdient ein Artikel 'des Guten zu viel' in Nr. 15,
August, Jahrgang 1927, von Glossarius. Der Verfasser wendet sich gegen den
maßlosen Sport, der die für wahre Kultusfortschritte nötigen geistigen
Leistungen ins Hintertreffen drängt. Seine Ausführungen lassen jüdische
Saiten in uns erklingen, finden rückhaltlose Anerkennung auch im Kreise
toratreue Juden. Glossarius sagt u.a. Folgendes: Gesunder Geist..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Juli 1928: "Studentenunruhen
als Kulturbild. Von A. Mannheimer in Dettelbach. Im Jahre 1750 hatte
die Akademie zu Dijon in Frankreich die Preisfrage gestellt: 'Haben die
Fortschritte der Wissenschaften und Künste zur Reinigung oder
Verschlechterung der Sitten beigetragen?' Rousseau entschied sich in
seiner Abhandlung für die Verschlechterung und erhielt den Preis. Mehr
wundern darf man sich, dass schon der alte Seneca (1-65 der g.Z.)
ähnlichen Gedankengängen huldigte. Von ihm stammt bekanntlich der Satz:
'Nicht für die Schule, sondern für das Leben soll man lernen.' Zur
Illustration dieser Weisheitsregel meint er: 'Was ist das Herrlichste im
Menschenleben? Nicht mit Flotten die Meere zu erfüllen, nicht an den
Küsten der..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. September 1928: "Die
Namen der Tischrifeste. Von A. Mannheimer in Dettelbach. Namen mögen
sonstwo Rauch und Schall sein - im Judentum sind sie es nicht. Schon die
Schöpfungsgeschichte gibt hier bedeutsame Hinweise. Es genügte dem
Allmächtigen nicht, seine Welt ins Dasein zu rufen, er gab den Dingen
sofort auch sehr bezeichnende Namen. Das Helle nannte er Tag, die
Finsternis Nacht, die Wölbung Himmel, das Trockene Erde, den ersten Menschen
Adam, seine Frau Chawa (Lebensmutter) usw. Adam sollte im Paradiese auch
Namen austeilen, allen lebendigen Tieren, die Gott ihm zuführte. Es sind
uns die Namen der drei Erzväter gedeutet, es wird ausführlich genug
erzählt, woher jeder der zwölf Stämme seinen Namen hat. Moses ist der
aus dem Wasser Gezogene' usf.
Auch die Festtage tragen Namen, die Wesen und Gehalt des ersteren
prägnant umschreiben..." |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. September
1928: "Die Namen der Tischrifeste. Von A. Mannheimer in
Dettelbach. b) Der Versöhnungstag. Er führt den Namen Jom
HaKippurim. Tag der 'Sühnungen'. Man hätte die auch populär
gebliebene Bezeichnung Jom Kippur 'Tag der Sühne' erwartet. Denkt
man jedoch an die lange Kette von jeiligen Sühnehandlungen, die in
ununterbrochener Folge den weihevollen Tag ausfüllten, so ist der
Ausdruck Tag der 'Sühnungen' wohl berechtigt. Schon sieben
Tage..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Oktober 1928: "Kinderecke
- Monolog einer alten Schabboslampe. Von A. Mannheimer in Dettelbach.
Ich hänge seit Jahren hier in einer Ecke, im Salon. Das hätte ich mir in
der Jugend nicht träumen lassen. Unter mir spielt sich ein eigenartiges
Leben ab: es wird gescherzt, gespielt, musiziert, getanzt. Man liest
Klassiker in Prachteinband, Romane, große Tageszeitungen. Oft füllen
fremde Menschen ohne Unterscheid des Geschlechtes und Bekenntnisses das
vornehme Zimmer und dann geht der Trubel nicht selten fort bis tief in die
Mitternacht..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. November 1928: "Die
kurze geschichtliche Begründung des Chanukka-Festes. Von A.
Mannheimer in Dettelbach. Es mag eigentümlich berühren, dass unser
so volkstümliches Chanukkafest in jüdischen Quellen eine so wortkarge
Begründung erfährt: (hebräisch und deutsch:) 'Zur Zeit des zweiten
Tempels, als tyrannische Könige herrschten, verhängte man schwere
Bedrückungen über Israel, hob ihr Gesetz auf, ließ die Beschäftigung
mit dem Torastudium und den heiligen Geboten nicht zu, vergriff sich an
Israels Töchtern, an Hab und Gut; hierauf drangen sie in den Tempel,
brachten Risse in die..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Januar 1929 (hier
handelte es sich um einen ausführlicheren Artikel, der in einer Reihe von
mehreren Nummern des "Israelit" erschienen ist: "50
Jahre Antisemitismus. In Frankreich ist der Antisemitismus mit der 'Dreyfus-Affäre'
sozusagen vom politischen Schauplatz verschwunden. Eduard Drumont hatte
jahrelang in seiner 'Libre Parole' gegen die Juden gehetzt. Die
militärischen Nationalisten und die Klerikalen luden den Schandfleck auf
sich, dass man den jüdischen Offizier Alfred Dreyfus vier Jahre lang als
Landesverräter auf der heißen Teufelsinsel bei Südamerika unschuldig
einkerkerte. Da veröffentliche der berühmte..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. März 1929 im Blick auf
den sehr kalten Winter 1928/29: "Des Winters grimme Gewalt. Von
A. Mannheimer in Dettelbach. Der Talmut (Taanit) stellt die
Behauptung auf: Dreierlei Schlüssel befinden sich fest in des
Allmächtigen Hand, er gibt sie nicht her: Der Schlüssel des
Mutterschoßes, der Schlüssel des Regens, der Schlüssel der
Wiederbelebung der Toten. - Lebensweckung und Wiederbelebung ist
ureigenstes Wirken des Schöpfers, ob Er den Mutterschoß bedenkt oder
durch milden Regen dem Schoße der Erde die Vegetation entlockt oder die
im Staube Schlafenden wieder durch seinen Weckruf mit neuem Dasein
beglückt. Ein ungemein langer und strenger Winter war uns heuer
beschieden, der in seiner Art selbst jenen von 1879/80 in den Schatten
stellte..." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. März 1929: "Preisgekrönte
Frauenschönheit. Von A. Mannheimer in Dettelbach. In den jüngsten
Tagen wurde bei einem Schönheitswettbewerb zwei Jüdinnen der erste Preis
zuerkannt. Gar mancher und gar 'manche' wird das Resultat mit hoher
Genugtuung und besonderem Behagen begrüßt haben. Nicht so der in
jüdischem Geist und Wesen Wurzelnde. Ihm gilt heute noch das alte salomonische
Werturteil: (hebräisch und deutsch aus Sprüche 31,30) Trügerisch ist
die Anmut und eitel die Schönheit; ein Weib mit Gottesfurcht; es nur ist
lobenswert..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. April 1929: "Der
Bezirksschochet. Von A. Mannheimer in Dettelbach. Die modern fundierte
Lehrerbildung hat im jüdischen Lager, gleich welcher Richtung, starken
Wellenschlag hervorgerufen. Laien und Fachleute treten auf den Plan,
Ideale und Lebensnotwendigkeiten geraden in Widerstreit, Interessgruppen
hier, Interessengruppen dort. Es ist eine Zeit des Werdens und des
Wandelns und in Übergangsperioden sind derartige Formen des Kampfes
nichts Abnormales. Aus der rauen Hülse wird und muss sich der edle Kern
schälen.
Es war uns von vorneherein klar, dass in dem Widerstreit der Meinungen
auch das Schechita-Amt (sc. Amt des Schächtens), insoweit es mit dem
Lehramte verbunden ist oder auch bleiben soll, keine untergeordnete Rolle
spielen würde. Wir möchten im Folgenden uns zu dieser Sache äußern,
auch wenn wir manches Mal auf Widerspruch stoßen sollten. ..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Juni 1929: "Kurze
Anweisungen auf Jom Tow (= Feiertag). Von A. Mannheimer in
Dettelbach. Es kommen vielfach auch in religiös gut gesinnten Familien
Verstöße gegen die Vorschriften für Jom Tow vor. Meistens ist
die Fehlerquelle in mangelnder Kenntnis der einschlägigen
Gesetzesvorschriften zu suchen, weniger in Unachtsamkeit oder
Leichtfertigkeit. Wem es um die rechte Art der Feiertagsheiligung
ernstlich zu tun ist, wird dankbar Anweisungen für die religiöse Praxis
begrüßen. Wir wollen hier einige bieten, veranlasst durch
jahrzehntelange Beobachtungen beziehungsweise Erfahrungen gerade an
kleinen Orten.
Die Lichter für Jom Tow zünde die Hausfrau vor Synagoge an, genau
wie am Erew Schabbat. Hie und..." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
7. November 1929: "Nach den Feiertagen. Von A. Mannheimer in
Dettelbach. Wenn im Herbste die Feiertage zu Ende waren, pflegten sich die
'Prominenten' des Dorfes in der nicht allzu geräumigen Wohnstube des
Schnittwarenhändlers David Bär ein Stelldichein zu geben. Meistens knisterte
schon ein wenig das Feuer im altmodischen Ofen, der schön Bärs
Großeltern erwärmt hatte. Die ganze Stube hatte ein altjüdisches
Gepräge. Natürliche fehlte der schmale, doch ziemlich hohe
Gießfaßschrank mit seinen Seitentüren nicht. Auf ihm ruhten alte,
'dicke' Tfillaus...'. |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
21. November 1929: "Die Angst vor dem Frieden. Von A.
Mannheimer in Dettelbach. Man sollte es eigentlich kaum für möglich
halten - und doch ist es so: man fürchtet den Frieden, so paradox es
klingt. Vernunftbegabte Menschen, die den grauenvollsten aller Kriege, die
je die Welt gesehen, miterlebt und miterlitten haben, sind schon von neuem
gewillt, zum Mordstahl zu greifen. Ja, die alte Bibel hat recht: des
Menschen Herz ist böse von Jugend an. Wir aber fragen erstaunt: Wie
konnte es möglich sein, dass nach dem schrecklichen Blutbad des
Weltkrieges sich kühn wieder die Kriegshetzer hervorwagen konnten und
frech in die Posaune des neuen Völkerkampfes zu stoßen wagen? Ist so
kurz, so gar kurz das menschliche Gedächtnis für ein Meer von Leiden,
Tränen, Schmerzen, Verderben, Krankheit und Hunger und Tod? Für die
Hölle auf Erden? ...". |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22.
Mai 1930: "Thüringens 'deutsche' Schulgebete..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Mai 1930: "Verstöße
(gg. das Sabbatgebot) mit Elektrizität. Von A. Mannheimer
in Dettelbach. Obwohl in diesen Blättern schon des öfteren auf die
schweren Sabbatentweihungen hingewiesen wurde, die mittels der
Elektrizität begangen werden, scheint es leider nicht überflüssig, von
neuem darauf zurückzukommen, namentlich bei der zunehmenden Verbreitung
des Radio. Viele straucheln an dem Gedanken, dass es doch kein Verstoß
sein könne, den elektrischen Schalter zu knipsen. Ein Zündholz
anstreichen und dann eine Kerze oder die Petroleumkampe anzünden, das sei
freilich was anderes. Das ging schon gegen das ererbte und anerzogene
jüdische Gefühl. Aber den Schalter drehen? Das kann doch nicht so
schlimm sein? Solch falsche Auffassungen seien dahin widerlegt, dass
einfach jede Licht- bzw. Feuererzeugung strengstens untersagt ist, ganz
gleich, auf welche Weise dies geschieht, ganz egal, ob dazu ein größeres
oder kleineres Maß an Zeit und Kraft erforderlich ist. Bleibt denn ein
Dieb weniger strafbar, wenn er schnell und bequem etwas entwendet? Ist ein
Mord etwa deshalb keine ruchlose Tat, weil er rasch ausgeführt wurde,
etwas durch einen Schuss? ..." |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12.
Juni 1930: "In Wüstenei geboren. Schwuausnachklänge..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Februar 1931: "Abrüstung.
Filmsturm. Von A. Mannheimer in Dettelbach. 'Und Er (Gott) wird
richten zwischen den Völkern und zurechtweisen viele Nationen, dass sie
ihre Schwerter zu Pflugscharen abstumpfen und ihre Spieße zu
Rebenmessern, auf dass nicht ein Volk gegen das andere mehr das Schwert
erhebe und man sich nicht mehr übe im Krieg führen.' (Jesaja Kap. 2,4).
Der erste große Künder des Weltfriedens und Völkerbundes, der jüdische
Prophet Jesaja, hat nicht nur vom Weltfrieden gesprochen wie von einem schöne
politischen Traum. Er fasst das Problem tiefer an. In seiner grandiosen
Rede fügt er den äußerst charakteristischen Satz an 'und man sich nicht
mehr im Kriegführen übe.' Darin also klingt die jesajanische
Friedensidee und Friedenszuversicht aus. Jesaja verlangt Abrüstung.
Abrüstung der Geister. Das ist die erste und..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. September 1931
(Besinnung zum Laubhüttenfest Sukkot): "Freude in Hütten.
Von A. Mannheimer in Dettelbach. Freude in Hütten. Zwei Begriffe, die in
solch enger Verbindung dem oberflächlichen Blick und Urteil sich als zwei
unvereinbare Gegensätze darstellen, als ein Paradoxon. Freude in der
Bedeutung von frohem Lebensgenuss glaubt man zumeist an Reichtum, Besitz
und Macht gebunden, an ungehemmt Verfügung über Mittel, die zu irdischer
Daseinsfreude führen. Derlei Dinge sucht man in den Palästen der
Reichen, nicht aber in den bescheidenen Hütten der Armen, der
Minderbegüterten. Und doch lehrt das Judentum, dass auch in der Hütte
die Freude eine Stätte haben kann, haben soll..." " |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. März 1933: "Kunst,
Heiligtum und Heiligkeit. Zu Paraschat Wajekahel. Von A.
Mannheimer in Dettelbach. Gedanken zum Wochenabschnitt aus
der Tora. |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9.
Juli 1936: "Zwischen den Marken...." |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
30. Juli 1936: "Ki ata hameat ... denn ihr seid eine Minderheit.
Von A. Mannheimer in Dettelbach. Im Wochenabschnitt Waetchanan
(Schabbat Waetchanan war der 1. August 1936; der Toraschnitt ist
aus 5. Mose 3,23 - 7,11) lesen wir (Kap. 7, V.7) die Worte: 'Nicht,
weil ihr die Zahlreichsten seid unter allen Nationen, begehrte euch der
Ewige und wählte euch aus; denn ihr seid gerade eine Minderheit unter
allen Völkern.' - Eigenartig mutet uns dieser Satz in unserer Tora
an. Es kommt uns fast vor, als..." |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 7. August 1936: "Der 'langweilige Sommerschabbos'.
Langweile ist die Tochter der Interesselosigkeit. Diese wiederum nennt die
Unkenntnis ihre Säugamme. Langweile ist, richtig und allseitig
betrachtet, nicht nur ein unangenehmer Zustand, sie ist meist ein
Armutszeugnis. Wenn ein versäumter Zug den Reisenden lange auf der
Station liegen lässt, so ist das ein Ärgernis. Die kostbare
Geschäftszeit schwindet ungenützt dahin. Es lag nicht im Reiseplan.
Ungeduld stellt sich ein, nicht eigentliche
Langeweile..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. August 1936: "Gott,
Land und Volk. Zu den Wochenabschnitten..." |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
4. März 1937: "Kunst und Künstler. Zum Wochenabschnitt. Von
A. Mannheimer in Dettelbach. Im Wochenabschnitt Wajakel (am
Schabbat Wajakel, das war am 6. März 1937; Toraabschnitt ist aus
2. Mose 35,1 - 38,20) lesen wir von dem Künstler Bezalel, der es
trefflich verstand, die Geräte des Stiftszeltes und die Priestergewänder
zu fertigen. Zugleich besaß er die Gabe, Hilfskräfte zu instruieren - 'und
zu unterweisen hat er ihm den Sinn gegeben'. In Oholiab und anderen
weisen Männern schuf er sich einen Stab erstklassiger Künstler, die ihm
helfend zur Seite standen..." |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
25. März 1937: "Die vier 'Kinder' der Haggada. Von A.
Mannheimer in Dettelbach. In den schönen Tagen der Kindheit, die
allerdings weit zurückliegen, betrachteten wir oft und immer wieder von
neuem die Bilder der 'vier Kinder' in der Haggada. Wir vertieften uns in
sie mit der Naivität, die kindlichem Gemüte eigen ist. Die Phantasie
fand, wie immer bei Kindern, reichliche Nahrung und spann ihre Fäden ganz
von selbst weiter. Die drolligen Stellungen der vier, welche die Fragen
widerspiegeln sollen, die ihnen die Haggada in den Mund legt. Wir suchen
eine innere Harmonie zwischen Wort und Bild herzustellen. Ein wenig Kritik
ruht auch schon im kleinen Kinde..." |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
13. Mai 1937: "Macht und Frieden. Betrachtung zum
Offenbarungsfeste. Von A. Mannheimer in Dettelbach. Der Midrasch
erzählt uns Folgendes: Als Gott sich unter Donner und Blitz und
mächtigem Posaunenschall auf dem Berge Sinai offenbarte, habe man dies in
der ganzen Welt vernommen. Aus ihrer Ruhe geschreckt, horchten die
Heidenvölker auf: Was sind das für Stimmen, die aus der Luft auf uns
eindringen? Niemals hörten wir so was, solche Worte? Woher kommen sie?
Was wollen sie von uns? Was sollen wir ihnen? Wird ein neues Tohuwabohu
kommen? Die verängstigten Völker..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Juli 1937: "'Und
es sei, wenn Ihr höret'... Zum Wochenabschnitt. von A. Mannheimer in
Dettelbach.
Gustav Theodor Fechner (1801-87), Professor in Leipzig, Begründer der
Psychophysik, Erforscher der Seelenvorgänge auf experimenteller
Grundlage, kommt in seiner Naturbetrachtung ins Gebiet der Metaphysik, des
Glaubens, der Mystik. Die heiligsten Anliegen des Menschenherzens greift
er auf, wie die Titel seiner Bücher besagen: Zend-Avesta *Über die Dinge
des Himmels und des Jenseits von Standpunkt der Naturbetrachtung' - 'Das
Büchlein vom Leben nach dem Tode' - 'Die Tagesansicht gegenüber der
Nachtansicht' - 'Nanna oder über das Seelenleben der Pflanze' usw. In
Fechners Weltbild ist die Erde ein beseelter Organismus; er kennt nicht
nur eine Tierseele, sondern auch eine Pflanzenseele. In zahlreichen und
tiefgründigen Analogien führt er sein gewaltiges Gedankengebäude auf,
das heute noch in Erstaunen setzt. Nur andeutungsweise konnten wir an
dieser Stelle vermerken, dass Fechner hier die Wege, kreuzt, welche große
jüdische Denker und Philosophen, Rambam, R. Jizchak Luria u.a.m. längst
vor ihm beschritten haben.
Der Wochenabschnitt Ekew lässt die Erde in unsern Augen auch beseelt
erscheinen, allerdings nicht ganz so wie in Fechners
Weltbild...." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. September 1937: "Und
ihr sollt euch freuen! Betrachtung zum Sukkot-(Laubhütten-)Feste. Von
A. Mannheimer in Dettelbach. Seelenbestimmungen können nicht
nach Kommando erzeugt werden, vielleicht am wenigsten die Freude. Sie muss
sich einstellen als natürliche Folge normal ablaufender äußerer
Umstände. Wir reden selbstverständlich hier nicht von der künstlich
erzeugten Freude in der Sphäre des Spiels, des Humors, der Geselligkeit,
des Theaters, der Musik und dergleichen. Das sind eigens angefertigte,
für den Zweck berechnete Kunstprodukte, deren Wirkung sich meistens
schnell verflüchtigt, um neuen künstlichen Reizen Platz zu machen, die
wiederum das Los der Eintagsfliegen teilen. Dass aber in der erhabenen,
heiligen Sphäre der Religion die Freude ein Plätzchen fände, dass sie
nicht nur gestattet, sondern geradezu erwünscht und formell geboten ist,
das regt uns zum Nachdenken an. Vom Laubhüttenfest heißt es: (hebräisch
und deutsch:) 'Freuet euch vor dem Angesichte des Ewigen, eures Gottes, sieben
Tage lang.'..." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Oktober 1937: "Von
vorne rollt das Sefer (= Torarolle)! Von A. Mannheimer in Dettelbach.
Mit gewaltigem Ruck sind wir vom 'Ende' der Thora, von wesot Habracha
(und dies ist der Segen, = Name des letzten Toraabschnittes) wieder an den
Anfang der Heiligen Schrift versetzt worden, zur Sidra (Wochenabschnitt) Bereschit
('Am Anfang'). Eine Demonstration, ein seelischer Protest: für uns gibt
es kein Ende der Tora. Sie rollt schon am Simchas Thora, wenn das letzte
Kapitel des Pentateuch verlesen ist, gleich auch Bereschit. Wie die
begeisterte Menge den großen Künstler zur Wiederholung seiner herrlichen
Darbietung und Leistung herausfordert, so ruft eine Stimme in jüdischen
Gotteshäusern 'Da Capo, da Capo', wenn das 'vor den Augen ganz
Israels' (5. Mose 34,12) verklungen ist. 'Von vorne an, es war zu
schön!' Der Neuling bleibt bekanntlich ewig jung. Und wir alle möchten
jung sein. Darum wieder Bereschit. Die Tora soll und ewig neu
bleiben, die ich dir heute befohlen habe, als sei sie heute uns befohlen
worden, als hätte heute erst die Offenbarung am Sinaiberg
stattgefunden..." |
Aus
dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Kollekte für die Kinderheilstätte in
Kissingen (1903)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
8. Januar 1903: "Dettelbach, 31. Dezember (1903). Am
Chanukkafeste wurde durch Herrn Kultusvorstand Moritz Wiesengrund in
hiesiger Gemeinde eine Kollekte veranstaltet für die unter Verwaltung des
Herrn Dr. P. Münz - Nürnberg stehende Kinderheilstätte in Kissingen.
Die Sammlung hatte das erfreuliche Resultat, dass 120 Mark an den
Rendanten des Unternehmens, Herrn Bankier Ottensoser - Nürnberg, abgeführt
werden konnten." |
Zum Anschluss der jüdischen Gemeinde Bibergau nach
Dettelbach (1907)
Bericht
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Juni 1907: "Dettelbach
(Unterfranken), 18. Juni (1907): Am vergangenen Erew Rosch HaChodesch
(gemeint 12. Juni 1907) fand in dem dreiviertel Stunden von hier entfernten Bibergau
eine eigenartige Feier statt. Die dortige jüdische Gemeinde ist seit Jahren in
starkem Rückgang begriffen und hat sich jetzt aufgelöst. Von einst mehr als 40
Haushaltungen sind nur noch zwei verblieben. So wurde die Gemeinde Bibergau der
zu Dettelbach einverleibt. Am Erew Rosch HaChodesch fand man sich nun zu
einem feierlichen Abschiedsgottesdienste in der altehrwürdigen Synagoge
zusammen. Nach den üblichen ...Gebeten hielt Herr Lehrer Mannheimer von hier
eine Ansprache, in der er die Bedeutung der denkwürdigen Stunde hervorhob. Ein
Jahrhunderte altes Gemeindeleben fand seinen Abschluss. Bilder einer hehren
Vergangenheit zogen am geistigen Auge der Anwesenden vorüber, die jetzt zum
letzten Male die im altjüdischen Stil gehaltene Synagoge zum Ort ihrer
Gebetsversammlung machten. Als man die heilige Lade zum letzten Male zu den Schemot
öffnete und das Schma ("Höre Israel") ertönte, da fühlte
jeder den ergreifenden Ernst dieser Abschiedsfeier. Und in Friedensakkorden klang
sie aus: das älteste noch ortsansässige Mitglied verrichtete zum Schluss ein
Kaddischgebet: man verließ den geweihten Ort mit der schönen Bitte "Oseh
Schalom" usw. ("der Frieden schafft..."). - Kein Auge blieb
tränenleer. In seiner Ansprache betonte Lehrer Mannheimer, dass die Gemeinde
Dettelbach nicht ein 'froher Erbe' sei. Sie hätte gewünscht, dass die
Schwestergemeinde noch lange freundnachbarlich neben ihr blühte. Sie sei sich
wohl bewusst, ein heiliges Gut zu überkommen und damit auch heilige Pflichten.
Mit tiefer Wehmut entnahm man dann der heiligen Lade die sieben Torarollen und
brachte sie hierher. Der denkwürdige Akt wird jedem der Teilnehmer
unvergesslich bleiben".
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Vortrag von Louis Kahn (Frankfurt) (1911)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom
10. März 1911: "Dettelbach (Unterfranken), 6. März. Heute Abend
sprach hier Louis Kahn - Frankfurt am Main namens der Kommission für
ländliche Wohlfahrtspflege, Abteilung der 'Freien Vereinigung für die
Interessen des orthodoxen Judentums'. In glänzender Rede verstand es Herr
Kahn, alle Zuhörer zu fesseln, ja zu begeistern. An unserem Auge zog ein
Bild der zeitgenössischen Judenheit, des modernen Judentums mit allen
dasselbe bewegenden Problemen und Zeitfragen vorüber, belegt mit den
Zahlen der Statistik. Wir sagen dabei die außerordentlich verzweigte und
fürsorgliche Tätigkeit der 'Freien Vereinigung' im Interesse der echten
Wahrheit und Gottesfurcht. Das eine ist sicher: viele - selbst Orthodoxe -
ahnen kaum, was die 'Freie Vereinigung' selbstlos leistet und selbstlos
verschweigt! Herr Kahn öffnete manchem die Augen, und alle Anwesenden
zeichneten sich sofort als Mitglieder ein." |
Freizeit der Esra-Gruppe Fürth in Dettelbach (1924)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
25. September 1924: "Aus einer Ferienkolonie. Von A. Mannheimer in
Dettelbach. Während des Monats August weilte die Esragruppe Fürth am
hiesigen Orte, etwa 22-25 Kinder, im Alter von 10-15 Jahren. Es waren
Wochen freudigen Erlebens, nicht nur für die Esräer; die ganze Gemeinde,
jung und alt nahmen innigen Anteil am Leben und Treiben der Jugendgruppe.
Am Schabbot, 2. August, fand durch den Kultusvorsteher H. Sittenheim im
Schulzimmer die offizielle Begrüßung statt in Gegenwart der ganzen
Gemeinde. Die ehemalige Schülerin Ella Frenkel, jetzt auf der Realschule
in Kitzingen, trug ein größeres Poem vor, gedachte der schweren Aufgabe
der Führer und Führerinnen und überreicht in sinnige Deutung zwei
Blumensträuße, dem 'gedenke' und 'bewahre' entsprechend,
ebenso ein Körbchen Obst als Schabbatfreude. Der Führer, Herr
Benno Heinemann, dankte unter Zugrundlegung von Toraworten. Eine
'Anfreundung' mit der Gemeinde hatte freilich schon einige Tage vorher im
'Löwen' stattgefunden, dem zum Esraheim eingerichteten Gasthaus. Und das
ist gut so. Gerade auf kleineren Plätzen wirkt der Aufenthalt einer
Ferienkolonie, die im Geiste der Tora lebt und strebt, auffrischend
und anregend. Das tägliche Minjan, die täglich festgesetzten Lernstunden
im Kizzur und anderen Disziplinen, die gemütvoll gestalteten
Freitag-Abende mit ihren Gesängen, zum Teil nach östlichem
Milieu, das Fungieren der Jungens als Vorbeter und Vorleser,
der verständnisvolle Vortrag der Klagelieder am Tischo-boav (9. Av),
das genaue Festhalten an den Geboten, die strengreligiöse Führung
im allgemeinen, das alles kann nur vorteilhaft abfärben auf das
Gemeindeleben an kleineren Orten. Hier wird ad oculos der Beweis erbracht,
wie man als Torajude nicht nur leben kann, sondern auch an den Freuden des
Daseins, an weltlicher Bildung zu partizipieren vermag. Wir kennen andere
Gruppen der Esra zu wenig, um hier ein Urteil im allgemeinen abzugeben.
Aber das Eine können wir ohne Übertreibung feststellen: Wenn
allenthalben der Geist herrscht, wie er die Fürther beseelt, dann steht
es nicht schlecht um die toratreue Erziehung der Jugend. Auf Grund
jahrzehntelanger Lehrtätigkeit bezeugen wir gerne, dass derartige
Kenntnisse und Wissensschätze in der schriftlichen und mündlichen
Tora nie und nimmer in den kärglichen 'Religionsstunden' des
landläufigen Schulunterrichts errungen |
werden
können. Die Esra ist einfach eine Lebensnotwendigkeit. sie bedeutet einen
schönen Schritt vorwärts im Vergleich zu den letzten 10-15 Jahren. Wir
fanden unter den Jungens viele recht wackere 'Lernkundige' und im
Mädchen-Schiur (Lernstunde) zeigten die jungen Damen großes
Interesse und Verständnis an Chumesch (5 Bücher Moses) und den Dajanim.
Alle diejenigen, welche die Esra finanziell als Gönner ausgestattet - wir
dürfen wohl, ohne andere zurückzusetzen, die Namen Hutzler und
Pretzfelder, Ruco A.G., Farntrog u.a. nennen - oder die idealen Ziele
gefördert und unterstützt - sie alle dürfen sicher sein, ein höchst verdienstliches
Werk geschaffen zu haben, um die Tora groß und schön zu machen. Möge
das süße Bewusstsein der edlen Tat auch für die Zukunft ermutigend
wirken. Seid stark und fest.
Zum äußeren Verlauf des Ganzen sei noch ergänzend erwähnt, dass die
Gruppe häufig Besuch hatte; Eltern und Freunde von fern und nah ließen
sich sehen. Auch Herr Rabbiner Dr. Breslauer - Fürth ließ sich zur
Freude aller sehen. Außer Wanderungen in die schöne Umgegend seien ein
Ausflug nach Würzburg zwecks Besichtigung der Residenz erwähnt und eine
Trefffahrt mit den norddeutschen Esräern nach Lohr.
Leider war das Wetter nicht immer günstig. Die Esräer ließen sich
dadurch nicht verstimmen. Deklamatorische Vorträge, dramatische
Darbietungen, Spiele auf dem Sportplatz am Maine sorgten für Abwechslung.
Klavierspieler und -spielerinnen und junge Geigenkünstler boten ihr
Bestes und zeigten, dass Tora mit respektvollem Umgang in der Esra -
Fürth harmonisch sich vereinigt. Zahlreiche fotografische Aufnahmen, die
Herr Heinemann ausführte, bilden historische bleibende Erinnerungen an
den Aufenthalt in Dettelbach. Und - last not least - der
hauswirtschaftlichen Leiterin Frl. Hanna Munk -Berlin ist nach den anstrengenden
Wochen herzlich Ruhe und Erholung zu gönnen. Es ist keine Kleinigkeit
für eine vielköpfige Familie täglich zu sorgen und es war nur
selbstverständlich, dass freundliche Esraschwestern aus Fürth,
Würzburg, Berlin helfend zur Seite standen. Nicht vergessen seien auch
die ersten Pfadfinder für den Aufenthalt dahier: Herrn Landau, Zuckermann
und Frl. Deutsch in Fürth. Hoffen wir, im nächsten Jahre - mit Gottes
Hilfe - die Gruppe wieder in unseren Mauern begrüßen zu
dürfen." |
Über einen Toraschild in Privatbesitz (1927)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Dezember 1927: "Toraschild.
Eigentum des Herrn Siegbert Feldheim, Weingroßhändler in Dettelbach am
Main, Bayern. Das Taß ist silbern und 41 cm hoch, 34 cm breit, hat ein
Gewicht von fast 3 Pfund. Bildet Familienerbstück.
Nach genauen Forschungen des Kunsthistorikers Theo Harburger in München,
der vom bayerischen Gemeindeverband mit der Inventarisierung der
jüdischen Kunst- und Kultusdenkmäler in Bayern betraut ist, und der auch
das Lichtbild herstellte, ist das Toraschild 1695 - 1705 von dem
Augsburger Goldschmiedemeister Mattheus (oder Markus) Wolff hergestellt.
Der Meister ist 1716 gestorben." |
Abbildung
links: das in der Zeitschrift "Der Israelit" abgebildete Foto
von Theo Harburger wurde 1998 erneut publiziert, siehe unter Fotos und in
der Literaturliste unten. |
Freizeit der Esra-Gruppe Frankfurt in der Maiersmühle bei
Dettelbach (1931)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. August 1931: "Der
Esra in Dettelbach am Main. Nach vierwöchentlichem Aufenthalt schied
die Esra-Knabengruppe - Frankfurt am Main aus unserem schönen,
altertümlichen Main- und Weinstädtchen. In der idyllisch 10 Minuten
außerhalb des Ortes gelegenen 'Maiersmühle' entfaltete sich ein dort
niemals erträumtes jüdisches Leben durch die etwa 35 Köpfe starke
Ferienkolonie, die Führer und Wirtschafterinnen inbegriffen. In dem sonst
so stillen, isoliert gelegenen Anwesen konnte man sich ungeniert
'ausleben', oren (beten), singen, lernen. Ein Spielplatz nebenan
bot Gelegenheit zur körperlichen Kräftigung, ein zur Mühle gehörendes
Wäldchen mit Tischen und Bänken lud zum kühlen Aufenthalt ein, der Main
zu erfrischenden Bädern. Die Wirtschafterinnen sorgten für eine
tadellose 'Küche' und fanden ungeteiltes Lob. Am Schabbos aß man
'kalt'...
Auch für die Geistesnahrung war vorzüglich gesorgt. Man hielt täglich
zwei Schiurim (Lernstunden) von je 1 1/2 Stunden. Es wurde in
Gemoro in zwei Abteilungen ... gelernt, in Tenach (hebräische Bibel) das 2.Samuel-Buch
und Micha, außerdem Sidra (Wochenabschnitt) mit Raschi.
Die Führer und Dozenten - M. Posen, S. Lange, Leo Ansbacher, M. Breuer -
Frankfurt am M. und M. Lustig - Kitzingen,
folgten dem Prinzip des Arbeitsunterrichtes und der Arbeitsgemeinschaft.
Sehr anregend gestaltete Herr Lustig auch eine Aussprache über Zölle und
Freihandel, über Tausch- und Kaufwert, in zwei Stunden. Man suchte hier
auch den Weltblick des Jugendlichen zu erweitern und konnte so manches
reife Urteil hierbei hören. Die Gemeinde Dettelbach hatte am ersten Freitagabend
des Esra offiziell begrüßt; außerdem hielt Frl. Lotty Benjamin beim
Mittagsmahle eine längere poetische Ansprache unter Überreichung zweier Blumensträuße
und eines Körbchens Schabbat-Obst. Herr Hauptlehrer Mannheimer
hielt in der Esragruppe einen informierenden Vortrag über die Kinnot
(Trauergedichte, Klagegebete zum 9. Aw), ein zweites Mal über jüdische
Sprichwörter und Redensarten. Durch die Heranziehung fast aller Jugend
als Vorbeter und Toraleser war ohnedies der engste und schönste
Kontakt mit der Gemeinde gefunden. Bei der Abschiedsfeier in der Synagoge
war die Gemeinde vollzählig erschienen. Der Esra erfreute durch
Darbietung jüdischer Gesänge. Es hielten Ansprachen Herr Posen für den
Esra, Herr Kultusvorstand Sittenheim und Herr Hauptlehrer Mannheimer boten
Abschiedsgrüße für die Gemeinde. In der politisch bewegten Gegenwart
mag nicht unerwähnt bleiben, dass nicht der leistest Missklang den
Aufenthalt der Esra in Dettelbach störte. Es waren gern gesehene Gäste.
In dem gut katholischen Städtchen hat man noch Sinn und Verständnis für
konservative Lebensauffassung und Lebensäußerung auch Andersgläubiger,
auch der Juden. Umso begreiflicher der Entschluss des Esra, auch in den
nächsten Jahren hierher zu kommen. Inzwischen sei stark und wir
werden uns gegenseitig stärken..." |
Freizeit der Esra-Gruppe Frankfurt in der Meiersmühle
bei Dettelbach (1932)
Bericht in der Zeitschrift "Der Israelit" am 4.
August 1932. "Dettelbach am Main, 24. Juli (1932). Die Esragruppe
Frankfurt am Main weilt wieder in unserem freundlichen Städtchen und hat unter
den alten Führern - J. Lange und M. Breuer - ihre altes Heim bezogen, die
idyllisch gelegene "Meiersmühle", welche von Wald, Wiese, Wässerlein
und Weinbergen umrahmt ist. Etwa 12 Minuten vom Orte entfernt, kann man sich
dort unbehindert und ungeniert jüdisch "ausleben". Der Esra hat seine
eigene Sefer Tora (Torarolle) dabei, die Jungens fungieren abwechselnd als
Vorbeter und Baal Kore (Leser der Tora), man lernt täglich Gemara in
mehreren Abteilungen, auch ein Tanach- (Bibel) und Damenschiur (Damen-Lernstunde)
bestehen. Dazwischen sind kleine Vorträge und "Aussprachen"
eingeschoben. Sport, Spiel, Spaziergang und Mainbad vollenden das altjüdische
Idealbild. In diesem Rahmen muss vor allem auch der Küche gedacht werden. Es
ist in der Tat eine kleine Aufgabe, die sich die Wirtschaftsdamen - Frl. Posen,
Aron, Bamberger, Lange, Nußbaum - gestellt, um täglich für den gesunden
Appetit und Geschmack von 30-35 jungen Personen zu sorgen. Doch die Damen lösen
die Aufgabe mit ebenso viel Liebe als Ausdauer und Vorsicht. Ob die Fleischtöpfe
Ägyptens wohl das Volumen hatten wie die des Esra? Genug, Quantität und
Qualität geben sich einander nichts nach und den Lohn, den die
Wirtschafterinnen zum Ende einheimsen, haben sie redlich und sauer verdient.
Trotz der politischen Hochspannung gibt es keinerlei Reibungen oder
Belästigungen. Allerdings sorgt der Esra durch taktvolles Auftreten dafür
nicht zu provozieren. Mögen dem Esra sonnige Tage beschieden sein zu seinem
Land- und Ferienaufenthalt."
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Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Raubmord an dem jüdischen Ehepaar Feldheim (1868)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
4. März 1868: "Dettelbach, 24. Februar (1868), In der verflossenen
Nacht wurde dahier ein grässlicher Raubmord an dem 74jährigen Feldheim
(Israelit) und seiner hoch in den sechziger Jahren stehenden Frau verübt.
Nachdem die Magd derselben, die einzige Person, die noch im Hause
mitwohnt, zum Tanz gegangen, schellte ein Mann an der Türe, dem arglos
geöffnet wurde. Nach kurzer Zeit hörte man von Seiten der Nachbarschaft
in dem sonst so stillen Häuschen ungewohntes Lärmen, das jedoch bald
wieder verstimmte. Da nun auf wiederholtes Anläuten kein Lebenszeichen
aus dem Hause gegeben wurde, so holte man die Magd vom Tanzplatze und
sperrte die Türe auf, wo man alsbald beide Eheleute grässlich ermordet
im Blut schwimmend fand. Feldheim, durch 16 Stiche schrecklich
verstümmelt, lebte noch einige Augenblicke und äußerte, der Mörder
müsse ein Schmiedgeselle gewesen sein, in Folge dessen man bei einem
solchen im Verdacht Stehenden sogleich Nachsuchung anstellte und denselben
auch mit dem Abwaschen des Blutes beschäftigt in seiner Wohnung antraf.
Er ist der Tat bereits geständig; der gestohlene Betrag soll 10 Gulden
betragen!! (W.A.)." |
Zum 100. Geburtstag von Gitel Wiesengrund (1900)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
31. Oktober 1900: "Dettelbach, Bayern, 24. Oktober (1900). Der
heutige Tag wird vielen in unserer Gemeinde unvergesslich bleiben. Frau
Gitel Wiesengrund, die hier 65 Jahre gelebt und nun bei ihren Verwandten
in dem nahen Großlangheim weilt, wurde 100 Jahre alt. Das seltene Fest
des 100. Geburtstages wurde würdig begangen. Zu der noch rüstigen
Greisin eilten fast sämtliche hiesige Verwandten. Die politische Gemeinde
entsandte Herrn Stadtkämmerer Mann mit Glückwunsch und Ehrengeschenk,
die jüdische Gemeinde überreichte durch ihren 2. Vorsteher Herrn
Weichselbaum die von Herrn Lehrer Mannheimer kunstvoll ausgestattete
Adresse nebst Ehrengabe. In dem festlich geschmückten Hause der
Jubilarin, die sich nach den persönlichen und familiären Verhältnissen
aller Gratulanten und Bekannten erkundigte, nahm die einfache Feier einen
schönen Verlauf. Zahlreiche Telegramme und Briefe liefen ein, z.T. aus
weiter Ferne. Rührend war, als die Gefeierte mitteilte, sie habe letzten
Versöhnungstag ausgezeichnet den ganzen Tag gefastet, in der Tat eine
seltene Sechiah. Möge der, der dem Müden Kraft gibt (Jesaja
40,29) der Jubilarin noch viele Jahre in Gesundheit und Rüstigkeit
verleihen bis 120 Jahre. Amen." |
Zum Tod von Karolina Wiesengrund (1902)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Oktober 1902: "Dettelbach
(Unterfranken). Am Vorabend des Simchas-Thorafestes starb dahier Frau
Karolina Wiesengrund, die Mutter unseres Herrn Kultusvorstehers. Die
am Sonntag 26. Oktober, stattgehabte Beerdigung zeugte von der großen
Beliebtheit und Achtung, deren sich die Heimgegangene zeitlebens erfreute.
Von Nah und Fern, besonders zahlreich von Würzburg, waren Freunde und
Bekannte erschienen, der Verblichenen die letzte Ehre zu erweisen. Der
Herr Bürgermeister, städtische und Gerichtsbeamte dahier, folgten dem
Zuge. Herr Lehrer Mannheimer hob in seiner Grabrede die edlen
Charakterzüge der Heimgegangenen hervor, die in Gottvertrauen sich aus
kleinlichen Verhältnissen emporgearbeitet im Vereine mit ihrem um elf
Jahre früher dahingegangenen Gatten. Ihre Wohltaten spendete sie ohne
Ansehen der Person, ohne Unterschied der Konfession. Ein wahrhaft
patriarchalisches Verhältnis waltete zwischen der Verklärten, ihren
Kindern und Enkeln, die in ihr die beste Mutter betrauern, wie die
israelitische Gemeinde ein schätzenswertes Mitglied. Im Alter von 72
Jahren starb sie eines sanften Todes nach kurzem Krankenlager; sie wurde
nach Schwanfeld bestattet. Ihr
Andenken wird ein gesegnetes bleiben. Möge die Erde ihr leicht sein und
Gott die Hinterbliebenen trösten und aufrichten im Bewusstsein allseitig
treu erfüllter Kindespflicht. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund
des Lebens." |
Zum Tod von Rosa Kleeblatt (1911)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
31. August (1911). "Dettelbach, Unterfranken, 28. August
(1911). Hier verstarb nach längerem Leiden Frau Rose Kleeblatt - sie
ruhe in Frieden -. Sie zählte zu den gut religiösen Frauen, die die
frommen Grundsätze des Elternhauses nicht so leicht vergessen.
Frömmigkeit, Wohltätigkeit, bescheidenes Wesen waren ihre Hauptzierden.
Still und friedfertig hatte sie nur Freunde, keinen Feind. Den Armen
öffnete sie stets Tür und Haus. Schabbat und Feiertag
ehrte sie. Kein Fasten war ihr zu beschwerlich. Im Gotteshause war
sie die erste und letzte. Glücklich fühlte sie sich, ihre einzige
Tochter an einen religiösen Mann verheiratet zu wissen. Ihr Andenken wird
unter uns stets ein gesegnetes bleiben. Möge sie den Lohn ihres edlen
Tuns ernten und Gott ihre Hinterbliebenen trösten und stärken. Ihre
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
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Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 1. September
1911: "Dettelbach. Hier verschied nach längerem Leiden Frau
Rosa Kleeblatt, eine Frau altjüdischer Tugenden und
Lebensbetätigung." |
Zum Tod des Gemeindevorstehers Moritz Wiesengrund (1913)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 21.
Februar 1913: "Dettelbach. Moritz Wiesengrund, Vorstand der
israelitischen Gemeinde und des Handelsgremiums, eifriges Mitglied der
Volkspartei, ist - erst 48 Jahre alt - verschieden. Auch wegen seiner
Wohltätigkeit erfreute er sich großer Achtung." |
Wahl von Hirsch Sittenheim und Hermann
Weichselbaum in den Stadtrat (1930)
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Januar 1930:
"Dettelbach (Bayern), 25. Dezember 1930: Die beiden Kultusvorstände,
Herr Hirsch Sittenheim und Herr Hermann Weichselbaum, wurden mit großer
Stimmenzahl in den Stadtrat gewählt, ersterer zum 3. Male, letzterer zum
2. Male. Ein erfreuliches Zeichen konfessionellen Einverständnisses.
Bemerkt sei, dass beide Gewählten auf verschiedenen Listen
standen."
|
Zum Tod von Ernestine Friedenthal (1935)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
7. März 1935: "Dettelbach (Unterfranken), 4. März (1935). Hier
starb im gesegneten Alter von 91 Jahren Frl. Ernestine 'Friedenthal. Sie
stammte aus Oberlauringen und
erzählte gerne von dieser großen altjüdischen Gemeinde Unterfrankens.
Die Beerdigung fand nach Schwanfeld
statt, unter starker Beteiligung auch der nichtjüdischen Bevölkerung.
Sie ruhe in Frieden. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod von Jani Wiesengrund und Sara Sittenheim (1935)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Dezember
1935: "Dettelbach, 4. Dezember (1935). Unsere leider sehr
zusammengeschmolzene Gemeinde hat neuerdings zwei schmerzliche Verluste zu
verzeichnen. In Köln, wo sie die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte,
starb im gesegneten Alter von fast 84 Jahren Frau Jani Wiesengrund seligen
Andenkens. Mit ihr ist das Haupt der hierorts alteingesessenen Familie
Wiesengrund dahingegangen. Sie stand bei allen Bekannten in hohem Ansehen.
Ihr Gedenken bleibt gesegnet. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund
des Lebens."
Dettelbach, 5. Dezember (1935). Am Dienstag, den 25. November,
wurde die Gattin unseres Kultusvorstandes, Frau Sara Sittenheim, im Alter
von 72 Jahren durch einen sanften Tod von einem mehrjährigen Leiden
erlöst. Sie stammte aus Pflaumloch
bei Nördlingen und war hierorts durch ihre Friedensliebe und stille
Wohltätigkeit allseits geschätzt und geachtet, insbesondere auch bei der
nichtjüdischen Bevölkerung. Sie wurde nach Würzburg überführt. Die
vielen Besuche im Trauerhause, namentlich aus Würzburg, bewiesen die
Beliebtheit der edlen und schlichten Frau. Ihr Bild bleibt in der
Erinnerung aller Einwohner unseres Städtchens für immer bestehen, Möge
sie in Frieden ruhen. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Familie Hermann Weichselbaum übersiedelt nach Erez
Jisroel (1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
5. November 1936: "Dettelbach am Main (Bayern), 29. Oktober.
Am Donnerstag, den 29. Oktober, nahm Familie Hermann Weichselbaum Abschied
von hier, um zu Kindern und Enkeln in Erez Jisroel überzusiegeln. Der
Weggang dieser hoch angesehenen Familie bedeutet für unsere leide
dezimierte Gemeinde einen schweren Verlust. Herr Weichselbaum war fast 28
Jahre lang zweiter vorstand und Kassier und fand das unbegrenzte Vertrauen
der Gemeinde. Sein finanztechnisches Geschick machte ihn zu einem auch in
der Ferne geschätzten Steuerberater. Der Verband jüdischer Gemeinden
Bayerns verdankte ihm manche Anregung und vermisst seinen Rat ungern. Das
Haus Weichselbaums bot den Armen echt jüdische Gastfreundschaft, stets
freundliche Aufnahme und reichliche Verpflegung. Es war rührend, zu
hören, wie Herr Weichselbaum vor der Abgabe seines Kassieramtes noch
Sorge getragen hatte für die Armen, 'seine Armen'. Am Feiertag Simchat
Tora ehrte ihn die Gemeinde mit dem Ehrenamt eines Chatan Tora
(= 'Bräutigam der Tora', d.i. die ehrenvolle Aufgabe, das letzte Kapitel
der Tora an diesem Tag zu lesen). Um zum Abschiede überreichte ihm die
dankbare Gemeinde eine künstlerisch ausgestattete Ehren-Urkunde durch den
zweiten Vorsteher und Nachfolger im Kassieramte, Herrn H. Steinberger, der
eine ergreifende Ansprache hielt. Die Verbundenheit mit der Gemeinde zeigt
Herr Weichselbaum noch dadurch, dass er den Kidduschwein auch noch weiter
spendet, ebenso ein Quartal ewiges Licht. Wir scheiden von Familie
Weichselbaum mit einem Wunsch: er segne dich von Zion". |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Neujahrglückwunsch von Philipp Wolff
(1902)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. September 1902: "Eine
gute Einschreibung und Besiegelung und ein gutes neues Jahr wünscht
Philipp Wolff, Dettelbach am Main". |
Lehrlingssuche des Manufaktur- und
Konfektionsgeschäftes Ludwig Schloß (1903)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Januar 1903:
"Suche per sofort einen
Lehrling, eventuell jüngeren Commis.
Ludwig Schloß, Manufaktur und Konfektion, Dettelbach am Main." |
Verlobungsanzeige von Mosella Plaut und Dr. jur. Sieghart
Weichselbaum (1925)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Oktober 1925:
"Statt Karten Mosella Plaut - Sieghart Weichselbaum
Dr. jur.
Verlobte
Frankfurt am Main Gwinnerstraße 8 - Bamberg,
Ottostraße 17/Dettelbach am Main." |
Verlobungsanzeige von Meta Forchheimer und Max
Weichselbaum (1933)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Oktober 1933:
"Statt Karten Meta Forchheimer - Max Weichselbaum.
Verlobte.
Hessdorf bei Gössenheim - Dettelbach
am Main." |
Weitere Dokumente
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries)
Zur Geschichte der Synagoge
Vermutlich aus dem 18. Jahrhundert oder spätestens vom Anfang des 19.
Jahrhunderts stammte eine alte Synagoge, die im Zusammenhang mit der
Einweihung der neuen Synagoge genannt wird. Mitte des 19.
Jahrhunderts dürfte diese erste Synagoge nicht mehr den Ansprüchen genügt
haben, war zu klein oder bereits baufällig. Jedenfalls beschloss die jüdische
Gemeinde den Bau einer neuen Synagoge. Sie wurde am 18. September 1862
eingeweiht. Die Einweihung nahm der Würzburger Bezirksrabbiner Bamberger
vor. Ein Bericht über die Einweihungsfeier wurde in der Zeitschrift "Der
Israelit" am 22. Oktober 1862 veröffentlicht:
Die Einweihung der Synagoge im September 1862:
Dettelbach bei Würzburg, 19. September (1862). Gestern
fand die Einweihungsfeierlichkeit der neuen Synagoge dahier durch den Herrn
Distriktsrabbiner Bamberger aus Würzburg statt. Dieselbe ging, dem ausgegebenen
Programm entsprechend, in folgender Weise vor sich: Nachdem von dem Festkomitee
für passende Dekoration der Synagoge, des Synagogen-Hofes etc. etc. in
rühmlicher Weise gesorgt, wurde Vormittags von Seite der israelitischen
Kultusgemeinde der Wohltätigkeit gegen die Armen aller Konfessionen würdig
Rechnung getragen.
Um 1 Uhr fand des Vesper-Gebet in der alten Synagoge statt. Nach Beendigung
desselben hielt der Rabbiner an die zahlreich versammelten Anwesenden eine
kurze, jedoch höchst rührende und sinnreiche Ansprache, auf das Verlassen des
alten Bethauses und die Übersiedlung in das neue Bezug habend. Sodann begann
der feierliche Zug von der alten Synagoge in die neue. Unter Vorantritt der
Musik der Schuljugend, geführt von dem Religionslehrer ging unmittelbar vor dem
Herrn Rabbiner das 10-jährige Töchterchen des praktischen Arztes Dr. Bing, den
Schlüssel zur neuen Synagoge auf einem Kissen tragend, dann der Herr Rabbiner
in Amtskleidung, mit einem Begleiter aus dem Festkomitee zur Rechten und einem
zur Linken, eine mit kostbaren Kleinodien und Blumenkränzen geschmückte Tora
im Arme haltend. Hierauf folgten die königlichen Beamten hiesiger Stadt in
Uniform, das Stadtkollegium, die israelitische Kultusgemeinde, eine große
Anzahl christlicher Mitbürger, meist den höheren Ständen angehörig, und eine
Menge auswärtiger Fremden. Am Vorhofe der neuen Synagoge angekommen, hielt das
erwähnte 10jährige Mädchen beim Überreichen des Schlüssels eine kleine
Ansprache an die Gesetzesrolle, den Herrn Rabbiner und alle Anwesenden, welche
Ansprache alle Hörer tief ergriff, und hinsichtlich des Vortrages allgemeine
Bewunderung hervorrief. In der neuen Synagoge angekommen, wurden einige Umzüge
in deren Säulengängen, unter Absingung mehrerer Gebete und Psalmen mit
Musikbegleitung abgehalten, worauf die Einweihungsrede und am Schlusse derselben
das Gebet für das Wohl Seiner Majestät des Königs, Ihrer Majestät der
Königin und des königlichen Hauses folgte. Diese Rede in allen ihren Teilen
streng durchdacht und rhetorisch geordnet, verbreitete sich über den wahren
Zweck der Gotteshäuser, nämlich die Erkenntnis und unbegrenzte Verehrung des
Herrn, aufrichtige Liebe zu allen Menschen ohne Ausnahme immer mehr zu beleben
und zu bekräftigen. |
Die Rede rührte alle Anwesenden, und ließ sowohl
hinsichtlich des Vortrages als der herrlichen Gedankenfülle nichts zu wünschen
übrig. Ist auch Herr Rabbiner Bamberger als ein höchst geistreicher, gelehrter
Mann und Redner schon längst bekannt, so hat er bei dieser Feier hiervon
wiederholt glänzende Beweise abgelegt, wofür ihm auch von allen Anwesenden,
worunter auch mehrere christliche Geistliche, volle Anerkennung zuteil geworden.
Es war als ein rührendes Zeichen wahrer Bruderliebe zu erkennen, wie sich
Israeliten und Nicht-Israeliten am Tage des Herrn gemeinsam freuten, und an dem kirchlichen
und weltlichen Feste Teil nahmen. Dank und Anerkennung den Herrn Beamten und
übrigen christlichen Mitbrüdern, welche ein so schönes Zeugnis echter
Bruderliebe ablegten, und hierdurch wesentlich zur Verherrlichung dieses unvergesslichen
Festes beitrugen. |
Von der Synagoge sind noch kolorierte Zeichnungen aus der Bauzeit vorhanden
(Originale in den Central Archives, Jerusalem). 1901 und 1933 wurde die
Synagoge renoviert. Im Synagogengebäude war auch die Israelitische Schule (bis 1924 Jüdische
Volksschule, danach noch Religionsschule) mit zwei Schulräumen sowie die
Lehrerwohnung (vgl. die eindrückliche Schilderung zum Tod der Frau des Lehrers
Mannheimer oben: zwischen ihrem Sterbezimmer und der Frauenempore war nur eine
Wand, durch die sie in ihren letzten Tagen noch die Gebete am Pessachfest
anhören konnte).
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge nicht zerstört, dennoch
geschändet: nach Augenzeugenberichten hat der Bürgermeister selbst den Vorhang
des Toraschreines in der Synagoge angezündet.
Nach 1945
war eine Zeitlang ein Teil der Dettelbacher Volksschule im Synagogengebäude untergebracht.
1962 wurde die ehemalige Synagoge abgebrochen. An ihrer Stelle wurde ein
Neubau der
Zweigstelle Dettelbach der Kreissparkasse Kitzingen erstellt.
1988 war nach Israel Schwierz (s.Lit. 1. Aufl. 1988 S. 46) die Anbringung
einer Gedenktafel mit folgendem Wortlaut geplant: "An dieser Stelle stand
die 1862 erbaute Synagoge der jüdischen Kultusgemeinde Dettelbach. Nach 1938
wurde sie als Volksschule genutzt. 1962 musste dieses Gebäude dem Neubau der
Sparkasse weichen. Die Stadt Dettelbach gedenkt ihrer ehemaligen jüdischen
Mitbürger."
Tatsächlich wurde 1989 nur eine Hinweistafel mit einem kürzeren und
auch fehlerhaften Text angebracht: "An dieser Stelle stand 1862 die erbaute
Synagoge der jüdischen Kultusgemeinde Dettelbach Nach 1938 wurde das Gebäude
als Volksschule genutzt."
Anmerkung: die Inschrift der Tafel müsste richtig lauten: "An dieser
Stelle stand die 1862 erbaute Synagoge..."
Adresse/Standort der Synagoge: Häfnermarkt 4
Fotos
Historische
Fotos des Synagogengebäudes sind nicht bekannt,
Hinweise bitte an den Webmaster von
Alemannia Judaica: Adresse auf der Eingangsseite. |
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Das Gebäude des ehemaligen
jüdischen
Gemeindezentrum mit Synagoge, Schule
und Lehrerwohnung - Foto
vermutlich
aus den 1960er-Jahren; Quelle:
Pinkas Hakehillot
s.Lit. |
Toraschild aus
Privatbesitz in der Dettelbacher Gemeinde (Toraschild = Schmuck
der Torarolle über dem Toramantel). Foto
von ca. 1927 aus der Sammlung
Harburger:
Quelle: Central Archives for the
History of the Jewish People, Jerusalem;
veröffentlicht in Th.
Harburger: "Die Inventarisation jüdischer Kunst- und
Kulturdenkmäler in Bayern.
1998, vgl. Artikel oben |
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Eingang zur
Zweigstelle der Sparkasse mit Gedenktafel
(Foto von www.synagogen.info;
Foto: Hans Werner Büscher) |
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Fotos 2007
(Fotos: Hahn,
Aufnahmedatum 28.5.2007) |
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Standort der ehemaligen
Synagoge -
Gedenktafel rechts des Eingangs |
Die Gedenktafel |
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Januar 2018:
Zeitzeugen berichten
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Artikel von Ralf Dieter
in "Die Kitzinger" vom 19. Januar 2018:
"DETTELBACH. Erzählungen für die Nachwelt. Zeitzeugen erinnern sich
in Dettelbach an die Schicksale der jüdischen Mitbürger.
Etwa 40 Personen waren da. Und sie hatten fast alle etwas zu erzählen.
Elisabeth Rost vom Katholischen Frauenbund hatte zum Zeitzeugen-Café ins
Pfarrheim geladen. Thema: Die jüdische Geschichte in Dettelbach. Eine
Synagoge gab es einst in Dettelbach – und eine Judenschule. Alles unter
einem Dach. Bis ins Jahr 1938. Bis die Nazis die Synagoge anzündeten. Vier
Jahre später wurden die verbliebenen jüdischen Mitbürger auf Karren geladen
und Richtung Würzburg gefahren. Von dort ging es ins Konzentrationslager –
und in den Tod. Gleich zwei Deportationen hat es 1942 gegeben. 'Wir mussten
alle zuschauen, wie die Männer mit Stöcken zusammengetrieben und auf die Lkw
verfrachtet wurden', erinnert sich Ernst Dill. Junge Burschen waren sie
damals – er, Alfons Knauer, Franz Then, Ludwig Nagel und Otto Stöcklein.
Jetzt sitzen sie im Pfarrheim und erinnern sich an die Ereignisse, die auch
in Dettelbach zu den schwärzesten Kapiteln der Geschichte gehören. Elisabeth
Rost interessiert sich für die Dettelbacher Geschichte. Noch mehr
interessiert sie sich dafür, diese Geschichte und die dazugehörigen
Geschichten für die nachfolgenden Generationen zu bewahren. Mit Zeitzeugin
Käthe Plannasch war sie vor ein paar Jahren in der örtlichen Realschule.
Dabei kam sie auf die Idee, die jüngere jüdische Geschichte Dettelbachs auch
für einen größeren Kreis an Interessenten zu thematisieren.
Seit dem 14/15. Jahrhundert sind Juden in Dettelbach nachgewiesen. Im Jahr
1928 lebten noch 58 in der Weinstadt. Mit der Machtergreifung der
Nationalsozialisten emigrierte etwa die Hälfte nach England oder in die USA.
Diejenigen, die blieben, sollten 1942 ins Konzentrationslager geschickt
werden. Keiner ist lebend zurückgekommen. 'Vor 1938 hatten wir keine Ahnung
von den antisemitischen Tendenzen im Land', erinnert sich Franz Then. 'Zu
Hause ist darüber nicht gesprochen worden.' Von einem guten Miteinander und
einem freundschaftlichen Umgang zwischen den jüdischen Kindern und den
katholischen beziehungsweise evangelischen berichten alle Zeitzeugen. Man
habe zusammen gespielt, zusammen die Nachmittage verbracht. Die Juden waren
integriert. Ernst Dill erinnert sich, dass er am Sabbat das Feuer für eine
jüdische Familie geschürt hat. Er war nicht der einzige junge Bursche
damals. 'Fünf Mark habe ich dafür bekommen. Das war mein erstes
Taschengeld.'
Dann kam das Jahr 1938. Die Synagoge, die auf dem Platz der heutigen
Sparkasse stand, wurde angezündet. Die damaligen Feuerwehrkommandanten waren
schnell zur Stelle, löschten das Feuer. 'Zum Dank' wurden ihnen eine Woche
später von den Nazis die Fensterscheiben ihrer Privathäuser eingeworfen. Wer
noch fliehen konnte, floh spätestens jetzt. Die verbliebenen Juden mussten
als Erkennungszeichen den gelben Davidstern am Ärmel tragen. Reiche Familien
wie die Laubheims verloren nach und nach ihre Güter. 'Die hatten einmal zehn
Viehtreiber gehabt', erinnert sich Alfons Knauer. Der Sohn der Familie
Laubheim musste sich dann als Straßenkehrer verdingen, die Kanäle sauber
halten. 'Er ist auch nach Dachau gebracht worden', berichtet Knauer. In der
Schule hätten die Dettelbacher Jungs gefragt, warum die Juden so behandelt
werden. Die Antwort des Lehrers: Sie seien für die Revolution im Ersten
Weltkrieg verantwortlich gewesen. Dennoch: Klammheimlich gab es auch
zwischen 1938 und 1942 Kontakt zwischen den Familien. Ernst Dill erinnert
sich an einen besonderen Tauschhandel: Gans gegen Stoff. 'Die Juden haben ja
nur halbe Essensmarken erhalten', berichtet er. Da hat er eine Gans,
notdürftig im Stroh versteckt, in ein Judenhaus gebracht. Als Gegenleistung
hat er einen Anzug genäht bekommen. Von der einst reichen jüdischen
Geschichte Dettelbachs ist nicht viel übrig geblieben. Die Gedenktafel am
heutigen Sparkassengebäude, ein ausladender runder Holztisch der Familie
Wiesengrund, der im Rathaus einen Ehrenplatz gefunden hat. Konrad Reinfelder
schreibt in seinem Buch 'Dokumentation über die Gefallenen von Dettelbach.
Gelebt, Gefallen, aber nicht Vergessen' im Anhang über die jüdische
Geschichte Dettelbachs. Kreisheimatpfleger Dr. Hans Bauer hat im örtlichen
Mitteilungsblatt 2007 einen Bericht veröffentlicht, der sich mit der
jüdischen Vergangenheit Dettelbachs beschäftigt. Jetzt gibt es neue
Erkenntnisse und Geschichten. 'Die Erinnerungen unserer Zeitzeugen sind sehr
wertvoll', sagt Elisabeth Rost. 'Die jüngere Geschichte Dettelbachs bekommt
durch sie ein Gesicht.' Natürlich sollen die Erzählungen für die Nachwelt
erhalten bleiben. Hermann Schliermann hat das Treffen im Pfarrheim gefilmt,
Robert Ubrig will sich weiter mit der Thematik befassen. 'Eventuell setzen
sich die Zeitzeugen noch einmal in einer kleineren Gruppe zusammen', sagt
Elisabeth Rost. Vielleicht gibt es ja noch Bilder und Unterlagen, die
gesichtet und dokumentiert werden können. Elisabeth Rost ist mit dem
Ergebnis ihrer Bemühungen jedenfalls zufrieden. 'Es wird in Dettelbach
wieder diskutiert über diese Zeit', sagt sie. 'Damit ist der Sinn und Zweck
meiner Arbeit schon erfüllt.'
Kontakt: Wer weitere Informationen hat, kann sich bei Elisabeth Rost vom
Frauenbund unter Tel. 0151/56080956 melden."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 281-282. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 46-47. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 450-452. |
| Beim Landesverband der Israelitischen Gemeinden in München
ist vorhanden das Protokollbuch der Israelitischen Gemeinde Dettelbach
(ab 1890), in dem auch besondere Gottesdienste in der Synagoge und
zahlreiche Ereignisse mehr beschrieben werden, vgl. dazu Ernst Roth:
Gedenken an den Lehrer Jakob Kahn. Anregung zur Feier seiner 80. Jahrzeit.
In. Allgemeine jüdische Wochenzeitung vom 25.7.1986 S. 8. |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 100. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Dettelbach
Lower Franconia. Jews are first mentioned in 1675. In the 19th century, they
mainly engaged in the wine trade. In 1837 the community numbered 130 (total
2,445). A synagogue was built in 1862. The Jewish public school was closed down
in 1924. In 1933 the Jewish population was 29. In the 1933-41 period, 18 left
the town, 15 of them emigrating from Germany. Another 12 were deported to Izbica
in the Lublin district (Poland) via Wuerzburg on 25 April 1942 and the last 11
to the Theresienstadt ghetto on 23 September 1942.
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