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Ottweiler
(Kreis Neunkirchen)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Ottweiler bestand eine jüdische Gemeinde
bis 1938/40. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück.
Erstmals werden 1723 Juden am Ort genannt. Nachdem 1776 in Saarbrücken keine
jüdischen Familien mehr zuziehen durften, zogen einige weitere in Ottweiler zu,
sodass sich bis 1786 inzwischen neun jüdische Familien niedergelassen hatten.
Mehrere von ihnen waren in Illingen
zugezogen.
Weitere Zahlen liegen aus dem 19. Jahrhundert vor: von 86 jüdischen Einwohnern
1808 stieg die Zahl auf 155 im Jahre 1833 (relativ höchste Zahl = 6,5 % der
Stadtbevölkerung) und auf eine Höchstzahl von 170 im Jahre 1843 (von
insgesamt 2.963 Personen). In der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl durch Aus- und Abwanderung
relativ schnell zurück (Prozess der Industrialisierung im Saarland,
Konzentration auf bestimmte Städte), sodass 1895 nur noch 55 jüdische Einwohner gezählt
wurden.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Israelitische Schule und seit 1842 einen eigenen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet fungiert. Prägende Gestalt
des jüdischen Gemeindelebens im 19. Jahrhundert war Lehrer Samuel Levy, der
1875 sein 50jähriges Amtsjubiläum in Ottweiler feiern konnte (siehe Bericht
unten). Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk
Trier.
Um 1925, als noch 55 jüdische
Gemeindeglieder gezählt wurden (0,8 % von insgesamt etwa 7.000 Einwohnern),
waren die Vorsteher der jüdischen Gemeinde Leo Salomon, Julius Michels, Hugo
Salm. Vorsteher der Repräsentanz was Salomon Salm. Als Religionslehrer für die
jüdischen Kinder kam Lehrer Willi Jonas aus Illingen
nach Ottweiler. An jüdischen Vereinen bestand u.a. der Jüdische
Frauenverein.
1933 lebten 70 jüdische Personen in
Ottweiler. Von ihnen ist nach 1935 etwa die Hälfte in die USA, nach
Palästina oder Frankreich ausgewandert. Beim Novemberpogrom 1938 wurden
nach der Zerstörung der Synagoge (s.u.) die jüdischen Männer von der
örtlichen SA verhaftet und nach Saarbrücken ins Gefängnis verbracht. Die
jüngeren kamen von hier aus in das KZ Dachau. Im Oktober 1940 sind die in
Ottweiler noch lebenden 13 jüdischen Einwohner nach Gurs/Südfrankreich
deportiert worden.
Von den in Ottweiler geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Emma Barth geb. Schwarz (1874), Heinrich Barth (1878),
Anna Becker geb. Levy (1862), Hugo Bonem (1884), Alfred Buxbaum (1869), Alfred
Cahn (1881), Edith Cahn (1922), Gertrud Cahn geb. Grünebaum (1888), Marianne
Cahn (1924), Oskar Zacharias Coblentz (1868), Alma
Groenheijm geb. Hermann (1896), Karoline Herrmann geb. Wolf (1861), Myrtel
Herrmann (1896), August Lang (1869), Julius Lang (1871), Karl Mai (1898), Horst Marx (1898), Rosa
Marx geb. Salomon (1897), Babette Mayer geb. Kahn (1857), Delfine Meyer (1875),
Arthur Salm (1895), Emilie Salm geb. Michel (1889), Friedrich (Fritz) Salm
(1915), Ilse Salm (1917), Kurt Salm (1923), Else (Elsa) Salomon (1896), Lion
Salomon (1869), Max Salm (1883), Margarete (Grete) Schönfeld geb. Katz (1909),
Mathilde Straß geb. Lang (1875), Karl Westheimer (1880), Elisabeth (Elisa) Willner
geb. Albert (1873), Eugenie Willner geb. Albert (1871).
Seit 2014 gab es in Ottweiler mehrere Verlegeaktionen für "Stolpersteine" zur
Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit. Weitere Informationen siehe in der
Website von
Hans Werner Büchel.
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1879 /
1886 / 1889 / 1892
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Oktober 1879: "Die
hiesige israelitische Elementarlehrerstelle, verbunden mit dem
Vorsängerdienst, ist vakant und soll sofort wieder besetzt werden. Das
Gehalt beträgt Mark 1.000 bis 1.100 nebst freier Wohnung. Tüchtige
Bewerber wollen sich gefälligst sofort unter Beifügung von Kopien ihrer
Zeugnisse an Unterzeichneten werden. Ottweiler (Regierungsbezirk Trier),
15. Oktober 1879. A. Buxbaum, Vorstand." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Dezember 1886: "Die
hiesige Stelle eines Elementarlehrers, Chasan und Schochet ist per 1.
Januar 1887 zu besetzen. Fester Gehalt 300 Mark, Schechita circa 300 Mark,
freie Wohnung und Heizung. Ottweiler, im Dezember 1886. Der Vorstand A.
Albert." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Januar 1889: "Inserat.
Die Gemeinde Ottweiler (Regierungsbezirk Tier) sucht per 1. Januar 1890
einen geprüften Elementarlehrer, Chasan und Schochet. Gehalt Mark 640,
Schechita Mark 160 Garantie bei freier Wohnung.
Reflektanten wollen unter Angabe ihrer bisherigen Tätigkeit sich wenden
an den Vorstand Isaac Haas." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Januar 1892: "Die
hiesige Elementarlehrer-, Chasan- und Schochet-Stelle ist vom 15. Januar
respektive 1. Februar 1892 zu besetzen. Gehalt Mark 600 und Schechita ca.
Mark 200 bei freier Wohnung und Heizung. Unverheiratete Bewerber wollen
sich melden bei dem Vorstand
Isaac Haas, Ottweiler (Rhein-Nahe-Bahn)." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Mai 1892: "Die
hiesige Elementarlehrerstelle, verbunden mit Chasan und Schochet ist per
sofort zu besetzen an einen verheirateten Lehrer. Gehalt Fixum Mark 750.
Schechita und Nebeneinkommen Garantie Mark 200 bei freier Wohnung und
Heizung. Kostgeld beträgt pro Tag Mark 1. Offerten sind zu richten
an
Isaac Haas, Ottweiler (Regierungsbezirk Trier)." |
Schwierigkeiten auf dem Weg zur rechtlichen
Gleichstellung: der jüdische Lehrer Samuel Levy wird auf Grund
behördlicher Einsprüche nicht als gleichwertiger Lehrer in der Schule
anerkannt (1862)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Februar 1862: "Ottweiler,
30. Januar. Ich übersende Ihnen die No. 15 der ‚St. Johannes Zeitung’
vom 17. Januar, wo folgender Artikel wörtlich zu lesen: ‚Einen weiteren
Beitrag zu dem oft ausgesprochenen Satze, dass unsere Verfassung nur ‚ein
Blatt Papier’ und die darin gewährte Religionsfreiheit eben nur eine
auf diesem Blatte stehende Phrase ist, dürfte Nachstehendes liefern. An
der im vorigen Jahre hier gegründeten höheren Bürgerschule erteilt der
Herr Pastor Hansen unentgeltlich den katholischen Religionsunterricht und
hat dafür Sitz und Stimme im Lehrerkollegium, eine Tatsache, die gewiss
jeder billig Denkende für angemessen halten wird. Die Schule wird
indessen von vielen Israeliten besucht, zu deren unentgeltlichem
Religionsunterricht der jüdische Lehrer Herr Levy sich erboten hatte,
wenn ihm, wie dem Religionslehrer der Katholiken, dafür die
Mitgliedschaft des Lehrerkollegiums werde. Das Kuratorium der Schule fand
dies ganz angemessen und akzeptierte ‚mit Dank’ das Anerbieten des
Herrn Levy. Inzwischen trifft nun eine Verfügung der Königlichen
Regierung zur Trier ein, welche, sich auf ein Reskript der Ministers
von Bethmann-Hollweg vom Jahre 1859 beziehend, es untersagt, dass der
jüdische Religionsunterricht in den Lektionsplan aufgenommen werde, indem
die öffentlichen höheren Unterrichtsanstalten nur für den
Religionsunterricht der beiden christlichen Konfessionen, nicht aber für
den anderer Religionsgesellschaft zu sorgen hätten. Das vordem ‚mit
Dank’ akzeptierte Anerbieten wird sonach nun ‚mit Dank’ wieder
abgelehnt und die Juden können zusehen, woher sie Religionsunterricht
bekommen. Nun existiert aber eine Verfügung desselben Mitgliedes des so
genannten liberalen Ministeriums von demselben Jahre 1859, in welcher
angeordnet ist, dass diejenigen Dissidenten, und als solche werden ja die
Juden angesehen, welche einen ordnungsmäßigen Religionsunterricht nicht
nachweisen können, zum Besuche des Religionsunterrichtes einer der bei- |
den
christlichen Konfessionen angehalten werden müssen. Wenn nun, wie zu
erwarten steht, der Herr Levy den fraglichen, in Zukunft also privatim zu
erteilenden Religionsunterricht ablehnt, so werden wir vermutlich
nächstens erleben, dass die jüdischen Schüler, wenn sie nicht in
Schulstrafen fallen wollen, dem christlichen Religionsunterricht beiwohnen
müssen. Wie geeignet ein solches Verfahren ist, für Preußen, für den
Staat der Intelligenz, Sympathien zu erwecken und moralische Eroberungen
zu machen, leuchtet sicherlich Jedem ein und mancher Nichtpreuße mag
dabei denken: ex ungue leonem (gemeint: aus einem Teil auf das Ganze
schließen).’
Es wird interessieren, den Wortlaut des Reskriptes der Königlichen
Regierung zu Trier zu lesen. Hier folgt er: Sie haben unterm 26.
Oktober c. No. 5472 uns den Beschluss des Kuratoriums der dortigen
höheren Bürgerschule von selbigem Tage vorgelegt, nach welchem das
Anerbieten des jüdischen Lehrers Levy, den Knaben mosaischer Religion den
Religionsunterricht unentgeltlich erteilen zu wollen, bestens akzeptiert
wird, und die Genehmigung desselben beantragen. Wir eröffnen Ihnen
darauf, dass dem Nichts entgegensteht, dass Herr Levy den israelitischen
Schülern den fraglichen Unterricht erteilt, auch nicht, dass dieser
Unterricht im Schullokale erteilt wird. Müssen aber doch darauf
aufmerksam machen, dass der in den Lektionsplan der öffentlichen höheren
Unterrichtsanstalten aufzunehmende, und rücksichtlich der Verpflichtung
zur Teilnahme an demselben den übrigen Lehrgegenständen gleichstehende
Religionsunterricht für die Schüler der beiden christlichen Konfessionen
beschränkt bleiben muss, und nicht auf den Religionsunterricht solcher
Schüler ausgedehnt werden darf, welche anderen Religionsgesellschaft
angehören. Dennoch darf auch im vorliegenden Falle der von dem Herrn Levy
zu erteilende Religionsunterricht nicht in den Lektionsplan aufgenommen
werden, und muss die Teilnahme an demselben der Bestimmung der Eltern der
betreffenden Schüler anheim gestellt werden. Zu Ihrer näheren
Instruktion verweisen wir auf das Reskript des Herrn Unterrichtsministers
vom 5. mai 1851 im Centralblatt für die gesamt Unterrichtsverwaltung in
Preußen, Jahrgang 1859 pag. 334. Trier, den 10. Dezember 1861.
Königliche Regierung, Abteilung des Inneren, gez. Von Gärtner. An den
Königlichen Landrat Herrn von Schlechtendal, Hochwohlgeboren zu Ottweiler
I. S. V. 5623. |
Abschrift
vorstehender Regierungsverfügung erhalten Euer Hochwohlgeboren zur
gefälligen Kenntnisnahme und Bachtung. Ottweiler, den 10. Januar 1862.
Der Königliche Landrat. Gez. Von Schlechtendal. An den Rektor der
höheren Bürgerschule Herr Dr. von Cölln. Hochwohlgeboren hier. No. 165
pr. Couvert des Herrn Bürgermeisters Weiand. Euer Wohlgeboren teile ich
hierdurch eine Verfügung der Königlichen Regierung zu Trier vom 10.
Dezember vorigen Jahres mit. Nach diesem Reskript hören Sie sonach auf,
Lehrer der höheren Bürgerschule zu sein, sowie auch meine Befügnis, die
Schüler israelitischer Konfession zum Besuche Ihrer Religionsstunden
anzuhalten, erlischt. Ingleich kann in Zukunft auf dem Zeugnisse der
betreffenden Schüler die Zensur für Religion nur mit dem Worte ‚vacat’
ausgefüllt werden. Ottweiler, den 13. Januar 1862. Der Rektor der
höheren Bürgerschule gez. Dr. E. von Cölln. An Herrn Lehrer Levy
Wohlgeb. Hier.
(Dieser Vorgang überrascht uns nicht. Er ist eine Konsequenz des in
Preußen von jeher dem Judentume gegenüber herrschenden Systems, das
durch die ‚neue Ära’ ebenso wenig wie durch die Verfassung alteriert
worden ist. Es ist ferner ein Zeugnis, wie ungerechterweise man in
Preußen gegen die Zentralisation in Frankreich deklamiert, da sie in
Preußen nicht minder vorhanden, und man von Berlin aus bald dem Magistrat
einer Stadt im östlichen Teile des Staates verbietet, einen Juden als
Fachlehrer anzustellen, bald einem Schulkollegium an der südwestlichen
Spitze, den Religionsunterricht der jüdischen Schüler in die Zensur mit
aufzunehmen!! Übrigens muss es immer als eine beachtenswerte Erscheinung
hervorgehoben werden, dass man für notwendig hält, die christlichen
Kinder zum Religionsunterrichte zu zwingen, die jüdischen Kinder nicht
– können wir dies nicht als Zeugnis für uns und unsere Religion
ansehen? – Aus Allem geht aber hervor, wie notwendig es ist, bei der
Beartung des Unterrichtsgesetzes auch unsere Stimme vernehmen zu lassen.
Dass vom Entwurfe selbst die jüdische Schule und Jugend nicht viel zu
erwarten habe, lässt sich voraussetzen. Die Redaktion). |
Weiterer Artikel zur genannten Problematik
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Februar 1862: "Ottweiler,
im Februar. Der in voriger Nummer mitgeteilte, den Vorgang an hiesiger
Schule betreffende Artikel aus der ‚St. Johannes Zeitung’ hat eine
Erwiderung des Landrats von Schlechtendahl in No. 23 hervorgerufen, die
allerdings nur enthält, was bereits bekannt ist, jenen Artikel einen
gehässigen nennt und die Voraussetzung ausspricht, dass der jüdische
Religionslehrer (trotz der erlittenen Zurücksetzung) den
Religionsunterricht unentgeltlich zu geben fortfahren werde. Der Verfasser
des erstgenannten Artikels, beiläufig bemerkt, kein Jude, ließ diese
Erwiderung nicht ohne Antwort, die wir in No. 25 der ‚St. Johannes
Zeitung’ lesen. Er widerlegt hier die Auslassungen des Herrn Landrats
und kommt dann auf den bekannten Vorgang in Posen, worüber er sich
folgendermaßen auslässt: ‚Der Herr Minister hat ‚hat dem
allmächtigen Gott’ geschworen, die Verfassung treu und unverbrüchlich
zu halten. Ein wesentlicher Punkt derselben ist aber Art. 12. Dieser
lautet: Die Ausübung der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte ist
unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. ‚Vertrauend auf jenen Eid
ging nur der Jude hin und studierte, um einst Lehrer zu werden. Sein
kleines väterliches Erbteil wurde dazu verwandt – aber er tat es gern,
wusste er doch, dass es Früchte tragen wurde, wenn er fleißig sei. Er
war fleißig, er bestand sein Oberlehrer-Examen und hatte durch dies
Bestehen ein Recht auf Anstellung erhalten. Da wählte ihn der Posener
Magistrat zum Lehrer an die Realschule. Nun bringt sein |
Fleiß
die ersehnte Frucht, nun kann er die alte Mutter unterstützen, die ihrem
Erstgeborenen bis hierher so treu geholfen hatte. Er ist gewählt –
bestätigt muss er ja werden, er hat ja sein Examen so gut bestanden, und
dass er Jude ist, das schadet nichts, denn die Verfassung, die der
Minister mit heiligem Eide beschworen, die steht ihm ja schützend zur
Seite! Armer Betrogener! Was hast Du Dir unter Eid gedacht? Was unter
Verfassung? Du bist ein Jude, und der Herr Minister bestätigt Dich nicht,
weil Du ein Jude bist. Gehe hin und traure, traure mit uns um das
verlorene Vaterland.
Dieses nämlichen Ministers Verordnungen sucht der Herr Landrat so warm zu
verteidigen; er sagt, unsere Notiz sei in ‚möglichst gehässiger’
Weise abgefasst.
Haec alii sex Et plures uno conclamantore Juvénal Satura VII 166.
In No. 26 folgt noch eine andere Erwiderung, welche insonders das Prinzip
betont, für die Kinder der christlichen Konfessionen den
Religionsunterricht obligatorisch zu machen, die jüdischen Kinder davon
zu befreien, was der Verfasser unter den obwaltenden Umständen nicht für
eine ‚Freiheit’, sondern für eine ‚Vogelfreiheit’ ansieht. –
Schwerlich wird dieser Kampf eine unmittelbare Einwirkung üben, aber gut
ist es doch, dass an allen Enden des preußischen Staates die
Widersprüche aufgedeckt werden, in welche man in Preußen geraten ist,
und deshalb verdienen alle die ehrlichen und freimütigen Kämpfer
Anerkennung und Dank." |
50jähriges Amtsjubiläum und 70. Geburtstag von Lehrer Samuel Levy (1875)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Mai 1875: "Köln,
den 7. Mai 1875. Am 5. dieses Monats feierte Herr Lehrer Samuel Levy in
Ottweiler sein 50jähriges Amtsjubiläum und zugleich seinen 70.
Geburtstag. Am Vorabend fand ein Fackelzug und Serenade seitens der
dortigen ‚Liedertafel’ statt; der Jubilar hielt eine halbstündige
Ansprache, worin er die Toleranz der Bewohner Ottweiler’s betonte, und
auch über die Lehren des Judentums sprach, das die Grundsätze zuerst der
Welt verkündete: ‚Haben wir nicht Alle einen Vater usw.’
Am Festtage selbst wurden ihm bedeutende, sinnige und wertvolle Geschenke
von seinen Kindern, Verwandten, von seiner Gemeinde, von seinen früheren
und jetzigen Schülern und seinen zahlreichen Freunden überreicht, unter
anderem ein neuer Talar, ein großer und kleinere Pokale, ein
ausgezeichneter Stock (Symbol des Lehrerstandes), Uhr, Sofa, silberne
Dosen, gestickte Kissen, kostbare Teppiche, Vasen usw. usw." |
Der
Kreissekretär Herr Wolf überreichte ihm im Auftrage des Landrats den von
Seiner Majestät ihm verliehenen Hohenzoller’schen Hausorden mit dem
Wunsche, dass er ihn noch lange in Gesundheit und Rüstigkeit tragen
möge. Der Kreis-Schulinspektor, Herr Pfarrer Tiehn aus Neunkirchen,
wünschte dem greisen Lehrer Glück und pries seine Verdienste um Schule
und Synagoge, sich zugleich entschuldigend, dass er amtlich verhinderte
wäre, m Feste weiter teilzunehmen. Hierauf Gratulationen von den
städtischen Behörden, der Direktion des dortigen evangelischen
Lehrerseminars, der evangelischen Geistlichkeit und von den Bürgern. Der
Festgottesdienst begann um ½ 10 Uhr vormittags. Der Synagogenchor trug
einen Choral vor. Die Festrede hielt Herr Landrabbiner Goldmann aus
Birkenfeld, da Herr Oberrabbiner Kahn aus Trier durch Krankheit verhindert
war zu erscheinen. Zuerst gab er seinem Danke gegen Gott Ausdruck, dass er
den Jubilar diesen Tag hat erreichen lassen. Dann schilderte er die
Verdienste des Letzteren, indem er seinem Rede den Psalmvers: (hebräisch
und deutsch) ‚Wer ist der Mann, der Gott fürchtet, dem zeigt Er den
Weg, den man wählen soll.’ Diesem Manne zeigte Gott den Weg, den man
wählen soll, in der Schule, in der Synagoge und im Leben. Er trug auch
das Unangenehme, ‚die Nacht des Unglücks’, das ihm das Leben bot, mit
Geduld. Die Rede war einfach, fand aber wohlverdienten Beifall. Der
gewaltige Chorgesang ‚Gebet Gott die Ehre’ und ein Gebet für den
Kaiser, schloss die erhebende Feier. Das Festessen fand in einem
geräumigen Saale statt. Ungefähr 140 Personen nahmen daran teil. Die
Kreis-, Stadt- und Schulbehörden, jüdische und christliche Kollegen aus
der ganzen Umgegend, viele seiner früheren Schüler, die zum Teil aus
weiter Ferne hierher gereist waren, seine Verwandten, seine Freunde und
die Bewohner Ottweilers ohne Unterschied der Konfession. Den ersten Toast
brachte der Herr Kreissekretär auf Seine Majestät den Kaiser. Den
zweiten Herr Schulinspektor Zimmermann, evangelischer Pfarrer in
Wiebelskirchen, im Auftrage des oben erwähnten Kreis-Schulinspektors dem
Jubilar. In schönen Worten hob er die Tüchtigkeit des Gefeierten hervor.
Darauf wurde durch seinen früheren Schüler, Lehrer Löb in Köln, im
Auftrage des sich überhaupt sehr verdient gemachten Festkomitees die Morenu
vom Oberrabbiner Kahn, dem tüchtigen Talmudisten, Schmuel Halevi,
mit herzlichen Worten überreicht. Der neu kreierte Rabbiner sprach
interessante und herrliche Worte über das Sonst und Jetzt und gipfelte in
einem Toast auf den Kultusminister Falk. Darf noch Toaste auf Behörden,
die Stadt, das dortige Seminar, das Festkomitee usw. Auch in gebundener
Rede wurde der ehrwürdige Jubilar gefeiert wobei sich besonders Herr
Lehrer Sender aus Tholey durch seine
trefflichen und launigen Verse auszeichnete. Im Laufe des Tages sind
zahlreiche Briefe und an 50 Telegramme aus allen Gegenden eingelaufen. Ich
glaube nicht zu viel zu behaupten, wenn ich bemerke, dass wohl noch nie
einem jüdischen Lehrer zu Ehren ein solches Fest gefeiert wurde. Dies mag
auch meine Ausführlichkeit entschuldigen. Unvergesslich wird es stets
allen Anwesenden blieben. Löb." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Ernennung von Dr. B. Levy zum Sanitätsrat
(1882)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Mai 1882: "Ottweiler, 26.
April (1882). Der weithin berühmte Augenoperateur Herr Dr. med. B. Levy
von hier ist von Seiner Majestät dem Könige von Preußen zum
Sanitätsrat ernannt worden." |
Auszeichnung für den Studierenden Felix
Coblenz aus Ottweiler (1895), später bedeutender Rabbiner und Pädagoge
(1863-1923)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Oktober 1895:
"Berlin, 29. September (1895). Unsere Mitteilung, dass der stud.phil.
Felix Coblenz aus Ottweiler den Preis der hiesigen theologischen Fakultät
gewonnen, geht jetzt erst durch die politischen Zeitungen und zwar mit
einigen Bemerkungen, die nicht ganz richtig sind. Es heißt dort, dass
Herr Coblenz Lehrer in der Rheinprovinz sei. Tatsächlich ist derselbe
jetzt Hörer der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums und nach
Beendigung seiner Studien ist er designiert, Rabbiner der Gemeinde zu
Bielefeld zu werden. Die Aufgabe lautete: 'Recht und Schranken der
Behauptung, dass als das betende Ich in den Psalmen nicht erst im
gottesdienstlichen Gebrauch derselben, sondern schon nach der Absicht der
Dichter die israelitische Gemeinde anzusehen sei, sind am exegetischen
Tatbestande darzutun.' Hierauf war nur die Arbeit von Coblenz eingegangen,
über welche die Fakultät folgendes Urteil fällte: Der Verfasser der mit
dem Motto 'Immer strebe zum Ganzen' versehenen Arbeit hat zwar nicht
gerade neue Gesichtspunkte für die Lösung der im Thema enthaltenen Frage
aufgestellt, aber er hat das vorhandene Material, und zwar sowohl die
Quellen als die Literatur über diese, mit großem Fleiß und recht gutem
Verständnis durchgearbeitet. Er hat ferner den Stoff im Allgemeinen gut
disponiert; die Darstellung ist einfach und klar, und die gewonnenen
Ergebnisse sind der Hauptsache nach wohl begründet. Die Fakultät steht
daher nicht an, die Arbeit des Preises für würdig zu erklären." |
|
Felix
Coblenz ist am 30. Dezember 1863 in Ottweiler geboren (der Vater
Emanuel Coblenz war später Rektor der jüdischen Volksschule Köln und
Vorstandsmitglied der Vereinigung für das liberale Judentum). Nach dem
Schulbesuch in Ottweiler und St. Wendel (Progymnasium) ließ er sich in
Münster zum Lehrer ausbilden. Ab 1892 Studium in Berlin
(Friedrich-Wilhelm-Universität und Hochschule für die Wissenschaft des
Judentums); 1895 Promotion in Zürich. Von 1889 bis 1916 war er als Lehrer
und Rabbiner in Bielefeld tätig, danach als Rabbiner der jüdischen
Reformgemeinde in Berlin. Er starb am 3. September 1923 in Berlin.
Hinweis: es besteht ein Wikipedia-Artikel
über Felix Coblenz (von hier das Foto) mit einer Zusammenstellung der
wichtigsten Werke von Felix Coblenz einschließlich einer
Literaturzusammenstellung. |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Gesellensuche des Schneidermeisters M. Feiner (1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Juni 1900:
"Tüchtiger Schneider-Geselle zu sofortigem Eintritt gesucht.
Samstags und Feiertage frei.
M. Feiner, Schneidermeister, Ottweiler, Bezirk
Trier." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. August 1900: "Schneidergeselle
für sofort gesucht. Nur guter Arbeiter wolle sich melden bei M. Feiner,
Schneidermeister, Ottweiler, Bezirk Trier." |
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagogen
Bereits Ende des 18. Jahrhundert war vermutlich ein Betsaal
vorhanden. Erstmals wird ein solcher jedoch erst 1815 genannt. Zeitweise
(bereits nach 1781?) befand sich der Betsaal im Haus Sammetgasse 3. Dieses Haus
war seit 1730 das zweite evangelische Pfarrhaus und kam im Dezember 1781 in den
Besitz des jüdischen Gemeindegliedes Abraham Israel, seit 1814 für einige
Jahre in den Besitz des Abraham Jacob. Dieses Gebäude ist bis heute erhalten.
Im Juli 1803 konnten die jüdischen Gemeindeglieder Aaron
Weiler und Aaron Albert einen Altbau an der südöstlichen Ecke des Schlosshofes
zum Bau einer Synagoge erwerben. Da die Gemeinde in den folgenden
Jahrzehnten stark gewachsen ist, war diese erste Synagoge offenbar nicht
mehr groß genug und musste durch einen Neubau ersetzt werden. Die neue
Synagoge wurde 1839/40 erstellt und im Spätsommer 1840 eingeweiht. Kurz vor
der Fertigstellung des Synagoge erschien in der "Allgemeinen Zeitung des
Judentums" vom 8. August 1840 folgender Bericht:
"Ottweiler (bei Trier), 14. Juli
(1840). Bald werde ich Ihnen mehreres Angenehme von hier mitzuteilen die Ehre
haben, denn unsere neue Synagoge ist im Ganzen fertig zu nennen, sie ist
zugleich eine Zierde der Stadt. Sobald nun die Subsellien etc. völlig
eingerichtet sein werden, bereiten wir uns zum Einweihungsfeste vor. In
Verbindung mit diesem schönen Gebäude stehen auch das Schullokal für die
israelitische Jugend und die Wohnung für den Lehrer und Vorsänger.
Sehr verdient um diesen neuen Bau machte sich unser Lehrer Herr Levy, denn nur
durch seine Anstrengung und Beharrlichkeit ließ die Gemeinde sich zu einem
solchen Werke bewegen. Hier konnte man auch die Humanität unserer Behörde und
christlichen Einwohner wahrnehmen, sie wetteiferten mit den Israeliten in
unentgeltlicher Herbeiführung von Holz und Stein und sonstigem Baumaterial zur
Synagoge. Es war aber auch nicht anders zu erwarten; denn als hier vor sechs
Jahren eine katholische Kirche erbaut wurde, da bestrebten sich ebenso die
Israeliten, es den Christen in unentgeltlicher Herbeischaffung der verschiedenen
Baumaterialien zuvorzutun außer den freiwilligen Geldbeiträgen.
Überhaupt findet man hier ein sehr schönes patriarchalisches Leben bei den
Israeliten, Jeder bebaut seinen Acker und selbst die Vermögenderen, welche
fünfzig und hundert Morgen Landes bestellen, arbeiten mit eigenen Händen auf
dem Felde und in der Scheune gemeinschaftlich mit ihren Dienstboten und
Taglöhnern. Von Gehässigkeit zwischen Christen und Juden ist hier keine Spur
zu finden, im Gegenteil, man nimmt den lebhaftesten Anteil gegenseitig bei
Freuden und Leiden, die christlichen Leichen werden ebenso von den Israeliten,
wie die Israelitischen von den Christen begleitet. Dennoch herrscht allenthalben
daselbst echte Religiosität, sodass dieses Betragen keineswegs die Folge eine
Indifferentismus sein kann.
Die geistige Bildung ist ebenfalls sehr befriedigend und von der Jugend ist
durch die redliche Bemühung und den unermüdlichen Eifer des genannten
israelitischen Lehrers noch mehr zu erwarten. Sehr wenige von ihnen werden dem
Handel gewidmet, sondern einem Handwerke oder der Ökonomie. |
Choralgesang wird gegenwärtig vorbereitet und mit der Einweihung der Synagoge
ins Leben treten. Es wird nun Alles darauf ankommen, welchen Rabbinen wir in
Trier erhalten werden; denn der letztverstorbene wollte den Choralgesang hier
nicht zulassen. Vorigen Sonnabend hielt hier der Rabbinatskandidat Moses Heß
von Trier eine Rede über die eherne Schlange nach Anleitung der Mischna. Er
gewann alle Herzen, man ist hier begeistert für ihn. Möge uns Gott vor einem
Missgriffe bei der Rabbinenwahl bewahren. Als ein Desiderium ist der Mangel
eines Begräbnisplatzes für die hiesigen Israeliten zu bezeichnen. Sie müssen
ihre Leichen nach dem zwei Stunden von hier entfernten Orte Illingen zur
Bestattung bringen, woher ihre Vorfahren im Jahre 1775 einwanderten, obgleich
der Gemeindevorsteher Herr J. Coblenz, sowie auch der Schuldirektor Herr S.
Albert sich schon erboten haben, einen ihrer Äcker zu diesem Zwecke herzugeben
und die Gemeinde bereits zwei und dreißig Familien stark ist. Allein der
Aberglaube Einiger verhinderte bis jetzt die Ausführung dieses Projektes." |
Die neue Synagoge war auf demselben Grundstück wie der
1803 erbaute Vorgängerbau erstellt worden. Vermutlich wurden Teile der
Außenmauern wiederverwendet. Von der Architektur her war es ein
spätklassizistisch geprägter Bau. Den Plan hatte möglicherweise der Ottweiler
Baumeister Josef Lerch erstellt. Fast 100 Jahre war die Synagoge in Ottweiler
Zentrum des jüdischen Gemeindelebens in der Stadt.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge
zerstört. Am frühen Morgen des 10. November erschien der Neunkircher
Kreisleiter mit seinem Stab und zwei Gestapobeamten in Ottweiler. Die örtlichen
SA-Leute wurden auf den Schlossplatz bestellt. Auf Befehl des Kreisleiters wurde
das Innere der Synagoge völlig zerstört. Mit Rücksicht auf eine Polsterei in
der Nachbarschaft wurde keine Brandstiftung vorgenommen. Nach den Verhaftungen
der jüdischen Männer kam die SA am frühen Nachmittag ein zweites Mal zum
Schlossplatz, um der Zerstörungswerk der Synagoge zu vollenden. Dabei wurden
die Fenster eingeworfen, die Ziegel des Synagogendaches auf die Straße
geworfen, Bänke und das sonstige Holzinventar auf die Straße geworfen. Abends
wurde unter dem Beifall einer johlenden Menge und musikalisch begleitet durch
das SA-Musikkorps das Inventar der Synagoge verbrannt.
Die Stadt erwarb die Synagogenruine samt dem Grundstück. Auch nach 1945 blieb
die Ruine zunächst stehen, bis sie 1962 abgebrochen wurde, um den Schlosshof
vergrößern zu können. Anfang der 1990er-Jahre wurde das Grundstück
jedoch wieder bebaut. An dem hier erstellten Wohn- und Geschäftshaus wurde eine
Hinweistafel angebracht. Dahinter befindet sich zusätzlich eine Metallplastik
in Form eines Davidsterns als Denkmal für die zerstörte Synagoge. 2018
wurden die Grundmauern der Synagoge mit rotem Granitpflaster dargestellt.
Standort der Synagoge: Schlosshof (Pauluseck
11)
Fotos:
(Quelle: E. Tiggmann s. Lit. und Landesamt s. Lit.)
Historische Fotos |
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Die Synagoge Ottweiler um 1925 |
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Beim Pogrom am 10.
November 1938: rechts das brennende Synagogeninventar |
Die Synagogenruine 1940 |
Erinnerungsarbeit vor Ort
Gedenkstunde zum 65. Jahrestag der Zerstörung der Synagoge
im November 2003 (Quelle: Stadt Ottweiler)
"Ottweiler.
Unweit der ehemaligen Ottweiler Synagoge, an einem Gedenkstein auf dem
Fornarohof, kamen rund 50 Teilnehmer zu einer Gedenkfeier zusammen. Zu ihr
hatten die Stadtverwaltung und die beiden Kirchengemeinden eingeladen. Anlass
war der Rückblick auf die Pogromnacht am 9. November 1938. Damals, vor 65
Jahren, wurden im nationalsozialistischen Deutschland die Synagogen angezündet
und geplündert. Jüdische Geschäfte wurden ausgeraubt. Viele machten mit.
Viele schauten zu. Alle, die Opfer, die Täter und die Mitläufer, hatten Angst
vor dem Terror des Staates. Das Datum ist als "Reichkristallnacht" in die
Geschichte eingegangen. Aber es wurde mehr als Kristall zerschlagen. Die Werte
des Abendlandes wurden verraten: Menschen jüdischen Glaubens, aber auch Sintis,
Romas, Christen, Sozialisten und Kommunisten wurden damals verfolgt, misshandelt
und in den Konzentrationslagern erschossen, vergast oder erhängt. Bald darauf,
im Zweiten Weltkrieg, sollte ganz Europa brennen. Die Bilanz – Millionen an
Toten, Schutt, Schmach und Asche. Aktuell sprachen sich Bürgermeister
Hans-Heinrich Rödle, Diakon Reber und Pfarrerin Schmitt-Pridik während der
Feierstund e gegen Rassismus und Antisemitismus aus. Gemeinsam appellierten sie für
mehr Frieden, Toleranz und Vernunft." |
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Weitere Berichte zur Erinnerungsarbeit
vor Ort bitte über Suchmaschinen recherchieren. |
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Juni 2018:
Die Grundmauern der ehemaligen
Synagoge werden markiert |
Artikel von Heinz Bier in der "Saarbrücker
Zeitung" vom 15. Juni 2018: "Ottweiler - Ortsrat. Roter Granit für die
Synagogen-Grundmauer
Ottweiler. Der Ortsrat Ottweiler befasste sich in seiner jüngsten
Sitzung vor allem mit Bebauungsplan-Änderungen.
... Die Nachbildung der äußeren Grundmauern der Ottweiler Synagoge, die in
der letzten Ortsratssitzung von der CDU-Fraktion beantragt und vom Ortsrat
einstimmig beschlossen wurde, muss nach einem Widerspruch des
Landesdenkmalamtes anders als ursprünglich vorgesehen ausgeführt werden.
Eine Nachbildung mit Platten ist nicht möglich, nun sollen die Grundmauern
mit rotem Granitpflaster dargestellt werden..."
Link zum Artikel |
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November 2019:
Verleihung des
Alex-Deutsch-Preises für "gelebte Erinnerungskultur"
Hinweis: zu Alex Deutsch
(1913 Berlin - 2011 Neunkirchen-Wiebelskirchen) siehe den Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Alex_Deutsch_(KZ-Häftling)
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Artikel von Anja Kernig in der "Saarbrücker
Zeitung" vom 21. November 2019: "Alex-Deutsch-Preis: 'Das ist gelebte
Erinnerungskultur'. In Ottweiler wurde der Alex-Deutsch-Preis verliehen
Ottweiler Doppelte Auszeichnung: Alex-Deutsch-Preis für das
Saarpfalz-Gymnasium Homburg und Hans-Joachim Hoffmann
'Wir wollten den Preis unbedingt haben und haben alles dran gesetzt, ihn zu
bekommen.' Weshalb Eberhard Jung und seine AG Geschichte des
Saarpfalz-Gymnasiums Homburg ihrer Bewerbung mal eben 51
Stadtmagazin-Ausgaben und sieben Bücher beifügten – Belege der geleisteten
Arbeit aus 20 Jahren des Bestehens der AG.
Voilà, am Mittwoch ging ihr Wunsch in Erfüllung: Der Vorsitzende der
Alex-Deutsch-Stiftung, Landrat Sören Meng, überreichte dem Lehrer und den
Schülern bei der gut besuchten Feier im historischen Sitzungssaal des
Landratsamtes den zweiten Alex-Deutsch-Preis. 'Zwei Jahrzehnte haben sich
die Schüler der AG Geschichte mit dem Leben und Wirken von Alex und Doris
Deutsch auseinandergesetzt, ihnen Briefe geschrieben, sie gemalt, gemeinsam
Ausstellungen eröffnet, Diskussionsrunden geführt.' Sogar eine Briefmarke
wurde Alex Deutsch gewidmet. Artikel darüber fanden Einzug in Printmedien
wie auch in die besagten sieben Bücher. 'Das ist nicht nur ausgezeichnete
Zeitzeugenarbeit, das ist gelebte Erinnerungskultur', lobte der Kurator.
'Die AG Geschichte ist ein Vorzeigeprojekt und für den Alex Deutsch Preis
prädestiniert.'
'Eine Leitfigur, ein großes Vorbild' sei Alex Deutsch, erklärte Eberhard
Jung in seiner Dankesrede. 'Ein Musterbeispiel für die Ohnmacht des kleinen
Mannes gegen die Allmacht des terroristischen Staates, den er letztendlich
übertrumpft hat – mit seiner Bescheidenheit und Toleranz, seinem Humanismus
und seiner Nächstenliebe.' Der Stiftung erteilte er den 'klaren Auftrag',
für die Verfilmung der Lebensgeschichte des Auschwitzüberlebenden zu sorgen,
der bis zu seinem Tod 2011 in Wiebelskirchen gewohnt hatte. Die Bedeutung
des Zeitzeugentums stellte Roland Rixecker, Antisemitismus -Beauftragter der
Landesregierung, deutlich heraus. 'Menschen sind verführbar, das wissen
wir.' Umso wichtiger seien authentische Berichte über Einzelschicksale.
Indem Persönlichkeiten wie Alex Deutsch ihre Erfahrungen schildern, geben
sie ihre Zeitzeugenschaft an die nächste Generationen weiter. Die wiederum
deren Geschichte 'zu ihrer Geschichte machen'.
Den weiteren zweiten Alex-Deutsch-Preis hatte zuvor Hans-Jürgen Hoffmann
entgegen genommen. 'Seit fast zwei Jahrzehnten erforscht er die
Geschichte der jüdischen Gemeinde Ottweiler und trägt mit Publikationen und
Vorträgen dazu bei, dass die Erinnerung nicht verloren geht', betonte Meng.
Dazu stellte er die Chronik der Familien Levy und Coblenz 'exemplarisch in
den Fokus seiner Forschungen'. Seit 2013 bietet Hoffmann regelmäßig
Führungen über den jüdischen Friedhof an. Zudem setzte sich der Preisträger
für die Aberkennung der Ottweiler-Ehrenbürgerschaften an die NS-Größen
Hindenburg, Hitler, Göring und Spaniol ein – 'auch um der von ihm ebenfalls
angeregten Umsetzung der Aktion Stolpersteine Glaubwürdigkeit zu verleihen.'
Die nicht immer reibungslos verlaufene Stolperstein-Vorgeschichte wie auch
die Viten der 40 Menschen, denen die Steine gewidmet sind, dokumentierte
Hoffmann 2015 im Buch 'Seid vorsichtig mit der Obrigkeit…!'. Dass
etliche Personen und Institutionen ihm erst ihre Hilfe dafür zusicherten,
dann aber nie realisierten – diesem Ärger verschaffte der frischgebackene
Preisträger in seiner Ansprache Luft. Unterstützer fand er dagegen unter
anderem in Bürgermeister Holger Schäfer und der Sparkasse Neunkirchen.
Aktuell warten noch zwei Typoskripte auf Sponsoren: zum einen Biographien
politisch Verfolgter, zum anderen, 'fast fertig', Ausführungen zur
Lokalgeschichte zwischen 1918 und 1956. Mit beiden Texten entspricht
Hoffmann dem Vermächtnis August Bebels: 'Nur wer die Vergangenheit kennt,
kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.' 'Vor ihrem
Engagement verneige ich mich', hatte Bildungsministerin Christine
Streichert-Clivot eingangs geäußert. Musikalisch gestaltet wurde der
gelungene Abend, an dem auch Doris Deutsch und der Schöpfer des Preises,
Seiji Kimoto, anwesend waren, von Pädagogen der
Alex-Deutsch-Gemeinschaftsschule Wellesweiler."
Link zum Artikel
Fotos der Veranstaltung |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Eva Tigmann: "Was geschah am 9. November
1938?" - Eine Dokumentation über die Verbrechen an der jüdischen
Bevölkerung im Saarland im November 1938. Eine Veröffentlichung des
Adolf-Bender-Zentrums St. Wendel. 1998. S. 69-71. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 450-451 (mit weiteren Literaturangaben). |
| Hart, Schaffner & Marx: Reprint des Style Book
Herbst/Winter 1909-1910. Mit einem Nachwort von Martina Graf und einer
englischen Übersetzung von Lisa Hannah. Hamm am Rhein 2012. (Im Nachwort
auch eine Beschreibung der deutschen Herkunft).
vgl. Presse-Artikel Hammer Verlag gestaltet Reprint des
'Style Book' von 'Hart, Schaffner & Marx' (Allgemeine Zeitung, 04.07.2012) |
| Hans-Joachim Hoffmann: Spurensuche: 'Zu lehren gab ich
dein Herz'. In: Lebenswege jüdischer Mitbürger. Hrsg. vom Landkreis
Neunkirchen. Ottweiler 2009. |
| Hans-Joachim Hoffmann: 'Seid vorsichtig mit der
Obrigkeit...!' Beitrag zur Erinnerungskultur und Lokalgeschichte Ottweilers.
405 S. ISBN 978-3-946313-01-4. 19,80 €.
In Ottweiler erhältlich unter anderem bei der Sparkasse Neunkirchen,
Filiale Wilhelm-Heinrich- Straße. |
| Hans Werner Büchel: Wohnstätten jüdischer Familien in
Ottweiler. Zusammengestellt und bearbeitet im Sommer 2015.
Link zur Dokumentation |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Ottweiler Saar. Jews are first
mentioned in the late 18th century. Many dealt in livestock. In 1840, a
synagogue was consecrated, with the community under the jurisdiction of the
Liberal R. Yosef Cahan (Joseph Kahn) from 1840. A private Jewish elementary
school was started in 1825. The Jewish population rose to a peak of 170 (total
2.963) in 1843, including 70 children up to the age of 14. With the inaguration
of a railway station in St. Johann in 1852, promoting the industrial development
of the Saar, Jews began to leave Ottweiler for the industrial towns, their
population dropping to 55 in 1895. In the late 19th century antisemitism flared
up under the influence of a local doctor. With the defeat of the Center Party in
the 1907 Reichstag elections, Catholic elements began agitating against Liberals
and Jews. In mid-1933, the Jewish population was 81. With the Nazi rise to power
and the annexation of the Saar to the Reich by plebiscite in 1935, most Jews
left, including 19 to Palestine, 12 to the United States, 13 to France, and 19
to other German cities. On the morning after Kristallnacht (9-10 November 1938),
the synagogue was wrecked, the Jewish cemetery was desecrated, Jewisch homes
were vandalized, and Jews beaten and arrested. After the disturbances, the
community ceased to function. On 22 October 1940, 13 Jews were deported to the
Gurs concentration camp. In all, 20 Jews perished in the Holocaust, including 11
to Auschwitz.
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