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Baden-Württemberg
Ravensburg (Kreisstadt)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Ravensburg bestand eine jüdische
Gemeinde im Mittelalter. Erstmals werden 1330 Juden in der Stadt
genannt. Damals wurde der Jude Trösteli Bürger der Stadt unter Bürgschaft zwei anderer
Juden, Eberlin und Säckeli, die gleichfalls Bürger in Ravensburg waren. 1340 wurde
ein jüdischer Lehrer (scolasticus) namens Isaak aufgenommen, 1341 Eberli Sohn Mans, 1343 David
und Sueskint von Lindau. Bei den Verfolgungen in der Pestzeit 1348/49 flüchteten die
Ravensburger Juden auf die Burg, wurden jedoch dort gefangen gesetzt und am 4.
Januar 1349 von der Bürgerschaft verbrannt. Die jüdischen Familien lebten
vermutlich bereits vor dieser Verfolgung im Bereich der Nordmauer der Unterstadt in der "Judengasse" (heute
"Grüner-Turm-Straße").
Nach den Verfolgungen in der Pestzeit erfährt man erst 1380 von
einer Neuaufnahme eines Juden in der Stadt (Jud Jökli von Richhal und seines
Gefährten). 50 Jahre später kam bereits das Ende der mittelalterlichen
Ansiedlung: 1429/30 wurde eine Ritualmordanklage gegen die Ravensburger
Juden erhoben. Man hatte einen 13-jährigen Jungen im Haslachwald zwischen
Ravensburg und Weingarten erhängt aufgefunden. Zunächst war ein Fuhrmann, der
den Jungen in den Wald gefahren hatte, beschuldigt worden, doch bezichtigte
dieser die Juden, einen Ritualmord begangen zu haben. Hierauf wurden die
Ravensburger Juden gefangen genommen. Ein Teil von ihnen wurde im August 1430
verbrannt. Andere konnten fliehen oder wurden aus der Stadt vertrieben. Diese
Ritualmordgeschichte führte zu Verfolgungen und Vertreibungen auch der Juden
aus Buchhorn (Friedrichshafen), Konstanz, Lindau, Meersburg und anderen
Städten. 1431 beschloss die Stadt Ravensburg, nie wieder Juden in der
Stadt aufzunehmen. 1559 ließ sich die Stadt dieses Verbot von Kaiser
Ferdinand I. ausdrücklich bestätigen.
Bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Ansiedlung für Juden in
der Stadt verboten. Um 1850 ließ sich als erster Jakob Wallensteiner mit
seiner Frau Babette geb. Steiner in der Stadt nieder. Ihr Sohn Julius
Wallensteiner ist am 10. August 1858 in Ravensburg geboren.
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1858 3 jüdische Einwohner, 1864 8, 1867 11, 1871 23, 1875 41, 1885 40,
1890 32, 1895 57, 1900 44, 1905 41, 1910 32, 1925 28.
Eigene Einrichtungen wurden im 19./20. Jahrhundert von den zugezogenen
jüdischen Familien nicht geschaffen. 1889 wurde jedoch durch den
Buchauer Rabbiner Dr. Laupheimer erstmals seit dem Mittelalter wieder ein
jüdischer Gottesdienst für die inzwischen sechs jüdischen Familien am Ort
durchgeführt. Seit diesem Jahr wurde auch jüdischer Religionsunterricht für
die jüdischen Schüler am Ort durch den Rabbiner erteilt. Man trat sich in
einem Schulzimmer in der Realschule. Offiziell gehörten die jüdischen Einwohner der Stadt zur jüdischen
Gemeinde in Buchau. Die in Ravensburg verstorbenen jüdischen Personen wurden im
jüdischen Friedhof in Buchau.
An ehemaligen, teilweise bis nach 1933 bestehenden Gewerbe- und Handelsbetrieben
im Besitz jüdischer Familien sind bekannt (Hinweis des Webmasters: die
angegeben Adressen müssen teilweise nochmals überprüft werden): Warenhandelshaus Staufia, Inh. Gustav Adler (Marienplatz),
Viehhandlung Isaak Bernheim (Gartenstraße 77, nach 1933 Georgstraße 14), Pferdehandlung Martin Erlanger (Pfannenstiel 1, führende Pferdehandlung im südlichen Oberschwaben), Elektrotechnisches Geschäft Raimund Finsterhölzl
(Friedensstraße 17), Kaufmann David Harburger (Kirchstraße 11), Warenhaus Geschw. Knopf (Marienplatz
55), Textilgroßhandlung Joseph Kohn und Leopold Rosenthal (bis um
1910 Schulstraße 2-4), Warenhaus Friedrich und Julius Landauer (Marienplatz 31,
bis 1929 ein weiterer Verkaufsraum im Nachbarhaus Marienplatz 29; Fam. Friedrich Landauer wohnte Eisenbahnstraße 26),
Konfektionshaus/Schuhhaus Merkur, Inh. Hans und Siegfried Sondermann (Marktstraße
4 und 11 bis 1930, dann Kirchstraße 1), Damen- und Herrenkonfektion Fa. Hermann
Wallersteiner (gest. 1906), später Kaufhaus Wohlwert, Inh. Gustav Adler (Marienplatz).
1933 lebten 23 jüdische Personen in der Stadt. In
den folgenden Jahren sind die meisten von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Bis 1938 wurden alle
jüdischen Geschäfte - zuletzt noch das Kaufhaus Wohlwert, das beim
Novemberpogrom 1938 demoliert wurde - aufgegeben. Im Herbst 1939 wurden
vorübergehend einige jüdische Familien/Personen aus dem Rheinland nach
Ravensburg eingewiesen.
Von den in Ravensburg geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Adolf Birnstein (1900),
Therese Brückheimer geb. Pappenheimer (1863), Elsa Finsterhölzl geb. Landauer (1880), Jakob Harburger (1897), Gertrud
(Gertrude) Heilborn (1898), Lydia Heilborn geb. Landauer (1875), Josef Herrmann
(1866), Betty Landauer (1877), Helene Landauer geb. Stern (1876), Paul Landauer (1882), Walter
Selmanson (1920), Adolf Uffenheimer (1864), Rosa Wallensteiner geb. Israel
(1873), Clara Wallensteiner geb. Reichenbach (1869), Clara Weil geb. Landauer (1884).
Im September 2006 wurden "Stolpersteine" verlegt für die Familien
Harburger in der Kirchstraße 11, Landauer am Marienplatz 31 und Rose am Gespinstmarkt 27 sowie für Elsa Finsterhölzl
in der Friedenstraße 17.
Hinweis zur Stadtteil Burach: Im Burachhof lebte seit 1925 die Fam. Dr. Ludwig Erlanger, der (Burach 2) Obstgutbesitzer und Landwirt war. Auf dem Gut wurden nach 1933 jüdische Jugendliche zur Auswanderung nach Palästina ausgebildet
(Hachschara). Seit 1990 erinnert die "Ludwig-Erlanger-Anlage" (mit Gedenkstele) an die Geschichte dieser Familie.
Im September 2006 wurden vier "Stolpersteine" zur Erinnerung beim
Bildungszentrum St. Konrad am Sonnenbüchel 45 verlegt.
Besondere Erinnerung an die mittelalterliche jüdische Geschichte:
Vom Grünen Turm befinden sich je ein "Judenkopf-Ziegel" im Bayerischen Nationalmuseum München (Inv. KER 138) und im
städtischen Museum Ravensburg (Darstellungen eines bärtigen Kopfes eines Juden mit spitzem Hut auf Ziegel, vermutlich aus der Zeit um
1400).
Berichte
zur jüdischen Geschichte der Stadt
Über die mittelalterliche jüdische Geschichte
Beitrag von Rabbiner Dr. Schweizer
(Weikersheim): Die Juden in der alten schwäbischen Reichsstadt Ravensburg
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Juli 1909:
"Ravensburg, eine Stadt mit über 12.000 Einwohnern, im Königreich
Württemberg, zwischen der Donau und dem Bodensee gelegen, hat eine große
historische Vergangenheit. Wie die meisten schwäbischen Städte, war auch
Ravensburg nach dem Untergange der Hohenstaufen und des Herzogtums
Schwaben reichsunmittelbar geworden. Kaiser Rudolf von Habsburg, der im
Jahre 1286 persönlich in Ravensburg weilte, verlieh der freien
Reichsstadt das Recht, alle Samstage einen Wochenmarkt halten zu dürfen.
Aus kleinen Anfängen entwickelte sich im Laufe der Jahre ein überaus
lebhafter Handel in der Stadt. Es entstand die sogenannte 'Große
Ravensburger Gesellschaft', welche im Jahre 1431 über ein Kapital von
300.000 Goldgulden verfügte und ihren Waren- und Goldhandel bis Mailand,
Genua, Neapel einerseits und die Niederlande andererseits
ausdehnte.
Der lebhafte Handel Ravensburgs hat schon sehr frühe die Juden nach der
freien Reichsstadt hingezogen. Sie waren die ersten gewesen, die auf den
Gedanken kamen, den an Ravensburg vorbei in den Bodensee-Fluss schiffbar
zu machen. Im Jahre 1400 verlieh König Wenzel in der Tat der Stadt das
Recht, 'das Wasser, das von ihrer Stadt abrinnet in den Bodensee, und das
man nennet die Schussen, solcher Gestalt zu bauen und zu machen, dass es
ein geladen Schiff bis in den Bodensee ertragen möge nach allen Städten.
Der erste urkundlich überlieferte Name eines Juden von Ravensburg ist Aaron.
Im Jahre 1425 schwört Hans Murat von Meersburg Urfehde, dass er an
Ravensburg die Strafe nicht rächen wolle, die er erhielt, weil er 'Aaron
den Juden, Bürger in Ravensburg', darniedergeworfen, ihm das seinige
genommen und ihn misshandelt hat. Die Urkunde ist mit dem Siegel des
Grafen Hugo von Werdenberg versehen.
Das Ulmer Steuerbach von Jahre 1427 führt noch zwei andere Juden von Ravensburg
auf: Es zahlt Jud Lee von Ravensburg 1 Gulden, Salomon von da 3 Gulden
Steuer.
Ein anderer Jude von Ravensburg wird urkundlich in Verbindung mit einem
anderen Glaubensgenossen von Colmar genannt, der eine Denunzierung
begangen. Laßmann, Jud zu Ravensburg, war von Abraham, Juden von
Colmar beschuldigt worden, falsche Insiegel zu machen, er habe das selber
gesehen. Laßmann wurde deshalb 'gehaimet' eingezogen) und in das 'vangnuß'
(Gefängnis) gebracht. Er verspricht, die Strafe nicht zu rächen. Die
Urkunde ist mit dem Siegel des Hand Homburg und des Unterlandvogts Jorg
Kröl versehen.
Über die rechtliche Stellung der Juden Ravensburgs wird nichts besonderes
überliefert. Sie werden allem Anschein nach dieselbe Stellung eingenommen
haben wie in allen Reichsstädten. Doch über den Judeneid hat die Stadt
Ravensburg das Nähere mit folgenden Worten bestimmt. 'Es ist zu wissen,
wenn der Jud schwören soll über eine Sach, die er leugnet, so soll er
gehen in die Juden-Schul, und soll schwören auf dem Buch, da die zehn
Gebot unseres Herrn angeschrieben stehen: Ich schwöre bei dem
allmächtigen Gott und bei der Ehr, so unser Herre Gott vom Himmelreich
Moysen gab auf dem Berg Sinai, dass ich der Sach, der man mich schuldiget,
unschuldig bin, noch nit weiß. Der Jud hat den Gewalt, dass er schwören
soll über zween Tag und sechs Wochen, so ihm erteilt wird, dass er
schwören soll, oder will er gern, so schwört er zumall (sogleich) wie
vorgeschrieben steht.' Man sieht, dass der Judeneid in Ravensburg nicht
jene die Juden entehrende und tief kränkende Formen aufwies, wie sie zur
damaligen Zeit in anderen Städten vorhanden waren.
Doch harrte ihrer im 15. Jahrhundert ein hartes Los; mit blutgetränkten
Lettern ist in der Geschichte Ravensburgs das Jahr 1430 verzeichnet, in
welchem sämtliche Juden Ravensburgs infolge einer ruchlosen, völlig
unbegründeten Anschuldigung den Märtyrertod erlitten. Es war die Zeit,
wo man die Juden für alle vorhandenen Übel verantwortlich machte, wo man
behauptete, sie hätten die Brunnen vergiftet und Christenkinder gemordet,
schon die bloße Beschuldigung war für die große Masse das Signal, über
die wehrlosen, unschuldigen Juden herzufallen und sie ihrer Habe, ihres
Eigentums zu berauben, und auf die gewaltsamste Weise ihnen den Tod zu
bereiten. So wurden am Ende des 14. und am Anfang des 15. Jahrhunderts an
vielen Orten Schwabens die Unglücklichen grausam verfolgt, verbrannt und
erschlagen. Den Märtyrern zu Überlingen, Memmingen, Lindau, Augsburg,
Zürich, Schaffhausen, Winterthur und Konstanz, folgten nun auch die zu
Ravensburg.
Am 2. Mai 1428 fand in Ravensburg die Hochzeit der einzigen Tochter des
reichen Juden Lazarus, die einen anderen Ravensburger Juden
heiratete, statt. Viele Juden aus den benachbarten Städten beteiligten
sich an dem Freudenfeste des reichen Lazarus. Da lief, nach der phantasievollen
Anklageschrift, ein Schulknabe namens Ludwig Etterlein aus Brugg
bei Zürich, der das Ravensburger Gymnasium besuchte, mit anderen, ihm
befreundeten Judenkindern in das Hochzeitshaus, um das Fest mit anzusehen.
Als Lazarus den Ludwig sah, ließ er ihn in die Küche kommen, um daselbst
den Braten zu wenden. [Schon dieses Moment beweist das Sagenhafte der
Erzählung.] Der Knabe war frohen Mutes in die Küche eingetreten. Als
der Abend angebrochen war, soll nun Lazarus zwei bekannte Juden
herbeigerufen haben, um ihnen sein Vorhaben mitzuteilen, dass er nämlich
diesen Knaben ermorden und dessen Blut auffangen wolle, wozu die zwei
Juden ihre Hilfe versprachen. Dem Knaben, nichts Böses ahnend, wurde der
Hals mit einem Schleier verbunden, |
damit
er nicht schreie, dann zog man ihm die Kleider aus und legte ihn nackt auf
einen Tisch. Sie sollen ihm nun mit spitzigen, scharfen Messern und Nadeln
die Adern geöffnet haben, dass das Blut vom Tisch in die unterstehenden
Geschirre floss; so lange sollen sie den Knaben fortgemartert haben, bis
er seinen Geist aufgab. Nach vollbrachter Tat sollen sie den entseelten
Körper in einen Sack gesteckt und diesen bis nach beendigter
Hochzeitsfeier unter die Treppe gelegt haben. Später habe einer, namens
Anselm, den Sack auf die Schulter genommen und ihn aus der Stadt
hinausgetragen; unterwegs sei er einem Fuhrmann mit einem leeren Wagen
begegnet. Der Fuhrmann sollte den Sack in den Wald mitnehmen für hohen
Lohn und dabei durch einen Eid versprechen, über die ganze Handlung
Diskretion zu beobachten. Aus Liebe zum Geld tat der Fuhrmann alles, was
man von ihm wollte.
Wer weiß, ob der Fuhrmann nicht eben von christlicher Seite bestochen
war, einen Christenknaben zu töten und dann das Gerücht auszusprengen,
die Juden hätten den Knaben ermordet; wer weiß, ob diesem Märchen vom
den sogenannten Ritualmord in Ravensburg anno 1429 nicht die historische
Tatsache zugrunde liegt, dass christlicherseits ein Mord begangen wurde
und die Blutschuld dann den Juden aufgehalst wurde, um ihnen so den
Prozess machen zu können und ihrer dadurch ein- für allemal los zu
werden. Jedenfalls ist diese Kriegslist auffallend gut gelungen.
Als der Knabe Ludwig längere Zeit nicht heimkam, wurde sein Hausherr
stutzig. Er suchte ihn in der ganzen Stadt, ohne ihn jedoch zu finden.
Eines Tages kamen viele Knaben in den Wald, um Vogelnester zu suchen, da
fanden sie ihren Schulkameraden Ludwig tot im Walde hängen. Sie meldeten
den grausigen Fund sofort dem Hausherrn, der seinerseits die Anzeige beim
Rat der Stadt machte. Man ging hinaus und holte den Leichnam. Die ruchlose
Tat wurde bald weit und breit bekannt.
Der Fuhrmann soll nach Entdeckung des grässlich-verstümmelten Leichnams
von Ravensburg nach Überlingen an den Bodensee geflohen sein, da der
Verdacht auf ihn gefallen war, weil er öfters durch jenen Wald gefahren.
Der Fuhrmann, Nikolaus Knoll mit Namen, wurde in Überlingen gefangen
genommen und peinlich befragt. In seiner Aussage bezichtigte er die Juden
des Mordes, er wurde aber gleichwohl aufs Rad geflochten.
Der ermordete Ludwig Etterlin wurde in der Stadtpfarrkirche zu Ravensburg
hinter dem Hochaltar beigesetzt und als Märtyrer gefeiert, der im Tode
noch Wunder erzeugt habe.
Die Folge dieses Mordes war eine grässliche Judenverbrennung in
Ravensburg und Lindau. Im städtischen Archiv zu Ravensburg befindet
sich eine Urkunde vom Jahre 1430, in welcher die Städte Ravensburg
und LIndau wegen der Verbrennung der Juden gerechtfertigt werden: 'Wir
Erkinger von Saunsheim, Herr zu Schwarzenberg, und Jacob, Truchseß zu
Waldburg, das Reichs Landvogt in Schwaben, bekennen uns offenbar mit
diesem Brief: Als von des Mords wegen, so die Juden zu Ravensburg an einem
Knaben von Brugg im Ergöw getan und begangen haben, darum uns der
allerdurchlauchtigst Fürst und Herr, Herr Sigmund, römischer König, zu
allen Zeiten Mehrer des Reichs, und zu Ungarn, zu Böheim, Dalmatien und
Kroatien König, unser gnädigster Herr, mit seiner Gnaden königlichen
Briefen empfohlen, und darin Macht gegeben hat, solch Übel und Mord an
Seinerstatt zu verhören, und fürzunehmen, besonders den Stätten mit
Namen: Konstanz, Ravensburg, Überlingen, Lindau, Buchhorn (das jetzige
Friedrichshafen am Bodensee) und Meersburg, als sie die Juden, bei ihnen
wohnhaft, und ihr Gut von des berührten Mords wegen gefangen und gehefft
hand, geschrieben und denen geboten hat, uns an solcher seiner
Befehlnüsse und Werbung nicht zu säumen, sondern uns dazu beraten und
beholfen zu sein, als das Seiner Gnaden Brief uns und ihnen darum gesandt,
mit mehr Worten der Geschrift klarlichen Inhalt. Und auf solch' unser
Werbung, so haben sich die ehegenannten zwo Städte von Ravensburg und von
Lindau, in des genannten unsers Herrn des Königs Befehl, gehorsam und
willig finden lassen, und haben wir beide, und sie mit uns, den Handel des
berührten Mords für uns genommen, und von einem Stuck nach dem andern
uns miteinander unterredet, und dazu den ganzen Lands-Läumden
(Ruchbarkeit) für uns genommen, und dazu mehr denn ein redlich trefflich
Stuck daraus wahrlich zu erkennen und zu merken ist, dass die Juden den
berührten Knaben lästerlich getötet und gemordet haben, und seien auf
solche Macht, die der benannte unser gnädigster Herr, der römische
König uns darum gegeben und empfohlen hat, mit den benannten zween
Städten Ravensburg und Lindau, und sie mit uns, ganz einig geworden, dass
wir zu den Juden und Jüdinnen, so jetzt in denselben zween Städten
behaft gewesen sind, verhängt, und mit dem Feuer haben lassen richten,
als denn solcher übeltätiger Jüdischheit von recht zugehört, und seien
auch dabei und mit gewesen, und haben die Sach also miteinander gehandelt
und getan, und wir, ob der ehegenannt unser Herr, der römisch König von
jemand anders, wer der wäre, über kurz oder lang unrecht unterweist
würde, dass er oder andere Leute von dieser Geschichte wegen an die von
Ravensburg oder an die von Lindau darüber Verantwortung tun würden; so
sollen und wollen wir beide sie dessen gegen Seiner Gnaden, und gegen
männiglich allweg verantworten, vertreten, versprechen und verstehen,
nach allem unserm besten Vermögen, nach, nach ihrer Notdurft, ohne alle
Gefährde. - Und dess' zu gutem Urkund, so haben ich, Erkinger von
Saunsheim, und ich Jacob, Truchseß zu Waldburg, vorgenannt unser
jeglicher besonders, sein eigen Innsiegel lassen hängen an diesen Brief,
der geben ist am Montag nach St. Peter- und Pauls-Tag der heiligen zwölf
Boten, nach Christi Geburt, als man zählt Tausend Vierhundert und in dem
Dreißigsten Jahr.' |
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit vom 2. August 1909: "Am St.
Ulrichs-Abend des Jahres 1430 wurden die Juden von Ravensburg lebendig
verbrannt. Ihre Verlassenschaft wurde vom Bürgermeister und Rat der Stadt
dem Königlichen Fiskus überantwortet. Das betreffende Dokument befindet
sich im Königlichen Staatsarchiv zu Stuttgart:
'Wir Erkinger von Saunsheim, Herr zu Schwarzenberg, und Jacob,
Truchseß zu Waldburg, des Reichs Landwacht in Schwaben, bekennen uns
offenbar mit diesem Brief: Als da die Ehrsamen, weisen, ein Bürgermeister
und ein rat der Stadt zu Ravensburg, zu etlichen Juden und Jüdinnen
gerichtet hand mit Recht, um von des verlassenen Guts wegen, so dieselben
Juden und Jüdinnen nach Tod verlassen hand, dass selb Gut und Hab unserm
allergnädigsten Herrn, Herrn Sigmund, Römischen König, zu allen Zeiten
Mehrer des Reichs, und zu Ungarn, zu Böheim, König, zugehört; da nun
Seine königliche Gnade uns empfohlen, und darin Macht gegeben hat, solch
verlassen Gut und Fälle an Seiner königlichen Gnaden Statt einzunehmen
und einzubringen; bekennen wir mit diesem Brief, dass die ehegenannten,
ein Bürgermeister und ein Rat zu Ravensburg, uns dasselbe verlassene
Gut |
und
Hab, es sei liegendes oder fahrendes, und insonders Josen Christans,
der sich hat taufen lassen, Gut und Hab, was das alles in ihrer Stadt
auf die Zeit gewesen ist, zu unsern Händen und in unsern Gewalt, geben
und geantwortet hand; als das Gut alles an einer Summe in dem Brief, so
uns die genannten von Ravensburg von solcher Hab wegen geben hand,
merklichen begriffen, Um das, so versprechen wir ihnen, ob das wäre, dass
der allerdurchlauchtigst Fürst und Herr, Herr Sigmund, römischer König,
unser gnädigster Herr, oder jemand Anders von Seinetwegen, die
ehegenannten von Ravensburg oder ihre Nachkommen, von der obgeschriebenen Hab
und Guts wegen, immer bekümmern oder anrechnen würde; dass wir denn sie
darin vertreten, versprechen und verstehen sollen und wollen, ohne allen
ihren Schaden, nach aller ihrer Notdurft. Wäre auch, als da etliche ihrer
Juden, so von ihnen gewichen sind, Schuldbrief mit sich hinweggeführt
hätten, an denselben Briefen etlichen erbern Leute Geld und Schuld den
obbeschriebenen von Ravensburg bezahlt hand und vielleicht noch bezahlen
werden, das uns zu unsern Händen geben und verrechnet wäre oder würde,
wo dann das die Juden dieselbe ehrbare Leute, von denen sie den Brief
hand, bekümmern und vertrieben würden, und dass die Obengenannten von
Ravensburg oder ihre Nachkommen darum bekümmert würden, darum sollen wir
sie denn auch verantworten, vertreten, versprechen und verstehen, nach
allem unserm besten Vermögen, ohne allen ihren Schaden, nach aller ihrer
Notdurft, ohne alle Gefährde. - Und das alles zu wahrem Urkund, so haben
Wir Erkinger von Saunsheim, und Jacob Truchsess von Waldburg und Innsiegel
lassen hängen an diesen Brief, der geben ist, am Donnerstag nach St.
Ulrichs-Tag des heiligen Bischofs, nach Christi Geburt, als man zählt,
Tausend Vierhundert und in dem dreißigsten Jahr.'
Und noch eine 3. Urkunde, die auf die Judenverbrennung von Ravensburg sich
bezieht, wird im Königlichen Staatsarchiv aufbewahrt. Es ist dies ein Notariats-Instrument
vom 3. November 1475 (sc. Bischof Johann V. war von 1465-1486
Bischof in Trient), in welchem bezeugt ist, dass Bischof Johann von Trient
durch einen abgesandten Boten sich Gewissheit über das vorliegende Faktum
verschaffte:
'Im Namen des Herrn, Amen! ...
zum weiteren Lesen bitte Textabbildung anklicken. |
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. August 1909: "Und
wann ich, Franz Sproll, Konstanzer Bistums, ein offenbarer Notar und
Schreiber bei der obengenannten Eröffnung und obgemeldten Sachen eins,
mit den vorgeschriebenen Notarien in Beiwesen der Gezeugen obgenannt
persönlich gewesen; dass die Ding ungefährlich gehandelt, beschehen,
gesehen und gehört hab; Hierum hab ich diess mit meiner eigenen Hand mit
samt den abgemeldeten Notarien unterschriebenen, und mit meinem
gewöhnlichen Namen bezeichnet und gefestnet. Zu Urkund der Wahrheit aller
vorgeschriebenen Ding, dazu ernstlich erfordert und gebeten.
(Notar-Zeichen) (unterz. Franz Sproll).
Sofort nach Ausrottung der Juden von Ravensburg im Jahre 1439 wurde vom
Bürgermeister und Rat der Stadt beschlossen, dass fürderhin für ewige
Zeiten keinem Juden und keiner Jüdin gestattet sein solle, in Ravensburg
sich niederzulassen.
Die Erbitterung gegen die Juden und die Abneigung gegen allen Verkehr mit
ihnen wirkte noch lange nach. Noch 129 Jahre später, im Jahre 1559,
zeigte sich in einem Schutzbrief, den Kaiser Ferdinand I. der Stadt
Ravensburg verlieh, der Hass gegen die Juden in seiner ganzen Stärke.
Diese Urkunde sagt zu diesem Betreff folgendes:
'Dess haben Wir angesehen ihr hochbeschwerlich Obliegen und demütig
Bitt, auch die angenehme, getreue und willige Dienst, so sie (die Bürger
von Ravensburg) Weilard unsern Vorfahren am Reich und Uns, ganz
gehorsamlich und willfährig erzeigt, auch hierfüro wohl tun mögen und
sollen; und darum den vorgenannten Bürgermeistern und Rat der Stadt
Ravensburg diese besondere Gnad getan und die Freiheit gegeben: Nämlich
dass nun hinfüro kein Jud oder Jüdin gedachten ihren Bürger, Einwohnern
etc. weder auf einige liegende oder unbewegliche Hab und Güter, es sei
Leben oder eigen, auch kein derselben Brief oder andere Verschreibungen desgleichen
einig fahrende und bewegliche Pfand und Güter, wie die Namen haben, ohne
ihr Bürgermeister und Rat der Stadt Ravensburg und ihre Nachkommen
Vorwissen, Erlaubnis und Bewilligen, weder mit noch ohne Wucher; weder
wenig noch viel sondern auch sonst nichts überall, mit oder ohne Pfand
mit Leihen oder fürstrecken, auch mit ihnen nichts tauschen, handeln,
wechseln, noch einigen Kontrakt, wie der Name haben möge, er werde
benennt oder unbenennt, weder mündlich noch schriftlich; heimlich noch
öffentlich, um was Sachen das auch wäre oder sein möchte, fürnehmen,
unangesehen, ob solche Obligationen, Kontrakt und Schulden mit Hand
gegebenen Glauben und Treuen, auch geschwornen Eid bestätigt, darinnen
denn auch gar kein verborgener List und Betrug gebracht, solches alles
nichtig, kraftlos tod und ab, und das Hauptgut mitsamt darauf folgender
Schuld, alles verwürkt und verwürkt und verfallen sein und
Bürgermeister und Rat der Stadt Ravensburg zustehen und ohne Verhinderung
bleiben soll. etc.'
Dem großen Blutbad von Ravensburg im Jahre 1430 entrannen nur wenige
Juden. Im städtischen Archiv zu Ravensburg befindet sich eine Urkunde,
besiegelt von Jakob, Truchsess von Waldburg, Landvogt in Schwaben; Jörg
Kröl, Unterlandvogt; Martin Gögel, Stadtamman zu Lindau; Ulrich Ehinger,
Stadtamman zu Konsstanz; Klaus Umgelter, Bürger zu Ulm; Jos Stüdlin,
Stadtamman zu Memmingen. Nach dieser Urkunde konnte damals sich retten
Aaron, Jud und Blümli, sein Weib (die Freigebung des Weibes und ihrer
beiderseitigen Habe wurde durch ein unmittelbares Dekret des Königs
Friedrich III. bewirkt); Mosse, Jud und Rächli, sein Weib, Jakob, jud,
ihr beider Sohn, alle Bürger zu Ravensburg und Ysach, Jud von Konstanz.
Sie waren in das Gefängnis zu Ravensburg wegen Knabenmordes gekommen und
hatten nun ihre Freiheit erlangt, mussten aber vor ihrem Abzug Urfehde
schwören. Sie versprachen, 'gegen die Herren von Ravensburg ein ganz
frundtschaft und stätte (stete, fortwährende) urfehen getrewlich zu
halten'. Als Bürgen sind unterzeichnet ein Jude von Lindau, je zwei
von Ravensburg, Konstanz, Ulm und Memmingen.
In den Jahren 1726 und 1732 wurde zu Ravensburg und
Memmingen Städtetag abgehalten, auf denen Maßregeln gegen die Ausfuhr
von Pferden und Vieh, Früchten, Flachs und Garn und auch wegen der
'Münzen-Kipperei der Juden' getroffen wurden.
In der Instruktion der Polizeiwache vom Jahre 1804, Art. 18, heißt
es: Da die Juden hier kein Gewerbe oder Handelschaft treiben dürfen, so
sind überhaupt keine anderen, als mit der Post oder Kutsche herein- oder
durchfahrend in die Stadt einzulassen, die übrigen aber, wenn sie nicht
einen Erlaubnisschein zum längeren oder kürzeren Aufenthalt vom
Polizeiamt erhalten haben, sind von der Polizeiwacht aus der Stadt zu
schaffen.
So lebten in der späteren Zeit noch die Erinnerungen an die im 14. und
15. Jahrhundert in Ravensburg eingesessenen Juden unter der Bürgerschaft
weiter fort, und bis in die neueste Zeit hinein ragt das Überbleibsel
ihrer einstigen Wohnstätten, das ehemalige Judenviertel von Ravensburg,
trägt heute noch den Namen 'Judengasse'.
Der Schwur, dass in ewigen Zeiten in Ravensburg keine Juden mehr wohnen
sollen, ist nun auch gebrochen, indem seit Ausgang des 19. Jahrhundert
dort eine ansehnliche Kolonie sich gebildet hat, die dem Rabbinat Buchau
zugeteilt." |
Aus der Geschichte des 19./20. Jahrhunderts
In Ravensburg wird erstmals seit dem Mittelalter wieder
ein jüdischer Gottesdienst abgehalten und Religionsunterricht erteilt
(1889)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 14. März 1889: "Aus Oberschwaben, 28. Februar (1889). Zu den
ehemaligen Reichsstädten Oberschwabens, die im Mittelalter jüdische
Gemeinden beherbergten, gehört auch die gewerbsame Stadt Ravensburg. Zwei
Urkunden aus dem Jahre 1430 verzeichnen, dass in diesem Jahre die Juden
von Ravensburg und Lindau wegen 'Christenknabenmords mit Feuer
hingerichtet wurden, stattgehabt anno Domini 1430.' Seit mehreren
Jahrzehnten haben sich auch in dieser Stadt wieder einzelne jüdische
Familien niedergelassen, die der israelitischen Gemeinde Buchau zugeteilt
sind. Nicht nur im Interesse von deren Kindern und auswärtigen Schülern
der beiden höheren Lehranstalten daselbst, sondern auch betreffs des
öfters ausgesprochenen Anstoßes bei den christlichen Lehrern, warum die
jüdischen Kinder ohne Religionsunterricht wie 'Heiden' aufwachsen, war
der Mangel jeder religiösen Unterweisung sehr zu bedauern, und es wurde
daher die durch die Bemühung des Herrn Rabbiner Laupheimer von Buchau
erfolgte Entschließung der Israelitischen Oberkirchenbehörde freudig
begrüßt, dass von diesem Geistlichen in Ravensburg jährlich 30 mal ein
3-stündiger Religionsunterricht erteilt werde Die wenigen Familienväter
daselbst bringen für den Zweck namhafte Opfer; der Stiftungsrat hat zu
diesem Zweck ein Lehrzimmer in der Realschule zur Verfügung gestellt.
Auch wurde bereits einmal durch Herrn Rabbiner Laupheimer ein Gottesdienst
abgehalten, der erste israelitische Gottesdienst seit 4 Jahrhunderten. Wir
wünschen der kleinen Gemeinde, die erst 6 Familien zählt, Gedeihen und
Förderung des religiösen Sinns, den sie bis jetzt so schön betätigt
hat. B. St." |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Einwohnerschaft
Gustav
Adler rettet den Schüler Otto Strehle vor dem Ertrinken (1932)
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 16. September 1932: "Ravensburg. Vor kurzem geriet der 14-jährige Schüler Otto Strehle beim Baden
im Flappachweiher durch einen Schwächeanfall in höchster Lebensgefahr. Er klammerte sich in seiner Not an einen Kameraden, den er mit in die Tiefe zog. Auf die Hilferufe sprang der langjährige Schwimmwart des
Turnvereins, Gustav Adler, kurz entschlossen nach und brachte den
jungen Strehle unter äußerster Anstrengung ans Land, wo er durch die Hilfe von
Arbeiter-Samaritern ins Leben zurückgerufen wurde. Der zweite Schüler konnte sich selbst in Sicherheit bringen.
Gustav Adler, der schon einmal einen jungen Menschen vom Tode des
Ertrinkens gerettet hat, erhielt unter anderem ein ein Glückwunschschreiben der
Deutschen Lebensrettungsgesellschaft, der er schon viele Jahre angehört. Auch wir beglückwünschen ihn zu seiner wackeren Tat!"
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Zum Tod von Martin Pleß, Betriebsführer der Firma
Geschwister Knopf (1936)
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 16. März 1936: "Ravensburg. Am 22.
Februar verschied nach kurzer schwerer Krankheit der überall hochgeschätzte
Betriebsführer der Firma Geschwister Knopf, Martin Pleß, im Alter
von 35 Jahren. Bei seiner Beerdigung in Mannheim gedachte die Geschäftsleitung
vom Karlsruher Hause und die Gefolgschaft der hiesigen Firma der
Verdienste des Verstorbenen in ehrenden Nachrufen. Rabbiner Dr. Lauer,
der erst vor fünf Monaten den Verblichenen getraut hatte, beendete die
Trauerfeier mit einem Gebet." |
Dokumente zu jüdischen
Gewerbebetrieben
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries)
Postkarte
an die
Weißwarenfabrik Theilheimer (1881) |
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Es handelt sich um
eine am 25. Mai 1881 in Eberhardzell geschriebene und von Bad Waldsee
versandte Postkarte an Herrn Theilheimer, Inhaber einer Weißwarenfabrik
in Ravensburg. Der Inhalt ist geschäftlich.
Beim Besitzer der Weißwarenfabrik handelt es sich um Josef Theilheimer
(geb. 3. Mai 1831 in Dittenheim
als Sohn von Gabriel Theilheimer und der Bella geb. Theilheimer; gest. 9.
Mai 1894). Dieser war seit 6. Juli 1865 in Buchau
verheiratet mit Rosalie geb. Dorville (geb. 25. März 1844 in
München als Tochter von Salomon Dorville und der Bertha geb. Engel; gest.
10. Juli 1925 in St. Gallen). Das
Ehepaar hatte sechs Kinder, die alle in Ravensburg geboren sind: Bella
Sara (geb. 26. Juni 1867), Gustav (geb. 18. August 1868), Hedwig
(geb. 8. Juni 1870), Sofie (geb. 26. Mai 1872), Felix (geb.
1. Juli 1875, gest. 18. November 1878 in Ravensburg), Elsa (geb. 4.
Juni 1881, seit 1907 verheiratet in St.
Gallen).
Der genannte Sohn Gustav Theilheimer heiratete am 1. März 1909 in
Genf Martha Jakobine geb. Löb (geb. 18. Dezember 1886 in Freiburg
i.Br. als Tochter von Eduard Löb und der Maria geb. Wolf); die beiden
hatten zwei in St. Gallen geborene Kinder: Nelly (geb. 7. April
1910) und Heinz Werner (geb. 12. Januar 1914).
Die Tochter Nelly (Enkelin zu Josef und Rosalie Theilheimer) war
später in Zürich als Künstlerin im Bereich der Bronzeplastik tätig
(Schülerin von Alfons Magg und Germaine Richier; Bildnisbüsten und
torsohafte Figuren). Sie war verheiratet mit Werner Bär, Sohn des
Gründers der Zürcher Bank Julius Bär. Sie starb am 19. August 1975 in
Castiglone della Pescaia. Quelle: Artikel
im Lexikon zur Kunst in der Schweiz; Presseartikel
zu Werner und Nelly Bär.
Nach den Angaben des Familienregisters Ravensburg ist die Familie Josef
Theilheimer am 12. Juni 1881 nach Neu-Ulm
verzogen, später lebten mehrere Familienmitglieder in St.
Gallen. |
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Werbevignette
des
Konfektionshauses Wallersteiner |
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Die Werbevignette des Konfektionshaus
Wallersteiner erinnert an die "Damen- und Herrenkonfektion Fa. Hermann Wallersteiner"
in Ravensburg. Das Geschäft befand sich am Marienplatz in Ravensburg, dem späteren Standort des
Kaufhaus Wohlwert, Inh. Gustav Adler. |
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Ansichtskarte
des Warenhauses
Geschwister Knopf in Ravensburg (1910/20) |
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Die Karte rechts mit der Abbildung des
Warenhauses der Geschwister Knopf ist Teil eines Leporellos mit Ortslegende und
sechs Ansichtskarten von Ravensburg, herausgegeben vom Verlag Geschwister Knopf.
Das Leporello erschien vermutlich zwischen 1910 und 1920.
Bereits 1893 gab es das Warenhaus Knopf in Ravensburg, damals wohl noch in angemieteten
Räumen. 1907 errichtete Max Knopf ein neues architektonisch ansprechend und mit
Jugendstilelementen verziertes Kaufhaus in bester Lage Ravensburgs.
Das Foto rechts zeigt das ehemalige Kaufhaus Knopf im Juli 2011 am
Marienplatz 55 (Quelle: Wikimedia Commons).
Quellen: http://de.wikipedia.org/wiki/Warenhäuser_Knopf
http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/einkaufen-bei-s-knopfe--40003824.html
Literatur: Andrea Hoffmann: Schnittmengen und Scheidelinien.
Juden und Christen in Oberschwaben. Tübingen
2011. |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge war nur im Mittelalter vorhanden. Sie
wird erstmals im Ravensburger Stadtrecht von 1345 im Zusammenhang mit dem
in ihr zu leistenden "Judeneid" als
"Judenschule" (scola) genannt.
Der Name dieser "Judenschule" blieb
noch jahrhundertelang mit diesem Gebäude verbunden, wie ein Kaufvertrag von
1760 zeigt, in dem es heißt: "Andreas Brugger, Reichs-Gottes-Haus
Salmannsweyler Ammann zu Adelsreuthe, gibt zu kauffen dem Herrn Vigilio
Knollenberger, Burger und cathol. Organisten allhier, sein eigenthumliches ihme
von der Dallmannschen Gant-Massa loco solutionis zugefallenes Wohnhaus, die
Juden Schul genanndt, in allhiesiger Stadt, an der Juden-Gassen gelegen, so
ein Eckhaus..."
(Quelle: Stadtarchiv Ravensburg Bü. 1472 S. 549) |
Im November 1983 wurde am Gebäude Grüner-Turm-Straße
5 eine Gedenk- und Hinweistafel angebracht. Aus diesem Anlass war der
badische Landesrabbiner Dr. Nathan Peter Levinson zu einem Besuch in der Stadt.
Eine Rückbenennung der "Grüner-Turm-Straße" in
"Judengasse" war bereits 1978 im Gespräch. Damals sprachen sich im
Rahmen einer Befragung zwei Drittel der Ravensburger Bürger dafür aus. Fünf
waren später waren zwei Drittel dagegen. Als Kompromiss wurde die Anbringung
der Gedenktafel vorgeschlagen.
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Presseartikel in der
"Schwäbischen Zeitung"
vom 23. November 1983
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Presseartikel in der
"Schwäbischen Zeitung"
vom 26.11.1983 zum Vortrag des damaligen
badischen Landesrabbiners
Dr. Nathan Peter Levinson |
Presseartikel in der
"Stuttgarter Zeitung"
vom 7. Dezember 1983
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Adresse/Standort der Synagoge: Grüner-Turm-Straße
5
Fotos
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 14.6.2010)
Erinnerungen an
die mittelalterliche jüdische Geschichte |
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Das mittelalterliche
jüdische Wohngebiet in der "Grüner-Turm-Straße"
(bis 1934: Judenstraße bzw. Judengasse) |
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Hinweis am
Straßenschild auf die frühere Bezeichnung sowie Hinweistafel:
"Grüner-Turm-Straße (früher Judengasse). Die Grüner-Turm-Straße
hieß seit dem Mittelalter 'Judengasse' (später 'Judenstraße', weil sich
hier bis zur Vertreibung der Juden im Jahr 1429 das jüdische Ghetto
befand. Der Straßenname bestand bis 1934. Dann wurde die Straße nach
einem Hitlerjungen in die 'Herbert-Norkus-Straße' umbenannt und zwar vor
allem deshalb, weil in der benachbarten 'Bauhütte' die Hitler-Jugend
untergebracht war, die durch die Judenstraße an- und abmarschierte. Im
Mai 1945 erhielt die Straße ihren heutigen Namen." |
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Die
Grüner-Turm-Straße
im Juni 2010 |
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Die Fotos sind in
entgegengesetzter Richtung aufgenommen. Auf beiden Fotos ist in der
Bildmitte (auf linken Foto links der Mitte, auf rechtem Foto rechts der
Mitte) das Gebäude zu sehen, das an Stelle der mittelalterlichen Synagoge
erbaut wurde. |
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Links: das an Stelle der
mittelalterlichen Synagoge stehende Gebäude mit Hinweistafel (siehe Foto
rechts): "Jüdische Synagoge. Mit der Vertreibung der jüdischen
Bewohner im Jahr 1429 wurde auch die an diesem Ort überlieferte Synagoge
zerstört. Der überaus tiefe Keller könnte auf eine Mikwe (jüdisches
Reinigungsbad) hindeuten." |
Hinweistafel (Foto
Mitte) mit Text: "An dieser Stelle befand sich im Mittelalter eine
Synagoge (erwähnt 1345) als Mittelpunkt der kleinen jüdischen Gemeinde,
die von 1330 bis 1429 in Ravensburg nachweisbar ist. Die Juden lebten
gettoartig in der heutigen Grüner-Turm-Straße, die bis 1934 Judengasse
hieß. 1429 werden die jüdischen Mitbürger aus der Stadt vertrieben.
Erst im 19. Jahrhundert konnten sich in Ravensburg wieder Juden
niederlassen. Doch blieb ihre Zahl so klein, dass es nicht zur
Wiedererrichtung einer Synagoge kam. Sie wurden in der Zeit des Nationalsozialismus
1933 bis 1945 erneut verfolgt und vertrieben." |
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Am Ende der
ehemaligen "Judengasse" der "Grüne Turm" |
Hinweistafel |
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Einige
ehemalige jüdische Geschäfte im 20. Jahrhunderts (bis zur NS-Zeit) |
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Marienplatz 31:
ehemals Kaufhaus Landauer |
Marienplatz 55: Ehemals Warenhaus
der Geschwister Knopf
(Filiale zu Freiburg) |
Kirchstraße 1, ehemals
Schuhhaus Merkur,
Inhaber Hans und Siegfried Sondermann |
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Rechts: Jüdischer
Friedhof in
Bad Buchau mit Gräbern
Verstorbener aus Ravensburg |
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Links: Schulstraße 2-4, bis um 1910
Textilgroßhandlung Joseph
M. Cohn
und (Schwiegersohn) Leopold Rosenthal. |
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Grabstein für den links
genannten
Joseph M. Cohn
aus Ravensburg
(1832-1900) |
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"Stolpersteine"
zur Erinnerung |
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"Stolperstein"
für Elsa Finsterhölzl geb. Landauer (geb. 1880, umgekommen nach
Deportation 1942; Foto rechts) |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Juli 2006:
In Ravensburg sollen "Stolpersteine"
verlegt werden |
Artikel vom 6. Juli 2005 (Artikel):
"Steine sagen: "Der Terror begann hier"
(RAVENSBURG/vin) Sie wurden enteignet, verschleppt und ermordet: Ravensburger Juden im Dritten Reich. Einige überlebten den Rassenwahn, indem sie auswanderten. An das dunkle Kapitel der Stadtgeschichte erinnern bald 33 Stolpersteine, die vor den ehemaligen Wohn- und Geschäftshäusern der Juden verlegt werden.
Der Ravensburger Gemeinderat sprach sich einstimmig für das Projekt aus, das von der Jahrgangsstufe 13 des Welfen-Gymnasiums angestoßen worden ist. Gemeinsam mit ihrem Lehrer, Stadtrat Wilfried Krauss (Bürger für Ravensburg), haben zwölf Schülerinnen und Schüler Akten im Stadtarchiv gelesen, die Schicksale der acht jüdischen Familien Adler, Erlanger, Harburger, Heimann, Herrmann, Landauer, Rose und Sondermann studiert und dann die Texte für die "Stolpersteine" verfasst.
Damit ist Ravensburg eine von 127 deutschen Städten, die sich an der Aktion des Kölner Künstlers Gunter Demnig beteiligen. Die zwölf mal zwölf Zentimeter großen Messingsteine tragen den Namen und das Schicksal des Opfers in Kurzform. Beispiel: "Hier wohnte Jakob Harburger, *1897, 1938 deportiert ins KZ Dachau, 1942 ermordet im KZ Auschwitz." Sie werden so im Boden verlegt, dass sie gut sichtbar sind und die Betrachter geistig (nicht körperlich) darüber stolpern. Eine bessere Rechtsschutzversicherung bräuchten die heutigen Besitzer der Häuser nicht abzuschließen, betonte Stadtarchivar Dr. Andreas Schmauder in der Sitzung des Gemeinderates.
Das Echo ist geteilt. Das Echo auf die Aktion sei bei den heutigen Hausbesitzern geteilt. Ein Drittel sei begeistert und wolle selbst die 95 Euro teure Patenschaft für die Herstellung des Steins übernehmen, ein weiteres Drittel sei zumindest nicht dagegen, und ein drittes Drittel habe sich noch etwas Bedenkzeit ausgebeten, um sich mit dem Gedanken anzufreunden. Die Gedenktafel in der Grüner-Turm-Straße erinnere übrigens nicht an die Nazi-Opfer, sondern an ein Pogrom in den 1430er-Jahren, sagte Schmauder. Nach einem Ritualmord an einem christlichen Jungen seien damals alle Ravensburger Juden vertrieben oder ermordet worden, ihre Synagoge in der Grüner-Turm-Straße, der damaligen "Judengasse", zerstört. Es sollte fast vier Jahrhunderte dauern, bis sich 1802 wieder jüdische Kaufleute in der Stadt ansiedelten.
Als Hitler die Macht übernahm, lebten acht jüdische Familien in der Türmestadt. 28 Männer, Frauen und Kinder. Die Familie Sondermann etwa führte ein Schuhhaus an der Kirchstraße (heute
[bis 2008] Schuhhaus Keckeisen), die Familie Landauer ein Kaufhaus am Marienplatz (heute Zentralapotheke), die Familie Erlanger den Burachhof, ein landwirtschaftliches Mustergut. Nach 1933 wurden sie diskriminiert, verfolgt, ihres Eigentums beraubt. Wer nicht rechtzeitig emigrierte oder untertauchte, wurde ins KZ deportiert, fünf wurden umgebracht.
Alle Fraktionen im Gemeinderat sprachen sich für das Projekt aus. Dessen Initiator, Wilfried Krauss, sagte mit wenigen Worten sehr viel. "Es gibt hierzulande eine offizielle Gedenkkultur, eine organisierte «Trauerarbeit", die einerseits «entlastet" und andererseits echte Erinnerung oft nachhaltig verhindert. So verschwinden Menschen hinter Analysen, Theorien, Statistiken, erscheinen nur noch als anonyme Objekte der Verfolgung, als passive Opfer. Mit den Stolpersteinen in Ravensburg holen wir die vertriebenen und ermordeten jüdischen Mitbürger aus der Anonymität zurück, sie werden wieder Individuen, ihre schon fast vergessenen Namen kehren in das kollektive Gedächtnis der Stadt und ihrer Bewohner zurück. Der Terror, sagen die Stolpersteine, begann hier, in dieser Straße, in diesem Haus."
Pinchas Erlanger, der mit seiner Familie 1939 zwangsweise ausgewandert ist und heute in Israel lebt, will zur Verlegung des ersten Stolpersteines am 13. September nach Ravensburg kommen." |
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September 2006:
Die ersten 13 "Stolpersteine" wurden
verlegt |
Kurzbericht mit Fotos zu der Verlegung von
vier Stolpersteinen im Bereich des Bildungszentrums St. Konrad am
Sonnenbüchel 45 (ehemals Burachhof der Familie Erlanger) siehe unter Link |
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Hinweis auf der Website der Stadt Ravensburg
(Link):
"Stolpersteine
Das Projekt 'Stolpersteine' des Künstlers Gunter Demnig erinnert an die jüdischen Opfer der NS-Zeit: an deren letzte, selbst gewählte Wohnorte. Die Gedenkzeichen erinnern in ihrer Größe und Form an Kopfsteinpflaster; sie regen dazu an, sich niederzubeugen und zu lesen, was auf ihnen eingraviert ist.
Anfang der 1930er Jahre lebten in Ravensburg einige jüdische Familien. Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung wurden diese diskriminiert und zur Auswanderung gezwungen. Wer nicht floh, wurde in den Konzentrationslagern ermordet. Im September 2006 verlegte der Künstler Gunter Demnig die ersten 13 Stolpersteine in Ravensburg: für die Familien Erlanger am Sonnenbüchel 45, Harburger in der Kirchstraße 11, Landauer am Marienplatz 31 und Rose am Gespinstmarkt 27 sowie für Elsa Finsterhölzl am Marienplatz 17. Das Projekt wurde angestoßen durch Schüler des Welfengymnasiums.
Mit den Steinen vor den Häusern wird die Erinnerung an die Menschen lebendig, die einst hier wohnten. Stolpersteine liegen bereits in über 300 Orten Deutschlands, ebenso in Österreich, Ungarn und in den Niederlanden." |
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Juli 2024:
Einer der "Stolpersteine" wurde
(erneut) verlegt
Anmerkung: 27 Stolpersteine für Ravensburger Jüdinnen und Juden wurden seit
2006 verlegt: vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Ravensburg
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Artikel Bernd Adler in der "Schwäbischen
Zeitung" vom 16. Juli 2024: "Erinnerungskultur. Ravensburg verlegt einen
weiteren Stolperstein
Nur wenige Juden lebten vor 1933 in Ravensburg. An die zur Flucht
Gezwungenen, Deportierten und Ermordeten erinnern die sogenannten
Stolpersteine. Jetzt kam ein neuer hinzu.
Paula Kahn stammte aus Hessen und zog 1937 nach Ravensburg. 1940 gelang der
Frau die Flucht in die USA. Sie musste weg, um ihr Leben zu retten. An die
Jüdin erinnert jetzt ein sogenannter Stolperstein vor ihrem letzten Wohnort
in der Wilhelm-Hauff-Straße 3. 'Erinnerungskultur' ist ein sperriger
Begriff, und viele können damit nichts anfangen - oder wollen nicht erinnert
werden. An die Gefallenen der Weltkriege, an Zwangsarbeiter im Dritten
Reich, an die Verfolgung der Sinti aus dem Ummenwinkel und die Ermordung von
behinderten Menschen aus Weißenau. Oder an Lokalpolitiker, die nach Beginn
der Nazi-Herrschaft in ein Konzentrationslager deportiert wurden. Ravensburg
hat in den vergangenen Jahren mehrere Erinnerungsorte eingerichtet. Dazu
gehören die Stolpersteine, eingelassen in den Boden von Straßen oder Gassen.
Sie wollen die Namen der Menschen, die dort lebten, bevor sie aus dem
Dritten Reich flüchten mussten oder deportiert und ermordet wurden, nicht
dem Vergessen preisgeben. 27 davon gibt es in der Stadt. In der
Wilhelm-Hauff-Straße 3 in der Südstadt gab es bereits einen Erinnerungsstein
an Paula Kahn, der bei Tiefbauarbeiten verloren ging. Am Montag wurde er
neuerlich eingeweiht im Rahmen einer kleinen Feierstunde.
Ravensburger haben Schuld auf sich geladen. Oberbürgermeister Daniel
Rapp betonte dabei, wie wichtig es sei, die Namen der zur Flucht gezwungenen
Ravensburger ebenso wie die der Getöteten sichtbar zu halten. Er erinnerte,
dass schon vor 1933 die Sinti in der Stadt drangsaliert worden seien. Und,
selbst wenn es schwerfalle: 'Es waren wir Ravensburger, die Schuld auf uns
geladen haben.'
Silke Schöttle, die Leiterin des Stadtarchivs, sagte bei der Veranstaltung:
'Der Stolperstein für Paula Kahn erinnert uns an ein Einzelschicksal, steht
aber stellvertretend für alle Menschen, die in unserer Stadt Opfer der
nationalsozialistischen Ideologie wurden und aufgrund ihrer Nationalität,
ihrer Volkszugehörigkeit, ihres Glaubens, ihrer politischen Meinung oder
ihrer Behinderung eingeschüchtert, ausgegrenzt, entrechtet, vertrieben,
verfolgt, verhaftet, deportiert und ermordet wurden. Jeder einzelne
Stolperstein muss uns im Geiste zum Stolpern bringen, uns wachrütteln und
uns daran erinnern, uns unermüdlich für Toleranz, gegenseitigen Respekt und
ein menschliches Miteinander in unserem Gemeinwesen einzusetzen.'
Paula Kahn kam 1897 in Michelstadt in
Hessen zur Welt und starb 1964 in Richmond (USA). 1919 zog sie nach Mannheim
und arbeitete dort als Verkäuferin. 1937 wechselte sie vermutlich aus
familiären Gründen, ihre Schwester Mathilde lebte in Ravensburg, nach
Oberschwaben. Mathilde war dort mit dem Elektrotechniker Edgar Kessler,
einem Christen, verheiratet.
Bemühungen um Ausreise nach der Pogromnacht 1938. Doch nach der
sogenannten Reichspogromnacht im November 1938 nahm der Druck auf Paula
Kahn, die damals im Kaufhaus Wohlwert am Marienplatz arbeitete, immer mehr
zu. Sie wurde polizeilich überwacht und drangsaliert, erhielt aber im
Oktober 1939 die Bürgschaft einer Tante in New York und konnte im Januar
1940 über Genua in die USA fliehen und somit ihr Leben retten. Ihre jüdische
Schwester und deren christlicher Mann verließen 1947 Ravensburg. Paula Kahns
Eltern wurden im französischen Gurs von den Nazis ermordet."
Link zum Artikel |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,2 S. 676-678; III,2 S. S.
1173-1177. |
| Alfons Dreher: Geschichte der Reichsstadt Ravensburg.
1972. Bd. 1 und 2 passim. |
| Moritz Stern: Beiträge zur Geschichte der Juden am
Bodensee und in seiner Umgebung. In: Zeitschrift für die Geschichte der
Juden in Deutschland. AF 1 / 1887. |
| Peter Eitel: Die spätmittelalterlichen
"Kopfziegel" vom Grünen Turm in Ravensburg und ihre Bedeutung.
In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung.
95 1977 S. 135-139. |
| Manfred Hauser: Antisemitismus und Schicksal der
Juden in Ravensburg. In: Peter Eitel (Hrsg.): Ravensburg im Dritten Reich -
Beiträge zur Geschichte der Stadt. Ravensburg 1997 S. 304-332. |
| Hermann Hörtling: Was ist aus ihnen geworden? Auf
der Suche nach den Ravensburger Juden. In: ebd. S.
333-341. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Ravensburg
Wuerttemberg. The Jews of the 14th century community were burned alive in the
Black Death persecutions of 1348-49.
The community was reestablished in 1835, numbering 40 in 1900 and under the
aegis of the neighboring Bad Buchau rabbinate. Twenty-seven Jews remained in
1933, 20 subsequently emigrating and six dying in the camps.
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