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Rhens (Kreis
Mayen-Koblenz)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Rhens bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/39.
Bereits seit dem 15. Jahrhundert lassen sich in der Stadt Juden
nachweisen. 1441 wird erstmals ein jüdischer Einwohner genannt, der vom
Geldverleih lebt. 1454/55 wurden zwei Adlige (Hermann und Philipp Boyssen
von Waldeck) durch den Kölner Erzbischof Dietrich von Moers zu gerichtlicher
Verantwortung gezogen, weil sie einen Juden aus Rhens beraubt hatten. 1453 wird
eine Jüdin von Rhens genannt, die ihr Haus in Oberlahnstein
ihrer Tochter übergab. Vor 1458 zog ein jüdisches Ehepaar aus Oberlahnstein
nach Rhens. 1498 erteilte Landgraf Wilhelm III. von Hessen, an den damals
die Stadt verpfändet war, einem aus Vallendar
stammenden Juden mit Familie (Frau, Kinder und Gesinde) einen sechsjährigen
Schutzbrief. Auch im 16. Jahrhundert lebten Juden in der Stadt: 1531
werden Fretzen Symon und Symons Jakob von Rhens genannt. 1532 gewährte
Landgraf Philipp von Hessen dem Juden Hayum mit Familie (Frau, Kinder und
Gesinde) das Wohnrecht in Rhens.
Im 17./18. Jahrhundert werden als jüdische Einwohner der Stadt genannt)
Isaak Schmay (1691), Meyer Grundt (1700), Mayer Abraham (1776, 1789), Moyses
Loeb oder Levi Loeb, auch Loeb Rhens genannt (1699, 1700, 1731), Sabell (Samuel)
Zander (Alexander) (1765 bis 1789) und Mendell
(1789).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1808 etwa 36 oder 38 jüdische Einwohner, 1835 19 (von denen neun in
Rhens geboren waren), 1847 74, 1856 64, 1858 71, 1895 44, 1905 34. 1876 waren es
18 jüdische Familien; die Familienväter gingen folgenden Berufen nach: 2
Klempner (Leopold und Isaak Mayer), 6 Handelsleute (vermutlich Viehhändler), 2
Händler (Jacob und Moses Mortge), 2 Metzger (David Günther und Alexander
Mayer), ein Schuster (Heinrich Mängen).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische
Schule (Religionsschule), ein rituelles Bad und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben
der Gemeinde war im 19. Jahrhundert zeitweise ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und
Schochet tätig war. 1834 wurde Levi Salomon aus Posen als Religionslehrer für
die damals 17 schulpflichtigen jüdischen Kinder angestellt. Er ist jedoch
bereit drei Jahre später nach Amerika ausgewandert. Rhens blieb bis nach 1933
Lokalgemeinde und gehörte keinem Rabbinatsbezirk an. An jüdischen Vereinen
gab es u.a. seit 1913 einen Synagogenverein, der die Mitglieder verpflichtete,
zu jedem Gottesdienst pünktlich zu erscheinen.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der Gemeinde zwei Söhne von Hermann
Mortge und Karoline geb. Kahn: Karl Sally Mortge (geb. 4.5.1897 in Rhens, gef.
1.9.1917) und Julius Mortge (geb. 6.5.1890 in Rhens, vor 1914 in Saarbrücken
wohnhaft, gef. 14.1.1918). 1929 wurden sie nicht auf der Ehrentafel der gefallenen
Kriegsteilnehmer verzeichnet, weswegen Hermann Mortge damals aus dem
Kriegerverein austrat. Erst nach 1945 wurden die Namen der beiden Mortge-Brüder
auf dem Kriegerehrenmal eingetragen.
Um 1924 wurden 44 jüdische Einwohner gezählt. Es handelte sich um die
folgenden Familien beziehungsweise Personen: Dr. med. Arthur Frank (seit 1922
Praxis in der Koblenzer Straße 14), Hugo Günther (Metzgerei, Hochstraße 27),
Leopold Mängen (Polsterer, Langstraße 37), Clementine Mandel (Modistin,
Josephstraße 11), Susanne Mandel (Putzgeschäft, Josephstraße 11), Alfred
Mayer (Metzgerei, Hochstraße 28), Benno Mayer (Metzgerei, Neustraße 34),
Bernhard Mayer (Spenglerei, Hochstraße 25), Gertrud Mayer (Witwe, Hochstraße
28), Bernhard Mortge (Kolonialwarenhandlung, Koblenzer Straße 1), Hermann
Mortge (Kaufmann, Langstraße 7), Leopold Mortge (Privatier, Koblenzer Straße
1), Regina Mortge (Priv., Langstraße 7), Adolf Wagner (Viehhändler, Mainzer
Straße 22), Karoline Wagner (Mainzer Straße 22). 1929 wurden 48 jüdische
Einwohner gezählt (2,33 % der Gesamteinwohnerschaft).
1933 lebten noch etwa 40 jüdische Personen in der Stadt. In
den folgenden Jahren sind alle jüdischen Einwohner auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Die letzten verließen
1939, nachdem beim Novemberpogrom 1938 die Synagoge und mehrere jüdische
Wohnungen zerstört worden waren (Wohnungen Mayer Neustraße 34, Müngen
Langstraße 37, Wagner Mainzer Straße 36, Mandel Josefstraße 11), die Stadt.
Am 10. August 1939 war Rhens in der Sprache der NS-Sprache
"judenrein".
Von den in Rhens geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Katharina Baer geb.
Mortge (1880), Rosa Baer geb. Mortge (1883), Clementine Mandel (1858), Alfred
Mayer (1886), Arthur Mayer (1925), Benno Mayer (1879), Clara Mayer geb. Mayer
(1881), Jacob Mayer (1879), Margot Mayer (1930), Regine Mortge (1857), Irene
Rolef geb. Mayer (1903).
Am 8. Mai 1994 wurde ein Gedenkstein gegenüber dem
Kriegerehrenmal zur Erinnerung an die frühere jüdische Gemeinde aufgestellt.
Auf ihm sind die Namen der jüdischen Familien verzeichnet, die 1933 in Rhens
gewohnt haben. Die Inschrift des Gedenksteines: "Wer die Vergangenheit
nicht sieht, verliert den Blick für die Zukunft. Der jüdischen Gemeinde zum
Gedenken. Den Toten zur Ehre, den Lebenden zur Mahnung. In Erinnerung:
Frank Günther Mandel Mengert Mayer Mortge
Wagner."
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Spendenaufruf für ein krankes und arbeitsunfähiges Gemeindemitglied (1887)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Juli 1887: "Bitte
an edle Glaubensgenossen!
Der Unterzeichnete, schön längere Zeit krank und arbeitsunfähig,
befindet sich gegenwärtig mit seiner Familie in einer sehr dürftigen
Lage. Notgedrungen sieht derselbe sich genötigt, edle Glaubensgenossen um
eine Unterstützung anzuflehen. Etwaige Gaben wolle man gefälligst an die
Expedition dieses Blattes gelangen lassen.
Rhens bei Koblenz, 5. Juli 1887. Heinrich Mängen.
Herr Heinrich Mängen aus Rhens ist durch sein seit längerer Zeit
anhaltendes Magenleiden, das ihn erwerbsunfähig macht, der Unterstützung
ebenso bedürftig, als er ihr voll und ganz würdig ist. 'Heil, wer
sich des Armen annimmt, am Tage des Unglücks wird ihn der Ewige retten'
(Psalm 41,2).
Rhens, den 5. Juli 1887. Rabbiner Dr. Kopfstein.
Wir sind gern bereit, Gaben entgegenzunehmen und weiterzubefördern. Die
Expedition des 'Israelit'." |
Sonstiges
Gesundheitsschein für einen von Viehhändler Benjamin
Mortge verkauften Ochsen (1852)
(aus der Sammlung von Alex Kron, Rhens)
"Gesundheits-Schein.
Bürgermeisterei Bassenheim Gemeinde Weißenthurm den 18. August
1852.
Es verkaufet auf hiesigem Markte für frisch und gesund und ohne Fehler
nach Landes-Gebrauch
Der Benjamin Mortge von Rhens ... dem Nicolaus Hahn von Rübenach
ein Ochs wovon die äußere Beschreibung folgt...
Dass selbige keine anstreckende, seuchenartige Krankheit an sich trage und
dass am hiesigen Orte keine Seuche herrscht, bescheiniget
Der Königliche Departements-Thierarzt...
mit Unterschrift von Benjamin Mortge " |
Anmerkung: der Viehhändler Benjamin
Mortge (Benjamin Bar Issachar) ist am 17. September 1812 in
Rhens geboren als Sohn von Bernhard (vor 1808 Baer) Mortge (Viehhändler,
1787 Rhens - 1839 Rhens) und seiner Frau Sara Benjamin (geb. 1790 in Sayn).
Benjamin Mortge war verheiratet mit Karoline Michele Simon (geb.
1850 in Rhens). Die beiden hatten einen Sohn, den späteren Vieh- und
Fellhändler Bernhard Mortge III (1849 Rhens - 1911 Rhens). Weitere
Angaben zu Familie Mortge siehe im Beitrag von Hildburg-Helene Thill
(Literaturverzeichnis unten). |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein Betraum beziehungsweise eine erste Synagoge
vorhanden (genannt 1808). 1827 erfährt man, dass das Gebäude in
baufälligem Zustand sein und ein Synagogenneubau zu planen sei. In den
folgenden Jahren konnten die damals zehn jüdischen Familien, obwohl sie in
überwiegend in sehr einfachen, teils armseligen Verhältnissen lebten, eine
neue Synagoge bauen. 1832 wurde die Synagoge erstellt beziehungsweise
eingeweiht. Zur Synagoge wurde ein älteres Haus - ein stattlicher Bau mit
abgewalmtem Mansarddach von 1668 - umgebaut (der Türsturz datierte das Gebäude auf
1668). Die Finanzierung wurde unter anderem durch die Vermietung der
Synagogenplätze geregelt.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge von SA-Männern und
Hitler-Jungen geschändet und demoliert. Hässliche Szenen spielten sich ab:
Ritualgeräte wie der Chanukkaleuchter wurden gestohlen und verhöhnend
umhergetragen. Eine Torarolle wurde derart an einem Wagen (dem
Leichenwagen der jüdischen Gemeinde) befestigt, dass sie während der Fahrt abgerollt
wurde. SA-Männer trampelten auf dem abgespulten Teil herum, zündeten die
Torarolle an und rollten sie mit dem Wagen zum Rhein. Das Synagogengebäude blieb jedoch erhalten und wurde später zu einem
Wohnhaus umgebaut.
Eine Gedenktafel an dem Gebäude ist vorhanden.
Adresse/Standort der Synagoge: Langstraße
9
Fotos
(Quelle: Landesamt s.Lit. S. 322; neueres Foto von
Joachim Forg, Quelle)
Die Synagoge in Rhens
(historische Aufnahme) |
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Die hohen
Rundbogenfenster im Obergeschoss gaben der Synagoge
ihr besonderes Gepräge |
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Das zu einem Wohnhaus
umgebaute
Synagogengebäude
(derzeitiger Zustand) |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica III,2 S. 1242-1243.
|
| Hildburg-Helene Thill: "Rhens Judenrein".
In: SACHOR. Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit
in Rheinland-Pfalz Heft Nr. 8 - 3/94 (4. Jahrgang) S. 20-27 (detailreiche
Darstellung mit präzisen genealogischen Angaben zu den Rhenser jüdischen
Familien). Online
eingestellt (pdf-Datei). |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 322 (mit weiteren Literaturangaben).
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n.e.
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