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Rüdesheim am Rhein mit
Geisenheim und Winkel (Stadt Oestrich-Winkel)
(Rheingau-Taunus-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem
in früheren Jahrhunderten zum Mainzer Erzstift gehörenden Rüdesheim
(Stadt seit 1820) bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938. Bereits im Mittelalter
lebten vereinzelt Juden am Ort. Rüdesheim wird schon genannt im Zusammenhang
mit der Judenverfolgung beim Ersten Kreuzzug 1096. Als Ende Mai 1096 der
größte Teil der jüdischen Bevölkerung von Mainz durch die Kreuzfahrer
ermordet wurde, versuchte der Erzbischof von Mainz den Rest der Gemeinde zu
retten und ließ R. Kalonymos mit 53 oder 60 Personen nach Rüdesheim bringen.
Aber auch hier blieb ihnen nur die Wahl zwischen Taufe und Tod; sie fielen durch
die Hand der Landbevölkerung oder töteten sich selbst.
Weitere Nachrichten von Juden in Rüdesheim liegen aus dem 14. Jahrhundert vor:
1321 verpfändete das Erzstift dem Ritter Thilmann von Rüdesheim die
dort und in Bingen ansässigen Juden. Keine Nachrichten liegen über eine mögliche
Judenverfolgung während der Pestzeit vor. 1356 gestattete Erzbischof
Gerhard einer jüdischen Familie, sich in Rüdesheim niederzulassen. Die Familie
hatte jährlich 10 Gulden an den Erzbischof zu bezahlen.
Auch in Geisenheim lebte im 14. Jahrhundert
mindestens eine jüdische Familie (1347 wird David, Jud zu Geisenheim genannt;
vermutlich war auch ein Jud Anshelm am Ort). Der Zoll in Geisenheim (von allen
Schiffen wurde ein Pfefferzoll erhoben) war wiederholt an Juden verpfändet:
1296-1302 an Anselm von Oppenheim, 1342 an Abraham von Kreuznach in Bingen, 1347
an Anshelm (vermutlich von Geisenheim). Im 15. Jahrhundert werden mehrfach Juden
am Ort genannt (1437, 1446 zwei Juden, 1452, 1456)
Einrichtungen wie einen Betraum hatten die in Rüdesheim und Geisenheim lebenden
jüdischen Familien im Mittelalter vermutlich nicht, da ihre Zahl zu gering war.
Ihre Verstorbenen wurden auf dem Friedhof in Mainz beigesetzt.
Weitere Mitteilungen über jüdische Personen in Rüdesheim liegen erst wieder
vom Ende des 17. Jahrhunderts vor. Zunächst handelte es sich nicht mehr
als um ein oder zwei Familien. In Geisenheim werden seit 1620 wieder Juden
genannt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1825 24 jüdische Einwohner, 1842 45, 1848 16 Familien mit zusammen 12
schulpflichtigen Kindern, 1871 52 jüdische Einwohner (1,6 % von insgesamt 3.197
Einwohnern), 1885 58 (1,4 % von 4.040), 1895 43 (0,9 % von 4.619), 1905 52 (1,1
% von 4.773). Die in Geisenheim und Winkel lebenden jüdischen Personen gehörten
gleichfalls zur Gemeinde in Rüdesheim: in Geisenheim
wurden gezählt: 1842 19, 1874 38, 1905 34 jüdische Einwohner; in Winkel
1842 11, 1874 16, 1905 11 jüdische Einwohner. Die jüdischen Haushaltsvorsteher
waren als Viehhändler, Metzger und Kaufleute tätig.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule und ein Friedhof.
Ein rituelles Bad gab es nach dem Bericht von 1865 (siehe unten) - zumindest
damals - nicht am Ort und wird auch in den folgenden Jahrzehnten nicht
eingerichtet worden sein. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war
ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl.
Ausschreibungen der Stelle von 1893 und 1910 s.u.). Im 19. Jahrhundert war am längsten
Lehrer Salomon Rothschild am Ort tätig: von 1846 bis 1893 war er in Rüdesheim
und wurde 1892 für seine Verdienste ausgezeichnet (siehe Bericht unten von 1892;
er wird auch bei der Einweihung einer neuen Torarolle in der Rüdesheimer
Synagoge im August 1892 genannt, siehe unten). Von 1899 bis 1911 war Josef Jacob in der Gemeinde tätig.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Gefreiter
Heinrich Hallgarten (geb. 9.3.1894 in Winkel, gef. 18.9.1915), Benno
Hirschberger (geb. 4.5.1898 in Rüdesheim, gef. 3.6.1918) und Friedrich Heinrich
Rothschild (geb. 6.3.1889 in Rüdesheim, gest. 1.11.1914 in Gefangenschaft). Außerdem
ist gefallen: Unteroffizier Fritz (Friedrich) Meyer (geb. 24.2.1889 in Rüdesheim,
vor 1914 in Bingen wohnhaft, gest. 18.9.1914 in Gefangenschaft).
Um 1924, als 40 jüdische Einwohner in Rüdesheim gezählt wurden (0,9 %
von 4.422 Einwohnern; dazu 24 in Geisenheim und 9 in Winkel), waren die
Gemeindevorsteher Ferdinand Mayer, Joseph Moos und Moritz Moos. Einen eigenen
Religionslehrer hatte die Gemeinde nicht mehr: den Religionsunterricht der
damals 5 jüdischen Kinder erteilt Lehrer Arnold Katzenstein aus Schierstein;
als Schochet war M. Strauss aus Geisenheim tätig. An jüdischen Vereinen
gab es am Ort: den Wohltätigkeitsverein Chewra (auch Männer-Sterbeverein
genannt; 1924/32 unter Leistung von Eduard Rosenthal in Östrich), den Männer-Krankenverein
(1924/32 unter Leitung von Arthur Hallgarten, Mittelheim; Zweck und
Arbeitsgebiet: Unterstützung hilfsbedürftiger Mitglieder, Krankenfürsorge)
und den Frauenverein (unter Leitung der Frau von Eduard Rosenthal, Östrich;
Zweck und Arbeitsgebiet: Unterstützung hilfsbedürftiger Mitglieder,
Bestattungswesen). 1932 waren die Gemeindevorsteher Ferdinand Mayer
(Geisenheim, 1. Vorsitzender), Georg Strauß (2. Vorsitzender) und Joseph Moos
(3. Vorsitzender). Im Schuljahr 1931/32 erhielten noch zwei jüdische Kinder
Religionsunterricht.
1933 lebten noch 29 jüdische Personen in der Stadt (0,6 % von
4.677, dazu 20 in Geisenheim, 8 in Winkel). In den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom 1938
wurde durch
SA-Leute aus Wiesbaden und Rüdesheim die Synagoge in Rüdesheim zerstört (siehe unten) sowie
in der Nacht vom 10. auf den 11. November jüdische Häuser und Wohnungen
überfallen und in brutaler Weise demoliert (Wohnhaus des Eisenwarenhändlers
Carl Rothschild in der Langstraße, Metzgerei von Joseph Moos in der
Wilhelmstraße und Wohnhaus der Familie Hirschberger in der Steinstraße). Auf
Grund dieser Gräueltaten verließen die letzten jüdischen Einwohner alsbald
die Stadt, verzogen in andere Städte (Wiesbaden, Mainz und Bingen) oder konnten emigrieren.
1939 lebte keine jüdische Person mehr in der Stadt. Auch in Geisenheim war es beim Novemberpogrom 1938 zu gewaltsamen
Aktionen der Schüler der Versuchs- und Lehranstalt für Wein-, Obst- und
Gartenbau unter Führung eines SS-Mannes gegen die Anwesen der Familien Liebmann
und Strauß gekommen. Das Möbelgeschäft der Brüder Strauß in der
Marktstraße 2, das zu diesem Zeitpunkt schon "arisiert" war, wurde
demoliert.
Von den in Rüdesheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Dora David (1877), Elisabeth David (1879), Pauline
David (1886), Sofie David (1882), Theodore Dornbusch (1867), Trude (Gertrude) Götz
geb. Weil (1914), Jenny Hausmann geb. Lebenberg (1893), Berta Hirschberger geb.
Moos (1871), Hedwig Katzenstein geb. Levitta (1881), Bella
Levitta (1876), Ludwig Levitta (1885), Elisabeth Linsel geb. Schmitz (1889),
Berta Meier geb. Lebenberg (1875), Joseph Moos (1869), Moritz Moos (1875), Lina
Pfeiffer geb. Stein (1881), Karl Rothschild (1851), Mathilde Rothschild geb.
Levitta (1863), Rosa Strauss geb. Stern (1868), Günther Weil (1919).
Aus Geisenheim sind umgekommen: Lisette Löwenthal
geb. Strauss (1866), Ludwig Mayer (1889), Selma Neufeld geb. Löwenthal (1899),
Werner Neufeld (1929), Erna Babette Simon-Wolfskehl geb. Strauss (1901),
Beatrice Strauss (1902), Fanny Strauss geb. Strauss (1877), Grete Strauss
(1905), Karoline Strauss geb. Bender (1885), Liebmann Strauss (1875), Sebald
Strauss (1866), Sigmund Strauss (1869).
Aus Winkel sind umgekommen:
Bianka Epstein geb. Hallgarten (1865), Fanny (Franziska) Falkenberg geb. Levitta
(1869), Annelies Geisse geb. Cantor (1902), Emil Hallgarten (1868), Julius Josef
Hallgarten (1868), Karl Hallgarten (1900), Sofie Hallgarten geb. Nassauer
(1870), Hedwig Israel geb. Hallgarten (1895), Arthur Lothar Schloss
(1938).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1893 /
1910
Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Juli 1893: "Die israelitische
Kultusgemeinde Rüdesheim am Rhein sucht per sofort einen tüchtigen
Religionslehrer, ledig, religiös, der als Vorbeter und Schochet diese
Stelle ausfüllen kann. Reflektanten wollen ihre Gehaltsansprüche nebst
Zeugnisse an den unterzeichneten Kultusvorsteher franco einreichen.
Leo Levitta, Kultusvorsteher." |
|
Ausschreibung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 11. November 1910: "Frankfurt am Main. Vakanzen. Rüdesheim, Lehrer, Kantor
und Schächter per 1. Januar. Gehalt 800-900 Mark." |
Auszeichnung für Religionslehrer Salomon Rothschild
(1892)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. April 1892: "In Rüdesheim
wurde dem israelitischen Religionslehrer Salomon Rothschild, der beinahe
51 Jahre, wovon allein nahezu 46 Jahre in Rüdesheim, vorher in Münster
und Weier bei Runkel, seines Amtes gewissenhaft waltete, von dem Königlichen
Landrat Herrn Wagner das Königliche Preußische Allgemeine Ehrenzeichen
mit der Zahl 50 für Verdienste um den Staat überreicht." |
Über Kantor Josef Jacob (1875-1942, Lehrer in
Rüdesheim von 1899 bis 1911) (Quelle)
Josef Jacob
wurde am 6. September 1875 in Büdingen / Lothringen geboren. Nach der
Studienzeit in Colmar / Elsass trat er 1899 eine Stelle als Lehrer und
Kantor bei der jüdischen Gemeinde in Rüdesheim an. Mit seiner Familie
(Frau Klara geb. Horn; vier Töchter Selma Rita, Gretel und Ilse) bis er
in Rüdesheim bis 1910. Im Januar 1911 wurde er auf die Stelle als Kantor
der jüdischen Gemeinde Rheingönheim - Neuhofen berufen. Die Familie
wohnte danach im Haus des Betsaales in der Hauptstraße. Lehrer Jacob
unterrichtete die jüdischen Kinder in Rheingönheim und der Umgebung in
Religion. Nach 14 Jahren Dienst in der jüdischen Gemeinde Rheingönheim-
Neuhofen wurde Josef Jacob Ende 1925 nach Ludwigshafen versetzt, wo er Dienst an der Synagoge Ludwigshafen und an der
Kommunalschule leistete. Am 6. September 1935 feierte Josef Jacob seinen 60. Geburtstag
und sein 25 jähriges Lehrerjubiläum im Sabbat-Gottesdienst in der Ludwigshafener Synagoge Kaiser-Wilhelm-Straße.
Wenig später musste Familie Jacob die große Wohnung in Ludwigshafen aus finanziellen Gründen aufgeben und
nach Mannheim übersiedeln. Nach der Reichspogromnacht 1938 wurde Josef Jacob in Haft genommen und vom
10. bis 22. November 1938 im KZ Dachau festgehalten. Im Frühjahr 1940 nahm er vom Rest seiner Familie Abschied (Tochter Selma starb 1925 in Ludwigshafen, Tochter Rita wanderte 1934 nach Palästina aus), die auf ihrer Flucht vor dem Nationalsozialismus, über die ganze Welt verteilt wurde. Kantor Josef Jacob
blieb bei seiner Gemeinde in Mannheim. Am 21. August 1942 wurde Kantor Jacob in Mannheim von der Gestapo verschleppt und am
23. August 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Am 26. September
1942 wurde er im Nebenlager Maly Trostinec als "verschollen" gemeldet. Das Todesdatum wurde später auf den 15.10.1942 festgelegt.
Um das Andenken an Kantor Josef Jacob am Leben zu halten wurde am 14.
Oktober 2001 auf Initiative von Pfarrer Frank-Matthias Hofmann eine Bronzegedenktafel an der Außenmauer des
Protestantischen Pfarrgartens angebracht und der Kantor-Josef-Jacob-Platz feierlich eingeweiht. Im Zuge der Benennung des Platzes, wurde auch die Pfarramtsadresse in Rheingönheim von Hauptstraße 214 in
"Am-Kantor-Josef-Jacob-Platz 1" umbenannt. Bei der feierlichen Enthüllung waren auch Ilse Lewins geb. Jacob und ihre Tochter Ruth
Ezrahi, aus Israel, anwesend. |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Kritischer Bericht über die Rüdesheimer jüdische
Gemeinde aus konvervativ-orthodoxer Sicht zur Zeit des Lehrers Salomon
Rothschild (1865)
Anmerkung:
Im Hintergrund des nachfolgenden Berichtes stehen Auseinandersetzungen zwischen
dem offenbar sehr liberal eingestellten Lehrer Salomon Rothschild und
konservativ-orthodox geprägten Gemeindemitgliedern (vielleicht handelte es sich
auch nur um eine Person, die diesen Bericht an die Zeitschrift "Der
Israelit" geschickt hat). Letztere sahen den Grund der Probleme in
Rothschilds liberaler ("neologer") Grundeinstellung, die von dem damaligen
– gleichfalls liberalen – Wiesbadener Bezirksrabbiner Dr. Samuel Süßkind
(Rabbiner von 1844 bis 1884) gedeckt wurde. Am 7. Oktober 1865 kam es zu einem
Eklat in der Synagoge, in den auch der Vorsteher Moritz David und das
Gemeindemitglied A. Levitta hineingezogen wurden.
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. November 1865: "Eingesandt.
Aus dem Nassauischen. Wieweit die Neologie ihr verderbliches Spiel mit
unserer heiligen Religion treibt und inwiefern mit derselben Bildung und
Aufklärung Hand in Hand gehen, davon geben die israelitischen Zustände
Nassaus den besten Beweis. Wir wissen nicht, welchen Rang die Gemeinde Rüdesheim
in dem Rabbinate des Herrn Rabbiner Süßkind einnimmt. Da uns jedoch
gerade diese Gemeinde am bekanntesten ist, so machen wir sie zum
Gegenstande unserer Betrachtung. Der religiöse Zustand einer Gemeinde lässt
sich am Besten nach dem Stande der Gemeinde-Institutionen als Synagoge,
Schule, Schechitah, Mikwah (= rituelles Bad) etc. beurteilen. Wie dies auf
dem Lande häufig vorkömmt, so versieht der Lehrer die Funktionen an den
drei ersteren, die letztere existiert nicht in dieser Gemeinde. Wie es überhaupt
in dieser Gemeinde aussieht, ist schon dargetan, wenn wir die folgenden
Notizen über den Lehrer dieser Gemeinde, Herrn Salomon Rothschild geben. |
Neunzehn
Jahre wirkt hier bereits Genannter als Lehrer, Chasan und Schochet. Im
Jahre 1848 hing Herr Rothschild seine Schule an den Nagel, nahm die
Muskete zur Hand und ging unter – die Freischaren – Schule und
Synagoge harrten der Rückkunft ihres kämpfenden Funktionärs.
Der
damalige Vorsteher, der mit dem würdigen Lehrer stets harmonierte, gab am
Schabuothfeste (Laubhüttenfest) die Schlüssel zur Synagoge nicht heraus,
unter dem Vorwande, dass man vorerst die Rückkunft des Lehrers abwarten müsse.
Der kriegerische Lehrer, zurückgekehrt von seinen Abenteuern in Baden,
suchte nun im Kreise seiner eigenen Gemeinde Beweise seiner Tapferkeit zu
liefern. In dem damaligen Turnverein, dessen Mitglied er war, verdächtigte
er an einem Freitag Abend, einen gesetzestreuen Glaubensgenossen, der es für
seine Pflicht hielt, gegen einen solchen Lehrer und Vorbeter aufzutreten,
des Verrats gegen den Verein und zwar in einem solchen Grade, dass tags
darauf mehrere Vereinsgenossen auf öffentlicher Straße in drohende
Beleidigungen gegen denselben ausbrachen. Die Verwandten des Bedrohten
hatten die größte Mühe, den Präsidenten des Vereins von dem wahren
Sachverhalt zu überzeugen und die aufgeregten Gemüter zu beschwichtigen.
Solcher Stückchen müssten wir noch viele zu erzählen, wenn wir nicht
befürchteten, den Leser zu ermüden. Hier haben wir nur noch zu bemerken,
dass es bis jetzt unbekannt geblieben, wo Herr Rothschild nach seiner Rückkunft
seine Kost nahm, (er war nämlich noch unverheiratet), da er bei keinem
seiner Glaubensgenossen zu Tusche ging. Wie ein solcher, der den Gesetzen
Israels öffentlich Hohn spricht, zuverlässig ist, als Schochet zu
fungieren, weiß nur Herr Rabbiner Süßkind.
In der Schule erklärt Herr Rothschild die heiligsten Gesetze
unserer Religion für Unsinn; man kann sich denken, wie ein solcher
Unterricht für die kommende Generation wirken muss. Es bleibt uns unerklärlich,
wie eine Gemeinde 19 Jahre lang ihre Kinder einem solchen Lehrer
anvertrauen kann.
Im Begriff,
unseren unerquicklichen bericht zu schließen, können wir nicht umhin,
eines Vorfalls zu erwähnen, der sich am 7. Oktober, am Schabbat Chol
Hamoed (Halbfeiertag) von Sukkot, in hiesiger Synagoge ereignete. Es war zwar nicht das erste Mal,
dass sich Herr Rothschild die gröblichsten Injurien gegen einzelne
Gemeindemitglieder, in der Synagoge, sogar während des Gottesdienstes zu
Schulden kommen ließ. Aber am bezeichneten Tage erreichte dessen Betragen
einen solchen Grad von Rohheit und Bosheit, dass man versucht war, an
seinem Verstande zu zweifeln.
Ohne, dass demselben auch nur auf irgendeine
Weise Veranlassung zu einer Rüge oder zur Unzufriedenheit gegeben worden
war, wandte sich derselbe gerade während des Vorlesens der heiligen Tora,
nachdem ihn der erste Vorsteher, Herr Moritz David auf einen Irrtum
aufmerksam gemacht hatte, - er hatte nämlich vergessen, den achten Mann Maftir, zur Tora aufzurufen – zur Gemeinde und sprach: ‚Ich bin
Vorsteher; der Moritz David ist nicht Vorsteher; er ist vielmehr der
ungezogenste Mensch in der ganzen Synagoge; der A. Levitta, (ein
Gemeindemitglied) ist ein ungezogener Bengel,’ etc. etc. Er insultierte
noch einige Gemeindemitglieder, und an Beleidigungen gegen die gesamte
Gemeinde ließ er es auch nicht fehlen.
Die am gröblichsten Beleidigten verließen die Synagoge; eine
totale Störung des Gottesdienstes war eingetreten; allgemeine Entrüstung
erfüllte alle Anwesenden.
Selbstverständlich wurde am folgenden Tage bei
der hohen Herzoglichen Landesregierung ein Bericht eingereicht, in welchem
der Vorsteher Herr Moritz David die Absetzung des Lehrers verlangt, über
deren Resultat wir später – so Gott will – berichten werden.
Dies
alles geschah in einer Gemeinde, die ganz und gar den Prinzipien des Herrn
Rabbiners Süßkind huldigt, in einer Synagoge, deren Ordnung durchaus der
Reform entspricht. – Wer möchte sie darum beneiden?". |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod des langjährigen Gemeindevorstehers, Weinkommissärs und Wohltäters
Isaac Levitta (1910)
Artikel im
"Frankfurter Israelitischen Familieblatt" vom 30. Dezember 1910: "Rüdesheim.
‚Unser Leben währet 70 Jahre, und wenn’s hoch kommt, so sind’s 80
Jahre, und wenn’s köstlich gewesen ist, so ist’s Mühe und Arbeit
gewesen.’ Wenn dieser Vers des 90. Psalms seine Geltung noch hat, so war
es der köstlichste Erdenlauf, den am 14. Dezember der Seniorchef der
Firma Isaac Levitta, Herr Isaac Levitta, im 75. Jahre in Rüdesheim am
Rhein vollendete, denn es war ein Leben, das reich an Mühe und Arbeit
war.
Am 2. August 1836 als Sohn des Gemeindevorstandes Feist Levitta und
seiner Gattin Jendel geb. Isaac in Rüdesheim geboren, verbrachte der
Entschlafene sein ganzes Leben daselbst bis auf seine Lehrjahre in Bingen.
Aus bescheidenen, doch durchaus nicht ärmlichen Verhältnissen war er
hervorgegangen, er, der später einer der ersten, hoch angesehensten Leute
nicht nur seines Vaterstädtchens, sondern des ganzen Rheingaus werden
sollte.
Sein Erwerb als Weinkommissionär brachte es mit sich, dass er überall
im Rheingau mit allen Schichten der Bevölkerung, arm wie reich, hoch und
niedrig zu tun hatte. Und nur wenn man das sich vor Augen hält, kann man
das ungewöhnliche Ansehen und Vertrauen verstehen, das der Verewigte
genoss. Denn wer mit ihm einmal zu tun hatte, der war begeistert von dem
schlichten, graden, lauteren Charakter des Verblichenen. So ward Isaac
Levitta jedermanns Freund, und bald pflegte weder in der Hütte des Armen
noch im Palaste des Reichen im Rheingau etwas wichtigeres zu geschehen
ohne seinen Rat und Hilfe.
Das Vertrauen seiner Mitbürger hatte den
Verewigten, der die Früchte seiner Arbeit gern dem allgemeinen Wohle auch
zugute kommen ließ, jahrzehntelang zum Mitglied der
Stadtverordneten-Versammlung berufen, als deren Mitglied er sich
hervorragende Verdienste erworben hat.
Gleichfalls jahrzehntelang hat
Isaac Levitta den jüdischen Gemeinden Rüdesheim und Geisenheim
vorgestanden. Er war ein Jude: treu, edel und wohltätig. Von seiner
stillen Wohltätigkeit, die keinen Unterschied der Konfession kannte, können
die Armen des Rheingaus berichten. Ihm, dem ‚Herrn Isaac’, wie sie ihn
nannten, klagten sie ihre kleinen Nöte, und er mit seinem klaren Auge sah
stets einen Weg und bot seine helfende Hand. Den Juden des Rheingaus war
die Hochachtung, die ihr Vorstand genoss, den die innigste Freundschaft
mit dem alten ‚Eisenkönig’, Freiherr von Stumm, verband, von Vorteil.
Die majestätische Erscheinung ihres ersten Vorstandes, der stets seine
Zugehörigkeit zum Judentum als Adel empfand, hob das Ansehen und
Vertrauen der ganzen Judenheit des Rheingaus.
Sein Glück nach außen stützte
sich auf das reinste Familienglück seines Hauses.
Schon fast 3 Jahre
hatte Isaac Levitta an den Erscheinungen des Alters gelitten, als am 14.
Dezember ihn ein sanfter Tod erlöste. Mit einem Kusse hat ihn der Ewige
hinüber genommen zur ewigen Glückseligkeit, die allen Gerechten in
Israel verheißen, aus einem Leben, das zwar reich an Arbeit, aber auch überreich
an Erfolgen und Ehren war.
Droben, von seiner selbst gewählten Ruhestätte
aus, überschaut er nun das rebengesegnete Rheingau, das Isaac Levitta
stets über alles geliebt und für dessen blühende Entwicklung er
jederzeit seine ganzen Kräfte eingesetzt hatte." |
Über den Juristen und Schriftsteller Leo Sternberg
(1876-1937)
Leo Sternberg ist 1876 als Sohn eines
jüdischen Kaufmanns in Limburg a.d. Lahn geboren. Nach dem Studium der
Rechtswissenschaften und Kunstgeschichte (in München, Marburg und Berlin)
wurde er 1906 Gerichtsreferendar in Rüdesheim, danach Assessor an den
Amtsgerichten Hadamar, Rüdesheim, Hechingen, Sigmaringen und Hachenburg,
1910-1913 Amtsrichter in Wallmerod, seit 1913 in Rüdesheim. Seit
1908 war er mit Else Mönch aus Rüdesheim verheiratet. 1906 war er aus
der jüdischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten. Als
"Nicht-Arier" wurde er 1934 vom Dienst als Amtsrichter
suspendiert. 1937 starb er auf einer Reise nach Jugoslawien auf der Insel
Hvar.
Sternberg war mit Gedichten und Erzählungen zwischen 1910 und 1933 einer
der beliebtesten Schriftsteller des Mittelrheins. Dazu verfasste er
kulturhistorische Werke, mehrere zu Limburg.
Über Leo Sternberg siehe den Artikel
im Bautz'schen Lexikon und einen Artikel
bei Wikipedia, wo sich auch weitere Angaben zu seinem Werk und zu
Literatur über ihn finden.
Nach ihm ist die Leo-Sternberg-Schule im Limburg benannt (vgl. die Website
der Leo-Sternberg-Schule in Limburg). |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Manufakturgeschäftes F. Schmitz (1898)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. September 1898:
"Volontärin gesucht. Offerten nebst Gehaltsansprüchen und
Photographie an
F. Schmitz, Manufakturgeschäft, Rüdesheim am
Rhein." |
Anzeige des Galanterie- und Luxuswarengeschäftes von B.
Münzer (1901)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. Juli 1906:
"Lehrmädchen
für Galanterie- und Luxuswaren bei freier
Station gesucht.
B. Münzner, Rüdesheim am Rhein." |
Anzeige von Metzgermeister S. Hirschberger (1903)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 27. August 1903: "Metzgerlehrling, Sohn achtbarer Eltern,
wird per sofort gesucht. Kost und Logis frei. Offerten an
S. Hirschberger, Metzger, Rüdesheim am Rhein."
|
Anzeige von Metzgermeister Moritz Moos (1906)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 23. November
1906:
"Für meine Metzgerei suche einen braven
Lehrling, oder auch Gesellen per sofort.
Moritz Moos, Metzgerei. Rüdesheim am Rhein." |
Kennkarte
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarte
für den in Rüdesheim
geborenen Gunter Weil |
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Kennkarte (ausgestellt
in Mainz 1939) für Max Günter Weil (geb.17. August 1919 in
Rüdesheim),
Schneider, wohnhaft in Rüdesheim und Mainz; am 25. März 1942 deportiert
ab Mainz - Darmstadt
in das Ghetto Piaski, umgekommen |
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Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war vermutlich ein Betraum in einem der
jüdischen Häuser vorhanden. 1840 war zunächst geplant, Geisenheim zum
Mittelpunkt einer gemeinsamen Gemeinde zu machen, doch fehlten dort die
finanziellen Mittel zum Bau einer Synagoge. 1842/43 konnte in der
Grabenstraße in Rüdesheim eine Synagoge erbaut werden. Sie war für die in den
Orten Rüdesheim, Geisenheim und Winkel lebenden jüdischen Personen gedacht.
Der Betsaal der Synagoge hatte 48 Männer- und (auf der Empore) 24
Frauenplätze.
Aus der Geschichte des gottesdienstlichen Lebens in der Rüdesheimer Synagoge
liegen nur wenige Berichte vor. Im Sommer 1892 konnte von der festlichen
Einweihung einer neuen Torarolle berichtet werden:
Einweihung einer neuen Torarolle in der Synagoge (1892)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2.
September 1892: "Vom Rhein, im August (1892). Am rechten Ufer
des Rheins wo rebumkränzte Hügel sich in anmutigen Linien hinziehen, wo
sagenumsponnene Burgen ins herrliche Rheintal hinabschauen und
Deutschlands stolzes Nationaldenkmal von der Höhe herab seine Grüße
winkt, liegt das liebliche, von Touristen fleißig besuchte Städtchen Rüdesheim,
dessen Name in den Kreisen der Weinkenner einen so angenehmen Glanz
besitzt. Rüdesheims Mauern umschließen aber auch eine aufblühende
israelitische Gemeinde, die in diesen Tagen eine schöne Feier - die
Einweihung einer neuen Torarolle - festlich begangen hat. Der Festzug in
die schön geschmückte Synagoge, die stimmungsvolle Weihepredigt des zur
Leitung der Feier berufenen Bezirksrabbiners Herrn Dr. Silberstein
von Wiesbaden, der ergreifende
Vortrag der Gebete seitens des greisen Vorbeters, Herrn Rothschild, Alles
machte auf die dichtgedrängte Festversammlung, unter der sich nahezu
sämtliche Honoratioren der Stadt befanden, einen tiefen Eindruck. Tief
ergreifend war es insbesondere, als der Festredner darauf hinwies, wie vor
nahezu 800 Jahren - 1096 - auf Rüdesheims Boden das Blut jüdischer
Männer und Frauen geflossen, die die Treue gegen die Tora, der die Feier
gilt, mit dem Leben bezahlten. Die Feier war ein wahrhafter Kiddusch
haschem (Heiligung des Gottesnamens) und die Teilnahme zahlreicher
gebildeter Christen doch wohl ein Beweis, dass unser Städtchen sich von
der Krankheit des Antisemitismus frei erhalten
hat." |
Nur ein knappes Jahrhundert war die Rüdesheimer Synagoge Mittelpunkt des
jüdischen religiösen Lebens in der Stadt.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge
am frühen Morgen des 10. November durch SA-Männer aus Wiesbaden (SA-Standarte
224 Niederwald) angezündet und ihre Inneneinrichtung zerstört. Die SA-Männer
waren in Zivil gekommen und hatten sich nach der Inbrandsetzung des Gebäudes
wieder schnell entfernt. Aufgeschreckte Nachbarn konnten mit Handfeuerlöschern
das Feuer löschen. Im Laufe des Nachmittags des 10. November begannen acht
Rüdesheimer SA-Männer, die beschädigte Synagoge vollends zu zerstören. Mit
schwerem Werkzeug und Seilen rissen sie das Dachgebälk und die Außenmauern der
Synagoge ein. Eine große Menschenmenge sah dem Zerstörungswerk zu.
Adresse/Standort der Synagoge: An
der Grabenstraße, unmittelbar gegenüber dem Parkplatz des Hotels "Rüdersheimer
Hofes"; das ehemalige Synagogengrundstück wird heute auch als Parkplatz
verwendet.
Fotos
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 10.8.2008)
Gedenktafel
für die Synagoge |
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Die
Gedenktafel mit dem Text: "Die Synagoge der
Israelitischen Religionsgesellschaft
Rüdesheim-Geisenheim stand von 1843-1938 an der
gegenüberliegenden Straßenseite.
Sie wurde am 11. November 1938 nach der Pogromnacht zerstört". |
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Haus des Juristen und
Schriftstellers
Leo Sternberg |
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In dem Gebäude Grabenstraße
16
lebte Leo Sternberg
seit 1923
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Obwohl
bereits 1906 aus dem Judentum
ausgetreten, publizierte Sternberg einen
Beitrag 1934 in der bekannten jüdischen
Zeitschrift "Der
Morgen" (oben eine Seite
aus dem mehrteiligen Beitrag
"Vom
Hohenpriesterstamm") |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
August 2013:
Erste "Stolpersteine" wurden in Oestrich-Winkel
und -Mittelheim verlegt
Es wurden am 28. August 2013 die ersten 19 von insgesamt 39 "Stolpersteinen"
in Oestrich-Winkel und -Mittelheim verlegt: in der Rheingaustraße
129 in Mittelheim (ehemalige Weinhandlung Hallgarten; Verlegung neben dem
Brunnen; Steine für Arthur Hallgarten, Frieda Hallgarten, Siegfried Hallgarten und Otto Hallgarten), in der
Hauptstraße 76 in Winkel (ehemals Haus der Familie Emil
Hallgarten; Steine für Emil Hallgarten, Sophie Hallgarten, Walter Hallgarten, Karl Hallgarten und Hedwig
Israel), Hauptstraße 69 in Winkel (Steine für Franziska Falkenberg, Karl Falkenberg, Johanna Falkenberg, Arthur Lothar Schloss, Rosel Schloss, Frieda Reinberg und Herrmann Reinberg)
sowie in der Hauptstraße 55 in Winkel für Anneliese Geisse, Reinhard Geisse und Wolfgang
Geisse. |
Link zum Artikel von Barbara Dietel im
"Wiesbadener Kurier" vom 29. August 2013: Erste Stolpersteine in Oestrich-Winkel verlegt (Wiesbadener Kurier, 29.08.2013) |
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September 2015:
In Geisenheim werden an vier Standorten "Stolpersteine"
verlegt |
Artikel von Bernd Minges im
"Wiesbadener Tagblatt" vom 15. September 2015: "Vier Standorte in Geisenheim für Stolpersteine ausgewählt.
GEISENHEIM - Es waren alles Geisenheimer Bürger, die aus ihrer Heimatstadt vertrieben wurden, fliehen mussten oder ermordet wurden. An sie sollen die Stolpersteine erinnern, die nach einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zum Gedenken an diese Gewaltaktionen während des Nationalsozialismus verlegt werden sollen.
Die Arbeitsgruppe, die unter dem Vorsitz von Stadtverordnetenvorsteherin Susanne Göttel-Spaniol und unterstützt von Markus Störzel von der Stadtverwaltung mit Planung und Organisation befasst ist, hat nun den Termin für die Verlegung der ersten zwölf Stolpersteine festgelegt. Am 14. Oktober soll um 13.30 Uhr eine Gedenkveranstaltung im Rathaus beginnen, bei der der Oestrich-Winkeler Historiker Walter Hell den lokalgeschichtlichen Hintergrund erläutern und sein Geisenheimer Kollege über die jüdischen Familien informieren wird. Vor deren früheren Wohnhäusern verlegt der Künstler Gunter Demnig im Anschluss die ersten zwölf Stolpersteine.
Im öffentlichen Raum.
Die Stadtverordnetenvorsteherin machte beim Rundgang zu den geplanten Standorten deutlich, dass die kleinen Mahn- und Erinnerungssteine keine privaten Flächen, sondern ausschließlich öffentlichen Raum beanspruchen werden. Deshalb könnten Eigentümer, die wie im Fall der
Prälat-Werthmann-Straße 24 nicht mit der Aktion einverstanden seien, Stolpersteine vor ihrem Haus nicht verhindern. In dem Gebäude wohnten Georg und Emma Strauß mit Sohn Al-fred und betrieben ein Futtermittelgeschäft. Georg Strauß wurde 1938 ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert, konnte aber noch ebenso wie Frau und Sohn nach Brasilien auswandern.
Vor dem Haus Prälat-Werthmann-Straße 22 sollen Stolpersteine an den Lederwarenhändler Hugo Forst erinnern, im Rheingau Vorsitzender und Kassierer im
'Reichsbund jüdischer Frontsoldaten', und an seine Frau Irma, die beide schon 1934 in die USA auswanderten.
In dem Haus, in dem sich heute in der Prälat-Werthmann-Straße 2 (früher Marktstraße) im Erdgeschoss ein Tattoo-Studio befindet, lebten Auguste und Max Strauß mit den Kindern Erna, Kurt und Alex. Die Eltern schafften es, 1939 nach Südafrika auszuwandern, die Kinder flohen in die USA. Ihr Geschäft mussten sie am 1. Oktober 1938 zum Kaufpreis von 23 000 Reichsmark aufgeben. Nach Recherchen von Walter Hell wirkte dabei der NS-Kreiswirtschaftsberater Karl Larsen mit. Die nicht ausgezahlten Teile des Kaufpreises, so Hell, mussten auf der Rheingauer Volksbank deponiert werden.
Es gehöre zur Geschichte einer Stadt, solche Sachverhalte zu benennen, auch wenn Larsen, nach dem eine Straße in Marienthal benannt ist, sich später um die Geisenheimer Baugenossenschaft verdient gemacht habe. Er war auch Präsident des deutschen Genossenschaftsverbands und wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Der Konfektions- und Kurzwarenhändler Ferdinand Mayer und sein Sohn, der Kaufmann Ludwig Mayer, wohnten in der
Winkeler Straße 65 (damals Adolf-Hitler-Straße). Laut Hell wurde Ferdinand Mayer 1940 ermordet, sein Sohn 1941 im Lager Cholm. Ihre Namen stehen auch auf der versteckten Gedenktafel am Rheingauer Dom. Weiter sind dort aufgeführt: Isaak und Lisette Loewenthal, Selma Neufeld und Sohn Werner sowie Liebmann und Karoline Strauß.
Für die Aktion sind in Geisenheim bereits 1960 Euro gespendet worden, 1160 Euro von Geisenheimer Bürgern sowie 800 Euro von Mandatsträgern, die ihre Sitzungsgelder weiterreichten. Über die Stolperstein-Aktion hinaus will sich die Arbeitsgruppe weiter mit einer
'Erinnerungskultur' befassen." |
Link zum Artikel: Vier Standorte in Geisenheim für Stolpersteine ausgewählt (Wiesbadener Kurier, 17.09.2015) |
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Februar 2018:
In Geisenheim wurden bislang
12 "Stolpersteine" verlegt |
Artikel im "Wiesbadener Tagblatt"
vom 7. Februar 2018: "Geisenheimer Arbeitsgruppe 'Stolpersteine' hält Erinnerung an den Holocaust wach
GEISENHEIM - (red). Stolpersteine, von denen der Künstler Gunter Demnig mittlerweile weit über 62 000 verlegt hat, liegen an über 11 000 Orten in Europa. Zwölf davon in Geisenheim.
Jeder Stolperstein erinnert an einen Menschen, der in deutschem Namen ermordet wurde, weil er Jude, Sinto, Behinderter, Homosexueller, Zeuge Jehova war oder einfach nur politisch anders dachte. Auch in Geisenheim sind die jüdischen Mitbürger nicht einfach über Nacht verschwunden, sondern wurden systematisch ausgegrenzt, erfasst und später dann deportiert – unter den Augen der Öffentlichkeit.
Seit vier Jahren kümmert sich die Geisenheimer Arbeitsgruppe 'Stolpersteine' darum, dass die grausame Realität des Holocaust auch in Geisenheim nicht vergessen wird und man sich der Menschen erinnert, die ihm dort zum Opfer fielen. Deswegen wurden und werden in Geisenheim Stolpersteine verlegt..."
Link zum Artikel: Geisenheimer Arbeitsgruppe
'Stolpersteine' hält Erinnerung an den Holocaust wach (Wiesbadener Tagblatt, 07.02.2018) |
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August 2019:
Weitere Verlegung von
"Stolpersteinen" in Geisenheim |
Artikel im "Wiesbadener Tagblatt" vom 7.
August 2019: "In Geisenheim werden weitere Stolpersteine verlegt
GEISENHEIM - (red). Der Künstler Gunter Demnig wird am Freitag, 9.
August, weitere Stolpersteine sowie eine Stolperschwelle verlegen. Erinnert
werden soll in der Taunusstraße Nummer 15 an die früheren Bewohner, die
aufgrund der nationalsozialistischen Vertreibungspolitik ihre Heimat und
auch teilweise ihr Leben verloren. Es handelt sich um Lisette Löwenthal,
Isaak Löwenthal, Selma Neufeld, Felix Neufeld und Werner Neufeld. Auf dem
Bürgersteig der Chauvignystraße 15 wird mittels einer Stolperschwelle den
damals dort internierten 200 Frauen des KZ-Lagers Stolpereck gedacht, die in
der Rüstungsproduktion eingesetzt waren. Das Schicksal der Menschen hat die
von der Stadtverordnetenversammlung eingerichtete Arbeitsgruppe
Stolpersteine recherchiert. Demnig beginnt um 9 Uhr in der Chauvignystraße
damit, die Stolperschwelle im Bürgersteig einzulassen. Im Anschluss werden
die fünf Stolpersteine in der Taunusstraße verlegt. Dazu sind alle Bürger
eingeladen."
Link zum Artikel
Vgl. bereits Artikel im "Wiesbadener Tagblatt" vom 13. April 2019:
"Geisenheim bekommt weitere Stolpersteine..."
Link zum Artikel |
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Februar 2020:
In Rüdesheim werden
"Stolpersteine" verlegt |
Artikel von Lisa Bolz im "Wiesbadener
Kurier" vom 5. Februar 2020: "Erste Stolpersteine in Rüdesheim verlegt
Gedanklich aus dem Tritt bringen: Der Künstler Gunter Demnig verlegt in
Rüdesheim 13 Stolpersteine. Die Spenden kommen überwiegend von
Privatpersonen.
RÜDESHEIM - Gunter Demnig kniet auf dem Pflaster der Kellerstraße vor
dem Haus Nummer 14. Mit Hammer und Meißel löst der Künstler vorsichtig die
Steine aus dem Boden. Er setzt drei Messing-Betonquader ein. Für Frieda und
Max Günther Weil. Deportiert 1942. Ins Lager Piaski. Ermordet. Und für
Gertrude Götz, geborene Weil. Deportiert 1941. Ermordet im Ghetto Lodsch in
Polen. Es sind die ersten Steinquader mit der markanten Messingplakette, die
in Rüdesheim nun an Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Eingelassen in
die Straße vor den Häusern tragen sie die Namen der früheren Bewohner
jüdischen Glaubens. Die Stolpersteine sollen die Menschen gedanklich aus dem
Tritt bringen.
Über 75 000 Stolpersteine in 26 Ländern verlegt. 'Trotz Kritik ist
das für mich eine gute Möglichkeit des Erinnerns', sagt Ronja Gerstadt. Die
gebürtige Rüdesheimerin hat die Verlegung der Stolpersteine in ihrem
Heimatort angestoßen. Der Rechtsruck in Europa, die Bedrohung durch die AfD
sowie wachsender Antisemitismus und Rassismus sind Gründe, die Gerstadt für
ihre Initiative anführt: 'Ich habe überlegt, was man tun kann, um sich vor
Ort einzubringen.' Über ein Jahr hat die Studentin, die auch Referentin für
politische Bildung ist, recherchiert und Angaben verglichen. 'Die Einsicht
ist schwer', sagt Gerstadt, die Quellen aus dem Stadtarchiv Rüdesheim, der
Online-Datenbank des Bundesarchivs, der Online-Datenbank der Holocaust
Gedenkstätte Yad Vashem und aus dem Arolsen Archiv, dem internationalen
Zentrum über NS-Verfolgung, verglichen hat.
Zum Beispiel über Familie Hirschberger, die einst in der Steingasse 9 lebte.
In der Nacht zum 10. November 1938, der Pogromnacht, in der Hitlers Anhänger
jüdische Geschäfte und Wohnungen verwüsteten, wurden auch die Hirschbergers
Opfer der Ausschreitungen. Einen Tag später floh die sechsköpfige Familie
nach Mainz und dann in die USA – und überlebte. 'Erinnern ist kein
einmaliges Projekt', sagt Gerstadt. Und: 'Das ist nur ein Anfang', hofft die
27-Jährige auf weitere Initiativen. Interessierte könnten dafür über die
Stadt mit ihr Kontakt aufnehmen: 'Ich helfe gerne.' Gunter Demnig ist es
wichtig, dass die Initiative von Bürgern ausgeht. Am 29. Dezember hat der
Künstler in der bayerischen Stadt Memmingen nach eigenen Angaben den 75 000.
Stolperstein verlegt. 'Seitdem kamen schon wieder 400 dazu', sagt Demnig. In
nunmehr 26 Ländern. 13 Stolpersteine sind es nun in Rüdesheim. Einer davon
kostet 120 Euro, finanziert von vielen Privatpersonen, der
Hildegardisschule, Vereinsmitgliedern der Turngemeinde sowie der GfR,
Gemeinsam für Rüdesheim. Warum? 'Weil wir das für ein ganz wichtiges Thema
halten', sagt Fraktionsvorsitzende Manuela Bosch. Stadtrat Reinhard Wandrey
(ebenfalls GfR) betont: 'Jungen Menschen muss präsent sein, was passiert
ist.' Hauptamtsleiter Thomas Schäfer ist stellvertretend für den neuen
Bürgermeister Klaus Zapp zugegen: 'Ein wunderbares Projekt, vor dem man
stehen bleibt.' Derweil gibt Demnig Wasser auf die Steine in der
Kellerstraße und reibt sie mit einem Tuch sauber. Dann geht es weiter. In
die Langstraße. Und die Wilhelmstraße."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica zu Rüdesheim Bd. I S. 313; Bd.
II,2 S. 722; Bd. III,2 S. 1281-1282; zu Geisenheim Bd. II,2 S. 271;
III,2 S. 426. |
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 239-241. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 182. |
| Keine Artikel bei Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 und dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 303-304. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 580-581. |
| Werner Lauter / Rolf Göttert: Die
israelitische Zivil- und Kultusgemeinde in Rüdesheim am Rhein. Die
Geschichte einer Minderheit. Hg. Stadtarchiv Rüdesheim am Rhein. Rüdesheim
1988. |
| Rolf Göttert: Unvergessene Schande: Die Kristallnacht
1938. Reihe: Notizen aus der Stadt-Archiv. Beiträge zur Rüdesheimer
Stadtgeschichte Nr. 106. Online
zugänglich. Weitere
Downloadmöglichkeit. |
| ders.: Das Ende der israelitischen Kultusgemeinde in
Rüdesheim. |
| Walter Hell: Die Juden von Winkel und ihr Schicksal
im Dritten Reich. Online
zugänglich (pdf-Datei) |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Ruedesheim
am Rhein Hesse-Nassau. After their evacuation to Ruedesheim, 60
Jews from Mainz chose martyrdom or were slaughtered during the First Crusade
(1096). Expelled in 1470, Jews only returned some 230 years later, engaging in
the wine trade. They built a district synagogue in 1843. The Jewish population
was 58 (1 % of the total) in 1885 and the community was affiliated with the
Wiesbaden rabbinate. By 1933 the Jewish population had declined to 29. When the
Nazis demolished the synagogue in a Kristallnacht pogrom (9-10 November
1938) that spread to Geisenheim, the remaining Jews fled.
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