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Seibersbach (VG
Stromberg, Kreis Bad Kreuznach)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Seibersbach bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts
zurück.
Am 12. August 1798 wurde der jüdische Händler Simon Seligmann aus
Seibersbach ermordet. Er war mit einer Kuh am Strick auf dem Weg von Argenthal
nach Seibersbach zur Thiergartenhütte, in der sich damals auch der "Schinderhannes"
(Johannes Bückler) und der "Schwarze Peter" (Peter Petry) befanden.
Die beiden Räuber verfolgten den Handelsmann, schlugen in zwischen Thiergarten
und Kaltenborn mit einem Knüppel nieder und ermordeten ihn. Sein Besitz wurde
von den Mördern gestohlen. Die Beteiligung an diesem Raubmord hat später
wesentlich zum Todesurteil des "Schinderhannes" beigetragen, zumal
Simon Seligmann ein geachteter Bürger in Seibersbach
war.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1808 27 oder 28 jüdische Einwohner (4,5 % der Gesamteinwohnerschaft),
1843 55, 1858 65, 1895 69 (8,25 %). Die jüdischen Familiennamen am Ort waren
Strauss, Seligmann, Salomon, Stern, Michel, Wolf, Moses, Hirsch, Kann, Forst,
Löb, Hess und Harf.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule,
ein rituelles Bad und ein Friedhof. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Lehrer angestellt,
der auch als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. unten Ausschreibung der
Stelle von 1892).
Seitdem im benachbarten Dörrebach die
Zahl der jüdischen Einwohner stark zurückgegangen war, schlossen die letzten
dort wohnhaften jüdischen Personen der Gemeinde in Seibersbach an.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Josef Harf (Metzger, geb.
23.11.1883 in Seibersbach, eingezogen 12.2.1915, gef. 12.2.1916), Moritz Harf (Kaufmann, geb. 15.11.1886 in
Seibersbach, eingezogen 13.8.1914, gef. 15.9.1915), Emanuel Heß (Schuster, geb.
1.7.1884 in Seibersbach, gest. 27.5.1917 in Ulm), Ferdinand Michel (Handelsmann, geb. 15.1.1879 in Seibersbach, gef. 25.9.1914),
Gefreiter Siegfried Michel (Bäcker, geb. 5.6.1892, gef. 7.4.1918) und Willy Michel (geb.
14.4.1890 in Seibersbach, gef. 15.2.1922).
Um 1924, als zur gemeinsamen Gemeinde Seibersbach-Dörrebach noch 31
Personen in Seibersbach (von insgesamt 1.040 Einwohnern) und acht in Dörrebach
(von insgesamt 650 Einwohnern) gehörten, gab es zwar in beiden Orten keinen
offiziellen Gemeindevorsteher. Für etwaige Angelegenheiten war jedoch Gustav
Marx in Seibersbach Ansprechpartner.
1933 lebten noch 17 jüdische Personen in Seibersbach (von insgesamt etwa
900 Einwohnern). In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Synagoge demoliert (s.u.). 1939 wurden noch sieben
jüdische Einwohner in Seibersbach gezählt (Geschwister Harf, Lina Hess Wtw.,
Isaak Michel, Wilhelm Michel, Hanna Salomon Wtw. und Moritz Wolf). Nach der
Deportation der letzten jüdischen Einwohner im Juli 1942 war Seibersbach
in der NS-Sprache "judenfrei".
Von den in Seibersbach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Theodor Blum (1875),
Rosa Emanuel geb. Seligmann (1872), Gertrude Gamiel geb. Harf (1904), Benno
David Harf (1897), Gustav Harf (1872), Theobald Harf (1869), Isidor Hess (1880),
Lina Hess geb. Seligmann (1875), Rosette Hess geb. Michel (1878), Ida Hirsch
geb. Harf (1900), Johanna Hirsch (1901), Bertha Jonas geb. Michel (1895), Lina
Lehrberger geb. Michel (1882), Ernestine Michel geb. Hirschberg (1887), Isaak
Michel (1858), Jacob Otto Michel (1888), Moses Moritz Michel (1863), Bertha
Müller geb. Michel (1868), Johanna Salomon geb. Michel (1900), Heinrich
Seligmann (1880), Isidor Seligmann (1874).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
1889 / 1892
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Mai 1889: "Für unsere
Gemeinde suchen wir einen Religionslehrer. Gehalt 300 bis 400 Mark
bei freier Station.
Seibersbach bei Stromberg (Hunsrück). Jacob Blum." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Mai 1892:
"Suche für bald einen Religionslehrer, Vorbeter und Schochet.
Offerten unter Beifügung von Gehaltsansprüchen und Zeugnissen sind zu
richten an
Julius Löwenthal, Kultusbeamter, Seibersbach,
Hunsrück." |
Aus der Geschichte der
jüdischen Gemeinde
Mord an dem Seiberbacher Simon Seligmann zur Zeit des "Schinderhannes"
1798
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Links Artikel in der "Jüdisch-liberalen
Zeitung" vom 28. Mai 1926: "Der rheinische Räuberhauptmann Schinderhannes
und die Juden! Kulturhistorische Plauderei von Otto Schwerin. Darin:
"Der Mord an dem Viehhändler Seligmann aus Seibersbach". Zum Lesen des
Artikels bitte Textabbildungen anklicken. |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Nach der Emigration: Verlobungsanzeige von Margot
Liebenstein und Max Wolf (1944)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Aufbau" vom 11. Februar 1944: "Margot
Liebenstein - Max Wolf. Engaged February 6, 1944.
680 West End Av. formerly Kitzingen/Main
224 E. Tremont Av., formerly Seibersbach bei Bingen am
Rhein". |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein Betraum in einem der jüdischen Häuser
vorhanden. Vermutlich zwischen 1850 und 1860 wurde auf einem 2,30 ar
großen Grundstück eine Synagoge erbaut. 1913 ist das Gebäude
abgebrannt. Die Gemeinde entschloss sich zu Wiederaufbau. So wurde auf den alten
Fundamenten die Synagoge wieder aufgebaut und war bis 1938 weiterhin Mittelpunkt
des jüdischen Gemeindelebens in Seibersbach.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge von einem fünfköpfigen
SA-Trupp aus Dörrebach überfallen. Die Eingangstür wurde eingeschlagen, die
Inneneinrichtung völlig demoliert, der Fußboden teilweise herausgerissen.
Teile der Innenrichtung und Schriften wurden auf dem Vorplatz verbrannt. Wenige
Tage später - am 18. November 1938 - musste die jüdische Gemeinde (vertreten
durch Moritz Wolf und Isaak Michel) das Synagogengebäude für 2.674 RM an eine
Privatperson verkaufen.
In den 1950er-Jahren wurde nach Abschluss des Restitutionsverfahren, bei
dem der neue Eigentümer den Betrag von 2.250,00 DM an die Jüdische
Kultusgemeinde Kreuznach-Birkenfeld nachzahlen musste, das ehemalige
Synagogengebäude umgebaut. Nur die Fundamente und die Südwand sind noch
original erhalten. Das Gebäude wurde nun als Festsaal eines Gasthauses
verwendet.
Adresse/Standort der Synagoge: Soonwaldstraße
Fotos
Außer zum
Friedhof sind zur jüdischen Geschichte in Seibersbach noch keine Fotos
oder Abbildungen vorhanden; über Hinweise oder Zusendungen freut sich
der
Webmaster der "Alemannia Judaica"; Adresse siehe Eingangsseite. |
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Schülerfoto aus
Seibersbach von 1919
mit christlichen und jüdischen Kindern
(erhalten von Dieter Pferdekamp) |
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Das Schülerfoto aus dem Jahre 1919 zeigt
Kinder des damaligen ersten Schuljahres an der Seibersbacher Schule; die
Mutter des Einsenders dieses Fotos - Regina geb. Conrad - ist mit einem Kreis markiert. Damals
waren auch jüdische Kinder mit auf dem Foto, u.a. Erna Lewi, die mit mit
ihrer Familie in Seibersbach im sog. Eck wohnte und später nach Amerika
emigrieren konnte. Sie ist abgebildet, doch ist nicht bekannt, um welches
Kind es sich auf dem Foto handelt.
Frage an die Besucher dieser Seite: wer kann auf dem obigen Foto Erna
Lewi und andere jüdische Kinder identifizieren? Rückmeldungen bitte
an den Webmaster von "Alemannia Judaica"; Adresse auf der Eingangsseite. |
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Aus den
Erinnerungen von Regina geb. Conrad - mitgeteilt von ihren Söhnen: "Unsere
Mutter hatte eine jüdische, nahe Freundin namens Erna Lewi. Diese ist noch vor dem Krieg nach Amerika
emigriert und wohnte dann in Brooklyn, New York. Die beiden hatten Adressen voneinander. Erna schickte uns nach dem Krieg ein Paket,
was damals etwas sehr Besonderes war. Es war ein ganz buntes Frauenkleid darin, was für Deutschland, in dieser freudlosen Zeit, direkt nach dem Krieg, gar nicht passte und auch nicht angezogen wurde.
Unsere Mutter erzählte, was mit der Kriegerwitwe der Frau Hess passierte [sc.
vermutlich Lina Hess geb. Seligmann]. Sie war Jüdin, deren Mann Jude, der als Kriegskamerad unseres Opas in Frankreich gefallen
war [sc. Emanuel Hess s.o. bei den Gefallenen des Ersten Weltkrieges].
Die Nazis hatten das Leben der jüdischen Mitbürger sehr stark eingeengt und sie bekamen während des Krieges wenig Nahrungsmittel. Die Großeltern und die Frau Hess waren direkte Grundstücksnachbarn und so wurden auch Nahrungsmittel herüber gemogelt zur Frau Hess, was verboten war.
Und dann wurde sie abgeholt. Sie ging am Haus der Großeltern vorbei und sagte meinem Opa:
'Jakob, wenn du mal einen Brief oder eine Postkarte von mir bekommst und hinter dem Datum steht ein Punkt, dann geht es mir schlecht, egal was in dem Brief
steht'. Es kam eine Karte mit Punkt, wohl aus Theresienstadt, möglich
durch die Kartenschreibaktion der Nazis nach der Intervention des schwedischen Roten
Kreuzes". |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Dezember 2017:
Auch in Stromberg sollen
"Stolpersteine" verlegt werden |
Artikel von Norbert Krupp in der
"Allgemeinen Zeitung" vom Dezember 2017: "'Stolpersteine' auch in Stromberg.
STROMBERG - Demnächst sollen auch in Stromberg sogenannte 'Stolpersteine' aus Messing in den Gehwegen vor einigen Häusern eingelassen werden, um daran zu erinnern, dass hier einst Mitbürger gelebt haben, die noch rechtzeitig vor dem NS-Regime flüchten konnten oder von den Nazis verschleppt und getötet wurden. Dieses Projekt, das von der Schülervertretung (SV) der Integrierten Gesamtschule Stromberg
(IGS) initiiert wird, werden einige Schüler um Lehrerin Ursula Rindt heute Abend dem Stadtrat vorstellen.
'Wir hoffen, dass der Stadtrat unsere Idee gut findet und unterstützen
wird', sagt Helena Joerg aus der Jahrgangsstufe 10, die zusammen mit Helena
Budee, Nina Herbst und Robin Kuber (alle drei Jahrgangsstufe 11) das Projekt vorantreiben möchte.
Siebenköpfige Arbeitsgruppe startet Quellenforschung. Den Anstoß gab Christof Pies aus Kirchberg, der sich als Vorsitzender des Fördervereins der Synagoge Laufersweiler engagiert. Auf Anregung der SV entstand eine siebenköpfige Arbeitsgruppe, die demnächst mit Quellenforschung beginnen soll, um die Namen von NS-Vertriebenen und -Opfern in Erfahrung zu bringen. Bekannt ist bislang, dass um 1935 etwa drei bis fünf jüdische Familien in Stromberg lebten. Im städtischen Wikipedia-Eintrag wird berichtet, dass in der Pogromnacht am 9. November 1938 das Kleidungsgeschäft der Klara Jungblut von SA-Anhängern und ihren Helfern demoliert wurde.
Die IGS-Schüler wollen ihr Projekt aber nicht nur auf jüdische Mitbürger beschränken, sondern nach allen Opfern der NS-Diktatur suchen. Dazu gehörten auch Behinderte, Sinti und Roma, Sozialisten und Kommunisten. Die Schüler werden die einschlägigen Archive durchforsten und werden Zeitzeugen aufsuchen, um möglichst viele Informationen aus der NS-Zeit zusammenzutragen. Da bereits bekannt ist, dass auch in anderen Orten der VG Stromberg etliche NS-Opfer zu beklagen sind, wollen die Schüler das Stolperstein-Projekt vielleicht später auf die gesamte Verbandsgemeinde ausweiten. Die Aktionsgruppe wird auch den Künstler Gunter Demming bitten, die Idee zu unterstützen und – wenn es soweit sein wird – die Stolpersteine selbst zu verlegen. Dabei sehen sie sich auch in der Verantwortung gegenüber dem Titel, der ihrer Schule 2014 verliehen wurde:
'Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage'." |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Dokumentation Jüdische Grabstätten im Kreis Bad
Kreuznach. Geschichte und Gestaltung. Reihe: Heimatkundliche Schriftenreihe
des Landkreises Bad Kreuznach Band 28. 1995. S. 399-410. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 341-342 (mit weiteren Literaturangaben).
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| Hans-Dieter
Arntz: Der letzte Judenälteste von Bergen-Belsen. Josef Weiss -
würdig in einer unwürdigen Umgebung. 710 Seiten mit zahlreichen Fotos und Dokumenten.
ISBN 978-3-86933-082-2 Preis: 38 €. Helios-Verlag, Karl-Heinz Pröhuber, Brückstr. 48, 52080 Aachen, Tel.: 0241-555426.
Hinweis: Josef Weiss hatte Vorfahren in Seibersbach: seine Mutter,
Mathilde Michel ist in Seibersbach am 17. Juni 1856 (gest. 9. August 1920 in
Flamersheim). Die Gebrüder Michael, die alle aus Seibersbach stammten,
machten Karriere in Köln und besaßen dort - neben Tietz und Peters - eines
der größten Kaufhäuser. 1893 eröffneten sie in der Schildergasse 48 in
Köln das "Größte Kaufhaus für Reste, Manufactur-, Weiß- und
Modewaren", 1894 ein weiteres Manufactur-, Weiß- und
Modewarengeschäft Michel & Cie. in der Hohen Straße 40 (1913 nach
Abbruch des alten Gebäudes ein fünfstöckiges Haus Michel & Co. an der
Hohen Straße/Gürzenichstraße mit 5.000 qm Verkaufsfläche und 500 bis 700
Verkaufskräften). Vgl. http://www.modehaus-jacobi.de/Historie/
|
n.e.
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