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Synagogen im Kreis Fulda
Weyhers (Gemeinde
Ebersburg, Kreis Fulda)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Weyhers bestand eine jüdische
Gemeinde bis um 1890/1905. Danach gehörten die hier noch lebenden
jüdischen Einwohner zur jüdischen Gemeinde in Schmalnau.
Die Entstehung der jüdischen Gemeinde in Weyhers geht in die Zeit des 18.
Jahrhunderts zurück: 1730 wurden vier jüdische Familien mit neun
Familienmitgliedern am Ort gezählt (über 13 Jahre; Familienvorstände: Jud
Wolf, Jud Arnd, Jud Jetzig, Jud Jetzig junior). Sie lebten auf dem Territorium derer von
Ebersberg, genannt von Weihers (s.u.Lit.M. Imhof 400 Jahre S. 30/31).
Hinweis: auch in dem Weyhers benachbarten Friesenhausen (Gemeinde
Dipperz) soll es im 19. Jahrhundert einige jüdische Familien gegeben haben.
Nach den Eintragungen des protestantischen Pfarrers hätten diese hier von 1811
bis 1880 gelebt. Die meisten jüdischen Familien seien bereits in den
1850er/1860er-Jahren von hier weggezogen, teils nach Amerika, teils in andere
Orte Deutschlands. 1880 sei der letzte jüdische Einwohner in Friesenhausen
gestorben. Bei dieser Zuordnung der u.g. Familienregister zu Friesenhausen bei
Weyhers handelt es sich jedoch um einen Fehler. Es ist das Bayerische Friesenhausen
bei Aidhausen gemeint. Dies geht u.a. daraus hervor, dass der in den
Familienregistern genannte Pfarrer Johanna Kaspar Krieg bis 1819 Pfarrer in
Friesenhausen Inspektion Wetzhausen in Bayern war (Quelle: Allgemeines
Intelligenzblatt für das Königreich Bayern 1819 Sp. 1162).
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Weyhers auf
insgesamt zwölf Matrikelstellen die folgenden jüdischen
Familienvorstände genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Löw
Isaak Buchsbaum (geringer Viehhandel), Michel Levy Federkiel (Totengräber),
Isaack Levi Rosengarten (Alteisenhändler) Löw Blumenthal (ohne Handel), Michel
Liebmann Essen (Schlachter), Salomon Levy Goldschmitt (geringer Händler), Witwe
des Salomon Roßkamm (ohne Erwerb), Moses Jacob Nußbaum (Schmuser), Wolf
Liebmann Fenster (Spezerei- und Schnittware), Moses Liebmann Buchhalter (keine
Angabe), Joseph Furchheim (keine Angabe) Scheule, Witwe des Löw Nordhäuser
(Taglohn).
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts sind die jüdischen Familien relativ schnell
aus Weyhers in Städte der Umgebung abgewandert oder auch ausgewandert. Um 1880
waren noch sieben
jüdische Familien am Ort, ab 1890 noch die beiden Familien Rosengarten und
Steigerwald - 1905 waren es
zusammen 12 Personen.
An Einrichtungen bestanden - solange Gottesdienste abgehalten werden
konnten - eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule, ein rituelles Bad und ein Friedhof, der zugleich als zentraler
Friedhof für die umliegenden jüdischen Gemeinden diente. Einen eigenen
jüdischer Lehrer, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war, gab es
vermutlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Bis um 1930 lebten die beiden genannten Familien Rosengarten und
Steigerwald am Ort. Einige Familienmitglieder verstarben noch in Weyhers. Gustav
Steigerwald war Schneidermeister und hatte einen Kurzwarenhandlung. Jacob
Rosengarten verzog nach Frankfurt und wurde von dort in das Ghetto
Theresienstadt deportiert. Eine Pflegetochter von ihm (Ortrud) lebte später in
Ein Gev in Israel. Die Tochter Bertha Rosengarten hat in die Familie Steigerwald
eingeheiratet. Auch sie wurde von Frankfurt aus deportiert und ist umgekommen.
Aus der Familie Steigerwald wanderte Sohn Alfred nach Brasilien aus.
Von den in Weyhers geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Jettchen Mayer geb.
Rosskamm (1881), Jakob Rosengarten
(1868), Jeanette Rosengarten (1866)*, Johanna Rosskamm (1879), Bertha Steigerwald
geb. Rosengarten (1880).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
In jüdischen Periodika des 19./20.
Jahrhundert wurden noch keine Berichte zur jüdischen Geschichte in
Weyhers gefunden. |
Einige
genealogische Angaben zur Familie Jakob Rosengarten (Quelle) |
Jakob Rosengarten (1868 in Weyhers -
1942 im Ghetto Theresienstadt) ist in Weyhers als Sohn von Abraham
Rosengarten und seiner Frau Amelia geboren. Er hatte zwei Geschwister:
Jeanette und Moses. Jakob war verheiratet mit Bertha, mit der er vier
Kinder hatte: Beni, Theodor, Julius und Alwin. |
Jeanette Rosengarten (1866 in Weyhers
- 1942 im Ghetto Theresienstadt) |
Kennkarte
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarte
für die in Weyhers
geborene Jettchen Mayer geb. Rosskamm |
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Kennkarte (Mainz 1939) für Jettchen
Mayer geb. Roßkamm (geb. 9. Dezember 1881 in Weyhers),
wohnhaft in Mainz, am 30. September 1942 deportiert ab Darmstadt
vermutlich nach Treblinka, umgekommen |
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Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war vermutlich ein Betraum vorhanden. 1843 wollte die jüdische
Gemeinde eine Synagoge erbauen. Da die eigenen finanziellen Mittel der
wenigen jüdischen Familien dafür nicht ausreichten, wurde die Durchführung einer
Kollekte bei der Regierung beantragt. Dies wurde im Februar 1843 genehmigt und
in den folgenden Wochen durchgeführt. Es konnten 60 fl. 22 Kr. gesammelt werden.
Vermutlich alsbald nach Abschluss der Sammlung wurde die Synagoge erbaut. Zur
Durchführung der Kollekte liegen Artikel aus dem "Intelligenzblatt" vor:
Kollekte zur Erbauung der Synagoge in Weyhers (1843)
Artikel im "Intelligenzblatt von Unterfranken und Aschaffenburg des
Königreichs Bayern Nr. 24 vom 28. Februar 1843 S. 133-134: "24. Februar
1843. An die fürstlich Löwensteinische Regierungs- und Justiz-Kanzlei zu
Kreuzwertheim und an sämtliche Distrikts-Polizeibehörden in Unterfranken und
Aschaffenburg.
(Den Bau einer Synagoge zu Weyhers betreffend). Im Namen Seiner Majestät des
Königs.
Seine Majestät der König haben allergnädigst zu genehmigen geruht, dass
zu Aufbringung der Kosten für Herstellung einer Synagoge in Weyhers eine
Kollekte bei den israelitischen Glaubensgenossen im Regierungs-Bezirke von
Unterfranken und Aschaffenburg veranstaltet werde. Die
Distrikts-Polizei-Behörden werden daher beauftragt, diese Kollekte bei den
israelitischen Glaubensgenossen durch deren Kultus-Vorsteher vornehmen zu
lassen, und nach Ablauf von sechs Wochen, vom Datum gegenwärtigen
Ausschreibens an, das Ergebnis an das Expeditions-Amt der unterfertigten
königlichen Stelle einzusenden, zugleich aber auch das Resultat zur
berichtlichen Anzeige zu bringen.
Würzburg, den 20. Februar 1843. Königliche Regierung von Unterfranken und
Aschaffenburg,
Kammer des Innern. Graf Fugger". |
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Artikel
im "Intelligenzblatt von Unterfranken und Aschaffenburg des Königreichs
Bayern Nr. 114 (1843) vom 8. August 1843 S. 427-428: "2. August 1843. (Den
Bau einer Synagoge zu Weihers betreffend)
Im Namen Seiner Majestät des Königs. Mit Bezug auf das Ausschreiben rubr.
Betr. vom 29. Februar laufenden Jahres Intelligenz-Blatt Nr. 24 wird hiermit
nachstehend das Ergebnis der für Herstellung einer Synagoge zu Weihers
allergnädigst bewilligten Kollekte mit dem Bemerken zur öffentlichen
Kenntnis gebracht, dass bei der beim königlichen Landgerichte Weihers
eingestellten Summe von 60 fl. 22 kr. sich auch anderweite, nicht von
Israeliten dieses Landgerichts-Bezirks herrührende Beiträge befinden.
Würzburg, 24. Juli 1843. Königliche Regierung von Unterfranken und
Aschaffenburg,
Kammer des Innern. Graf Fugger. Ergebnis der für die Herstellung einer
Synagoge zu Weihers allergnädigst bewilligten Kollekte...".
Es werden nachfolgend die von den einzelnen Magistraten, Landgerichten
und Herrschafts-Gerichten gesammelten Beiträge mitgeteilt.
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Die Synagoge bestand in Weyhers bis
1916. Sie war bis um 1900 genutzt und wurde 1916 wegen Baufälligkeit - es
handelte sich um ein Holzgebäude - abgebrochen.
Nach Auskunft von Klaus Füller (Kassel) befand sich die Synagoge auf einem
heute (teilweise?) freien Grundstück gegenüber dem Gebäude Rhönstraße 3.
Der Hof "Schmiedegasse 1" hinter dem betreffenden Grundstück ist der
Stammsitz einer Schreiner-Familie, im Dorf "Dempel-Schrünner" (=
"Tempel-Schreiner") genannt, weil sich die Schreinerei neben dem
"Tempel" (= Synagoge) befand. Ein anderer Schreiner, weiter oben in
der heutigen Rhönstraße hieß im Unterschied dazu "Kirche-Schrünner".
Adresse/Standort der Synagoge: gegenüber
Rhönstraße 3
Fotos
(Fotos: Klaus Füller, Kassel, Aufnahmen von Anfang Januar 2010)
Blick auf das
Grundstück
der ehemaligen Synagoge |
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Die Synagoge stand
bis 1916 auf der freien Fläche vor dem Fachwerkhaus |
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Ehemaliges jüdisches
Wohnhaus |
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Das Haus gehörte
Familie Gustav Steigerwald. Er war Schneidermeister und betrieb
einen
Kurzwarenhandel. Sohn Alfred Steigerwald emigrierte nach Brasilien. |
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Anmerkung:
das Haus der oben genannten Familie Rosengarten besteht nicht mehr. |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 383-384. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 593-594 (Kurznotiz im Artikel zu Schmalnau). |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 254. |
| Juden in Deutschland
und 1000 Jahre Judentum in Fulda.
hrsg. von Michael Imhof. Zukunft Bildung Region Fulda e. V.
Erschienen im Michael Imhof Verlag
Petersberg 2011.
24 x 30 cm, 440 Seiten, 700 S/W und 200 Farbabbildungen, Hardcover. ISBN 978-3-86568-673-2
(D) 44,00 € CHF 62,90 (A) 45,25 €
Zu Weyhers Beitrag von Michael Imhof S. 375-377.
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| Michael
Imhof: 400 Jahre Juden in der Rhön. Herausgegeben von Zukunft Bildung Region Fulda e. V.
21 x 29 cm, 344 Seiten, 562 Farb- und 59 S/W-Abbildungen, Klappenbroschur. ISBN 978-3-7319-0476-2
(D) 39,95 €, (A) 41,10 €, CHF 45,90.
Erschienen im Michael Imhof-Verlag.
Informationsseite
zur Publikation mit Downloads und "Blick ins Buch"
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Michael
Imhof: Juden in der Rhön. Jubiläumsausgabe 1700 Jahre jüdisches Leben
in Deutschland. Hrsg. von Zukunft Bildung Region Fulda e.V.
2. erweiterte Neuauflage des
oben genannten Buches.
21 x 29 cm, 424 Seiten, über 689 Farb- und 40 SW-Abbildungen.
Klappenbroschur. ISBN 978-3-7319-1176-0. 39,95 €.
Erschienen im Michael Imhof-Verlag.
Informationsseite zur Publikation mit Downloads und "Blick ins Buch"
Seit 400 Jahren waren Juden in den Landstädten und Dörfern der hessischen
Rhön urkundlich verbürgt. Ende des Mittelalters und noch zu Beginn der
Frühen Neuzeit aus ihren angestammten Wohngebieten vertrieben, fanden viele von ihnen auf den Territorien von Ritterschaften und der Universität Würzburg auch in der Rhön eine neue Bleibe. Erst mit der rechtlichen Gleichstellung der Juden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte für sie ein wirtschaftlicher und sozialer Prozess ein, der den Namen Emanzipation verdient. In den Gemeinden der Rhön wurden sie zu wesentlichen Wegbereitern der Moderne. Dieser Entwicklung stellte sich ein zunehmender Antisemitismus schon in der Kaiserzeit entgegen. Als mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 der Judenhass zum Regierungsprogramm wurde, begann auch für die in der Rhön lebenden Juden eine Zeit der Demütigungen und Verfolgungen mit dem Ziel ihrer Vertreibung und
Vernichtung.
Rezension von Jutta Hamberger in den Osthessen-News vom 18. Oktober 2021:
https://osthessen-news.de/n11655845/aufwuehlende-spurensuche-in-der-rhoen-michael-imhoff-juden-in-der-rhoen.html.
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