Title: Probleme aus der Praxis beim Ausstieg aus der Prostitution
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Probleme aus der Praxis beim Ausstieg aus der Prostitution:

Versorgungslücken in der Krankenversicherung
Eine Klientin wandte sich nach ihrem Ausstieg aus der Prostitution an SOLWODI und zog in eine unserer Schutzwohnungen. In den 90er Jahren war sie zuletzt familienversichert, doch die Krankenkasse reagierte nicht. Bei der Klientin bestand der Verdacht auf einen Tumor. Labor- und Arztrechnungen zahlte SOLWODI. Dabei überwies das Jobcenter Beiträge auf die noch existierende Krankenversicherungsnummer. Erst nach 1,5 Jahren nimmt die Kasse die Frau neu auf und schickt eine Krankenversicherungskarte. Dieser Fall ist keine Seltenheit. Für diese Frauen hat die Stiftung: do die SOLWODI-Fachberatungs-stelle Braunschweig im einjährigen Projekt "Fit für die Integration – Gesundheitliche Förderung für Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und Armutsprostituierte" unterstützt. Das Projekt der Stiftung umfasst folgende Leistungen: den Krankenversicherungsschutz, die Vermittlung an ÄrztInnen bei besonderen Beschwerden, Sportkurse und Netzwerkarbeit.

 

Probleme mit dem Jobcenter
Eine SOLWODI-Klientin war aus der Prostitution ausgestiegen und hatte ihr Gewerbe abgemeldet. Zuletzt arbeiteten in ihrem Wohnungsbordell auch andere Frauen. Im Gespräch mit der SOLWODI-Beraterin nennt sie die Gründe ihres Ausstiegs: eine 40-prozentige Schwerbehinderung sowie ein Trauma, das durch die Prostitution ausgelöst wurde. "Als ich Leistungen beantragte, warf mir das Amt vor, es sei zumutbar, das Gewerbe für die anderen Frauen aufrechtzuerhalten". Doch viele dieser Frauen, so die Klientin weiter, hatten massive Alkohol- und Drogenprobleme. "Wenn sie zu schwach zum Spritzen waren, erledigte das ein "guter Freund" für sie. All das habe ich am Ende nicht mehr ertragen".
Erst nach Intervention wurden Leistungen bewilligt, die jedoch nach kurzer Zeit wieder gekürzt wurden. Grund: Die Klientin fand in ihrem ursprünglichen Job ein Praktikum, für das sie pro Monat lediglich einen zweistelligen Betrag erhält. Die Behörde legt hingegen bei ihren Berechnungen im Bescheid einen fiktiven Verdienst von 450 € zugrunde. Ein Widerspruch läuft.

 

"MIRA" – aufsuchende Beratung bei SOLWODI Augsburg
Über 1500 Frauen sind in Augsburg jährlich in der Prostitution. Die zu 90% ausländischen Frauen stammen vielfach aus Südosteuropa. Um sie zu erreichen, finanziert die Stadt eine halbe Stelle für aufsuchende Milieusozialarbeit. Seit Juli 2016 besucht über das Projekt "MIRA" eine rumänisch-sprechende SOLWODI-Kollegin in Kooperation mit dem Gesundheitsamt Frauen in Bordellen und Laufhäusern. Bisher konnten über "MIRA" 100 Frauen erreicht werden. Diese Frauen kennen weder Rechte noch örtliche Strukturen. SOLWODI Augsburg begleitet sie zum Gesundheitsamt oder zum Arzt. Die ersten Frauen fragen inzwischen nach konkreten Beratungsterminen, z.T., um sich über Ausstiegsmöglichkeiten zu informieren. Mit dem Projekt „MIRA“ ist ein Anfang gemacht. Doch braucht es neben Rückkehrperspektiven ins Heimatland realisierbare Konzepte für den Ausstieg. Hierzu bedarf es intensiver Gespräche mit der Stadt Augsburg, Behörden, Ämtern und Wohlfahrtsverbänden.

Artikel Nr. 5 von 10 in: Rundbrief Nr. 111 - März 2017
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