SOLWODI-Fachberatungsstelle in Berlin

Zahlen und Fakten
2016 wurden insgesamt 319 Frauen aus 56 Ländern beraten. Darunter waren 143 Mütter mit 165 Kindern. 245 Klientinnen wandten sind erstmalig an die Beratungsstelle, 74 wurden aus dem Vorjahr übernommen. 109 Frauen wurden langfristig beraten. 82% davon stammen aus afrikanischen Ländern, die meisten aus Nigeria, gefolgt von Ghana, Eritrea, Kenia und Somalia.
31 der beratenen Frauen waren Betroffene von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung; bei weiteren 31 Frauen bestand Verdacht auf Menschenhandel.
Die häufigsten Kontaktgründe der sich erstmalig an die Beratungsstelle wendenden Klientinnen waren wie im Jahr 2015 Aufenthaltsprobleme, Schwangerschaft und Unterkunftssuche. Ein leichter Anstieg in Bezug zum Vorjahr ist beim Kontaktgrund psychische Erkrankung/Traumatisierung zu erkennen.
Der überwiegende Teil der Frauen hat, wie auch im vergangenen Jahr, durch Mundpropaganda anderer Klientinnen, Freunde oder Bekannter von der Beratungsstelle und den Unterstützungsangeboten erfahren. Viele Frauen wurden auch von anderen Beratungsstellen und Organisationen an SOLWODI Berlin vermittelt.

Beratung und Begleitung
Der große Zustrom von Frauen hielt an. Die Beratungsanfragen erforderten ein hohes Maß an Organisation und Flexibilität, um zeitnahe Termine zu ermöglichen und Beratungen und Begleitungen zu koordinieren. Die kollegiale Fallbesprechung innerhalb des Teams, welches sich seit Mai um eine Kollegin erweitert hat, bleibt dabei ein unverzichtbarer Bestandteil der täglichen Arbeit und sichert nachhaltig die Beratungsqualität.
Die erste Klärung des Hilfebedarfs erforderte ein sensibles Vorgehen, das u.a. durch die interkulturellen Kompetenzen des Teams und die Mehrsprachigkeit der Mitarbeiterinnen gewährleistet wurde. Das Anteilnehmen an der persönlichen Geschichte der Frauen sowie die „Erste Hilfe“ bei sozialen Schwierigkeiten führten dazu, dass sie Vertrauen fassen und sich den Beraterinnen öffnen konnten. Eine Ressourcen erkennende und stärkende psychosoziale Beratung trug zudem zur psychischen Stabilisierung der Klientinnen bei und ermöglichte es ihnen, im Alltag wieder handlungsfähig zu werden. Die Beratung bei SOLWODI Berlin geht von einer detaillierten sozialen Diagnostik aus, die die biographische Anamnese und Analyse der subjektiven und objektiven Problemlage der Klientin miteinschließt und eine Mitarbeit der Frau voraussetzt. Im Beratungskontext können somit Empowerment-Prozesse in Gang gesetzt und die Frau befähigt werden, (wieder) eigene Unterstützungssysteme zu aktivieren.
Die besondere Schutzbedürftigkeit der Klientinnen nimmt einen großen Stellenwert in allen Aspekten der Beratung und Begleitung ein. Die Suche nach geeigneten Schutzunterkünften, die die speziellen Bedürfnisse berücksichtigt, wird in Berlin immer schwieriger und zeitintensiver, da die wenigen Zufluchtswohnungen häufig überfüllt sind.
Die in den meisten Fällen psychisch sehr belasteten oder traumatisierten Frauen konnten von einer traumazentrierten Fachberatung profitieren, die in der Beratungsstelle von einer Mitarbeiterin mit entsprechender Zusatzqualifikation angeboten wurde. Die Suche nach geeigneten Psychotherapien und DolmetscherInnen, welche eine muttersprachliche Therapie ermöglichen, gestaltete sich auch 2016 sehr schwierig und scheiterte häufig an zu geringen finanziellen Möglichkeiten und/oder ungeeigneten Therapieformen.
Entscheidend für eine erfolgreiche Beratung ist nach wie vor die positive Gestaltung einer tragfähigen Beratungsbeziehung, die es Beraterin und Klientin ermöglicht, voneinander zu lernen, Kraft und Freude zu schöpfen und sich immer wieder neu zu erfahren. Trotz des herausfordernden Alltags bewahren sich die Frauen vor allem eines - ihre Hoffnung - eine wahre Inspiration für jeden, der mit ihnen arbeitet!

Integrationsangebote
Auch 2016 haben wir neben der psychosozialen Beratungsarbeit ein vielfältiges Angebot geschaffen. Es sind Möglichkeiten sich auszuprobieren, Entlastung zu erfahren und sich durch Regelmäßigkeiten zu stabilisieren. Die Angebote sind kostenlos und freiwillig.
Im wöchentlich stattfindenden Kunstprojekt standen das Erlernen von bestimmten Techniken der Malerei und das Einbringen der eigenen Kreativität im Mittelpunkt.
Das Theaterprojekt fand einmal im Monat statt und wurde von unserer theatererfahrenen Mitarbeiterin geleitet. Übungen und Spiele, die einen Zugang zum eigenen Körper schaffen, stärkten die Gruppendynamik und förderten  Improvisationen.
In Kooperation mit dem IPZ (Internationales Pastorales Zentrum des Erzbistums Berlin) und der Bildungsstätte JACK konnten wir wieder zwei Selbstverteidigungskurse durchführen. Beide wurden von einer sehr erfahrenen Selbstverteidigungstrainerin geleitet.
Ebenso fanden zwei Fahrradprojekte statt. Ein Kurs in den Sommermonaten wurde durch einen großen ehrenamtlichen Helferkreis und in Kooperation mit der Bildungsstätte JACK und dem IPZ organisiert. Ein weiteres Fahrradprojekt im Herbst konzentrierte sich auf kleine Gruppen von Ehrenamtlichen, die sich mit einzelnen Frauen trafen.
Auch ein weiteres Kooperationsprojekt mit Studentinnen der Sozialen Arbeit von der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin konnte realisiert werden. Die Studentinnen erstellten in eigener Recherche eine Social Map, d.h. ein umfangreiches Angebot an günstigen Einkaufsmöglichkeiten innerhalb von Berlin und stellten diese den Klientinnen im Rahmen einer Informationsveranstaltung vor.
Mittlerweile ist es zur Tradition geworden, zusammen mit den Klientinnen ein Sommerfest und ein Weihnachtsfest zu feiern. Unser großes kulturelles Sommerfest fand auf dem Tempelhofer Feld statt. Das Wetter meinte es gut und es wurde ausgelassen gefeiert, gegessen und gelacht. Das SOLWODI- Weihnachtsfest feierten wir in den Räumen des IPZ. Dank verschiedener Spenden konnten wir den über 50 Frauen mit ihren Kindern ein schönes Geschenkezimmer herrichten. Des Weiteren gab es, wie auch beim Sommerfest, interkulturelles Essen sowie gemeinsames Singen und Tanzen.
Was alle diese Veranstaltungen und Kurse charakterisiert, ist die Freude der Frauen, die sowohl im Lernen neuer Fertigkeiten als auch in der Begegnung mit anderen ein Stück Stabilisierung und Sicherheit und damit auch ein Stück Heilung erfahren.

Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung
2016 hielten Mitarbeiterinnen zahlreiche Vorträge und Workshops, besonders zum Thema „Arbeit mit Betroffenen von Menschenhandel“, vor allem in Berlin, aber auch z.B. an der Stettiner Universität, in Brüssel bei der MitarbeiterInnen-Fortbildung des Jesuiten Flüchtlingsdienstes Europa sowie im Rahmen des Netzwerks RENATE in Rom.
Vom 26. bis 27. Oktober 2016 nahm eine Mitarbeiterin an der im Vatikan stattfindenden Vollversammlung der Santa Marta Group teil. Diese internationale Gruppe von Bischöfen, Polizeichefs, Ordensleuten und in der Gesellschaft Engagierten aus über 30 Ländern wurde vor zwei Jahren mit Unterstützung von Papst Franziskus gegründet und berät, inwiefern Menschenhandel durch die Zusammenarbeit der verschiedenen betroffenen Institutionen eingedämmt werden kann. Im Dezember sendete das ZDF eine in diesem Zusammenhang gedrehte Dokumentation mit dem Titel „Schleuser, Schurken und der Papst“, in dem auch über die Arbeit von SOLWODI berichtet wurde.

https://www.zdf.de/dokumentation/dokumentation/franziskus-und-sein-kampf-gegen-den-menschenhandel-100.html  

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