Erzherzog Carl von Österreich, Oberbefehlshaber der österreichischen Truppen 1796 im Feldzug gegen Frankreich:
Die Gegend zwischen der Sieg und der Lahn war der Schauplatz der ersten Operationen des Feldzugs.
Sie wird von einem rauhen Mittelgebirge durchschnitten, dessen Hauptrücken ostwärts von dem
höhern Gebirge der sogenannten Kalten Eiche herstammt, in der Gegend von Burbach die Sieg von
der Dyle scheidet, und sich von da unweit Renderoth über Urdorf, Dreisbach, Ober-Sayn gegen
Hahn, wo sich die Straßen nach Höchstebach und Hachenburg trennen, ausdehnt.
Aus diesem Rückenentspringen sehr viele Wässer, die in den Rhein, die Sieg und die Lahn fließen und
durch Füße des Gebirges von einander gesondert werden. Die vorzüglichsten sind: die Dyle, die
unter Wezlar, die Els, die bei Limburg in die Lahn fällt; die große Nister, die bei Humbergen nächst an
der Straße von Herborn nach Hachenburg entspringt, in der Richtung dieser Straße fortläuft, dann bei
Crobach die kleine Nister aufnimmt, und sich bei Wiesen in die Sieg ergießt; endlich der Wiedbach,
der von seinem Ursprung bei Hachenburg in einem halben Kreis dem Rhein zuströmt. Diese Wässer
sin unbedeutend; nur die beiden letztern bilden beschwerliche Defileen, weil ihr Lauf von steilen
Höhen eingeschränkt ist.
Das Land ist durchschnitten; viele Bäche erzeugen ebenso viele Thäler, und die Gebirge sind zwar
nicht sehr hoch, doch rauh, steinig und waldig. Nur auf dem Hauptrücken finden sich einige kleine
Flächen, und in der Gegend von Freilingen zwischen Hahn und Höchstebach mehrere Sümpfe. Von
dem Rhein bis zur Els sind die Thäler durchaus tief, und die Berge steil. Nicht weniger beschwerlich ist
die Gegend zwischen den Ursprüngen des Wiedbachs und der Els, zugängiger aber von der Els gegen
die Dyle, besonders wo sich diese der Lahn nähert. Von dem rechten Ufer des Wiedbachs hingegen
zur Mittel-Sieg und der Nister, und von da zur oberen Dyle ist das Terrain wegen der vielen Thäler,
Waldungen und der wenigen Communicationen am meisten durchschnitten und unwegsam. Längs
der Hauptstraße von Altenkirchen über Kircheip gibt es jedoch einige kleine offene Strecken.
Gegen die untere Sieg fällt das Land und wird vom Ausfluß der Nister immer offener, besonders
abwärts Blankenberg, wo es sich unter Pleiß in eine Ebene abflächt, die sich immer mehr erweitert,
und bis zum Rhein fortgeht. – Die Sieg hat dort nicht nur sehr viele Furthen, sondern auch mehrere
Übergangspunkte; oberhalb ist jener bei Siegen der wichtigste. ....
Die vorzüglichsten Communicationen in der ganzen Gegend sind:
Die Heerstraße, die von Siegburg über Ukerath, Kircheip, Weyerbusch nach Altenkirchen geht; - hier
teilt sie sich in eine über Höchstebach, Freilingen, Hahn, Wallmerode und Els nach Limburg, und die
andere über Hachenburg, Kirburg nach Salzberg, wo diese abermals in zwei Straßen zerfällt, deren
eine über Renderoth, Hadamar nach Limburg, und die andere nach Herborn führt, und sich daselbst
mit jener vereinigt, die von Siegen über Dillenburg nach Wezlar zieht.
Von Thal-Ehrenbreitstein geht eine Chaussee über Montebauer nach Limburg. Außerdem hat das
Land viele Verbindungen durch Landstraßen; diese sind jedoch nur in den offenen Strecken für alle
Gattungen Truppen und Geschütz anwendbar, und dürfen folglich nur für kleine Seitencolonnen in
Antrag gebracht werden. Die meisten transversalen Wege führen gegen Neuwied, den vorzüglichsten
Überhangspunkt am Rhein, und mehrere vereinigen sich bei Dierdorf, um von da das beschwerliche
Defilee des Wiedbachs zu durchkreuzen.
Quelle: Erzherzog Carl 1813: Grundsätze der Strategie.- Wien 1813, Band II, S.39-45
Begriffserklärungen:
Communicationen = (Straßen-) Verbindungen
Crobach = Kroppach
Defilée = Enge
Dyle = Dill
Els = Elbbach, rechter Nebenlauf der Lahn
Humbergen = Homberg
Kalte Eiche = ein 580 m hoher Berg im Südteil des Rothaargebirges. Rund 800 m südöstlich des Bergs „Kalteiche“ grenzt der gleichnamige Bergrücken „Kalteiche“ an, der sich auf der Grenze zu Hessen befindet.
Renderoth = Rennerod
Salz = Salzburg
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