Betreuung der eingezogenen Soldaten durch die Kirchengemeinde 1939
Brief von eigener Hand des Pfarrers Alfred Zemke, der 1938 dem in den Ruhestand gegangenen Pfarrer Ludwig Heckenroth folgte, an
einen nicht genannten Leutnant:
Altenkirchen, den 24. Okt.39
Sehr geehrter Herr Leutnant!
Vor einiger Zeit erbaten wir Altenkirchener Pfarrer uns
von der Gemeinde die Anschriften ihrer im Kriegsdienst
stehenden Angehörigen. Wir wollten unseren Gemeinde-
gliedern draußen einen Gruß ihrer Heimatgemeinde übermitteln,
der erfahrungsgemäß stets eine Freude bedeutet hat.
Denn bei aller inneren Größe des Kriegsdienstes ist
doch jeder Angehörige des Heeres herausgerissen worden aus
dem ganzen Lebenskreis, in dem er verwurzelt ist,
u. eine Anteilnahme der Heimatgemeinde verdeutlicht
nicht nur den lebendigen Sinn des Wehrdienstes u. zeigt
nicht nur, daß wir in der Heimat allen Soldaten in bewußtem täglichem
Dankgefühl verbunden sind, sondern soll auch, für die,
welche es verstehen, ein Hinweis sein auf die , über
das rein Menschliche gehende Gemeinschaft des Glaubens.
Im Kriegsdienst wird ja das ganze Leben auf seine letzte Leistung
u. Tragkraft erprobt. Dabei verschwanden bisher noch stets viele
Hemmungen, die sich im friedlichen bürgerlichen Leben dem
Glauben entgegenstellten. Deshalb fand Gott in solchen Zeiten
noch immer zu vielen Leuten den Weg, die sich sonst gegen Ihn
verschlossen hatten. Das beiliegende kleine Bändchen mag
Ihnen zeigen, wie der christliche Glaube ein Soldatenleben
gerade in seinen entscheidenden Teilen ausfüllen kann.
Wir können uns ja keinen Glauben anlernen; aber
wir können annehmen u. abweisen, was Gott uns
jeweils lehren will. Und da der Christenglaube vom
Ernstfall lebt, kann die heutige Zeit vielen in der
letzten Frage des Lebens, der Frage des Glaubens, einen
Gewinn bringen, wie es in gemütlichen Zeiten selten
möglich ist. Wenn Sie, Herr Leutnant, vielleicht auch
augenblicklich nicht gerade dem ganzen Ernst des
Krieges gegenüberstehen, so mag doch Ihre Stellung als
Offizier Ihnen täglich die Forderung nach einer bis
ins letzte klaren Lebenshaltung nahebringen u. Sie
so - nicht erst in den Stunden direkter Lebensgefahr -
zu der innerlichen Arbeit an der Schrift bringen, wie
sie es der allererste Anfang eines Christenlebens ist.
Jedenfalls ist das der Gewinn, welchen die Heimat-
gemeinde für Sie und Ihre Kameraden vor Gott
erbittet neben der Bewahrung in der Gefahr u.
einer frohen Rückkehr.
In diesem Sinn wollen Sie, Herr Leutnant, diesen
Gruß empfangen, welchen ich Ihnen im Auftrage
Ihrer Heimatgemeinde Altenkirchen sende.
Ihr
A. Zemke Pfarrer
Der Brief wurde begleitet von je einem Exemplar des Bändchens von Heinrich Rendtorff: Soldatentum und Gottesglaube.- Berlin 1937
Auszug aus dem Abschnitt Sterbensbereitschaft(S.42):
Der Soldat ist der Mensch, der die beiden schweren Künste versteht: Tötenkönnen und Sterbenmüssen.Wie kann man das?
Der Gottesglaube hat Antwort. Luther sagt es dem Feldobristen, der ihn fragte, sagt es damit allen Soldaten.
Recht sterben kann der Christ, der den wahren Glauben an Gott in Christus hat. Der vermag angesichts des Todes
"sich einfältig in Gottes Gnade zu befehlen und sich nun in diesem Stück als Christ zu stellen".
Gott ist der Herr über das Leben - und über den Tod. Gott gebietet über die Zeit - und über die Ewigkeit.
Pfarrer Zemke wurde selbst zum Kriegsdienst eingezogen und starb am 2.12.1941 als Soldat in Russland.
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