In diesen Tagen der Karnevalszeit geht es in vielen Sälen und auf vielen Straßen wieder ausgelassen zu. Mit einem hohen Einsatz an Ideen und Zeit engagieren sich wieder Zigtausende, um anderen und sich selbst einige vergnügliche Stunden zu bereiten. Manch eingefleischter Karnevalist fiebert schon das ganze Jahr hindurch auf die närrische Saison. Andere nehmen Reißaus, weil ihnen nicht nach feiern zumute ist, oder weil sie sagen: Ich kann mit all dem nicht viel anfangen.
Haben aber die Karnevalisten christlich gesehen nicht doch mehr Recht? Haben Sie nicht sogar Jesus auf ihrer Seite, von dem wir aus dem Neuen Testament wissen, dass er sich gerne zu Festen einladen ließ; Feste, auf denen nicht nur die Frommen und Tugendhaften, sondern durchaus zweifelhafte Gestalten anzutreffen waren, so dass man Jesus als einen Fresser und Säufer, als Freund der Sünder beschimpfte (Mt 11,19)? Und war nicht eines der zentralen Anliegen Jesu, dass in seinen Jüngern die Freude lebendig ist? Ausdrücklich sagt er in seinen Abschiedsreden: »Ich will, dass meine Freude in euch ist, und dass eure Freude vollkommen wird« (vgl. Joh 15,11). Leider führt Jesus nicht aus, was er unter dieser vollkommenen Freude versteht.
Eine schöne Erklärung findet sich in den Lebensbeschreibungen des hl. Franz von Assisi. Dort wird erzählt: »Einmal fragte Bruder Leo den hl. Franziskus: ›Vater, ich bitte dich, sage mir, worin die vollkommene Freude liegt.‹ Der Heilige antwortete ihm: ›Wenn wir unser Kloster Santa Maria degli Angeli erreichen, durchnässt vom Regen und durch gefroren von Kälte, von Schlamm beschmutzt und von Hunger geplagt, und an die Klosterpforte klopfen, und der Pförtnerbruder kommt voll Zorn und fragt: Wer seid ihr?, und wir sagen: Wir sind zwei von euren Brüdern, und er sagt: Ihr redet nicht die Wahrheit. Ihr seid nur zwei Schurken, die die Welt betrügen und den Armen die Almosen stehlen, schert euch weg! Und er lässt uns draußen stehen in Schnee und Regen. Und wenn wir dann, vom Hunger und der Kälte und der Nacht bedrängt, wieder klopfen und rufen und um der Liebe Gottes willen bitten, er möge uns doch einlassen, und wenn er noch aufge¬brachter sagt: Diese lästigen Tölpel. Ich werde ihnen ver¬passen, was sie verdienen, und herauskommt mit einem Knotenstock, uns an der Kapuze packt, zu Boden wirft und uns tüchtig mit dem Stock durch prügelt. Wenn wir all das in Geduld und Fröhlichkeit ertragen und dabei der Leiden Christi, des Gesegneten, gedenken, oh, Bruder Leo, schreib, dass darin die vollkommene Freude liegt‹« (Fioretti c. VIII).
Es braucht nicht viel Phantasie, sich diese Szene plastisch vorzustellen. Trotzdem lässt sich angesichts der Kälte und der Prügel, die die beiden erfahren, fragen: Ist das wirklich die vollkommene Freude, die Jesus meint? Und vor allem: Ist diese herbe Art von Freude wirklich erstrebenswert?
Nun, man muss sich ja nicht unbedingt prügeln lassen, aber die Freude der beiden speist sich aus der tiefen Gewissheit, in allem von der Liebe Gottes gehalten zu sein, und darauf kommt es an. Denn die vollkommene Freude des Glaubens ist eine Freude, die auch dann noch anhält, wenn für Ausgelassenheit und Frohsinn kein Platz ist. Sie ist deshalb anziehend, weil sie auch das Schmerzliche nicht ausblendet, sondern es zulässt. Und schließlich ist die Freude, die aus dem Glauben stammt, eine Freude, die mich dazu bringt, mich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Sie ist eine Heiterkeit, die aus dem gelassenen Vertrauen auf Gott kommt. Vom englischen Schriftsteller Chesterton stammt der bekannte Spruch: »Die Engel können fliegen, weil sie sich leicht nehmen. Satan fiel infolge seiner Schwere.«
Wenn im närrischen Treiben dieser Tage immer wieder etwas von der fröhlichen Selbstvergessenheit des christlichen Glaubens aufblitzt, dann trägt die Fastnacht bei zu der bleibenden Freude, mit der uns Gott beschenken will.
Ich wünsche Ihnen einen frohen Fastnachtssonntag!