Liebe Mitbrüder,
liebe pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Sie mit dem Beerdigungsdienst beauftragt sind,
am ersten Adventssonntag tritt die zweite authentische Ausgabe „Die kirchliche Begräbnisfeier in den Bistümern des deutschen Sprachgebietes“ an die Stelle der Ausgabe von 1972/1973. Dies hat die Deutsche Bischofskonferenz zum Anlass genommen, eine Pastorale Einführung als Arbeitshilfe herauszugeben. Sie will nicht alle Dimensionen des kirchlichen und pastoralen Handelns angesichts des Todes thematisieren, sondern greift neben den pastoral-liturgischen Aspekten einzelne Themen auf. In diesem Kontext wird übrigens auch auf die Pastorale Handreichung zum Umgang mit Tod und Begräbnis im Bistum Trier wertschätzend hingewiesen.
Ich möchte Ihnen die Pastorale Einführung der Deutschen Bischöfe … ans Herz legen. Ich glaube, sie ist geprägt von einer angemessenen und realistischen Sicht des gesellschaftlichen Wandels und der sich daraus ergebenden Herausforderungen in der Bestattungspastoral.
Das Feld der Bestattungspastoral ist in der Tat sehr stark in Bewegung. Wir spüren dabei, dass unsere Prägekraft als Kirche auch in diesem Bereich stark schwindet. Dadurch sind wir immer wieder mit neuen gesellschaftlichen Trends konfrontiert, was auch für „Zündstoff“ zwischen pastoral Verantwortlichen und trauernden Angehörigen sorgen kann, aber auch für Diskussionen unter den in der Pastoral Tätigen selbst.
Daher haben wir uns während der Bistumsdechantenkonferenz vor zwei Wochen noch einmal eingehend mit der Thematik beschäftigt. Es sind dabei einige inhaltliche Grundlinien deutlich geworden, die ich Ihnen mitteile und allen, die in diesem pastoralen Feld tätig sind, dringlich ans Herz lege.
1. Der Pragmatismus, der aus ganz unterschiedlichen Gründen am Ende des Lebens um sich greift und zuweilen den Charakter einer regelrechten „Entsorgungsmentalität“ trägt, ist erschreckend. Eine solche Haltung können und wollen wir aus christlicher Sicht nicht einfach hinnehmen. Deshalb sind wir aufgerufen, immer wieder auf neue Weise für die christliche Sicht von Leben und Tod zu werben, von der Würde des Menschen, auch des Verstorbenen, zu sprechen und die Wichtigkeit zu betonen, Trauer und Abschied zu ermöglichen und beidem angemessen Raum zu geben.
Wie die Erfahrung zeigt, muss eine solche „Werbung“ und damit verbundene Bewusstseinsbildung in „guten Tagen“ des Lebens geschehen, vor allem durch die Verkündigung, durch eine sorgfältig gefeierte Totenliturgie (an der ja auch immer Menschen teilnehmen, die nicht zum Kreis der Angehörigen zählen) sowie durch Elemente der Erwachsenenbildung.
2. Der Respekt vor den Toten, vor allem aber vor den trauernden Angehörigen verbietet es, die kritische und belastete Situation eines Todesfalles als Gelegenheit zu einer Grundsatzdiskussion – etwa bezüglich einer Urnen- oder einer Friedwaldbestattung – zu benutzen.
Das bedeutet nicht, dass der Seelsorger sich allen Wünschen von Angehörigen beugt. Mitunter wird es kluge pastorale Unterscheidung brauchen. Es muss aber jeder Anschein vermieden werden, dass die Situation der Schwäche und der Angewiesenheit auf den Seelsorger ausgenutzt wird, um kirchlich zu disziplinieren (vgl. auch Pastorale Einführung Nr. 80). Ich will daran erinnern, dass die Begräbnisfeier kein Sakrament und Tote bestatten eines der Werke der leiblichen Barmherzigkeit ist.
3. Trotzdem bleibt unbestritten, dass nach katholischem Verständnis die Bestattung des Leichnams nach wie vor die bevorzugte Form der Bestattung ist. Deshalb möchte ich sie noch einmal ausdrücklich empfehlen (vgl. Pastorale Einführung Nr. 21).
Der Leib ist einzigartiger Ausdruck der menschlichen Person. Wir haben nicht nur einen Leib, wir sind Leib. Ohne ihn könnten wir keine Beziehung zu anderen und zur Welt aufnehmen. Daher hat noch der tote Leib, auch der von Alter und Krankheit gezeichnete Leib besondere Würde und erleichtert es den Hinterbliebenen in der Zeit bis zum Begräbnis, Beziehung mit dem Verstorbenen aufzunehmen und den Abschied von ihm zu gestalten. Gerade für den Prozess des bewussten und schrittweisen Abschiednehmens ist diese Dimension nicht zu unterschätzen. Der zu Asche verbrannte Leichnam in der Urne lässt eine solche Beziehungsaufnahme nicht mehr zu. Denn die Asche ist in keiner Weise mehr Symbol menschlicher Personalität (*). Deshalb ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Aufstellung der Urne während des Requiems zwar nicht explizit untersagt, aber nicht sinnvoll ist (vgl. Pastorale Einführung Nr. 36).
Daran wollte auch die vom Bistum Trier im Jahr 2007 herausgegebene Handreichung zum Umgang mit Tod und Begräbnis nichts ändern. Im Gegenteil: Die Handreichung wollte vielmehr feststellen, unter welchen Bedingungen eine kirchliche Mitwirkung bei einer Einäscherung des Leichnams, einer anonymen Beisetzung und einer Friedwaldbestattung überhaupt möglich und sinnvoll ist (vgl. Pastorale Handreichung für das Bistum Trier, Nrn. 3.2.3 und 3.2.4).
4. Die Zeit, bestimmte Bestattungsformen zu verhindern, indem wir mit kirchlichen oder gar jenseitigen Strafen drohen, ist vorbei. Der Weg kann nur heißen, auf gewinnende Weise deutlich zu machen, wie sehr unsere christlich-katholische Begräbnis- und Trauerkultur der Würde des Menschen, seiner Sehnsucht nach einem Leben über den Tod hinaus, seinem Wunsch nach unzerstörbarer personaler Gemeinschaft, sowie dem Bedürfnis trauern und Abschied nehmen zu dürfen, entspricht. Wahrscheinlich ist es vielerorts mit gewinnenden Hinweisen nicht mehr getan. Vielmehr muss eine hilfreiche Alternativ-Kultur für diesen Bereich des menschlichen Lebens neu entwickelt werden. Hierzu bitte ich Sie alle um die nötige Sensibilität und Kreativität, nach entsprechenden Formen Ausschau zu halten und sie zu unterstützen. Vielleicht können wir das, was früher die Sterbe- und Gebetsbruderschaften waren, auf zeitgemäße Weise wieder neu beleben?
Die Impulse, die die Pastorale Handreichung zum Umgang mit Tod und Begräbnis im Bistum Trier gegeben hat, sind erfreulicherweise bereits in vielen Dekanaten aufgegriffen worden. Es wurde das Gespräch mit Bestattern und Kommunen gesucht und in Fachkonferenzen damit weiter gearbeitet. So hat das Dekanat Merzig erst kürzlich mit Unterstützung unserer Pressestelle eine ansprechende eigene Handreichung zur Würde des Menschen in Krankheit, Sterben, Tod und Trauer herausgegeben. Für die vielen Initiativen in diesem Feld bin ich dankbar.
5. Liebe Mitbrüder, lassen Sie mich die Gelegenheit dieses Anschreibens auch nutzen, um Sie darüber zu informieren, dass wir in der Bistumsdechantenkonferenz darüber nachgedacht haben, welche Entlastungsmöglichkeiten es im Feld der Begräbnispastoral und -liturgie für die Pfarrer geben kann - gerade im Blick auf die größer werdenden pastoralen Räume. In der Diskussion mit den Dechanten wurde deutlich, dass es angesichts der Differenziertheit der pastoralen Situationen in unserem Bistum nicht die für alle gültige Lösung geben wird. Vielmehr schien es uns geraten, in der kommenden Zeit einen Kriterienkatalog zu erarbeiten, der helfen soll, die jeweilige Situation zu bewerten und dann zu Entscheidungen zu kommen, wie etwa die Mitarbeit von Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten, Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten oder geschulten Ehrenamtlichen aussehen kann. Ich denke, dass im Rahmen der Priestergespräche Gelegenheit sein wird, diese Frage aufzugreifen.
Liebe Mitbrüder, liebe pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ich möchte nicht schließen, ohne Ihnen für Ihren anspruchsvollen, oft auch menschlich belastenden, in jedem Fall aber so sinnvollen Dienst, den Sie in der Bestattungspastoral den Menschen zu Gute kommen lassen, zu danken. Er ist ein echtes Zeichen menschlich-christlicher Solidarität und ein Zeugnis unserer Auferstehungshoffnung.
In der Vorfreude auf die Begegnungen bei den Priestergesprächen und mit besten Wünschen für eine gesegnete Adventszeit grüßt Sie ganz herzlich
Ihr
Dr. Stephan Ackermann
- Bischof von Trier -
* Zugespitzt stellt sich die Situation dort dar, wo vor einer Verbrennung des Leichnams keine Aufbahrung vorgesehen ist. Die einzige Möglichkeit der Verabschiedung von dem Verstorbenen ist dann nur für eine kurze Zeit nach dem Eintreten des Todes gegeben, was für die Angehörigen eine Überforderung bedeuten kann. Daher ist auch die Feier der Verabschiedung vor einer Einäscherung (S. 129 im neuen Rituale) noch einmal ins Bewusstsein der Gläubigen zu rufen.