Ein Zwischenruf der Ökumenischen Arbeitsgruppe der Aktion Arbeit des Bistums Trier und der Evangelischen Kirche im Rheinland (Oktober 2013)

Teilhabe-Jobs als Element öffentlich geförderter Beschäftigung in einem integrierten Arbeitsmarkt

Die ökumenische Arbeitsgruppe hat sich in intensiver Weise mit der Diskussion um öffentlich geförderte Beschäftigung auseinandergesetzt. Sie unterstreicht ausdrücklich die Notwendigkeit der Schaffung dauerhaft öffentlich geförderter Beschäftigung für von Langzeitarbeitslosigkeit betroffene Menschen. Gleichzeitig verweist sie auf die notwendige Differenzierung innerhalb der Zielgruppe und der für die Menschen notwendigen Beschäftigungsformen.

Diese müssen neben dem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auch die Möglichkeit  niedrigschwelliger Formen umfassen. Die Arbeitsgruppe schlägt daher in Ergänzung zu den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen die Einführung von Teilhabe-Jobs vor. Nur ein durchlässiges Konzept öffentlich geförderter Beschäftigung kann den differenzierten Möglichkeiten der Menschen im SGB II gerecht werden.

  • 1. Arbeit in der Sozialen Marktwirtschaft Switch

    1. Arbeit verleiht dem Menschen Würde, sie dient der eigenständigen Existenzsicherung, prägt die individuelle Identität und trägt zur gesellschaftlichen Integration bei. Das Recht auf Arbeit, von der man leben kann, ist in der Menschenrechtskonvention und den Konventionen der Internationale Arbeitsorganisation ILO verankert. Die Einlösung dieses Menschenrechtsanspruchs ist nicht verhandelbare Pflicht des Staates.
    2. Das System der Sozialen Marktwirtschaft lebt vom Austarieren der Marktkräfte einerseits und dem Wohl des Einzelnen und der sozialen Stabilität andererseits. Arbeitsmarktpolitik hat deshalb immer wirtschaftspolitische und sozialpolitische Aspekte.
    3. Wo die marktwirtschaftlichen Kräfte nicht ausreichen, genügend geeignete Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, ist der Staat verpflichtet, unter  Beachtung des Subsidiaritätsprinzips einzugreifen.
    4. Zur Erfüllung der Aufgabe, den Rahmen für eine gut funktionierende Wirtschaft zu gestalten, setzt der Staat auch auf die Subventionierung von Projekten und Branchen der gewerblichen Wirtschaft in Milliardenhöhe.
      Um den Rahmen für einen gut funktionierenden Arbeitsmarkt zu gestalten, in dem das Recht auf Arbeit verwirklicht wird, sind dann im Sinne der sozialen Marktwirtschaft Subventionen für die „Branche der Arbeitsuchenden“ angemessen.
  • 2. Integrierter Arbeitsmarkt Switch

    1. Die Segmentierung des Arbeitsmarktes ist aufzugeben. Keine Nieschen, keine Abschottung, keine Sonderregelungen, sondern ein integrierter Arbeitsmarkt mit  den gleichen Regeln für alle, in dem alle Arbeitgeber dieselben Instrumente und Förderlichkeiten einsetzten können. Kontraproduktive Einschränkungen wie "zusätzlich", "wettbewerbsneutral" oder "im öffentlichen Interesse" müssen entfallen.
    2. Ein integrierter Arbeitsmarkt ist durchlässig mit Übergangsmöglichkeiten von Teilhabe-Jobs (siehe unter 3.) über öffentlich geförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bis zur ungeförderten Erwerbsarbeit. Das Ziel bleibt, einen möglichst hohen Wertschöpfungsgrad zu erreichen (s. Grafik).
    3. Die Leistungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten von Menschen haben individuell unterschiedliche Grenzen. Es gibt arbeitsuchende Menschen, die aufgrund der Dauer ihrer Erwerbslosigkeit und sonstiger Vermittlungshemmnisse keine Chance mehr haben, auf einen ungeförderten existenzsichernden Arbeitsplatz vermittelt zu werden.
    4. Derzeit müssen Jobcenter mit der unsinnigen Aneinanderreihung von Einzelmaß-nahmen häufig wider besseres Wissen versuchen, diese Menschen zu vermitteln.
      Das ist für alle Beteiligten entwürdigend und volkswirtschaftlich schädlich, weil eine dauerhafte Integration in Arbeit oder verlässliche Formen öffentlich geförderter Beschäftigung dadurch verhindert wird.
    5. Neben der Integration in reguläre Arbeitsverhältnisse sind deshalb die soziale Teilhabe und dauerhafte Beschäftigung in den Zielkatalog des SGB II aufzunehmen. Die Möglichkeit dauerhafter Förderung ist bei denjenigen vorzusehen, bei denen eine Einmündung in reguläre Arbeit nicht absehbar ist. Die Einschätzung ist an die individuelle Entwicklung anzupassen.
    6. Weil es eine Vielzahl von Faktoren und Wechselwirkungen als Gründe für Langzeitarbeitslosigkeit gibt, ist ein offenes Fördersystem notwendig. Die Kanalisierung der öffentlich geförderten Beschäftigung in starre Instrumente ist aufzugeben, weil passgenaue Beschäftigung dadurch verhindert wird und Ressourcen vergeudet werden. Für die unterschiedlichen Fähigkeiten und Potentiale der Arbeitsuchenden sind passgenaue individuelle Lösungen vor Ort zu entwickeln. Eine sozialpädagogische Begleitung in erforderlichem Umfang ist notwendig.
    7. Bei der Finanzierung sind die Effekte eines Passiv-Aktiv-Transfers zu berücksichtigen.
  • 3. Besonderheit: "Teilhabe-Jobs" bei fehlender Wertschöpfung Switch

    1. Teilhabe-Jobs sind begleitete und verlässliche Beschäftigungsformen für die vom Arbeitsmarkt am weitesten entfernten Menschen, bei denen Wertschöpfung im erwerbswirtschaftlichen Sinn nicht gegeben ist.
    2. Primäre Ziele der Arbeit in Teilhabe-Jobs sind soziale Teilhabe, gesundheitliche Prävention, Tagesstrukturierende Beschäftigung und das Training von basalen Sozialkompetenzen.
    3. Teilhabe-Jobs sind nicht sozialversicherungspflichtig (im Gegensatz zu der sozialversicherungspflichtigen öffentlich geförderten Beschäftigung für Langzeitarbeitslose, die in  wertschöpfenden Tätigkeiten eingesetzt werden können).
    4. Die Teilnahme soll freiwillig sein.
    5. Die Entlohnung besteht aus dem Leistungsbezug nach SGB II plus angemessener Aufwandsentschädigung.
    6. Achtung: Bestrebungen, schwerstvermittelbare Zielgruppen ins SGB XII auszusteuern, verstoßen gegen das Menschenrecht auf Arbeit und gefährden den sozialen Frieden.
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